Die Weiterbildungslüge
Warum Seminare und Trainings Kapital vernichten und Karrieren knicken.

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Foto von John Schnobrich

Von Dr. Richard Gris
Campus Verlag 2008
248 Seiten
24,90 Euro
ISBN: 9783593386799

Der Autor, der selbst als Trainer arbeitet, kritisiert zahlreiche Manager, die ihre Mitarbeiter aus seiner Sicht nicht richtig einsetzen. Diese Manager glauben, mit Weiterbildung wirklich alles reparieren zu können. Doch sind Führungskräfte wirklich so naiv? Zumindest haben auch die Trainingsanbieter daran ihren Anteil, denn vielfach stempeln sie Weiterbildung mit ihrer Werbung zur Wunderwaffe.

Der Autor bezieht sich mit seinen Beispielen in erster Linie auf Trainings für Soft Skill, also auf Weiterbildung, die den Menschen als Person in den Mittelpunkt stellt. Hinweise auf fachliche Weiterbildung fehlen weitgehend. In seiner Kritik an der Personalentwicklung, Menschen verbiegen zu wollen, vergisst er außerdem, dass der Erfolg von Ausbildungen immer auch zu einem hohen Prozentsatz vom Trainer oder Trainingsanbieter abhängt. Die Beispiele beschreibt er in saloppem Stil, der teilweise lustig wirkt – oder zumindest lustig wirken soll. Durch seine Wortwahl entsteht der Eindruck, dass er seiner Überheblichkeit freien Lauf lässt. Möglicherweise setzt Herr Gris dieses Stilmittel bewusst ein, um wachzurütteln, zu provozieren und bestehende Probleme aufzuzeigen.

Aus Sicht der Praxis sind seine Vorwürfe an die Personalentwicklung jedoch schlichtweg nicht nachvollziehbar. Meine persönliche Erfahrung ist, dass zumindest große Konzerne ihr Weiterbildungsverhalten in den letzten Jahrzehnten gravierend verändert haben. Der anonyme Schreiber scheint aus einer (Trainings)Zeit zu berichten, die in manchen Unternehmen vor 15 Jahren gelebt wurde. Nicht motivierte Mitarbeiter, Personalentwickler oder Trainer wird es gleichwohl immer einmal geben.

Richard Gris hingegen scheint der Ansicht zu sein, Trainingsteilnehmer therapieren zu müssen. Deshalb hätte das Buch auch den Titel „Das traurige Dasein eines unglücklichen Trainers“ tragen können. Vielleicht würde er viel lieber Therapien anbieten als Soft Skill Trainings? Führte ihn der Wunsch, Psychotherapeut anstatt Trainer zu sein dazu, ein solches Frustwerk zu schreiben? Das wäre schade, denn viele Ansätze in seinen Ausführungen könnten helfen, dass WEITERbildung nicht nur schön geplant ist, sondern tatsächlich weiter wirkt.

Aber Richard Gris spart mit einer aussagekräftigen Meinung zu den aufgezeigten Problemstellungen. Die Beispiele, die er einbringt, veranschaulichen die Schwierigkeiten in der Personalentwicklung, doch wäre genau an dieser Stelle jeweils ein ausführlicherer „Wie-macht-man-es-besser-Input“ gut gewesen. Stattdessen zitiert er viele durchaus passende Auszüge aus der Fachliteratur – fast zu viele, denn hiermit weckt er beim Leser eher die Lust, diese Literatur weiter zu verfolgen als das Buch fertig zu lesen. Es stellt sich ein Lesegefühl ein, das an Erfahrungen im World Wide Web erinnert: Ständig springt der Erzählfluss von einem Thema zum anderen. Die steten Querverweise wirken dabei eher wie eine mögliche Literaturliste zum Thema.

Erst im Epilog bekommt der Leser eine Ahnung davon, welche Möglichkeiten der Autor gehabt hätte, sein Buch aussagekräftiger und lesenswerter zu machen: Aus der Metaebene betrachtet berichtet er auf witzige Weise davon, was sich auf Erden so alles an Erwachsenenweiterbildung tut. Das zeigt, dass Herr Gris gute Ansätze im Kopf hat, wie sich die Einstellung zu Weiterbildung verändern sollte, damit alle Beteiligten mehr davon profitieren.

Personalentwickler können von seiner Aneinanderreihung negativer Beispiele in Form eines persönlichen Tagebuches nur wenig mitnehmen. Wer ein Verzeichnis weiterführender Literatur zum Thema braucht, ist mit diesem Buch jedoch gut bedient.

Bewertung (maximal 5 Sterne):

 

Praktischer Nutzwert * * * * *
Lesbarkeit/Schreibstil * * * * *
Verständlichkeit * * * * *
Gliederung/Übersichtlichkeit * * * * *
Meine persönliche Empfehlung für Personalverantwortliche ** * * *