Herr Bodmann, wie wichtig ist Personalcontrolling für die Caritas Wien?

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Foto von Mimi Thian

Wir müssen wirtschaftlich arbeiten und sehr effizient mit unserem Personal umgehen – das ist die Kostenseite. Aber es geht auch darum, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter effektiv einzusetzen und sie bei ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen, sodass wir unsere Ziele erreichen. Typische Fragen in diesem Zusammenhang sind zum Beispiel: „Haben wir das geeignete Wissen in der Organisation?“ oder „Bieten wir die richtigen Fort- und Weiterbildungen an, damit unsere Mitarbeiter ihren Job gut erfüllen können?“

Seit wann beschäftigt sich die Caritas mit Personalcontrolling?

Ich bin seit zwölf Jahren bei der Caritas und habe anfänglich im Controlling gearbeitet. Damals gab es bereits Personalcontrolling, wenn auch in einem etwas bescheideneren Umfang als heute. Es beschränkte sich weitgehend auf Kostenaspekte, zum Beispiel darauf, die Auslastung der Mitarbeiter zu überprüfen.

Und wie ist das heute?

Heute ist es differenzierter. Wir arbeiten mit Kennzahlenberichten, die den Leiterinnen und Leitern unserer Bereiche, Abteilungen und Einrichtungen monatlich zugehen. Welche Kennzahlen diese Berichte enthalten, kann von Bereich zu Bereich und von Abteilung zu Abteilung unterschiedlich sein. Allerdings gibt es ein Set von Kernkennzahlen, die quer durch die Caritas im Einsatz sind. Dazu gehören beispielsweise Fortbildungs- und Krankenstandstage pro Mitarbeiter, Urlaubsverbrauch, Überstunden und Fluktuation.

Sind auch qualitative Kennzahlen darunter?

Eher qualitativer Natur sind die Qualifikationschlüssel und Fortbildungen oder auch die Arten der Fortbildungsempfehlungen, die unsere Führungskräfte aussprechen. Was mich an diesen Kennzahlen so interessiert, ist die Vorstellung, langfristig eine Wissensdatenbank aufzubauen, die über Kompetenzen und Berufserfahrung der Mitarbeiter Auskunft gibt – bis hin zu den veröffentlichten Artikeln. So weit sind wir aber heute leider noch nicht.

Inwieweit benchmarken Sie sich mit anderen Organisationen aus dem Caritas- Verbund, zum Beispiel mit der Caritas Graz oder der Caritas Salzburg?

Wir tauschen uns aus und vergleichen immer mal wieder einzelne Kennzahlen, aber nur anlassbezogen. Beim Benchmarking muss man sehr vorsichtig sein und bis ins letzte Detail definieren, in welcher Hinsicht man sich ververgleicht. Sonst kommen keine sauberen Ergebnisse zustande. Wichtig ist ein einheitliches Datensystem, was in diversifizierten Organisationen wie der unseren eine Herausforderung darstellt. Andererseits ist es heute aufgrund der vorhandenen Softwarelösungen einfacher als früher. Vor 15 Jahren haben wir unsere Daten ja noch alle händisch eingegeben. Das ist Gott sei Dank vorbei.

Wie sind Sie bei der Auswahl der Personalkennzahlen für die Caritas Wien vorgegangen?

Wir haben schon vor zehn Jahren gemeinsam mit Beratern eine Umfrage unter den Leiterinnen und Leitern durchgeführt, um herauszufinden, mit welchen Zahlen sie ihre Abteilungen und Einrichtungen steuern können. Unser jetziges Kennzahlensystem haben wir also gemeinsam mit unseren Führungskräften und mit externer Unterstützung aufgebaut. Alle paar Jahre passen wir die Kennzahlensysteme auf den aktuellen Stand an, weil sich die Anforderungen an die verschiedenen Organisationsbereiche im Lauf der Zeit ändern.

Wo laufen die Daten zusammen und wie werden sie erhoben?

Sie laufen in der Controllingabteilung zusammen, die die Kennzahlenberichte für die Abteilungen und Einrichtungen zusammenstellt. Das geschieht normalerweise monatlich. Einige Kennzahlen, wie die Fortbildungstage pro Mitarbeiter, werden allerdings seltener erhoben. Als Quellen dienen die Personalstammdaten, Lohnverrechnung und unsere Bildungsdatenbank. Wir arbeiten also nur mit Daten, die schon irgendwo in der Organisation vorhanden sind – und versuchen so, den Erhebungsaufwand möglichst gering zu halten.

Wie stellen Sie sicher, dass die Zahlen nicht nur erhoben werden, sondern auch Konsequenzen nach sich ziehen?

Erstens verwenden wir wenige Kennzahlen. Denn niemand hat die Zeit, lange Berichte zu lesen, zu interpretieren und aus jeder Kennzahl eine Kosequenz zu ziehen. Zweitens bauen wir das Thema Kennzahlen in unseren regelmäßigen Besprechungsrhythmus ein. Das heißt, es ist Aufgabe der Leiterinnen und Leiter, die Zahlen monatlich oder quartalsweise zum Thema von Dienstbesprechungen zu machen.

Welche Auswirkungen hat das Personalcontrolling in Ihrer Organisation?

Wir haben laufend stark steigende Weiterbildungskosten. Das ist übrigens die einzige Zahl im Finanzbericht, bei der ich mich freue, wenn sie wächst. Ganz wichtig sind aber auch die Effi zienzkennzahlen. Controlling hat bei uns dazu geführt, dass die Mitarbeiter heute besser ausgelastet sind und weniger Leerzeiten haben, zum Beispiel durch Anfahrtszeiten oder ungünstige Dienstpläne.

Was sind Ihrer Erfahrung nach typische Hürden beim Aufbau eines Kennzahlensystems?

Eine zentrale Hürde stellt sich beim Erheben der Daten. Sie sollten immer nach demselben System ermittelt werden, denn ansonsten sind die Ergebnisse nicht vergleichbar. Außerdem müssen alle Beteiligten wissen, was unter den jeweiligen Kennzahlen genau zu verstehen ist. Sprich: Sie müssen klar defi niert sein. Eine weitere große Gefahr besteht darin, dass die Auswertung der Kennzahlen zum Selbstzweck wird. Dem können Personalentscheider nur vorbeugen, indem sie genau überlegen, wofür sie die Daten verwenden möchten. Wollen sie zum Beispiel den Krankenstand in der Organisation senken? Dann reicht es nicht, zu ermitteln, wie viele Krankenstandstage pro Mitarbeiter anfallen. Denn eine Kennzahl an sich bewertet noch nichts, sondern wertet nur etwas aus. Die Bewertung müssen die Führungskräfte selbst vornehmen. Lässt sich ein hoher Krankenstand zum Beispiel dadurch erklären, dass drei Mitarbeiter in der Abteilung schwer erkrankt sind – oder liegt es daran, dass einige Beschäftigte ihr Wochenende verlängern, indem sie jeden Montag zu Hause bleiben? Es ist wichtig, die Daten genau auszuwerten und Konsequenzen aus den Ergebnissen zu ziehen.

In welche Richtung möchten Sie das Personalcontrolling der Caritas Wien weiterentwickeln?

Eines meiner Ziele ist es, das Wissen der Mitarbeiter in der Organisation transparenter zu machen. In einem Katastrophenfall wäre es beispielsweise gut, sofort Mitarbeiter mit den entsprechenden Fremdsprachenkenntnissen zu fi nden, die vor Ort dolmetschen können. Derzeit beschäftigt die Caritas Wien aber 3.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und die eine Abteilung kennt nicht unbedingt die Fremdsprachenkenntnisse der Beschäftigten aus anderen Abteilungen. Eine Wissensdatenbank könnte auch veröffentlichte Artikel der Mitarbeiter bereithalten und so den Beschäftigten die Möglichkeit geben, ihre Kompetenzen besser darzustellen. Das alles ist derzeit aber noch Zukunftsmusik.

Interview: Bettina Geuenich

Quelle: personal manager 6/2009