Michael Blochberger spricht gerne über Fußball. Damit ist er in Deutschland nicht allein. Ihm geht es aber weniger darum, ob Bayern München wieder die Deutsche Meisterschaft holt. Was ihn interessiert, ist das Zusammenspiel einer Mannschaft. »Elf Personen bilden nicht unbedingt ein funktionierendes Team«, sagt Blochberger. Und damit ist er bei seinem Thema: Teamentwicklung. Was im Fußball gilt, das ist im beruflichen Leben nicht anders, meint der Leiter des Bremer Instituts für Corporate Identity & Teamentwicklung (CIT): Ein eingespieltes Team ist erfolgreicher als eine Mannschaft von Solisten.

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Foto von Luis Villasmil

Wie im Fußball ist der erste Schritt die Aufstellung der Mannschaft. Schon in Bewerbungsgesprächen werden viele Fehler gemacht. »Da wird zu oft nach Sympathie entschieden«, sagt Blochberger. Später stelle man dann fest, dass alle Mitarbeiter so sind, wie man selbst. »Doch es kommt auf die Mischung an.«

Wie fast alle Teamentwicklungsexperten arbeitet Blochberger mit Rollenmodellen. Und in den Teams läuft es besser, wenn unterschiedliche Typen zusammenarbeiten. Vor jeder Neueinstellung muss ein genaues Stellenprofil entwickelt werden. Was für erfahrene Psychologen machbar ist, überfordert im Mittelstand viele an Bewerbungsgesprächen Beteiligte. Doch zumeist haben es Teamentwickler mit einer fertig zusammengestellten Gruppe zu tun. Workshops finden in der Regel erst statt, wenn es irgendwo hakt. »Wir analysieren ein Team mit unseren standardisierten Fragebögen innerhalb eines halben Tages«, sagt Blochberger. »Dann wissen wir, wo es stinkt.«

Während das CIT mit fünf Rollentypen auskommt, sind es beim Team Management System (TMS) immerhin acht. Der TMS-Ansatz – allein in Deutschland arbeiten 780 Berater danach – erklärt viele Konflikte dadurch, dass sich bestimmte Rollen zwangsläufig aneinander reiben. »Eine klassische Konfliktebene entsteht zwischen dem Macher, der zielstrebig und schnell arbeitet, sowie dem Berater, der zunächst wichtige Informationen sammelt und oft als Verzögerer gilt«, sagt Hartmut Wagner, Leiter der Ausbildungsstätte TMS Forum in Lüdenscheid. Die beiden müssen aktiv aufeinander zugehen, dann können sie ein effektives Team bilden. Knackpunkt bei gruppeninternen Unstimmigkeiten ist meist die Kommunikation. Sind zu viele gleiche Typen mit ähnlichen Kompetenzen versammelt, muss man schauen, bei wem noch andere Potenziale schlummern, die sich weiterentwickeln lassen.

Kollegen Bewerten

Frank Hauser von der Kölner Psychonomics AG sucht als Leiter des Projekts »Great Place to work« jedes Jahr die besten Arbeitgeber Deutschlands. »Spitzenarbeitgeber zeichnen sich durch ein sehr hohes Niveau in zwei Grundpfeilern der Teamentwicklung aus«, so Hauser. »Zum einen kann sich jeder Beteiligte als Person einbringen und muss sich nicht verbiegen. Zum anderen funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Kollegen, es kommt etwas Gutes dabei heraus.« Gerade in der Zusammenarbeit unterstützen Top-Arbeitgeber ihre Teams systematisch. »In regelmäßigen Workshops finden die Kollegen ihre Rollen. Dabei bekommt jeder mit, wie er selber ist und wie er von den anderen gesehen wird.« Hauser sieht verschiedene Instrumente, die zur Teamentwicklung genutzt werden können. Nicht allein Führungskräfte sollten entscheiden, sondern ein Teammitglied sollte in den Findungspozess eingebunden werden. Wichtig ist, dass ein solches Arbeitsteam auch ein entsprechendes Bewusstsein hat. Hier sei die Vermittlungskunst der Führungskräfte gefragt. Schließlich sollte es Team-Events wie Feiern geben.

Wichtig ist für Hauser auch die Gestaltung des Vergütungssystems. Wer die schnelle Effizienzsteigerung eines Teams anstrebt, sollte hier ansetzen. Mit Team-Boni schaffe man den nachhaltigsten Entwicklungsdruck, davon gehe die meiste Strahlkraft aus. Allerdings sei Teamarbeit nicht immer das Nonplusultra: Außendienstler sind meist Einzelkämpfer – und müssen es bis zu einem gewissen Grad auch bleiben.

Zu den Unternehmen, die mit dem Thema Teamentwicklung vorbildlich umgehen, gehört für Hauser W.L. Gore & Associates, Putzbrunn. »Wir arbeiten sehr teambezogen«, sagt Claudio Haack, Personal- und Organisationsentwicklung Gore Europa. »Denn es steckt viel Power in kleinen Gruppen.« Zentrales Instrument der Personalarbeit ist die jährliche »Culture Survey«. Alle Mitarbeiter von W.L. Gore werden nach ihrer Einschätzung der Arbeitssituation befragt, die Ergebnisse dann zentral ausgewertet. Die Teams erhalten die Auswertungen ihrer Gruppe und Vergleichswerte. »Die Mitarbeiter selbst regen dann Team-Entwicklungs- Maßnahmen an«, sagt Haack. Vorgeschriebene Team-Entwicklungs- Veranstaltungen gibt es nicht. Doch können Mitarbeiter schnell und unkompliziert auf Angebote aus dem Personalbereich zugreifen, so Haack. So werden oft zu wichtigen gruppenübergreifenden Meetings Mitarbeiter aus der Trainings- und Entwicklungsabteilung hinzugezogen, die bei Vorbereitung und Moderation helfen. Auch bei der Vergütung sind die Mitarbeiter gefragt. Jeder muss seine Kollegen bewerten, so entsteht ein internes Ranking. »Wir versuchen, nach dem Beitrag des Einzelnen zum Unternehmenserfolg zu bezahlen«, so Haack. »Dabei ist es wichtig, dass die Leistung nicht nur von einer Person beurteilt wird.

Teamgeist fördern

«Der Teamgedanke spielt auch bei Neueinstellungen eine Rolle. Teammitglieder werden in den Auswahlprozess einbezogen. »Die Personalabteilung muss natürlich aufpassen, dass die Mitarbeiter nicht nur Bewerber auswählen, die ihnen ähnlich sind«, so Haack. »Doch vor allem ist es wichtig, Menschen zu finden, die zu uns passen. Wer etwa strikt hierarchische Arbeitsweisen erwartet, wird sich bei uns nicht wohl fühlen.«

Teamentwicklung bereits durch das Auswahlverfahren bei der Mitarbeitersuche zu steuern und Bewerber nach Rollentypen auszuwählen, hält Thomas Bachmann für falsch. »Das führt eher zu Hobby-Psychologie«, warnt das Vorstandsmitglied von Artop, einer auf Teamentwicklung spezialisierten Einrichtung, die an die Berliner Humboldt-Universität angegliedert ist. Anstoß für die Beschäftigung mit Teamentwicklung seien entweder konkrete Anlässe wie die Umstrukturierung einer Abteilung oder interne Reibereien.

Neben sachbezogenen Seminaren bietet Artop Outdoor-Veranstaltungen wie gemeinsames Segeln auf der Ostsee an. »Hier geht es um das positive Gemeinschaftserlebnis in einer völlig anderen Umgebung«, sagt Bachmann. »Alle Kollegen sind dabei und man lernt, dass man sich auf sie verlassen kann. Das fördert den Teamgeist, lässt sich aber oft nur schwer in den konkreten Kontext der Arbeit übertragen.« Wichtiger Teil aller Seminare ist die Rollenfindung. Allerdings gibt es einen Part, der klar festgelegt ist – die Führungskraft. Nicht immer sitzt allerdings die geeignete Person auf dem Chefsessel. Artop-Vorstand Bachmann sieht als einzige Lösung, die Rolle des Leiters zu stärken, zumal in vielen Fällen die Schwäche darin liegt, dass die Führungskraft sich mehr als Kollege denn als Vorgesetzter begreift. Den Chef austauschen könne man schließlich nicht. Hartmut Wagner, Leiter des TMS-Forums, setzt auf Feedback-Seminare, wenn er die Führungskraft als problematisch einschätzt. Hier müssen sich alle, auch der Chef, Kritik anhören. »In 80 Prozent der Fälle bewegt sich nach so einem Seminar etwas«, sagt Wagner. »Der Vorgesetzte erkennt plötzlich die eigenen Fehler.«

CIT-Chef Blochberger kennt Fälle, in denen die Führungsschwäche so eklatant war, dass noch während des laufenden Team-Entwicklungs-Prozesses nach einem Ersatzmann gesucht wurde. Droht der Liga-Abstieg, wird schließlich auch im Fußball der Trainer gewechselt.

Quelle: acquisa; www.acquisa.de