Corona hat vieles verändert – auch die Erwartungen von Jobsuchenden an Unternehmen. Eine aktuelle Studie der Technischen Hochschule Deggendorf zeigt, dass die Pandemie bei Millienials ein erhöhtes Bedürfnis nach Sicherheit ausgelöst hat – auf verschiedenen Ebenen.

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Im Jahr 2022 werden 300.000 Menschen mehr in den Ruhestand gehen als in den Arbeitsmarkt eintreten. Doch das ist erst der Anfang einer Entwicklung, die durch den demografischen Wandel vorherbestimmt ist. So prognostiziert das Institut der deutschen Wirtschaft (IW), dass bis zum Jahr 2030 fünf Millionen Fachkräfte in Deutschland fehlen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht mehr Kür, sondern Pflicht der Personalverantwortlichen, sich mit dem Thema der Arbeitgeberattraktivität auseinanderzusetzen.

Besonders die Generation Y oder auch Millennials, also diejenigen Personen, die zwischen 1980 und 1999 geboren wurden, sind für den Arbeitsmarkt von besonderer Bedeutung. Sie machen rund 22 Prozent der berufstätigen Bevölkerung aus und haben noch den größten Teil Ihres Arbeitslebens vor sich.

Da die Covid-19-Pandemie ein gravierender Einschnitt für Gesellschaft und Arbeitswelt darstellte, war es an der Zeit, genauer zu untersuchen, wie die Pandemie die Erwartungen dieser Generation an Arbeitgebende verändert hat. Deshalb hat die Technische Hochschule Deggendorf eine Querschnittsstudie mit mehreren hundert Beteiligten durchgeführt. Das Alter der Stichprobe deckt mit einem Minimum von 21 Jahren und einem Maximum von 40 Jahren die gesamte Spanne der Millennials ab. Von den Befragten war rund die Hälfte in Studium und Ausbildung, und die andere Hälfte in einer von insgesamt neun Branchen rund fünf Jahre beschäftigt.


In der Studie konnten wir mehrere Bereiche identifizieren, die für die Millennials in und nach der Pandemie an Bedeutung gewonnen haben.

Die Top 3″-Veränderungen

1. Mobiles Arbeiten und Homeoffice

Wenig erstaunlich erscheint, dass die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten in der Pandemie für die Arbeitgeberwahl enorm an Bedeutung gewonnen hat. Zugleich ist vielen klar geworden, dass es Nachteile mit sich bringt, ausschließlich im Homeoffice zu arbeiten: soziale Isolation; keine ergonomische Arbeitsumgebung und die Doppelbelastung von Familie und Beruf auf engem Raum, um nur einige zu nennen. Die Ergebnisse der Befragung zeigen deshalb, dass die Mehrheit der Befragten zwei Tage Homeoffice pro Woche bevorzugen würden, um die Vorteile der Arbeit zu Hause optimal mit dem sozialen Austausch am Arbeitsplatz zu kombinieren.

2. Onboarding

Gerade Mitarbeitende, die während der Pandemie neu in ein Unternehmen gekommen sind, haben während der Pandemie erfahren, wie wichtig ein gutes Onboarding ist. Aufgrund der eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten haben viele Unternehmen ihr Onboarding zwar rasch virtualisiert. Hierbei lag die Priorität aber vielfach im Bereich der gesetzlich geforderten Elemente, wie Sicherheits- und Complianceunterweisungen. Dabei kamen Bereiche, die für die neuen Mitarbeitenden von höherer Bedeutung sind, wie das Kennenlernen der Kolleginnen und Kollegen oder auch das Einarbeiten in die Prozesse, oft zu kurz. Hybride oder rein virtuelle Formate wären zwingend erforderlich gewesen, um neue Mitarbeitende zu integrieren, Frustration zu reduzieren und einer Frühfluktuation vorzubeugen. Aber auch nach der Einarbeitungsphase wollen die Befragten regelmäßige Möglichkeiten zum Austausch mit Kollegen und Führungskräften, sei es durch Jour fixes, Coffee Chats, Check-ins oder gemeinsamen Mittagspausen, ob persönlich oder virtuell.

3. Arbeitsplatzsicherheit

Wie die empirische Untersuchung zeigt, hat der Wunsch nach Arbeitsplatzsicherheit aufgrund der Pandemie am stärksten an Bedeutung gewonnen. Deshalb sollten Unternehmen Informationen, die hierauf einzahlen, im Employer Branding besonders berücksichtigen. Sie können beispielsweise auf die Übernahmequote der Auszubildenden in den vergangenen Jahren oder die geringe Fluktuationsquote verweisen. Wie wichtig der Trend zur Arbeitsplatzsicherheit ist, zeigen die Rankings der beliebtesten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, bei denen staatliche Institutionen – besonders solche mit einer Möglichkeit zur Verbeamtung – immer mehr Rangplätze aufholen.

Aktivitäten mit großer Hebelwirkung

Mitarbeitende haben in den vergangenen Monaten häufig am eigenen Körper bemerkt, wie belastend stundenlange Videokonferenzen an ergonomisch nicht optimalen Küchentischen sind, wenn gleichzeitig die Betreuung der Kinder zu erfolgen hat. Die Erkenntnis, dass die eigene körperliche und psychische Gesundheit einen sehr hohen Stellenwert hat, spiegelt sich auch in den Befragungsergebnissen wider. Daher liegt der größte Hebel der Arbeitgeberattraktivität darin, gesundheitsfördernde Angebote einzuführen und bestehende auszubauen. Vitale Pausen, Online-Sportangebote, Hotlines mit geschulten Psychologen, auch für private Probleme, und Angebote für die psychische Gesundheit können die wahrgenommene Attraktivität eines Arbeitgebers enorm verbessern.

Die Flop 3″-Veränderungen

1. Aufstiegs- und Karrierechancen

Während der Coronapandemie haben die internen Aufstiegs- und Karrierechancen der Arbeitgebenden als Faktor für Arbeitgeberattraktivität an Bedeutung verloren. Dies gilt sowohl für Fachlaufbahnen, aber auch für die Wahrnehmung auf Führungsverantwortung. Die Gründe hierfür bildet die Studie nicht ab, aber ein Grund mag sein, dass es vielen Führungskräften schwergefallen ist, plötzlich auf Distanz zu führen. Wenig Möglichkeiten zum informellen sozialen Austausch mit den Teams zu haben, hat viele Führungskräfte überfordert, was auch bei den Mitarbeitenden angekommen sein dürfte.

2. Aus- und Weiterbildung

Auch das Angebot an beruflichen Aus- und Weiterbildungen hat seit der Pandemie einen geringeren Stellenwert als zuvor. Ein möglicher Grund hierfür könnten die aus Sicht der Befragten geringere Attraktivität von Online-Seminaren gegenüber früheren Off-Site-Trainings sein, die möglicherweise auch einen gewissen Incentive-Charakter hatten. Dazu passen auch die geringeren Werte für das Thema „Finanzielle Unterstützung bei künftigen Weiterbildungen“, welche um sechs Rangplätze gegenüber vor der Pandemie abgenommen haben.

3. Kreatives und dynamisches Arbeitsumfeld

Ein kreatives und dynamische Umfeld haben Bewerbende früher noch sehr hoch bewertet. Dieser Aspekt ist aber nun gegenüber anderen Themen, wie Arbeitsplatzsicherheit und Homeoffice, in den Hintergrund gerückt.

Geschlechtsspezifische Unterschiede

Interessant ist der Blick auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede: So bewerten die befragten Frauen gesundheitsfördernde Angebote am Arbeitsplatz oder einen achtungsvollen Umgang mit den Angestellten als signifikant wichtiger als Männer.

Die Studienergebnisse zeigen außerdem Handlungsfelder auf, die nicht unmittelbar im Bereich des Personalmanagements liegen, sondern im Verantwortungsbereich der Unternehmensführung. So haben die Befragten als wichtige Grundvoraussetzungen bei der Arbeitgeberwahl ein funktionierendes Krisenmanagement und einen verantwortungsvollen Führungsstil genannt.

Treiber Sicherheitsbedürfnis

Die Studie zeigt insgesamt, dass das Sicherheitsbedürfnis der Mitarbeitenden seit der Pandemie ein beherrschender Faktor für die Arbeitgeberattraktivität ist. Daraus resultiert das Augenmerk auf Arbeitsplatzsicherheit und monetäre Entlohnung. Sicherheit steht aber auch bezogen auf die persönliche Gesundheit und das Krisenmanagement an vorderster Stelle. Wo früher eine kreative und angenehme Arbeitsatmosphäre die Attraktivität von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern ausgemacht haben, sind heute Gesundheitsmanagement, resilientes Management und Krisensicherheit entscheidend.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Auseinandersetzung mit der Arbeitgeberattraktivität schon vor der Pandemie wichtig war, mit ihr aber noch stark an Bedeutung gewonnen hat. Die Sensibilität der potenziellen Mitarbeitenden ist in einigen Bereichen noch viel größer geworden. Hier müssen Arbeitgebende, die ihre Attraktivität behalten oder ausbauen wollen, ihre Angebote und ihre Kommunikation nachjustieren. Dies erfordert im ersten Schritt eine Kenntnis der neuen Sachlage, wie sie mit der vorliegenden Studie vorliegt, aber auch den Willen in der Unternehmensführung, die neuen Themenbereiche anzugehen.