Ein Blick in die wissenschaftliche Forschung bestätigt die Vermutung, dass Coaching durch die Führungskraft grosses Potenzial hat und bei Arbeitnehmern positive Veränderungsprozesse herbeiführen kann. In einer kürzlich erschienenen Studie von Weer, DiRenzo & Shipper (Journal of Applied Behavioral Science, 2016) wurde das Coaching-Verhalten von über 700 Managern und die Effektivität Ihrer Teams über mehr als vier Jahre beobachtet. Das Ergebnis: Je mehr Coaching die Manager einsetzten, desto engagierter und effektiver arbeiteten die Teams.

person using laptop on white wooden table
Foto von Tyler Franta

Mehrere Studien zeigen, dass Führungskräfte durch den Einsatz von Coaching die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter steigern, was im heutigen Kampf um Talente essenziell ist (z. B. Wageman, Organization Science, 2001). Zusätzlich haben Mitarbeiter, die von ihrer Führungskraft gecoacht werden, eine klarere Vorstellung von den Anforderungen, die an sie gestellt werden (Kim, Egan, Kim & Kim, Journal of Business Psychology, 2013).

Was Mitarbeiter erwarten
Dabei gehen die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Führungskräfte in Bezug auf das tatsächlich praktizierte Coaching weit auseinander: Von über 100 Mitarbeitern, die wir befragt haben, fühlen sich deutlich weniger als die Hälfte durch ihre Vorgesetzten ermutigt, eigene Ideen zu teilen (44 Prozent) oder auf ihre Stärken aufzubauen (47 Prozent). Die Führungskräfte der gleichen Mitarbeiter schätzten sich jedoch anders ein: 69 Prozent der Vorgesetzten gaben an, Mitarbeiter zu motivieren, eigene Ideen zu teilen, und sogar 74 Prozent meinten, die Mitarbeiter anzuregen, auf ihren Stärken aufzubauen.


Der Kern des Problems liegt dabei in der Bereitschaft der Führungskräfte, auf ihre Mitarbeiter einzugehen. Weniger als die Hälfte der Vorgesetzten investiert ausreichend Zeit, um den Mitarbeitern zuzuhören. Die meisten Führungskräfte sehen den Kern ihrer Kompetenz immer noch darin, inhaltlich zu steuern und «den Rest» – wenn nötig – durch Massregelungen und Strafen zu erreichen. Wenn das Thema Coaching angesprochen wird, hört man nicht selten den Satz: «Wenn ich so viel Zeit im Gespräch mit meinen Mitarbeitern verbringen soll, komme ich gar nicht mehr zu meiner Arbeit.» Was viele hier verkennen: Mitarbeiter zu führen ist die Kernaufgabe einer Führungskraft.

Kriterien für die Ausbildung

Eine gute Coaching-Ausbildung für Führungskräfte sollte dabei folgenden Kriterien genügen:

 Spezialisierung auf Führungskräfte Schwerpunkt der Ausbildung liegt auf der Vermittlung von Coaching-Kompetenzen für Führungskräfte (im Gegensatz zur reinen Coach-Ausbildung für den Einsatz im freiberuflichen Kontext).

● Integration von Praxisbeispielen Die Ausbildung hat grosse praktische Anteile – die Teilnehmer coachen sich während der Ausbildung gegenseitig, und es gibt Klienten ausserhalb der Teilnehmergruppe, die im Rahmen der Ausbildung gecoacht werden.

 

 Übertragung der Coaching-Grundlagen auf Team-Prozesse Die Ausbildung vermittelt die Grundlagen der Gesprächsführung in Coaching-Situationen und befähigt die Teilnehmer darüber hinaus, diese Grundlagen auf Team-Prozesse zu übertragen.

 Erprobung in der eigenen Führungsrolle schon während der Ausbildung Die Ausbildung bietet die Möglichkeit, Lerninhalte auch während der Ausbildung schon in der eigenen Führungsrolle zu testen. Dazu umfasst die Ausbildung mehrere Lerneinheiten, die zeitlich voneinander getrennt sind und sich über mehrere Monate erstrecken.

 Einbezug wissenschaftlicher Erkenntnisse Die Ausbildung bezieht neuste wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Coaching und Führung ein.


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Quelle: persorama – Magazin der Schweizerischen Gesellschaft für Human Resources Management | Nr. 3, Herbst 2016

Wie Führungskräfte angemessen
reagieren können
Dabei könnte es so einfach sein, den Mitarbeitern die Hoheit über Inhalte zu lassen und sich als Führungskraft auf die eigentliche Führung zu konzentrieren. Mitarbeiter zu motivieren heisst in diesem Kontext nicht, ihnen zu vermitteln, welchen Sinn ihre Arbeit hat. Es geht vielmehr darum, herauszufinden, was jeden einzelnen Mitarbeiter im Innersten antreibt, und Wege zu finden, diesen inneren Antrieb im Arbeitsumfeld zu nutzen.


Ziele zu setzen heisst in diesem Kontext nicht, den Mitarbeitern das von höheren Ebenen gesetzte Ziel vorzusetzen und ihnen zu erklären, warum es notwendig ist, es zu erreichen. Es heisst vielmehr, die vom Unternehmen gesetzten Ziele als Richtwert zu nutzen, um gemeinsam mit dem Team ein Ziel zu entwickeln. Das Ziel soll nicht nur motivieren, sondern auch das Team zu einem Team vereinen. Denn das ist es, auf was es letztendlich ankommt: Haben Sie einzelne Mitarbeiter, die unabhängig voneinander ihre Arbeit «erledigen»? Oder haben Sie ein Team, das mit vereinten Kräften  die Stärken jedes einzelnen Mitarbeiters nutzt, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen, hinter dem jedes Teammitglied stehen kann?

Widerstand gegen «Coaching
durch Führungskräfte»
Viele HRler haben die Wichtigkeit dieses Themas bereits erkannt und planen weltweit, das Coaching durch Führungskräfte zu stärken (CIPD, 2015). Klassische Coaches wehren sich jedoch immer noch vehement gegen das Thema «Coaching durch Führungskräfte». Der Grund für diese Abwehrhaltung liegt in dem unvermeidlichen Interessenkonflikt zwischen den Zielen des Klienten (oder Mitarbeiters) und denen des Coaches (oder Vorgesetzten). Diese Schwierigkeit in der Coaching-Beziehung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter muss Beachtung finden – aber macht sie tatsächlich jeden Versuch überflüssig, Coaching in einer Führungsfunktion einzusetzen? Oder spricht da eventuell auch die Angst der Coaches, ihre Alleinstellung im Coaching-Markt zu verlieren?


Das Thema «Coaching durch Führungskräfte» wird weiterhin an Bedeutung gewinnen. Die Coach-Verbände sollten sich nicht dagegen wehren und sich damit von dieser Entwicklung isolieren. Stattdessen sollten sie es sich zur Aufgabe machen, ethische Richtlinien nicht nur für die klassische Coaching-Situation, sondern auch für die besondere zwischen Führungskraft und Mitarbeiter zu entwickeln. Zusätzlich ist es für HRler wichtig, zielgerichtete Ausbildungen für Führungskräfte in ihr Trainingsportfolio aufzunehmen.