Doch was heißt das eigentlich – Kreativität? Betrifft das nicht nur diejenigen, die malen, Gedichte schreiben oder Musik machen? Oft ist die Vorstellung von Kreativität noch sehr eindimensional. Das beginnt sich nun aber zu ändern, denn unter dem Stichwort Umsetzungskreativität macht sich eine neue Interpretation von Kreativität breit, die davon ausgeht, dass jeder kreativ sein kann. Die Gesellschaft für Kreativität ist beispielsweise überzeugt, dass Kreativität zumeist in der Kindheit stärker ausgeprägt sei und sich durch gesellschaftliche Zwänge, Angst oder fehlende Freiräume bei vielen Menschen abbaue. Anstelle einer Definition hat die Gesellschaft zwölf Thesen zur Kreativität aufgestellt. Eine These lautet: Kreativität ist entwicklungsfähig und kann durch Einsicht, Erleben und Üben wie jede Fähigkeit gefördert werden. zu den Thesen

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Foto von Blake Wisz

Gute Nachrichten also für Personalverantwortliche: Wenn Sie gezielt Weiterbildung auswählen oder die richtige Atmosphäre für Kreativität schaffen, können sie einen wichtigen Beitrag für mehr Innovationen schaffen. Für den Mittelstand lieferte kürzlich eine Befragung von Mitgliedern der TEC – The Executive Committee, einer weltweiten Organisation mittelständischer Führungskräfte, ein aufrüttelndes Stimmungsbild: 94,4 Prozent der befragten mittelständischen Unternehmen glauben, dass engagierte Mitarbeiter mit neuen Ideen bei der Lösung ihrer Probleme helfen.

Um bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitern deren Kreativität zu überprüfen, greifen viele Unternehmen auf Persönlichkeitstests zurück. Dabei handelt es sich zumeist um Verfahren, die die Bedürfnis- und Motivationsstruktur einer Person messen möchten, in dem sie einen Kandidaten anhand von verschiedenen Aussagen selbst einschätzen lassen. Angesichts der Vielschichtigkeit von Kreativität ist es sinnvoll, diese Art der Einstellungstests nicht nur auf das kreative Potenzial der Bewerber auszurichten, sondern umfassend berufsrelevante Anforderungen abzufragen. Häufig ermitteln Persönlichkeitstests auch Vorlieben und Präferenzen, die nichts über die Kompetenzen und Fähigkeiten der Bewerber aussagen. Zu den bekanntesten und am häufigsten eingesetzten Verfahren gehört beispielsweise der Myer-Briggs-Typenindikator (MBTI). Das MBTI-Verfahren beschreibt Präferenzen, die eine Persönlichkeit ausmachen. Individuelle Vorlieben misst das Verfahren anhand von vier Gegensatzpaaren. Im Gegensatzpaar Sensibles Empfinden und Intuition verankert diese Herangehensweise die Präferenz für Kreativität und Inspiration. Dr. Albert Müllerschön von der gleichnamigen Unternehmensberatung empfiehlt, Persönlichkeitstests nur von Experten durchführen zu lassen, also von Beratern, die eine fundierte psychologische Ausbildung und mehrjährige Berufserfahrung im Bereich der Personal- und Managementdiagnostik haben. „Von den neun am häufigsten verwendeten Testverfahren scheitern acht am theoretischen Hintergrund” – so lautet seine Bilanz.

Die Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton setzt dagegen – wie viele andere Beratungsunternehmen – Fallstudien als Kernstück ihrer Bewerberinterviews ein. Nicht das Ergebnis steht dabei im Vordergrund, sondern die Herangehensweise. Die Consulting-Gesellschaft unterscheidet qualitative Fallstudien, in denen Strategien entwickelt werden sollen, und quantitative Fallstudien, in denen es um Abschätzungen und Berechnungen geht. Ein Hinweis auf die Fähigkeit, in anderen Zusammenhängen denken zu können, lässt sich auch in Aktivitäten neben dem Studium oder der Ausbildung entdecken. Soziales Engagement, bei dem sich ein Bewerber mit anderen Fragen als seiner Laufbahn beschäftigt hat, können ein wichtiges Indiz für die vorhandene Kreativität eines Bewerbers sein. Denn Kreative unterscheiden sich von anderen vor allem dadurch, dass sie Eigenschaften in sich vereinen, die als gegensätzlich gelten. Zu diesem Ergebnis kommt der Psychologe Mihaly Czikszentmihaly, der 91 Menschen befragt hat, die Standards gesetzt und Neuerungen bewirkt haben. Eine seiner Untersuchungsergebnisse lautet: Die Kreativen „verbinden Disziplin mit Spielerischem, Verantwortungsgefühl und Ungebundenheit”.

Entscheidend ist bei der Auswahl der Bewerber neben der Persönlichkeit auch die Frage, ob der Kandidat zu einem bestehenden Team passt. „Der Teamkomposition wird in Innovationsprozessen in der Wirtschaft noch zu wenig Bedeutung beigemessen. Dabei hat sich bei unseren Unternehmensarbeiten gezeigt, dass hier mit wenig Aufwand beim Team – nicht in der Personalabteilung – viel bewegt werden kann”, meint Prof. Dr. Oliver Grassmann vom Institut für Technologiemanagement der Universität St. Gallen in einem Interview von HR Today. In dieselbe Richtung äußerte sich auch Dr. Norbert Meyer, Leiter Rekrutierung Hochschulabsoventen bei BASF, kürzlich gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Wir achten darauf, dass Menschen mit unterschiedlichen Denkweisen aufeinandertreffen: Einige sind eher nachdenklich, andere liefern den kreativen Input. So bringen verschiedene Herangehensweisen das Projekt innovativer voran als in Teams mit Mitarbeitern, die alle in die gleiche Richtung denken.”

Häufig ist in Unternehmen schon mehr kreatives Potenzial vorhanden als auf den ersten Blick angenommen. Die Begabungen aller Mitarbeiter zu fördern, müsste deshalb Ziel der Unternehmen sein. Doch wie kann ein Unternehmen das Ideenpotenzial der Mitarbeiter voll ausschöpfen? Ein internes Vorschlagswesen, das die Mitarbeiter zur Produktion neuer Ideen animiert, ist nur ein Schritt von vielen. Wichtig ist dabei vor allem wie Unternehmen ihre Feedback-Kultur gestalten. Denkverbote aufzuheben und Fehler zuzulassen erhöht die Anzahl der Ideen. Deshalb feiern Unternehmen, die wie 3M von Ihren Erfindungen leben, auch solche Ideen, die letztendlich nicht realisiert werden. Unternehmensinterne Innovationspreise haben demgegenüber auch ein Auge auf den Erfolg eines Produktes am Markt. Diese Vorgehensweise hat vor allem für interne Unternehmensprozesse Vorteile: „Vorschläge zum Standort von Kaffeemaschinen und neue Fahrradständer helfen der Produktivität eines Unternehmens eher weniger”, kommentierte Prof. Dr. Oliver Gassmann, Direktor des Instituts für Technologiemanagement, kürzlich in einem Interview. Wenn es auf die Umsetzbarkeit einer Idee zur Organisation im Unternehmen ankommt, fallen laut Gassmann die Ideen dabei häufig weniger trivial aus, als bei einem klassischen Vorschlagswesen.

Im durchstrukturierten Büroalltag fehlen allzu oft die Freiräume abwegigen Gedanken freien Lauf zu lassen. Deshalb kann am Anfang einer Ideenfindungsphase ein Ideenworkshop den entscheidenen Impuls geben. Welche Methode dabei aus der Fülle an Kreativitätstechniken ausgewählt wird, ist nicht das Entscheidende. Vielmehr zählt, dass der Moderator eine Atmosphäre schafft, in der noch so abwegige Gedanken ihre Berechtigung haben. Ideal ist ein heterogen zusammengesetztes Team ohne hierarchische Strukturen. Im Beisein ihrer Vorgesetzten sind Mitarbeiter in ihrem Ideenlauf oft gehemmt. Experten gehen davon aus, dass Kreativität geübt werden kann. Ein Ideenworkshop kann den Mitarbeitern Methoden an die Hand geben, um ihre Kreativität zu beflügeln.

Dass Kreativität methodisch gelehrt werden kann, ist allerdings umstritten. Deshalb führt der Automobilkonzern Ferrari beispielsweise mehrmals im Jahr ein Programm namens „Creativity Club” durch. Dieses Programm zielt darauf ab, die kreative Energie der Mitarbeiter anzuregen. Es besteht aus mehreren Veranstaltungen, bei denen die Mitarbeiter verschiedene Künstler treffen oder die jeweiligen Künstler ihre Fähigkeiten vermitteln. Von Malern, Bildhauern, Musikern, Schriftstellern, DJs, Fotografen, Köchen oder Schauspielern sollen die Mitarbeiter lernen, wie Künstler ihre Ideen entwickeln und erfolgreich umsetzen. Der Eventcharakter der Veranstaltungen ermöglicht es, eingefahrene Gleise zu verlassen. Im Idealfall nehmen die Teilnehmer die Ideen mit in ihren Arbeitsalltag und übertragen sie auf ihr Umfeld. In einem Gespräch mit Harvard Business Review betonte Mario Almondo, Leiter Personal von Ferrari: „Wir möchten, dass die Kreativität aus ihrem Unterbewusstsein heraus zu wirken beginnt.” 

Die kleinen Kreativitätshelfer

Um die Ideenproduktion der Mitarbeiter zu fördern, sollten Personalverantwortliche auf ganz elementare Grundvoraussetzungen hinweisen: Eine ausgewogenen Ernährung ist das A und O jeglicher Gehirnfunktion und damit auch von Kreativität. Wer eine fettige Schweinshaxe zu Mittag isst, wird sich anschließend zu keinerlei Gehirnakrobatik in der Lage wissen. Förderlich ist hingegen der Botenstoff Serotonin, der für einen klaren Kopf sorgt. Serotonin wird aus dem Eiweißbaustein Tryptophan gebildet, das beispielsweise in Sojabohnen, Nüssen, Linsen, Haferflocken oder Weizen vorkommt. Ein stabiler Blutzuckerspiegel und viel Flüssigkeit sind daneben die besten Katalysoren für schlummernde Ideen.

Um den Denk- und Gedächtnisprozess zu fördern ist ein Rhythmus von Anspannung und Entspannung ideal. Ein ermüdeter Geist ist ein schlechter Ideengeber, so dass rechzeitiges Pausieren geboten ist. Außerdem schafft eine Pause Distanz zu den Dingen und der Mitarbeiter betrachtet danach die Aufgaben mit neuem Blick. Gedankliche Flows lassen sich auch durch körperliche Bewegung fördern. Besonders geeignet sind Ausdauersportarten wie Joggen, Langlauf oder Radfahren – allerdings nur dann, wenn schon eine gewisse Fitness vorhanden ist, denn das Gerhin selbst darf durch den Sport nicht gefordert sein. Wissenschaftler haben nun bewiesen, dass der Körper beim Ausdauertraining ein als Kreativitätshormon geltender Stoff namens ACTH ausschüttet. ACTH erhöht die Sauerstoffzufuhr des Gehirns und ermöglicht klares Denken und Konzentration – und damit die Grundlage für viele neue Ideen. 

Online-Tipps:

www.creativethink.com

www.grauezelle.de

www.innovationen-fuer-deutschland.de¶

www.innovationsmanagement.de

www.kreativblog.de

www.kreativ-sein.de