Ausgangssituation

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Foto von Dose Media

Die Raab-Oedenburg-Ebenfurter Eisenbahn AG (kurz: Raaberbahn AG) ist ein traditionsreiches ungarisch-österreichisches Unternehmen mit historischen Wurzeln, die bis ins Jahr 1872 reichen. Eigentümer des Unternehmens sind die Republik Ungarn (65,6 Prozent), die Republik Österreich (28,2 Prozent) und die Strabag AG (6,2 Prozent). Aktuell beschäftigt das Unternehmen rund 160 Mitarbeiter in Österreich. Nachdem der österreichische Betrieb zwei Geschäftsjahre mit Verlust abgeschlossen hatte, beschloss die Geschäftsleitung der Raaberbahn einen Maßnahmenplan zur nachhaltigen Kostensenkung. Da die Personalkosten einen großen Anteil an der Gesamtkostenstruktur ausmachen, wurden dabei auch Überlegungen zur Senkung der Personalkosten angestellt. Dies führte zur Überarbeitung des Kollektivvertrages im Jahr 2013, in dem beispielsweise eine flachere Lohn- und Gehaltskurve vorgesehen war. Diese Entwicklungen stießen naturgemäß nicht bei allen Beteiligten auf Zustimmung. In einigen wichtigen Fragen konnten sich Belegschaftsvertretung und Geschäftsführung zwar einigen. So gab es beispielsweise einen von allen Seiten akzeptierten Plan im Umgang mit Firmenpensionen. Doch eine solche Verständigung war nicht bei allen Themen möglich. Vor allem die Gespräche zwischen Betriebsrat und Personalstelle über den Zugang zu relevanten Informationen und über die Neuregelung der Nachtdienstzulage führten nicht zu akzeptablen Lösungen. So war damals der Betriebsrat der Meinung, dass er die Korrektheit diverser Lohn- und Gehaltsauszahlungen nicht nachprüfen konnte. Auch gab es rechtliche Unklarheiten hinsichtlich der kollektivvertaglichen Neuregelung der Nachtdienstzulage. Dies führte dazu, dass der Betriebsratsvorsitzende in diesen beiden Fällen Klagen am Arbeits- und Sozialgericht einreichte.

Gerichtsverfahren und Mediation

Während eines gerichtlichen Verhandlungstermins im Jänner 2014 regte der vorsitzende Richter, Andreas Freundorfer, eine Mediation an, um die Streitfällen zu lösen. Personalleiter und Betriebsratsvorsitzender führten daraufhin Klärungsgespräche. Sie sahen schließlich die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung in der Frage, ob und zu welchen Informationen dem Betriebsrat Zugang gewährt werden könne, damit er die Rechtmäßigkeit von Auszahlungen an Mitarbeiter im Bedarfsfall prüfen konnte. Die Streitsache Nachtdienstzulage stuften die Beteiligten eher als eine Rechtsfrage ein. Sie sollte auf Betreiben des Betriebsratsvorsitzenden weiterhin vor Gericht verhandelt werden.

So wurden parallel Gerichtstermine und Termine für Klärungsgespräche angesetzt. Die Klärungsgespräche führten zur Mediation, die im März 2014 begann. Ziel war es, eine sachliche und konstruktive Gesprächsbasis vor allem zwischen Betriebsratsvorsitzendem und Personalleiter wiederherzustellen. Folgende Themen standen dabei im Zentrum:

► wechselseitiger Respekt

► die Handhabung gemeinsamer firmenrelevanter Themen,
insbesondere der Umgang mit notwenigen Veränderungen

► Einsicht in bestimmte Unterlagen der Personalverrechnung für den Betriebsrat

In dem zweistündigen Mediationsgespräch erklärte sich der Betriebsratsvorsitzende bereit, den Gerichtstermin zum Thema Einsicht in die Gehaltsunterlagen zu verschieben. Diese Frage sollte stattdessen in einer zweiten Mediationssitzung geklärt werden. Tatsächlich schlossen die Parteien bei diesem zweiten Termin eine Vereinbarung über den Zugang zu Personalinformationen für den Betriebsrat. Dabei einigte sich der Betriebsratsvorsitzende mit dem Personalleiter über den Austausch bestimmter Listen. Somit war das Gesprächsklima zwischen der Personalstelle und dem Betriebsrat wieder soweit intakt, dass weitere anstehende Fragen der weiteren Zusammenarbeit ohne die Unterstützung des Mediatorenteams möglich waren. Das Gerichtsverfahren zu dem Sachverhalt wurde in der Folge eingestellt.

Das einzige noch nicht geklärte Thema war jenes der Nachtdienstzulage, das damals noch gerichtsanhängig war. Um die Nachhaltigkeit der getroffenen Vereinbarungen zu sichern, setzte das Mediatorenteam Follow-up-Termine an. Im Zuge eines solchen Termins stand vorrangig ein neues Ziel im Mittelpunkt: Wie kann die Raaberbahn wieder zu einem Arbeitgeber gemacht werden, in dem Mitarbeiter gern bleiben? Diese Frage trat in den Vordergrund, weil der Eindruck entstand, dass einige Mitarbeiter zu anderen Firmen wechselten, weil sie der Meinung waren, dort bessere Arbeitsbedingungen vorzufinden. Das wirkte sich besonders bei Lokführern sehr nachteilig aus. Hier gibt es viele Aus- und Weiterbildungserfordernisse, damit Mitarbeiter eingesetzt werden dürfen.

Die noch offene Rechtsfrage zur Nachtdienstzulage wollten die Beteiligten in einem weiteren Gerichtsverfahren beurteilen lassen. Die zwei dazu angesetzten Verhandlungstermine brachten jedoch nur die Erkenntnis der Ungewissheit: Die Rechtsfrage zu einem Teilbereich der Dienst- und Besoldungsordnung war nicht so einfach zu klären wie ursprünglich gedacht und hätte noch längere Zeit und mehrere Gerichtsverhandlungen bedeutet. Die letzte gemeinsame Mediationssitzung zwischen dem Betriebsratsvorsitzenden und dem Personalleiter brachte hier neue Ideen, wie diese Frage außergerichtlich lösbar ist. So gab es Vorschläge zur Kompensation für etwaige finanzielle Einbußen mancher Mitarbeiter. Auch wenn in der abschließenden Mediationssitzung noch keine endgültige Vereinbarung zu der Thematik möglich war, so zeichnete sich doch deutlich ab, dass nun die Konfliktparteien selbstständig in der Lage waren, die noch ausstehenden Fragen – gemeinsam mit den anderen Beteiligten in der Firma – zu lösen. Eine Auseinandersetzung vor Gericht ist nicht mehr geplant.

Rechtsklärung versus Konfliktlösung

Der Fall der Raaberbahn AG zeigt, dass Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat immer dann kritisch werden, wenn die Entscheidungsträger notwendige innerbetriebliche Regelungen nicht mehr im Einvernehmen treffen können. In diesem Fall streiten sich die Parteien oft über einzelne Rechtsvorschriften, die möglicherweise verletzt wurden, anstatt die Lösung des Gesamtkonflikts anzugehen. Diese Vorgehensweise führte im Fall der Raaberbahn AG dazu, dass sich die Beteiligten auf Rechtsthemen konzentrierten, die eine gute Aussicht auf eine gerichtliche Durchsetzung haben. Ein konstruktives und sachliches Gesprächsklima vor Gericht einzuklagen, ist jedoch nicht möglich. Gleichzeitig ist ein solches Klima aber eine wesentliche Voraussetzung für eine produktive Einigung. Häufig verschlechtert sich während eines Arbeitsgerichtsverfahrens die Gesprächsbasis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Die Konfliktlösung konzentriert sich auf einzelne Sachverhalte, die höchstens Mitverursacher des Gesamtkonflikts sind. Und das eigentliche Ziel der Konfliktlösung – nämlich diesen so zu bearbeiten, dass alle gewinnen – tritt in den Hintergrund. Stattdessen suchen die Beteiligten vermehrt nach Schuldigen, die am Ende als Verlierer dastehen.

Mediation kann wieder das Ziel in den Fokus rücken, einen Konflikt im beiderseitigen Einvernehmen zu lösen. Und wie das Fallbeispiel der Raaberbahn AG zeigt, kann Mediation durchaus auch bei bereits gerichtsanhängigen Streitfragen zu einer einvernehmlichen Lösung führen. Die Voraussetzungen dafür sind vielschichtig. Die sicherlich wichtigste Voraussetzung ist die Bereitschaft der betroffenen Parteien, gemeinsam an konstruktiven Lösungen zu arbeiten – und das in einer Situation, in der das Gesprächsklima nicht mehr optimal ist. Das geht nur dann, wenn alle Beteiligten gemeinsame Ziele formulieren können.

Die Arbeit der Mediatoren ist dabei die Vermittlung. Sie geben Impulse, damit eine wechselseitige Abstimmung in den wirklich relevanten Fragen wieder möglich wird. Im Fall der Raaberbahn war die Konzentration auf ein respektvolles Miteinander ein wesentlicher Schlüssel für die Einigung. Natürlich waren die offenen Sachfragen damit nicht automatisch bereinigt. Es förderte allerdings maßgeblich die Bereitschaft, an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten.

Die aus der konstruktiven Arbeit an Lösungen entstehende Konfliktkultur macht Unternehmen zu wirtschaftlich erfolgreichen Arbeitgebern, die sich gute Arbeitsbedingungen leisten können. Denn anstatt die Zeit mit der Klärung von Schuldfragen zu verbringen, können Arbeitgeber und Betriebsrat sie dazu nutzen, gute und nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen.

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Quelle: personal manager – Zeitschrift für Human Resources | Ausgabe 1 Jänner/Februar