In unserer heutigen Episode der HRM-Hacks konzentrieren wir uns mit dem Schweizer Michel Ganouchi auf das Thema “Recruiting-Hacks für KMU”. Michel Ganouchi arbeitet seit August 2020 für den Kanton Zürich als HR Projektleiter mit Fokus Employer Branding. Er verfügt über langjährige Erfahrung in Marketing, Kommunikation, Business Development und Management in diversen Branchen und für verschiedene Firmentypen. Er war unter anderem in Führungsfunktionen bei Monster Worldwide Switzerland AG und Sony Music tätig. 2013 gründete er seine eigene Personalmarketingagentur recruma. Privat ist Michel ein begnadeter Gitarrist, der während eines längeren USA-Aufenthalts sogar einmal mit Aerosmith und Pearl Jam vor der Kamera stand.

Michel Ganouchi

Alexander Petsch: Schön, dass Du heute bei uns bist!

00:01:37
Michel Ganouchi:
Herzlichen Dank für die Einladung. Es war die längste, schönste, beste und wohlwollendste Einführung, die ich je erlebt habe. Herzlichen Dank dafür! Und Glück auf, wie Du so schön zu sagen pflegst.

00:01:55
Alexander Petsch: Michel, KMU-Recruiting ist bestimmt eine anspruchsvolle Disziplin, weil man natürlich nicht alle Experten, die man in einer großen Organisation zur Hand hat, mit im Boot hat. Wo würdest Du anfangen? Oder wie würdest Du das einschätzen?

00:02:27
Michel Ganouchi: Also, grundsätzlich gebe ich Dir vollkommen Recht. Die Herausforderung ist eigentlich eine fiese, weil der Markt für kleine Unternehmen, mittlere Unternehmen und große Unternehmen genau der gleiche ist. Aber die Voraussetzungen, die sie innerbetrieblich haben, sind komplett unterschiedlich. Beim Großunternehmen sind die Ressourcen da und beim KMU tendenziell eher nicht, würde ich mal vorsichtig sagen. Was mache ich aus dieser Ausgangslage? Trotzdem habe ich dieselben Herausforderungen zu meistern. Das macht es nicht einfacher. Ich habe den Vorteil, dass ich schneller bin, agiler sein könnte, wenn es um Prozesse, Bewilligungen geht. Ich könnte frecher auftreten auf dem Markt. Dafür müssen aber auch die Grundlagen der Organisation gegeben sein, das Vertrauen der Geschäftsführung gegeben sein und so weiter. Diese Vorteile kann man durchaus in die Waagschale werfen.

00:03:19
Alexander Petsch: Du hast gesagt, ich kann schneller sein. Was braucht es denn dafür aus Deiner Sicht? Was muss ich denn tun?

00:03:24
Michel Ganouchi: Es ist ja so, dass ich in einem KMU viel agiler agieren kann mit den Maßnahmen oder auch mit dem Entwerfen von Strategien. Im Idealfall im Binnen-HR oder sonst nach kurzer Rücksprache mit Geschäftsführung umsetzen. Bei Konzernen, die prozessual an Systeme gekoppelt sind, dauert die kleinste Änderung dann immer schon ganz lange und braucht die Change Requests. Da ist zwar Geld vorhanden, aber die Flexibilität nicht. Und das unterscheidet die KMU definitiv von Großunternehmen. Diesen Vorteil muss man ausspielen, braucht aber trotzdem Kompetenz, vielleicht ein bisschen Mut und Risikobereitschaft und vor allem viel Vertrauen, auch das machen zu dürfen.

00:04:12
Alexander Petsch: Also auf jeden Fall die direkte Kopplung an die Entscheider, an die Geschäftsführung, um da schnell und agil zu sein.

00:04:21
Michel Ganouchi: Unbedingt. Recruiting ist eine Disziplin, die nicht nur HR betrifft. Es betrifft das ganze Unternehmen. Ich denke oft immer noch, dass diese Phrasen wie “der Mitarbeiter ist das wichtigste Gut im Unternehmen” nicht gelebt werden. Zwar auf der Karriereseite stehen, aber intern nicht unbedingt gelebt werden. Das Thema Recruiting braucht höchste Awareness in den obersten Etagen, weil es ist so: Demografie sei Dank müssen wir uns dem Thema sehr bewusst annehmen. Es wird auch viel schlimmer werden als es heute schon ist, die richtigen und passenden Leute zu finden. Und wenn das nicht erkannt wird, dann hat man grundsätzlich ein Problem. Das kann man im HR auch nicht per se einfach mal so wegmachen.

00:05:07
Alexander Petsch: Jetzt haben wir die Awareness und den Zugang, um schnell agieren zu können. Dann brauche ich wahrscheinlich den direkten Zugriff zu der Fachabteilung, die auch in die Entscheidung involviert ist. In einem früheren Podcast hat Frank Rechsteiner den Hack gegeben, einen festen Tag in der Woche mit allen Beteiligten zu blockieren, um dann wirklich ganz schnell einsteigen zu können. Was wären aus Deiner Sicht noch Ansatzpunkte, um diese Schnelligkeit auf die Straße zu bringen?

00:05:38
Michel Ganouchi: Es braucht Verbindlichkeit mit der Linie. Um Verbindlichkeiten zu schaffen, muss ich die Linie aufklären und erziehen und mitnehmen. Weil oftmals ist es ja so, da habe ich mal ein innovatives Recruiting, die Kompetenzen sind da, aber die Linie spielt nicht mit. Und es braucht beide Seiten, um da wirklich erfolgreich sein zu können. Das heißt, ich muss die Menschen gewinnen, die da in der Linie dahinter sind. Ich muss sie auch von der Notwendigkeit überzeugen können. Ich muss sie anreichern mit Wissen, weil da hat sich etwas verändert im Markt. Dessen ist sich die Linie oft nicht so bewusst. Ich würde viel auch über informelle Kontakte spielen, um dann eben Verbindlichkeiten, Regelmäßigkeiten zu schaffen, um etwas zu etablieren, das dann auch längerfristig so gelebt wird. Weil sonst kriege ich diese PS nie auf die Straße.

00:06:30
Alexander Petsch: Also schnelle Reaktionszeiten. Den Begriff “frech” hast Du als zweite Grundidee genannt.

00:06:37
Michel Ganouchi: Frech ist immer gut, um aufzufallen. Ich nehme das manchmal auch für mich persönlich wahr. Hat aber natürlich mit der Positionierung des Menschen oder des Unternehmens gleichermaßen zu tun. Wenn es passt, ist frech super. Wenn ich ein konservatives Unternehmen bin, das gegen innen auch nicht mit Frechheit glänzt, kulturell gesehen, dann würde ich das nicht unbedingt in der Kommunikation nach außen sehen wollen, weil dann die Schere zu groß ist. Aber vielleicht kann man frech sinnbildlich verstehen, auch im Sinne der Methoden oder der Vorgehensweise, die vielleicht zumindest frech anmuten. Also einfach nicht das 08/15-Recruitingprozess-Schema durchzukauen, um erneut erfolglos zu scheitern, sondern zu sagen, ok, lass uns mal etwas ausprobieren.

00:07:33
Alexander Petsch: Was würdest Du empfehlen?

00:07:35
Michel Ganouchi: Ich würde das digitale Spektrum mal ausloten. Grundsätzlich nicht nur einfach Stellenanzeigen, wie wir es kennen, sondern mal mit Formen experimentieren. Das können Kurzvideos sein, das können Methoden des Online-Marketings sein, die für Recruiting genauso gültig sind. Tools ausprobieren, Vorgehensweisen. Das kostet alles ein bisschen, ist sicher auch Lehrgeld, das man da bezahlt. Aber immer noch besser als alte Pfade zu betreten, die schon längst ausgetreten sind. Im Digitalen hab ich den großen Vorteil, dass ich den Erfolg wenigstens auch messen kann. Das heißt, messen und verbessern ist sicher eine Devise, die ich mir da hinter die Ohren schreiben kann.

00:08:21
Alexander Petsch: Jetzt habe ich ja bestimmt ein Dutzend Plattformen von Facebook über Twitter, LinkedIn bis hin zu Xing. Gestern hat TikTok das Thema Lebenslauf und Recruiting in den USA freigeschaltet. Die kommen also auch in den Markt. Was sind denn Deine Erfahrungen? Wo würdest Du die Schwerpunkte setzen? Klar, das hängt natürlich auch davon ab, was für Stellen ich ausschreibe. Aber wie sind da Deine Erfahrungen?

00:08:49
Michel Ganouchi: Also, es gibt mehrere Ebenen, die man da betrachten soll. Als Profi muss man zumindest mal wissen, was es am Markt überhaupt gibt. Und da hört leider oftmals die Kompetenz schon auf. Das heißt, man muss intensiv beobachten, Erfahrungen austauschen mit Peer Groups, wer wie was wo macht und was potenziell erfolgversprechend sein kann. Das ist ein ziemlicher Dschungel, der da logischerweise abgeht. Es gibt nicht DAS Rezept, weil es nicht DIE Zielgruppe gibt. Also, die Zielgruppendenke ist nach wie vor Marketinglogik ziemlich einfach, im Recruiting noch nicht immer: Das Kommunikationsverhalten von Zielgruppen verstehen und sie da ansprechen, wo sie zu Hause sind, also wo sie sich informieren, wo sie sich Information beschaffen. Und das sind selbstverständlich nicht nur Jobbörsen, denn da adressiere ich bekanntlich immer nur den aktiven Jobmarkt, also diejenigen, die nach Jobs auch aktiv suchen. Immer mehr bin ich als Unternehmen ja genötigt, passive Kandidaten zu erreichen. Und da gibt’s verschiedene Möglichkeiten und Formen. Im Moment nimmt das Thema Programmatic Advertising, was wir im Online-Marketing schon lange kennen, auch im HR zu, weil es mir erlaubt, aufgrund des User-Verhaltens Zielgruppen kanalübergreifend anzusprechen, mit kleinen Werbebotschaften, um sie auf mich aufmerksam zu machen. An die käme ich sonst nie ran. Ich sage nicht, dass das das Heilmittel ist, da hab ich selbst ganz ehrlich gesagt auch zu wenig Erfahrung damit.

00:10:25
Alexander Petsch: Also mit Programmatic Advertising heißt, dass ich über Banner anzeigen oder Bannerplätze auf verschiedenen reichweiten- oder zielgruppenstarken Webseiten ersteigere. Das kann ich über Google oder über andere tun.

00:10:46
Michel Ganouchi: Ganz genau, da geht es hin. Es ist eigentlich eine theoretisch sehr sinnvolle Vorgehensweise, weshalb einige große Unternehmen auch versuchen damit zu experimentieren. Darum sage ich auch, versuchen und ausprobieren ist wichtig. Zahlt man auch mal Lehrgeld, aber wenigstens weiß ich dann, ob es für mich und meine Zielgruppen überhaupt erfolgversprechend ist. Und wenn ich schon weiß, das ist nichts für mich, dann kann ich es wenigstens für die Zukunft oder für die unmittelbare Zukunft kurzfristig ausschließen. Oder ich entdecke, dass eine Zielgruppe besonders affin ist und auf diese Vorgehensweise anspringt, und dann kann ich mich zumindest künftig bei dieser Zielgruppe auf diese Vorgehensweise konzentrieren. Also, der Mix an Maßnahmen muss ganz einfach breiter werden, um nach wie vor am Ball bleiben zu können.

00:11:42
Alexander Petsch: Vor zwei, drei Jahren haben wir mit der B2B Insider in Österreich ein gemeinsames Produkt zum Thema Retargeting gemacht. Mit der Idee, dass die Besucher meiner Karriereseite danach weiter im Netz meine Botschaften erreichen und ich sie bewerben kann. Hierzu gab es bei den Personalern und bei den Recruitern Interesse. Wir waren auf der TALENT Pro, haben dort ausgestellt und hatten also eine ganze Reihe von Firmen, die sich dafür interessiert haben. Aber es hat keiner wirklich angepackt.

00:12:18
Michel Ganouchi: Erstaunt mich gar nicht. Das ist die Beobachtung, die ich als neutraler Marktbeobachter in all den Jahren immer wieder gemacht habe. Es gibt viele gute Ansätze oder technische Produkte, die ausgereift sind, die marktfähig sind, die eine gute Value Proposition (Nutzenversprechen) haben. Aber es kauft sie niemand oder zu wenig. Und das hat mit verschiedenen Dingen zu tun. Erstens muss man verstehen, dass die Unternehmensprozesse oftmals ein bisschen starr sind, auch im Digitalen. Lasst uns das mal probieren, machen wir jetzt. Das ist das eine. Und dann gibt es immer eine überdurchschnittliche Zurückhaltung gegenüber Innovation im HR. Also überdurchschnittlich im Vergleich zu Marketing, Sales und anderen Disziplinen. Das hat vielleicht mit Unkenntnis der Möglichkeiten und Ängsten zu tun. Das ist jetzt eine Interpretation von mir. Vielleicht hat es aber ganz einfach auch ein bisschen damit zu tun, dass oftmals traditionelles Recruiting trotzdem noch funktioniert, entgegen allen Unkenrufen. Die Stepstones und andere Jobbörsen funktionieren halt zu einem guten Teil nach wie vor. Und da, wo sie nicht mehr funktionieren, da scheidet sich dann die Spreu vom Weizen. Da haben die großen Unternehmen dann Inhouse, Active Sourcing, vielleicht sogar Abteilungen aus dem Boden gestampft oder kaufen sich Dienstleistungen entsprechend dazu. Und die kleineren, die rennen dann halt zum Headhunter und bezahlen dort alternativ ziemlich viel Geld. Aber wenn es denn Sinn und Zweck erfüllt, ist es vielleicht auch nicht nur falsch. Denn der Aufwand, diese Stellen zu besetzen, ist überproportional groß in Relation zu Kompetenzen und zu Zeit, die gerade KMU haben. Die können es sich kaum erlauben, einen Inhouse Recruiter anzustellen, der nichts anderes macht, als Business-Netzwerke und andere Plattformen zu durchforsten. Wenn es darum geht, in die Kandidatenansprache aktiv reinzugehen, dann ist es durchaus auch mal sinnvoll, den Personalvermittler des Vertrauens einzuschalten.

00:14:33
Alexander Petsch: Also als Hack, durchaus Headhunter und Personalvermittler mit einbeziehen. Was mir noch dazu einfällt ist, die technologische Hoheit als HR über meine Recruitingseite zu haben. Das war so ein Knackpunkt bei den Gesprächen mit den Recruitern. Die fanden das Thema Retargeting total spannend, aber die Auseinandersetzung mit der Marketingabteilung oder anderen Personen in der Organisation war eklatant. Und da wäre so ein Hack, eigentlich brauchst du über deine Karriereseite die volle Hoheit, und die volle Hoheit heißt auch Tracking, Targeting, Retargeting, Programmatic Advertising. Also, das auch tun zu können und dürfen.

00:15:32
Michel Ganouchi: Oftmals wirst du die nicht erhalten, weil das einfach per se organisatorisch und prozessual nicht in den entsprechenden Kompetenzunterteilungen vorgesehen ist. Dann musst du zumindest dafür sorgen, dass du dich gut Freund stellst mit den relevanten Personen im Web-Team, in Analytics, in Corporate Communication, wo auch immer. Ich kenne das Thema auch sehr gut, auch aus Beobachtung und höre immer das Leid klagen, dass oftmals selbst verursacht ist, das muss ich ganz ehrlich sagen, mangels Interesse. Man hat sich lange nicht für das Thema Karriereseite interessiert, hat auch nicht die entsprechenden Kompetenzen aufgebaut. Das wird langsam kompensiert. Aber in Marketing und Kommunikation sich den Ruf zu erarbeiten, dass da richtig Kompetenz auch vorhanden ist, das muss man sich erarbeiten. Das hat mit relativ viel Einsatz, Wille und Können zu tun. Und, ganz ehrlich, das Stakeholder Management diesbezüglich, und das ist ein Appell an die HR-Community, kann noch verbessert werden.

00:16:36
Alexander Petsch: Du bist natürlich der viel bessere Diplomat als ich. Was wäre der nächste Punkt, wo Du sagen würdest, da würde ich reingrätschen, da ist wirklich Musik drin als KMU?

00:16:58
Michel Ganouchi: Das Thema Linie, Mitarbeiter und deren Netzwerke anzapfen. Das ist nicht unbedingt eine neue Botschaft. Aber vielleicht das Ganze nicht nur auf gut Glück, dass da irgendwelche Empfehlungen per Zufall über Xing oder LinkedIn dann ausgesprochen werden, sondern einen systematischen Prozess dahinter zu stellen, der einen Mehrwert bietet für die Teilnehmenden. Das ist ziemlich aufwendig, das ist nicht eben mal so schnell gemacht. Und oftmals hat der Recruiter auch eine falsche Erwartungshaltung an Engagements von Mitarbeitenden. Man muss die befähigen, die Medien zu nutzen und muss denen erklären, was der Mehrwert ist. Aber da liegt sicher ein gutes Potenzial. Es liegt auf der Hand, dass die Netzwerke vom Mitarbeiter eine erste Quelle potenzieller Recruiting-Aktivitäten sein müssen. Talent Pools aufbauen, falls Sie noch nicht vorhanden sind, Beziehungen pflegen zu ehemaligen Mitarbeitenden, das gehört alles ebenso mit dazu. Klar, Datenschutz ist ein Thema, dem müssen wir Rechnung tragen. Aber da gibt es auch Einwilligungsverfahren, die dem Rechnung tragen. Aber dass wir uns dann tatsächlich in eine Art CRM-Modus begeben, um mit guten, wertigen Kandidaten, die es nicht ganz geschafft haben, in Verbindung zu bleiben.

00:18:30
Alexander Petsch: Ja, und auch das Thema Ex-Mitarbeiter …

00:18:35
Michel Ganouchi: … das ist eine riesige Quelle. Es kommen viele gerne auch wieder zurück, wenn sie gemerkt haben, dass es woanders auch nicht so cool ist. Nachdem sich eine kurzfristige Verliebtheit in ein Unternehmen dann eben doch nicht in nachhaltige Liebe verwandelte. Das gibt es, das weiß man ja aus Studien, dass es viele Rückkehrer gibt und das kann ich natürlich systematisch machen. Das sind alles Gedanken aus dem CRM (Customer Relationship Management), in Verbindung bleiben, Kontaktstrecken entwickeln, um diese Zielgruppe Alumni bei Laune zu halten mit kleinen Aufmerksamkeiten. Das können Events, Geburtstagsgeschenke und so weiter sein. Da gibt es charmante und gar nicht sehr kostspielige Möglichkeiten, das anzupacken.

00:19:22
Alexander Petsch: Wir haben auch immer zu unseren Sommerfesten und solchen Anlässen Ehemalige, die sozusagen in unserem Dunstkreis und unserem Talent Pool waren, gerne eingeladen.

00:19:33
Michel Ganouchi: Die charmanteste und konkreteste Aktion, von der ich diesbezüglich je gehört habe, ist von einer wirklich kleinen KMU in der Schweiz. Da hat tatsächlich der Partner oder die Partnerin des oder der ehemaligen Angestellten ein Geschenk zum Geburtstag bekommen. Influencer indirekt, sozusagen. Das fand ich unglaublich gut, weil das dich nichts außer einem Blumenstrauß kostet und potenziell unglaublich viel Effekt hat.

00:20:02
Alexander Petsch: Definitiv. Und darüber wird gesprochen. Wenn wir uns den Prozess angucken, jetzt haben wir an Marketing-Netzwerke gedacht, Talent Pools, Geschwindigkeit, die Stakeholder mit einbinden. Was würdest Du sagen, ist für KMU noch wichtig, um die PS im Recruiting auf die Straße zu bringen?

00:20:36
Michel Ganouchi: Wir haben jetzt eher über Formalitäten gesprochen, also Äußeres. Schauen wir uns doch das Innere an. Es kommt natürlich auch darauf an, mit welchen Botschaften ich eine Zielgruppe beglücke. Da kommen wir sehr schnell auf Inhalte zu sprechen, auf Botschaften und nicht nur auf die Kanäle. Und da schlägt sich auch die Brücke, weil die zwei Themen unmittelbar miteinander verwoben sind. Ich kann noch so eine gute Channel-Strategie haben, potenzielle Kandidaten anzusprechen. Aber wenn meine Karriereseite einfach inhaltsleer, blutleer und ohne aussagekräftige Fotos ist, dann kann ich eine vielleicht gute Recruitingstrategie schon wieder totschießen und mich ziemlich erfolglos machen. Es gehört natürlich mehr dazu als nur eine vernünftige Recruitingstrategie zu haben.

00:21:37
Alexander Petsch: Also aussagekräftige Fotos von Menschen …

00:21:42
Michel Ganouchi: … sowieso. Mal grundsätzlich, die Aufgabe des Employer Branding ist, das qualitativ hochwertig durchzuführen. Ich muss als Unternehmen wissen, für was ich stehe, wer zu mir passt, wie ich mich differenziere. Eben eine Value Proposition (Nutzenversprechen) erarbeiten, die für den Arbeitgeber steht, die sogenannte EVP, Employer Value Proposition. Die brauche ich als Orientierungs- und Absprungpunkt im Messaging auf Stellenanzeigen, auf der Karriereseite, selbst im Sourcing-Gespräch beispielsweise, wenn ich denn aktive Kandidatenansprache mache. Da muss ich wissen, was ich sagen soll. Ich rufe ja keinen Kandidaten und versuche ihn zu gewinnen, indem ich ihm meine Benefiz aufzähle, die ich da in meinen Assets drin habe. Da muss ich schon tiefer gehen. Und das gehört zu den Hausaufgaben dieser strategischen Grundarbeit, das alles sauber, gewissenhaft, nachhaltig zu erledigen. Es ist nicht ganz einfach, weil es zu viel Einheitsbrei gibt. Die, die die Hausaufgaben schon gemacht haben. Dann gibt es ganz viele, die haben sie noch nicht gemacht. Dann gibt es wiederum solche, die machen Vieles intuitiv richtig. Und gerade KMU haben diesbezüglich viele Vorteile, weil sie ein authentisches Bild ihrer selbst abgeben können. Beim großen Konzern ist es immer sehr schwierig, eine Positionierung für das große Ganze zu finden, das allen gerecht wird, weil es doch viele Mikrokosmen gibt. Beim KMU ist es theoretisch einfacher Botschaften zu definieren, die wirklich passen und stimmig sind. Um hier das Thema “frech” wieder aufzunehmen: sich halt überlegen, wie ich das wertiger gestalten kann.

00:23:35
Alexander Petsch: Was ist für Dich in dem Kontext wertig?

00:23:38
Michel Ganouchi: Wertig heißt glaubwürdig, heißt echt. Heißt, in einer Tonlage, die zum Unternehmen passt. Das kann laut, schrill, witzig, seriös, bieder, was auch immer sein. Das muss man sich ein bisschen überlegen. Es sollte nicht im Konflikt zur Corporate Communication stehen. Man kann nicht Unternehmenskommunikation betreiben, die bieder und konservativ daherkommt, aber im Recruiting sich sexy und schrill darstellen. Das passt natürlich nicht. Aber ich muss mir zumindest die Überlegungen machen. Und, jetzt eines der für mich einfachsten Rezepte, sich halt einfach auch mal Mühe geben im Team. Stellenanzeigen sind nach wie vor das Personalmarketing-Instrument Nummer eins. Dort findet die eigentliche Kommunikation zur Zielgruppe statt, weil die wenigsten Unternehmen aktiv Werbung, in welcher Form auch immer, auf dem Kandidatenmarkt machen. Aus welchen Gründen auch immer. So dass die Stellenanzeige das einzig sichtbare Instrument des Arbeitgebers ist. Wie schlecht und belanglos die meisten Anzeigen diesen Werbeauftrag erfüllen, da kann man schon sagen, gebt euch mal ein bisschen Mühe, vielleicht hilft es ja.

00:25:02
Alexander Petsch: Kann man sagen, dass Herzblut die Chance der KMU ist?

00:25:11
Michel Ganouchi: Ja, klar. Weil es dann auch glaubwürdig ist, nicht vorgegaukelt und agenturlastig wirkt. Die Großen haben ihre hochbezahlten Agenturen und Texter und was weiß ich was. Ich kann denn Unterschied machen. Vielleicht auch mal das Format der Stellenanzeige kritisch hinterfragen und Neues ausprobieren. Nicht immer nach selben Mustern vorgehen. Ich weiß, man hat Altair-Systeme und vorbereitete Templates. Das verstehe ich und das ist auch richtig im Sinne der Konsistenz der Arbeitgebermarke. Aber trotzdem halt mal ausprobieren, neue Formate einpflegen oder im Rahmen des Möglichen dann eben in der Tonalität und in der Ausdrucksweise Unerwartetes darstellen. Einfach nicht langweilig sein. Nicht das tun, was alle anderen tun,

00:25:59
Alexander Petsch: Also aus der Menge herausstechen…

00:26:02
Michel Ganouchi: … ist immer hilfreich. Als KMU, Stichwort AIDA-Pyramide, brauche ich erstmal Awareness. Ich bin nicht der Einzige oder das einzige Unternehmen, das um Kandidatinnen und Kandidaten buhlt. Davon muss ich ja ausgehen, da komme ich wieder zum Ansatz: dann musst du dir auch Mühe geben. Und wenn ich mir Mühe gebe, heißt es, ich muss mir differenziert überlegen, was kann ich anderes tun, als ewige Muster zu rezipieren?

00:26:28
Alexander Petsch: So zum Schluss, hast Du noch ein, zwei Tipps, wo Du sagen würdest, das hab ich implementiert in der Vergangenheit oder bei Kunden erfolgreich gesehen? Das wären noch echte Michel-Hacks?

00:26:41
Michel Ganouchi: Vieles habe ich wahrscheinlich erwähnt. Es beginnt halt wirklich in der Geschäftsführung. Wenn das Mindset für das Thema nicht gegeben ist, und dafür muss ich halt immer sorgen, dann ist es immer schwierig. Es ist auch eine Führungsaufgabe, für eine gute Kultur zu sorgen, die passt. Das ist sicher so ein Hack. Also, immer zuerst gegen innen arbeiten, bevor ich gegen außen irgendwas erzähle. Das ist zehnmal wertvoller und nachhaltiger. Wenn es Spaß macht für jemanden zu arbeiten, weil halt Vieles stimmt, und da gehört die Führung mit dazu, dann erzähle ich das begeistert, ich schreib’s auf kununu und was weiß ich wo noch überall hin. Dann sind die Hebel schon viel größer als mit vielen externen Maßnahmen, die dann auch noch Geld kosten.

00:27:34
Alexander Petsch: Also, Hausaufgaben machen. Michel, vielen Dank für das spannende Gespräch und dass Du Deine Erfahrungen mit der HR-Community geteilt hast. Wir freuen uns über Euer Feedback. Wenn Ihr Fragen oder weitere Hacks habt, einfach eine kurze Mail an redaktion@hrm.de oder über die gängigen Social-Media-Kanäle. Oder hinterlasst einen Kommentar mit Euren Tipps oder Feedbacks. Lieber Michel, herzlichen Dank für deinen Input!

00:28:04
Michel Ganouchi: Ganz herzlichen Dank meinerseits! Hat großen Spaß gemacht, in diesem Format etwas beitragen zu können. Ich hoffe, es hilft. Und denkt dran, gebt euch Mühe!

00:28:14
Alexander Petsch: Gebt Euch Mühe, passt auf Euch auf und Glückauf! Bleibt gesund und denkt daran, der Mensch ist der wichtigste Erfolgsfaktor für Euer Unternehmen.

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