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Foto von Damian Patkowski
Herr Dr. Szeliga, sind Sie ein humorvoller Mensch?

Durch und durch.

Was ist überhaupt Humor?

Ich will das erst mal mit einem Zitat beantworten: „Humor ist der Knopf, den man aufmachen kann, bevor der Kragen platzt.“ Humor ist für mich ein Katalysator. Ein Transmitter, der es ermöglicht, Botschaften auf den Punkt zu bringen, für entspannte Situationen zu sorgen, Aggressionen abzubauen – aber vor allem bewirkt, sich selber wohl zu fühlen.

Sie sind Facharzt für Innere Medizin und haben die „CliniClowns“ mitbegründet: Sie fördern die Genesung von Kindern im Krankenhaus, indem Sie die kleinen Patienten aufheitern. Gibt es wissenschaftliche Beweise für die heilsame Wirkung von Humor?

Auf jeden Fall. Lachen und Humor haben einen positiven Einfluss auf viele Prozesse im Körper, vor allem hormoneller Art. Viele Daten belegen eine Stressreduktion. Lachen entspannt, die Atmung wird verbessert, man kann sogar durch Lachen abnehmen – das heißt aber nicht, dass Sie nicht mehr ins Fitnessstudio gehen sollten. Auch der Blutdruck sinkt bei humorvollen Menschen. Allerdings bin ich sehr vorsichtig mit wissenschaftlichen Analysen. Denn wenn man beginnt, Humor zu zerlegen, dann ist das für mich ein bisschen so, wie einen Frosch zu sezieren: Dem Einzigen, dem es hilft, ist der Wissenschaftler – und der Frosch ist tot.

Humor kann also nicht einfach Mittel zum Zweck sein?

Nein, das glaube ich nicht. Ich habe unlängst eine Studie gelesen, für die in Japan bei Schülern gemessen wurde, wie oft sie lachen. Aus den Aufzeichnungen werden dann weitere wissenschaftliche Daten gewonnen. So etwas geht mir schon ein bisschen zu weit.

Sie plädieren auch am Arbeitsplatz für einen humorvollen Umgang. Steht das nicht im Widerspruch zum Leistungsgedanken?

Ganz im Gegenteil. Humorvolle Menschen sind viel leistungsfähiger. Es gibt eine Studie von der University of Oklahoma, dass in einer Atmosphäre, die Humor erlaubt, zehnmal so viele kreative Ideen und Lösungen entstehen. Es ist sehr spannend, was machbar ist, wenn Unternehmen Humor in ihre Firmenkultur integrieren – gerade in Zeiten wie diesen. In einem guten, entspannten Umfeld können und wollen die Beschäftigten viel mehr leisten – weil sie sich wohlfühlen und weil sie schwierige Zeiten einfach besser überstehen. Es gibt auch viele Beispiele dafür, dass die Krankenstände sinken.

Aber jeder kennt den Spruch: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen....

Also ich sehe das ganz anders. Warum dreht man diesen Spruch nicht um und sagt: Mit Vergnügen in die Arbeit? Es gibt da ein geschichtliches Problem. Immer hieß es „Das hier ist die Arbeit, das hier ist ernst, da haben wir nichts zu lachen.“ Zum Lachen gehen wir dann am Abend in den Keller – und zahlen sogar noch dafür, wenn wir zum Beispiel ein Kabarett-Programm besuchen. Das ist doch pervers, irgendwie. Moderne Firmen wie Google, Microsoft oder Red Bull haben das Thema Humor in ihre Firmenphilosophie integriert und teilweise sogar in ihren Arbeitsverträgen verankert. Denn sie sagen: „Mir ist es wichtig, dass es dir bei uns gut geht, dass wir gemeinsam lachen.“ Das fängt immer beim Chef an, wenn der Vorgesetzte Humor toleriert, dann nehmen das die Mitarbeiter auch auf.

Die Entwicklung der Arbeitswelt spielt vermutlich auch eine Rolle: Im Zeitalter der Industrialisierung, in der harte körperliche Arbeit überwog, hatte Spaß wahrscheinlich weniger Platz als in der heutigen Wissensgesellschaft mit all ihren Kreativberufen...

Das stimmt natürlich. Und man muss auch differenzieren. Es gibt Berufe, keine Frage, bei denen Humor aufgrund der körperlichen Tätigkeit oder aufgrund ihrer Struktur viel schwerer einsetzbar ist als zum Beispiel in kreativen Berufen oder kommunikativen Berufen, wo es um Verkauf oder um Verständigung geht.

Sie erwähnten es bereits: Die Wirtschaftslage ist sehr angespannt. Von daher ist vielen Arbeitnehmern gerade jetzt nicht zum Lachen zumute. Plädieren Sie etwa für Galgenhumor nach dem Motto „Humor ist, wenn man trotzdem lacht...“?

Es gibt sehr viele Arten von Humor. Galgenhumor hat auch seine Berechtigung, weil er ebenfalls entspannt. Unternehmen können ihn aber nicht gezielt einsetzen – er entsteht sowieso. Gerade in schwierigen Zeiten sollte man sich an das halten, was machbar ist. Ich kann jetzt, zum Beispiel, keine neuen Banken aufstellen oder amerikanische Systeme hinterfragen, die uns in diesen Ruin getrieben haben. Aber ich kann – jederzeit – darauf achten, dass es mir in meinem Umfeld gut geht. Mit kleinen Mitteln, mit den Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen. Das habe ich selbst in der Hand. Ich bin kein Verfechter von „starren“ Motivationsseminaren, denn meiner Meinung nach kann ich mich nur selbst motivieren. Manchmal sehen die Menschen nur die Probleme: „Ich nenne ihnen zwanzig Gründe, warum das in meiner Firma nicht umsetzbar ist.“ Wir neigen gerne dazu zu sagen, warum etwas nicht geht. Ich drehe das um und sage, warum es auch in Zeiten wie diesen Gründe gibt, motiviert in die Firma zu gehen. Warum es Gründe gibt zu sagen, okay, ich schenke meinem Untergebenen, wie das so heißt, ein Lächeln. Das sind kleine Dinge, die alles vereinfachen.

Es geht also gar nicht darum, einen tollen Witz zu erzählen?

Nein. Es geht um kleine Gesten, die dann Mut machen für größere Dinge. Ich kann als Hundert-Meter-Läufer auch nicht mit dem Weltrekord beginnen. Ich muss erst mal anfangen zu trainieren, ich muss überhaupt erst einmal laufen. Im übertragenen Sinn bedeutet das, ich muss erkennen, wie Humor entsteht und was durch ihn machbar wird. Das Tolle ist: Humor kostet nichts; ein Lächeln ist gratis, aber nie umsonst. In meinen Vorträgen und Seminaren zeige ich, mit welch einfachen Mitteln die Teilnehmer zum Lachen zu bringen sind. Damit sie nachher rausgehen und sagen “Das war jetzt einer der besten Vorträge, die ich je gehört habe, weil ich auch spüre, wie gut´s mir tut!“ Dann ist das der erste Schritt zu sagen „Warum gönne ich mir das eigentlich nicht öfter?“

Ist das wirklich so einfach? Eigentlich gilt es doch als hohe Kunst, Menschen zum Lachen zu bringen?

Das Spannende ist, wir haben es alle schon einmal gekonnt: als Kind. Kinder haben zwei Möglichkeiten zu interagieren: Die eine ist zu schreien, die andere ist zu lächeln. Und wenn Kinder lächeln, was passiert dann? Die Eltern lächeln zurück. Diese Fähigkeit haben wir verdrängt, weil uns immer wieder gesagt wurde, “Lachen ist etwas für Dumme, damit verstecken sie ihren Mangel an Kompetenz.“ Humor darf nie ein Ersatz für Kompetenz sein, aber er ist die beste Ergänzung dafür.

Die Personal Austria ist eine Fachmesse für Personalmanagement: Personalisten müssen vielen Aufgaben gerecht werden: Sie sind Lohnverrechner, Weiterbildungsbeauftragte, Business Partner, Change Agents. Sollen sie jetzt auch noch die Rolle des Stimmungsmanagers übernehmen?

Für das Betriebsklima ist immer das Management zuständig, das die Philosophie im Unternehmen festlegt. Und das hängt von der Persönlichkeit der Menschen ab, die in einem Unternehmen arbeiten. In dieser Hinsicht spielt das Personalmanagement eine wichtige Rolle, da es ja zu seinen Hauptaufgaben gehört, Mitarbeiter auszuwählen. Personalisten sollten bei der Personalauswahl nicht nur die Ausbildung des Bewerbers prüfen, sondern auch darauf schauen – und das tun bereits viele internationale Unternehmen – ob sie humorfähig sind. Dazu müssen sie nicht etwa Witze erzählen können. Ein Unternehmen in den Vereinigten Staaten stellt zum Beispiel im Aufnahmegespräch die Frage: „Überlegen Sie mal, welche Situation in Ihrem neuen Umfeld könnten Sie sich vorstellen mit Humor zu lösen?“ Also ich will jetzt nicht den Humor als einzig wahre Businessphilosophie promoten – um Gottes willen! Humor ist einfach das Tüpfelchen auf dem I, das in Unternehmen für Entspannung, Gemeinschaft und für positive Dynamik sorgen kann.

Gerade aus dem Personalmanagement wissen wir, dass es länderspezifische Eigenheiten gibt. Den Deutschen wird zum Beispiel nachgesagt, dass sie wenig Sinn für Humor haben. Wie humorvoll sind denn die Österreicher?

Der Österreicher gilt als gemütlich, doch manchmal auch als ein bisschen „grantig“. Er versteht es aber trotzdem, zu feiern. Zudem wird uns Charme und ironisch schwarzer Humor nachgesagt. Diese Kombination kann ganz auflockernd sein. Das Beste aber ist: Der Österreicher kann bisweilen ganz gut über sich selbst lachen. Sich selbst auf den Arm zu nehmen ist nämlich nicht nur die beste Turnübung, die es gibt, es macht auch sympathisch: Wenn ein Chef zum Beispiel sagt „Ich erzähle euch jetzt, was mir heute in der U-Bahn passiert ist!“ dann wirkt er menschlich, auch wenn er ansonsten eine „beinharte“ Führungskraft ist. Wenn er die Menschlichkeit besitzt, sich selber einmal nicht so wichtig und nicht so ernst zu nehmen, Humor zu zeigen, dann ist er auch ein Botschafter. Dann nehmen das die Mitarbeiter an und akzeptieren vermutlich auch seine harten Seiten.

Ist Humor erlernbar?

Weil wir es alle schon einmal gekonnt haben, können wir es wieder lernen. Wichtig ist dabei, dass man authentisch bleibt. Wer seine Humorfähigkeit steigern möchte, sollte sich seine Fähigkeiten bewusst machen und überlegen: Worüber lache ich gerne, was erzähle ich gerne, bevorzuge ich den stillen Humor? Bin ich einer, der viele Pointen präsentieren kann? Weil es so viele Nuancen gibt, kann jeder etwas finden, was seinem Humor entspricht.

Das Gespräch mit Dr. Roman F. Szeliga führte Petra Jauch, Pressereferentin von spring Messe Management