In unserer heutigen Folge der HRM-Podcasts dreht sich alles um das Thema „Personalentwicklung ohne Personalabteilung – HR für Start-ups“. Unser Gesprächsgast ist Prof. Dr. Claas Triebel aus München. Er wird uns aufzeigen, wie neu gegründete Unternehmen sich an Personalmanagement herantasten können und warum das Prinzip Einfachheit am Anfang am meisten erfolgversprechend ist.

Prof. Dr. Claas Triebel

Prof. Dr. Claas Triebel entwickelte 2003 die sogenannte Kompetenzbilanz, die von der Stiftung Warentest als bestes Verfahren zur Karriereberatung gekürt wurde. Er ist Gründer und CEO des Coaching-Unternehmens Performplus und der Skimio GmbH, einem Unternehmen, das digitale Tools für die Personalentwicklung in Unternehmen entwickelt. Von 2013 bis 2017 lehrte er Wirtschaftspsychologie an der privaten Hochschule für angewandtes Management in Ismaning. Privat ist Prof. Dr. Claas Triebel unter anderem ein begeisterter Gitarrenspieler.

00:01:21

Claas Triebel: Hallo, danke für die Einladung!

00:01:24


Alexander Petsch: Claas, freut mich, dass Du da bist. Wir haben vor zwei Jahren eine HR-Branchenband, die Monsters of Rec, gegründet. Die haben gerade das erste Mal live vor Publikum gespielt. Also, wenn Du mal Lust und Laune hast. Wir haben uns auch überlegt, bei einem der Auftritte eine Open-HR-Stage dazu zu machen. Dazu bist Du herzlich eingeladen.

00:01:44


Claas Triebel: Sehr gerne, ich bin dabei.

00:01:49


Alexander Petsch: Wie fängt man als kleines Start-up mit HR an, wenn man noch gar kein HR hat?

00:02:05

Claas Triebel: Da muss man unterscheiden, ob man jetzt ein Start-up in der Frühphase ist, also einfach nur das Gründerteam, oder schon ein bisschen weiter ist. Meine Erfahrung ist, dass die wirklich guten Start-ups sich häufig schon ziemlich früh damit beschäftigen. Die sagen, es ist wichtig, dass wir uns als Team um uns kümmern. Und dann ist es sehr schnell wichtig, dass wir uns auch um die ersten Leute, die bei uns dabei sind, kümmern. Gut ist auf jeden Fall der Tipp früh damit anzufangen. Das andere ist, dass man natürlich ganz wenig Ressourcen hat, egal ob man jetzt drei Leute oder 15 oder schon 20 bis 25 Leute hat. Die Ressourcen sind einfach total gering. Und da ist ein Ansatz, der in der Start-up-Welt bekannt ist, wahnsinnig wichtig. Und zwar, dass man sich nicht überlegen muss, wir führen jetzt ganz komplizierte Prozesse oder ganz komplizierte Tools ein. Sondern genau wie bei der Produktentwicklung sollte man sich überlegen, wo ist jetzt hier im Bereich HR der Pain? Und wie können wir den mit einem MVP lösen? Wie können wir den mit einem Minimum Viable Product adressieren, ohne jetzt einen riesigen Wirbel zu machen und irgendwas ganz Kompliziertes anzufangen? Start-ups müssen sich denken, sie müssen eben nicht nur ein Produkt bauen, sondern auch eine Firma. Und diese Firma besteht nun mal aus Menschen und Prozessen zwischen diesen Menschen. Deshalb müssen sich überlegen, wie sie dieses Produkt Firma bauen, und das genauso iterativ wie sie eine Software oder sonst etwas bauen.

00:03:35


Alexander Petsch: Da hat sich unheimlich viel getan die letzten 33 Jahre. Als ich das erste Mal gründete, haben noch ein Schreibtisch, ein Telefon und eine Garage ausgereicht und man hat einfach losgelegt.

00:03:50


Claas Triebel: Im Zweifelsfall reicht das auch erst mal.

00:03:53

Alexander Petsch: Aber da gehen viele heute eine Gründung viel strategischer an. Du hast gerade von MWP gesprochen, Minimum Viable Product …

00:04:12


Claas Triebel: … eine ganz einfache Lösung, nach Möglichkeit die kleinstmögliche Lösung, die ein Problem adressiert oder ein Problem lösen kann. Dass ich mit möglichst wenig Aufwand vielleicht etwas ganz Kleines schaffe, aber dieses dann irgendwie besser machen kann. Was kann das im Bereich HR sein? Im Bereich HR oder im Bereich Zusammenarbeit kann das zum Beispiel sein, dass man sehr früh im Team so etwas einführt wie regelmäßige Retros. Also, dass man alle zwei Wochen nach einer festen Struktur, einer festen Dramaturgie, mit einem festen Zeitslot sich zusammensetzt und die letzten zwei Wochen Zusammenarbeit rekapituliert und dann daraus genau ableitet, was man in den nächsten zwei Wochen besser macht. Das nicht nur auf das Produkt bezogen oder auf die sachlichen Themen, sondern vor allen Dingen auf die Zusammenarbeit bezogen. Daraus ergeben sich dann meistens schon die Themen, mit denen man dann die nächsten Probleme adressieren kann. Also etwas ganz, ganz Einfaches.

00:05:31


Alexander Petsch: So etwas wie einen HR-Sprint. Alle 14 Tage mir angucken, was hatte ich für HR-Probleme? Was hatte ich an HR-Challenges? Wie wollen wir damit umgehen? Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess mit HR-Problemen. Dein Hack wäre dann, immer mit der leichtesten und am wenigsten komplexen Lösung ranzugehen.

00:05:56

Claas Triebel: Genau. So eine Retro ist einfach ein supersimples Setting. Das kann eigentlich jeder. Und da muss man einfach solche HR- oder Zusammenarbeitsthemen reintun. Und wenn man das angefangen hat, können sich daraus alle möglichen Dinge entfalten. Es ist fast banal, das zu sagen, aber ich sehe und weiß, wie vielen Leuten und Teams das hilft. Das ist viel einfacher, als zum Beispiel Feedback-Software einzukaufen und sich dann die ganze Zeit irgendwie Feedback um die Ohren zu hauen und dann nach einem halben Jahr nicht zu wissen, was machen wir jetzt eigentlich mit diesem ganzen Feedback. Das ist ja häufiges Problem, jetzt haben wir alle möglichen Daten, und irgendwann hat man aufgehört mit diesen Feedbacks. Was machen wir denn jetzt eigentlich? Und man stellt dann fest, wie bei den auf Corporates, wir haben so etwas eingeführt, nur das Problem, wofür wir das haben, das gibt es aber gar nicht. Wir haben nur gedacht, Feedbacks muss halt irgendwie sein.

00:06:50


Alexander Petsch: Und jetzt erwarten alle, dass man möglichst viele dieser Feedbacks umsetzt. Und das kann man gar nicht.

00:06:55

Claas Triebel: Genau, man hat dann einfach nur so einen Backlog von Zeug.

00:07:10


Alexander Petsch: Du hast mal gesagt, dass aus dem Gründerteam auf jeden Fall einer sich den Schuh HR richtig anziehen muss.

00:07:29


Claas Triebel: Genau, das muss im Gründerteam als wichtig identifiziert werden beziehungsweise würde ich sagen, dass es eine gute Prognose gibt für das Team, wenn man sagt, da ist jemand, der diesen Hut tatsächlich aufhat. Das muss kein HR-Mensch sein. Das muss niemand sein, der das studiert hat. Das muss aber jemand sein, der sagt, ich interessiere mich für dieses Thema. Aus welcher Fakultät der kommt, ist völlig egal. Aber es ist sehr wichtig, dass es einen Treiber für dieses Thema gibt. Das Start-up besteht aus Menschen und aus Beziehungen zwischen diesen Menschen, und das muss man aufbauen und da muss jemand den Hut aufhaben. Ich mache sehr positive Erfahrungen damit, wenn das so ist.

00:08:16


Alexander Petsch: Das erinnert mich an viele Gespräche, die ich mit Gunther Olesch, dem jahrelangen Vorstand der Phoenix Contact, gehabt habe. Der hat mir mal gesagt, HR sei zu wichtig, um es HR zu überlassen. Man muss es einfach ernst nehmen und oben verankern. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Hack.

00:08:49


Claas Triebel: Start-ups sind in der Regel arm und sexy, bieten wenig Zukunftsperspektiven, weil man gar nicht weiß, wie lange das noch existieren wird. Und dann muss man ja gucken, wie kriege ich richtig gute Leute, weil die Konkurrenz einfach sehr, sehr groß ist. Bei uns hier in München werden die Leute natürlich weggefischt von großen Arbeitgebern. Und da muss man sich nach der Decke strecken, um ein hervorragender Arbeitgeber zu sein. Und dazu gehört nun einfach mal die HR-Basics.

00:09:36


Alexander Petsch: Es muss einem auch klar sein, warum man das macht.

00:09:42


Claas Triebel: Es muss klar sein, warum man das macht. Es gibt ja diesen schönen Satz, wenn man eine hervorragende Organisation werden will: A-People hire A-People, B-People hire C-People, C-People hire D-People. Und spätestens bei den D- oder E-People ist man mehr oder weniger bei den Trotteln. Das heißt, es müssen im Core-Team, und auch bei den ersten 20, 30, 40 Leuten, wenn man groß werden will, hervorragende Leute sein. Weil die ja dann weitere gute Leute nachziehen. Die haben ein Netzwerk von sehr guten Leuten. Und wenn da ein faules Ei dabei ist, jemand, der einfach nicht gut ist, dann verdorrt dieser Ast. Das klingt jetzt schon fast menschenfeindlich, wenn ich das so sage. All die Leute, die früh da sind, das sind ja künftige Führungskräfte, die Leute ziehen müssen. Deswegen ist es so wichtig, dass die gut sind. Das heißt übrigens nicht unbedingt, dass das immer diejenigen mit den besten Abschlüssen sein müssen. Das müssen nur solche sein, von dem man als Start-up wirklich überzeugt ist. Unter den gegebenen Umständen ist es die bestmögliche Person, die wir hier dafür besetzen können.

00:10:51


Alexander Petsch: Dazu hatten wir eine Folge mit Prof. Dr. Jörg Knoblauch, über die sogenannten A-Mitarbeiter. Der ist ein glühender Anhänger, nur AAA-Mitarbeiter einzustellen. Wer sich mit diesem Thema auseinandersetzen will, dem sei diese Episode empfohlen. Bei Start-ups ist es vermutlich schon deshalb ein wichtiges Thema, weil die ersten Mitstreiter möglicherweise diejenigen sind, die später Bereiche und Abteilungen leiten und verantworten.

00:11:30


Claas Triebel: Genau. Danach orientieren sich die künftigen Mitarbeiter auch, da formt sich die Kultur heraus nach diesen Leuten. Und es kann natürlich auch mal sein, dass man dann auch international erfahrene Leute einstellt, dass man welche einstellt, die schon ein bisschen senior sind, wenn das Geld dafür da ist und wenn es das auch braucht. Aber erstmal ist es extrem wichtig, da genau zu sein, sorgfältig zu sein, natürlich auch nicht langsam zu sein. Es ist ein schwieriges Feld. Man darf sich ja auch nicht total langsam machen, indem man die ganze Zeit nur überlegt, wie man jetzt einstellen könnte. Es ist ein anspruchsvolles Feld, um es so zu sagen.

00:12:26


Alexander Petsch: Was gibt es da noch für Regeln und Tipps, die Du Gründern mitgeben würdest zum Thema HR?

00:12:35


Claas Triebel: Ich würde sehr darauf achten, dass man die Werte als Basis nimmt, wenn man wenn anfängt mit einem Start-up zu arbeiten oder als Start-up sich um das Thema HR kümmert. Dass klar ist, warum machen wir das Ganze und wie wollen wir zusammenarbeiten? Diese Werte sind nach innen hin noch viel wichtiger als eine Vision. Die Vision, sage ich immer, die ist nach außen toll, dass man dem Investor oder Kunden etwas verkaufen kann. Und nach innen sind die Werte der Social Glue. Und nach denen müssen die Menschen ausgewählt werden, die da arbeiten. Über die muss man sich als Gründerteam einig sein. Wenn man schon ein bisschen gewachsen ist, sollte einem klar sein, welche Werte einen sozusagen zusammenhalten, worauf man im Zweifelsfall zurückfallen kann, wonach man die großen Entscheidungen trifft. Es gibt ja dieses schöne „Start with why“, warum machen wir das Ganze eigentlich? Und wie gehen wir Probleme und Herausforderungen an? Das muss klar sein, das muss erarbeitet werden. Das muss man sozusagen im Schlaf internalisiert haben, dass man das als Koordinatensystem für sein Handeln hat. Ich halte es für sehr wichtig, das an den Anfang zu stellen. Noch ein Hack ist, nach Möglichkeit alle Regeln, die man so hat, möglichst simpel zu halten. Regeln, die mit HR und Zusammenarbeit zu tun haben, sollten nach Möglichkeit immer unglaublich einfach sein. In Corporates gibt es ganz komplizierte Regeln der Zusammenarbeit oder Abhängigkeiten von irgendwelchen Prozessen und so weiter. Das passiert nun mal, wenn Unternehmen größer werden. Man sollte das aber möglichst lange hinauszögern, um möglichst gut skalieren zu können. Da sollten Start-ups für Kommunikation simpelste Regeln einführen. Über welche Kanäle wird was kommuniziert? Wie ist eine ganz einfache Meetingstruktur? Wie sind ganz klare Meetingdauern? Wer ist für was zuständig? Solche Sachen sollten ganz, ganz einfach sein. Und dann sollte man sich auch sehr genau daran halten. Ich finde es auch in Ordnung, wenn sich das HR-Team mit Organisation der Zusammenarbeit mischt. Das ist sozusagen ein paar Schuhe. Und dass man auch bereit ist, zum Beispiel Meetings, wenn sie zu lang werden, einfach abzubrechen. Das macht man zwei-, dreimal und hört fast mitten im Satz auf. Und dann weiß man, wie es geht. Da muss man sich beim nächsten Mal dann kürzer fassen. Solche einfachen Sachen, die irgendwie klar sind.

00:16:15


Alexander Petsch: Ich glaube, das ist ein riesen Wettbewerbsvorteil für Start-ups, einfache Regeln aufzustellen. Wenn du nur wenige Mitarbeiter hast, gibt es kaum einen, der Regeln pervertiert oder Regeln bricht.  Erst mit zunehmender Größe musst du für jedes linksdrehende Elementarteilchen die Regeln anpassen. Das hast du als Start-up nicht, und das ist ein riesen Agilitäts- und Speedvorteil.

00:16:47


Claas Triebel: Genau. Man ist sozusagen auf der grünen Wiese und dann gibt es ein paar Präferenzen, die man so hat. Und dabei sollte man einfach gucken, keep it simple and sexy. Kompliziert werden die Sachen auf Dauer von alleine.

00:17:05


Alexander Petsch: Regeln, um Klarheit zu erzeugen, denn Klarheit erzeugt Speed.

00:17:09


Claas Triebel: Genau.

00:17:44


Alexander Petsch: Wenn ich so zurückschaue, was den Unterschied zwischen Start-up heute und meiner Gründerphase vor 33 Jahren ausmacht, dann sind es auch ganz viele coole HR-Tools, die man als ASP-Lösung günstig einsetzen kann. Diese Tools vereinfachen viele Prozesse, zum Beispiel das Bewerbermanagement, Ausschreiben auf Plattformen und so weiter. Da gibt es schlanke Lösungen, die natürlich nicht alles abbilden, was man sich vorstellen kann. Aber die mich im Vergleich zu einer Excel-Liste viel weiter voranbringen.

00:18:33


Claas Triebel: Absolut. Man kann sehr früh alles Mögliche automatisieren, solche klassischen HR-Themen, die mit HR-Management zu tun haben. Und ebenso ist es mit allen möglichen Prozessen. Es bietet sich an, simple Tools schon früh einzuführen, um dann skalieren zu können. Der Klassiker ist ja, dass man sagt, wir sind so chaotisch, wir können das gar nicht delegieren. Und bevor wir jetzt irgendwie etwas delegieren und irgendjemand einladen, mache ich es lieber selber. Das verlangsamt natürlich tierisch.

00:19:05


Alexander Petsch: Und wenn man das aber trotzdem tut, dann sollte man einen digitalen Prozess gleich implementieren, dass sich die Reisekostenabrechnung daraus generiert, dass ich ein Foto und eine Zahl eingebe und das per Mail an die Buchhaltung schicke.

00:19:22


Claas Triebel: Unbedingt, dass sich keine Stapel bilden. Das ist wie das Backlog, worüber wir vorhin beim Thema Feedback gesprochen haben. Das ist dann irgendwelches Zeug, für das man im Start-up einfach keinen Platz haben wird, es irgendwie aufzuräumen.

00:19:44


Alexander Petsch: Das wäre vielleicht auch ein Hack: So früh wie möglich alles zu digitalisieren, was mit HR-Administration zu tun hat.

00:19:53


Claas Triebel: Das Administrative sofort wegdigitalisieren. Noch was anderes fällt mir ein, was ich für sehr wichtig halte, wenn man mit Start-ups zusammenarbeitet. Leute sollten dort nicht reingehen mit so klassischen Consulting-Ansätzen, dass sie dort eine Abhängigkeit erzeugen und dann über Jahre hinweg immer Retention oder so da haben. Sondern es ist ganz wichtig, dass man den Start-ups immer beibringt, wie sie etwas selber machen können, wenn die eben noch keine eigene HR-Abteilung haben. Dass man sagt, wir machen es nicht als externer Dienstleister, sondern wir bringen euch das bei, wie ihr das macht. Das halte ich ethisch für das am besten Funktionierende und auch für das Start-up das Allerbeste. Lass sie kompetent darin werden, dass sie etwas können in diesem Bereich, auch wenn sie noch kein HR haben. Und da sage ich immer, einerseits das HR-Management, auf der anderen Seite Themen wie Zusammenarbeit, Feedback geben, Arbeitsorganisation, Teamstruktur und solche Sachen.

00:21:15


Alexander Petsch: Das waren schon eine ganze Menge Punkte. Gibt es noch etwas, was Du zum Abschluss Gründern und HR mitgeben möchtest?

00:21:28

Claas Triebel: Ja, da gibt es noch zwei Sachen, die mir sehr wichtig sind. Das Erste ist, um noch mal ganz zurückzukommen auf das, was ich am Anfang gesagt habe mit dem Minimum Viable Project. Es gibt manche, die sich sehr mit so neuen Sachen wie Reinventig Organizations oder Holacracy auseinandersetzen. Also dass man unheimlich partizipativ schon in einer ganz frühen Phase arbeitet. Das würde ich zum Beispiel als etwas sehen, das klassisch overengineered ist für so ein Frühphasen-Start-up. Bis das ein bisschen anfängt zu wachsen, muss man einfach so schlank sein, dass es gut ist, wenn die frühen Mitarbeiter sich einfach an jemandem orientieren können. Da werden Sachen gemacht und das wird dann einfach durchgezogen. Und es können alle viel mehr mitreden und sich mehr beteiligen als in einem klassischen Unternehmen. Man muss sich jetzt nicht noch explizit überlegen, wie man jdas ganz besonders partizipativ machen kann.

00:23:11


Alexander Petsch: Wenn ich mir so angucke, wie die Samwer-Brüder ihre Start-ups gemacht haben, die sind ja hochgradig hierarchisch strukturiert. Da ist Partizipation kein Thema, sondern das ist alles auf Performance getrimmt.

00:23:42


Claas Triebel: Es gibt auch so paramilitärische Strukturen. Da stellt sich natürlich auch die Frage, was man für eine Kultur erzeugen möchte oder wo man auch langfristig Leute hinzieht. Klar, es kann auch ein Erfolgsmodell sein, das gerade nicht so zu machen.

00:24:05


Alexander Petsch: Das ist vielleicht auch eine Start-up-Erfolgskultur der 80er oder 90er Jahre. Aber mit dem verschärfenden Fachkräftemangel funktionieren paramilitärische Strukturen heute vermutlich gar nicht mehr.

00:24:35


Claas Triebel: Eben. Die Millenniums haben schon eine schöne Auswahl an Jobs bekommen. Glücklicherweise ist die Wirtschaftslage weiterhin so gut, dass viele sich leisten können, zu angenehmen Arbeitgebern zu gehen. Und da kann jemand, der eine unangenehme Kultur bietet, ins Hintertreffen geraten. Ein anderer Punkt, den ich noch sagen wollte, ist das Thema Führung. Ich finde es sehr wichtig, das Thema Führung früh reflexiv zu behandeln. Dass man sagt, sobald ich aus dem Kreis des Gründerteams heraustrete, führe ich. Und mir muss bewusst sein, dass Leute zu mir gucken, weil ich das gegründet habe. Und das ist dann eben anders, als wenn man einfach so irgendwie zusammenarbeitet. Das heißt nicht, dass man sich da verkrampfen muss oder sich irgendwelchen Attitüden aufsetzen muss. Aber man muss sich dessen bewusst sein und das ist auch ok. Ich weiß nicht, ob das ein Hack ist, aber ich kann wirklich nur empfehlen, beim Start-up darauf zu achten, dass jeder, der jemand unter sich hat, und sei es nur ein Praktikant, eine Führungskraft ist. Also auch diejenigen, die kein Team führen, sondern „nur“ Praktikanten oder Werkstudenten, als Führungskräfte verstehen. Und auch die sollen eine kleine Art von Schulung oder Führungskultur mitbekommen, damit das sozusagen durch die ganze Organisation in einem ähnlichen Stil durchgeht und es nicht zu viel Selbstverständlichkeiten gibt, von denen man denkt, das wissen doch alle. Und das ist dann vielleicht gar nicht so, wie alle gedacht hatten.

00:26:27


Alexander Petsch: Man ist sofort Vorbild und muss das vorleben, was man sich vielleicht irgendwo als Wert und als Thema aufgeschrieben hat.

00:26:36


Claas Triebel: Genau. Es ist extrem wichtig, dass man transparent gegenüber den Mitarbeitern ist. Aber das Gründerteam unterscheidet sich von den anderen. Es gibt schnell so bestimmte Dinge, bei denen man sagt, das können wir jetzt noch nicht an die Mitarbeiter herausgeben. Die werden sonst unruhig. Ich als Gründer bin schon unruhig genug, schlafe schon schlecht, das kann ich den anderen nicht zumuten, auch wenn ich transparent sein möchte. Das bringt im Zweifelsfall wenig oder schadet eher. Solche Sachen sind ja auch Führungsteam.

00:27:15


Alexander Petsch: Vielen Dank, Claas! Hat mir Spaß gemacht, mit Dir über HR und Start-ups zu sprechen. Danke, dass Du dabei warst. Wenn Ihr das Ganze noch mal nachlesen wollt, kein Problem, einfach auf hrm.de Claas Triebel oder HR und Start-ups eingeben, dann könnte Ihr die Inhalte unseres heutigen Podcasts nochmal nachlesen. Ich freue mich, wenn Ihr das nächste Mal wieder dabei seid. Glückauf, bleibt gesund und denkt daran, der Mensch ist der wichtigste Erfolgsfaktor für Euer Unternehmen.