Als Volker Baisch zum ersten Mal Vater wurde, wollte er für ein Jahr in Elternkarenz gehen. „Für mich und meine Frau war es selbstverständlich, dass wir uns beide um unsere Tochter kümmern und beide je ein Jahr zu Hause bleiben wollten“, erzählt Baisch. Sein Chef war von dieser Idee allerdings überhaupt nicht begeistert – und das ließ er ihn auch spüren. Baisch ging dennoch in Elternkarenz – und entwickelte in diesem Jahr die Idee für die Väter gGmbH, ein Beratungsunternehmen, das Väter coacht und vernetzt sowie Unternehmen berät, die Vereinbarkeit fördern möchten.

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Foto: Kelly Sikkema, Unsplash

Baisch lebt in Hamburg, aber seine Geschichte könnte ebenso gut in Wien spielen. Auch hierzulande sind Männer in Elternkarenz Exoten. Das zeigen die Zahlen zum Kinderbetreuungsgeld, das Eltern in Karenz beziehen: Danach nimmt aktuell nur jeder fünfte Vater in Österreich eine berufliche Auszeit, um seine Kinder zu betreuen. Dabei gibt es deutliche regionale Unterschiede. So bezogen 2017 österreichweit 19,4 Prozent der Väter Kinderbetreuungsgeld. Während die Quote der karenzierten Väter in Wien bei 28,7 Prozent lag, betrug sie in Vorarlberg 10,4 Prozent und im Burgenland nur 9,9 Prozent.

Meist bleiben Väter nur zwei bis drei Monate zu Hause, während die Mütter längere berufliche Auszeiten für die Kinderbetreuung nehmen. „In Österreich ist es die Norm, dass Frauen zwei Jahre in Elternkarenz sind“, sagt Eva-Maria Schmidt vom Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) an der Universität Wien. „Kürzer als zwölf Monate als Frau in Karenz zu sein, ist sehr auffällig, während es für einen Mann sehr auffällig ist, wenn er länger als zwei Monate zu Hause bleibt“, so Schmidt.

Dieser Gender Care Cap setzt sich nach der Karenz fort. Im Jahr 2018 hat fast jede zweite berufstätige Frau (47,5 Prozent) Teilzeit gearbeitet, aber nur 11,2 Prozent der Männer. Hauptgrund für die hohe Teilzeitquote bei den Frauen: die Familie. Nicht nur in den ersten Lebensjahren der Kinder, sondern auch langfristig übernehmen Frauen eben einen größeren Teil der unbezahlten Familienarbeit – und stehen damit dem ersten Arbeitsmarkt nicht mehr oder nur zum Teil zur Verfügung.

Rechtliche Regelungen, beharrende Kräfte und normative Leitbilder

Das ließe sich ändern, wenn die Familienarbeit gerechter auf beide Geschlechter verteilt würde. Was hindert Männer daran, länger in Elternzeit zu gehen oder Teilzeit zu arbeiten? Hauptverursacher sind laut Familienforscherin Schmidt die „sehr stark wirkenden normativen Leitbildern, die wir tagtäglich reproduzieren“ – und gibt gleich ein Beispiel: „Das passiert zum Beispiel dann, wenn ein Chef erstaunt darüber ist, dass eine Mitarbeiterin sieben Monate nach der Geburt für 35 Stunden die Woche zurückkommt – und dann dreimal nachfragt, wer denn in dieser Zeit die Kinder betreut.“ Umgekehrt werde ein angehender Vater meist überhaupt nicht gefragt, wie lange er in Elternkarenz gehen werde – oder ob er nach der Geburt seine Arbeitszeiten reduzieren möchte. Die Erwartungshaltung ist eben nach wie vor, dass er weiterarbeitet wie zuvor – oder sogar noch mehr. Denn er muss ja die Familie ernähren.

Um diese Stereotype zu durchbrechen, seien starke Anreize und gesetzliche Vorgaben vonnöten, glaubt Manuela Vollmann, die Gründerin und Geschäftsführerin von ABZ* AUSTRIA. Auch wenn der Papamonat in den Augen vieler nicht mehr als ein längerer Urlaub sei: Der gesetzliche Anspruch auf eine berufliche Auszeit nach der Geburt sei ein erster Schritt und mache etwas mit Unternehmen und Vätern, ist Vollmann überzeugt: „Das Brainscript ändert sich“. Auch wenn es sich nur um wenige Wochen handle: Die Zeit zu Hause fördere die Bindung der Väter zu den Kindern – und wecke den Wunsch, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen. Für die Unternehmen wiederum könne die Gesetzesänderung der Anstoß sein, ihr Auszeiten- und Karenzmanagement zu optimieren.

Auch hohe Einkommensersatzquoten für die Zeit nach der Geburt, motivierten Väter, etwas länger in Karenz zu gehen, ergänzt Vollmann. Beispiele aus anderen Ländern zeigen auch, dass ein ausschließlich den Vätern vorbehaltener Anspruch auf eine längere bezahlte Elternkarenz (nach dem „use it or lose it“-Prinzip) dazu beitragen, dass längere Auszeiten für Väter normal werden.

Stereotype im Wandel

Wie gespalten jedoch die österreichische Gesellschaft in Sachen Familie und Beruf noch ist, zeigt der zweite Teil der Europäischen Wertestudie der Universität Wien aus dem Jahr 2018. Danach lehnen zwar beinahe 70 Prozent der Befragten die Aussage ab, dass es Aufgabe des Mannes sei, Geld zu verdienen und jene der Frauen, sich um die Familie zu kümmern. Doch immerhin stimmen etwa die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher nach wie vor der Aussage zu, dass “ein Kleinkind wahrscheinlich darunter leidet, wenn die Mutter berufstätig ist”. Auch wenn die Zustimmung zu dieser Aussage in den vergangenen Jahren deutlich gesunken ist (1990 stimmten noch 83 Prozent der Befragten zu), zeigen die Ergebnisse, wie umstritten das Thema aktuell noch ist.

Die Diskussion  um Rollenmodelle und die damit verbundene Arbeitsteilung wird nicht nur hierzulande intensiv geführt. Als der britische Fernseh-Moderator Piers Morgan den Schauspieler und James-Bond-Darsteller Daniel Craig auf Twitter öffentlich als unmännlich verspottete, weil dieser mit einer Babytrage gesichtet wurde, war die Empörung in den sozialen Medien groß. Zahlreiche Väter aus unterschiedlichen Ländern reagierten mit Tweets, in denen sie demonstrativ mit Babytragen posierten und Morgans Haltung als gestrig kritisierten.

Die Frage, wie Menschen mit Kindern leben wollen und welche Rollen sie dabei einnehmen, betrifft aber nicht nur die Mütter und Väter selbst, sondern eben auch ihre Arbeitgeber. Ihnen sitzen vermehrt junge Bewerber gegenüber, die ganz andere Vorstellungen von „guten Arbeitsbedingungen“ haben als die Vorgängergenerationen. „Gerade junge Väter sagen heute ja oft, dass sie nicht ein Kind bekommen, um dann noch mehr zu arbeiten als vorher“, beobachtet Geschäftsführerin Vollmann. Unternehmen, die sich mit diesem Wunsch auseinander setzen und proaktiv Angebote schaffen, seien daher künftig deutlich attraktiver für Fachkräfte. Sie hätten zudem weniger Probleme, gute Leute zu halten. Im besten Fall können sie sich zudem über produktive Mitarbeiter freuen, die sich nicht im alltäglichen Kampf aufreiben, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.

Vereinbarkeit in den Unternehmen

Das Bewusstsein für das Thema steige in Österreichs Unternehmen auch an, beobachtet Vollmann. „Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber merken, dass sie mehr für die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben tun müssen – und zwar nicht nur, um die Frauen anzuziehen, sondern auch, um die jungen Männer zu bekommen.“

So ist der ÖAMTC der gesetzlichen Regelung zum Papamonat zuvor gekommen und führte schon im Jahr 2013 die „Kinderwochen“ ein. Diese können Väter und Mütter nehmen, darunter auch Eltern, die ein Kind adoptiert haben. Sie haben die Möglichkeit, nach der Geburt ihres Kindes zwei Wochen zum vollen Gehalt oder vier Wochen für die Hälfte der Vergütung zu Hause zu bleiben. „Wir haben mit den Kinderwochen vor allem ein Signal an die Väter senden wollen, in Karenz zu gehen“, erklärt Nasila Berangy-Dadgar, Diversitätsmanagerin beim ÖAMTC. „Es geht uns darum, Geschlechterrollen aufzubrechen.“

Auch über die Kinderwochen hinaus engagiert sich der ÖAMTC für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das Unternehmen bietet eine Kinderbetreuung an freien schulautonomen Tagen an, die Mitarbeiter können zweimal in der Woche im Homeoffice arbeiten, wenn ihr Job es zulässt, und Führungskräfte haben die Möglichkeit, ihre Arbeit auch in Teilzeit auszuüben. Dabei müssen sie mindestens 24 Stunden pro Woche arbeiten und drei Tage in der Woche im Büro anwesend sein. „Führen in Teilzeit ist eine Herausforderung, aber wir wollen Führungskräften bewusst die Möglichkeit bieten, ihre Position zu behalten – auch wenn sie ihre Arbeitszeiten reduzieren“, so Berangy-Dadgar.

Die Mittel und Wege, Vereinbarkeit zu fördern, sind so unterschiedlich wie die Unternehmen selbst – und reichen vom Betriebskindergarten bis hin zu familienfreundlichen Teilzeit-Schichtmodellen. „Das wichtigste ist, zunächst einmal eine Bedarfsanalyse zu machen, um daraus eine Strategie abzuleiten“, rät Väter-Berater Baisch. So könnten Unternehmen feststellen, welche Angebote sie schaffen sollten und ob sie an ihrer Kultur oder Kommunikation arbeiten müssen. „Manchmal ist auch schon vieles gut und die Mitarbeiter wissen gar nicht, welche Möglichkeiten es im Unternehmen gibt“, ergänzt der Berater. Wenn Arbeitgeber aber die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter nach Vereinbarkeit ernst nehmen, zeigten sie damit auch ihre Wertschätzung, betont Baisch. „Das führt dazu, dass sich die Leute viel besser gesehen fühlen – als Menschen, nicht nur als Mitarbeiter.“

Bettina Geuenich