Kommunikationsaufgaben werden komplexer und nehmen im digitalen Zeitalter an Bedeutung zu. Demgegenüber gibt es in manchen Organisationen Tendenzen zu Budgetkürzungen. Wie lässt sich dem entgegenwirken?

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Foto von bruce mars

Gerade in schwierigen Zeiten ist der traditionelle Reflex desTopmanagements, Kosten herunterzufahren und auf rein absatzfördernde Kommunikationsaktivitäten zu setzen. Dies ist sehr kurzfristig gedacht. Kommunikation entfaltet nur dann ihre vollewertsteigernde Wirkung,wenn sie langfristig angelegt ist und alle Stakeholder im Blick hat. Der Erfolg einer längerfristig angelegten Kommunikationsstrategie lässt sich leider nicht so schnell und präzis messen wie ein kurzfristiger Abverkauf. Diese ZusammenhängederUnternehmensführung  zuerklärenisteineder  wichtigsten Aufgaben des Kommunikationschefs.

Fördert mehr Transparenz aus IhrerSicht eine gute Fehlerkultur in Unternehmen?

Wenn Transparenz dazu führt, dass der erste Reflex bei Fehlern nicht das Vertuschen oder Verschweigen ist, sondern Fehler ohne Aufhebens  eingestanden  und  analysiert werden,  dann  wirkt  sich  dies  bestimmt auf eine gute Fehlerkultur aus. Allerdings braucht es dazu eine Unternehmenskultur, in der Kritik nicht nur zugelassen wird, sondern an sich einen Wert besitzt. Wo aber Kritik negativ beurteiltwird,da werden sich vieleVorgesetzte und Mitarbeitende hüten, ohne Druck Fehler zuzugeben.

Welche Hauptfaktoren sind für eine gute Fehlerkultur erforderlich?

«Fehleroffeneingestehen» muss vom Topmanagement vorgelebt werden. Fehler dürfen nicht bestraft, sondern müssen als Chance  begriffen  werden,  um  das  Unternehmen  voranzubringen.  Zudem  darf  das «Fehler-Management» nicht nur punktuell stattfinden,sondernmussEingangfinden in interne Prozesse. Und schliesslich muss eine offene Kommunikationskultur herrschen, damit alle Mitarbeitenden von den Fehlern anderer lernen können.

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Quelle: persorama – Magazin der Schweizerischen Gesellschaft für Human Resources Management | Nr. 2, Sommer 2017

Persorama:

Was ist Ihre Beobachtung als Medienwissenschaftlerin: Ist die Lust der Unternehmen auf Transparenz mit Social Media, digitaler Transformation, Big Data & Co. gestiegen?

Nicole Rosenberger:

Die Lust auf Transparenz nicht. Aber ich würde sagen das Bewusstsein ist gestiegen, dass Intransparenz heute  sehr  viel  rascher  skandalisiert  wird als früher. Hingegen verspüren die Unternehmen sehr viel mehr Begeisterung, wenn es darum geht, dank Social Media und Big Data  vertiefte Einblicke in Verhalten und Bedürfnisse von Kunden und Usern zu gewinnen.Zugleich  sind  sie  hier  aber  auch wieder in Bezug auf Transparenz gefordert:

Wie geht das Unternehmen mit den vielen gesammelten Daten um, wozu werden sie verwendet? Dies sind Fragen, auf die ein Unternehmen gefasst sein sollte. Oder noch besser:Das  Unternehmen vermittelt proaktiv, zu welchem Umgang es sich selber verpflichtet.

Wie spielt hier das Thema Werte hinein?

Welche Werte ein Unternehmen über Führung vorlebt, ist in Bezug auf das Thema Transparenz ganz zentral. Denn abgesehen von  Organisationen  aus  dem  öffentlichen Sektor,  die  dem  Öffentlichkeitsprinzip unterstellt  sind,kann es nie im Interesse eines Unternehmens oder einer Non-Profit-Organisation sein, wirklich alle Fakten, Zahlen und strategische Entscheidungen offenzulegen.

Denn sie stehen im Wettbewerb um Kunden und Geldgeber. Deshalb sprechen wir von der organisationspolitisch sinnvollen «funktionalen  Transparenz», dank der Chancen genutzt und Risiken minimiert werden. Unter Druck, in einer Krise, wird ein Unternehmen deshalb sehr vielmehr offenlegen müssen als in Zeiten, in denen es ein hohes Vertrauen geniesst.

Wie reagieren Unternehmen auf den zunehmenden Druck von aussen, offener, durchlässiger zu werden und mehr auf Augenhöhe zu kommunizieren?

In einigen Handlungsfeldern wie beispielsweise der Corporate Social Responsibility (CSR)-Kommunikation  haben sich Standards etabliert, nach denen sich Unternehmen in ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung mehrheitlich richten. Grundsätzlich ist aber zu beobachten, dass es teilweise sehr viel Druck von aussen braucht, bis die Bereitschaft da ist, über gewisse Themen wie beispielsweise Vergütungen oder Boni proaktiv zu informieren.

Was  kann  Kommunikation  im  Unternehmen  generell  leisten  in  Bezug  auf Glaubwürdigkeit und Transparenz?

Kommunikationkannzumeinen–entsprechend des oben angesprochenen Modells des identitätsorientierten Kommunikationsmanagements immer wieder prüfen, inwiefern die definierten und kommunizierten Positionierungselemente von den Stakeholdern auch effektiv als gelebte erfahrenwerden.Klaffen definierte und kommunizierte Identität auseinander, dann kommt es in der Kommunikationsarena zu Kritik. Hier istes die Aufgabe des Kommunikationsmanagements, mittels Monitoring solche Kritik frühzeitig zu erfassen und ins Unternehmen einzuspeisen.

Allenfalls muss die Kommunikation verändert werden, oder es sind grundsätzliche strategische Diskussionen über allfällige organisationsinterne Anpassungen im Unternehmen zu  führen.Transparente  Kommunikation heisst nicht nur kontinuierlich zu kommunizieren, sondern auch Werte, Ziele, strategische Eckpunkte und erzielte Ergebnisse zu vermitteln. Wer transparent kommuniziert, der stellt positive und negative Aspekte dar und ist der Wahrheit verpflichtet.Transparente Kommunikation heisst aber auch, sachlich, präzise und verständlich zu kommunizieren.

Wo sehen Sie im HR wichtige Handlungsfelder für die Zukunft, bezogen auf die Kommunikation?

Am wichtigsten ist, dass HR sich eng mit der Kommunikationsabteilung abstimmt und die eigenen Bedürfnisse einbringt. Generell hat HR zwei unterschiedliche «Kommunikationsmärkte»zu  bearbeiten:

Das Unternehmen gegen aussen als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren (Employer Branding) und gegen innen dieses «Markenversprechen» gegenüber Mitarbeitenden zu halten und entsprechend zu kommunizieren.

Macht es Sinn, in der Organisation die gesamte interne Kommunikation bei HR anzusiedeln?

Es macht sicherlich keinen Sinn, die interne Kommunikation  von der externen Kommunikation zu trennen. Interne und externe Kommunikation sollten im gleichen Bereich angesiedelt sein. Und dies aus drei Gründen:

Erstens muss ein Unternehmen im Zeitalter von Social Media und Transparenz damit rechnen,dass alles,was intern kommuniziert wird,auch extern verbreitet werden könnte. Interne Kommunikation ist deshalb letztlich auch externe Kommunikation.

Zweitens ist es so, dass sich Mitarbeitende nicht nur über die interne Kommunikation über das Unternehmen informieren.Sie nutzen dazu auch externe Quellen: sprich sie lesen Zeitung, sind auf sozialen Plattformen unterwegs und konsultieren vielleicht auch den Jahresbericht oder das Kundenmagazin. Deshalb wirkt externe Kommunikationimmerauchnachinnen.Wichtig ist  deshalb,dass interne und externe Kommunikation nicht als zwei vollständig unabhängige Bereiche gesehen und entsprechend isoliert voneinander organisiert werden.

Und drittens ist es aus Sicht des oben angesprochenen identitätsorientierten Kommunikationsmanagements absolut zentral,dass sich interne und externe Kommunikationals wesentliche  Gestalter der Unternehmensidentität verstehen. Und diese Identität sollte, um glaubwürdig zu sein,in wesentlichen Punkten konsistent sein.

Interne und externe Kommunikation haben allerdings unterschiedliche Aufgaben …

Ja, daher sollte sich die interne Kommunikation von der externen Kommunikation unterscheiden. Mitarbeitende wollen über teilweiseandereThemen informiert werden, sie brauchen spezifische Hintergrundinformationen,um Entscheidungen nachvollziehen und verstehen zu können. Und schliesslich drücken spezifisch auf Mitarbeitende ausgerichtete Kanäle und Massnahmen auch Wertschätzung des Unternehmens gegenüber den internen Stakeholdern aus.

Wir beobachten seit einiger Zeit, dass einzelne Unternehmen dazu übergehen, Unternehmenskommunikation und HR in einem Bereich zusammenzufassen. So ist beispielsweise bei Sonova Corporate HRM & Communications unter die Leitung eines Geschäftsleitungsmitglieds gestellt. Die Credit Suisse Group ist noch einen Schritt weiter gegangen. Sie hat die Funktion des Chief Human Resources, Communications and Branding Officer geschaffen.

Mit Blick auf eine klare Positionierung, hohe Glaubwürdigkeit und starke Reputation macht eine solche Aufbauorganisation Sinn.

Werden dabei soziale Medien selbstverständlich mit einbezogen?

Wir beobachten,  dass sichUnternehmen heute nicht mehr die Frage stellen können, ob sie auf Social Media präsent sein wollen. Vielmehr haben sie zu klären, wie sie die Dialogkanäle am sinnvollsten einsetzen können.Dabeistellensichverschiedene Herausforderungen: Zum einen ist da das Sichern der ständigen Ansprechbarkeit zu nennen.Die Kommunikationsabteilungen wandeln sich langsam aber sicher zum 24-Stunden-Betrieb.Zum andern haben Unternehmen Schwierigkeiten, die User zu aktivieren,die Interaktionsangebote auch wirklich zu nutzen. Hier  müssen Unternehmen plattform spezifische Themenmixe und Kommunikationsstile entwickeln.

Social-Media-Kanäle werden ja oft von Kommunikationsspezialisten verantwortet. Können  diese Anfragen  ausreichend fundiert bearbeiten?

Wird auf Social Media-Kanälen Kritik am Unternehmen, an Produkten oder am Servicegeäussert,dann macht es Sinn,  dass Social-Media-Verantwortliche  Beanstandungen intern zur Beantwortung weiterleiten und dann das Ergebnis wieder kommunizieren. Verschiedene Studien zeigen, dass sich die User im Fall von Kritik aber nicht mit Kommunikatoren austauschen wollen, sondern mit den effektiv Verantwortlichen. In einer Studie an meiner Professur untersuchen  wir  im  Moment  gerade  die  Rolle der  Moderatoren  auf  Social-Media-Plattformen  in  Konfliktsituationen.Hierzeigt sich, dass Moderatoren eine geschickten Umgang mit sogenannten Trollen entwickeln müssen, die nicht an einem Dialog, sondern an Störung interessiert sind.

Welche Art der Kommunikation macht mit Blick auf mehr Transparenz Sinn?

Kommunikationsollteerstensoffensein, das heisst, dass Unternehmen beispielsweisegemachteFehlereingestehenmüssen. ZweitensmussKommunikationschnell sein. Dazu werden in der Praxis heute viele Kommunikationsabteilungen in Richtung Newsroom entwickelt. Drittens hat Kommunikation dialogisch zu sein. Hier spielt unter anderem der Einsatz von Social Media eine wichtige Rolle.

Welche Risiken sehen Sie?

Offene, schnelle und dialogische Kommunikation birgt die Gefahr eine rinhaltlichen Verzettelung. Deshalb ist es heute noch  viel  wichtiger  als  früher,  dass  ein Unternehmen eine langfristig ausgerichtete Positionierungs- und Kommunikationsstrategie entwickelt und umsetzt. Unsere Forschung  zeigt,  dass  Kommunikation dann am meisten Wirkung erzeugt, wenn sie direkt mit Mission, Werten und Strategie des Unternehmens verknüpft ist und gut mit Human Resources, Marketing und Branding abgestimmt ist. In dem an meiner  Professur  entwickelten  Modell  des identitätsorientierten Kommunikationsmanagements sind die dies bezüglichen Prozesse und Handlungsfelder erfasst und beschrieben.