Toyota ist ein Familienunternehmen mit einer 70 Jahre langen Tradition in der Automobilproduktion. In dieser Zeit hat sich die Unternehmensführung von Toyota zu einer Management-Philosophie entwickelt, die viele Anhänger gefunden hat – nicht nur unter den Toyotamitarbeitern. Dr. Helmut Becker, Leiter des Instituts für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation (IWK) und ehemaliger Chefvolkswirt von BMW, widmet sich seit 2003 dem Unternehmen Toyota. Damals hat er in seiner Studie „Automobilindustrie vor der Krise?“ festgestellt, dass Toyota im globalen Verdrängungswettbewerb besser bestehen kann als alle seine Konkurrenten. Daraufhin analysierte er das Unternehmen, um hinter die Erfolgsfaktoren zu kommen.

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Foto von Mimi Thian

„Toyota hat Mut und eine langfristige Vision. Das Unternehmen gibt sich selbst die Zeit, eine Strategie, an die es glaubt, langfristig umzusetzen“, urteilt Dr. Becker. Als Beispiel nennt er den Hybrid: 1997 erstmals auf den Markt gebracht, sei das neue Modell vielfach verlacht worden. Doch heute ernte Toyota die Früchte, denn mit 10 Jahren Hybriderfahrung steht der Konzern an der Spitze umweltbewusster Automobilhersteller. „Vor allem glaubt Toyota an die Idee, den Kunden sehr gute Fahrzeuge zu liefern. Es gehört zur Familienethik hohe Qualität und „value for money“ zu bieten“, ist Institutsleiter Becker überzeugt. Doch wie schafft es Toyota, diese Vision umzusetzen? Der Toyota Way, der seit dem Jahr 2001 auch für die europäischen Standorte schriftlich fixiert vorliegt, beruht vor allem auf zwei Komponenten: kontinuierliche Verbesserung und Respekt.

In kleinen Schritten nach vorne

„Vereinfacht können Sie sich das „continuous improvement“ so vorstellen, dass wir nie mit dem zufrieden sind, was wir erreicht haben, obwohl wir durchaus einen guten Job gemacht haben“, erklärt Georg Lintel-Höping das Prinzip, das im japanischen „Kaizen“ genannt wird. Lintel-Höping ist seit kurzem General Manager für Personalwesen, Einkauf & Verwaltung bei Toyota Deutschland. Als Experte in Finanzfragen verdeutlicht er die ständige Verbesserung an einem Beispiel in der Buchhaltung: Für viele Vorgänge, wie auch für die Durchlaufzeiten von Rechnungen, gebe es einen „Key-performance indicator“. Der zeigt laut Lintel-Höping das aktuelle Optimum eines Vorgangs an, bei einer Lieferantenrechnung könnten das drei Tage sein. Solange die Durchlaufzeit höher ist, verbessern die Mitarbeiter ständig die Prozesse bis das Ziel erreicht ist. „Darüber hinaus stellen wir den Prozess komplett in Frage und wagen den Durchbruch: Den „break through“ von dem alten in einen völlig neuen Prozess.“

Dieser Ansatz zieht sich bei Toyota durch alle Tätigkeitsfelder. So ist das Prinzip des ständigen Lernens auch Grundlage der Personalentwicklung. Die Mitarbeiter können bei Toyota ganz neue Aufgaben übernehmen. Das beste Beispiel dafür ist Lintel-Höping selbst. Eigentlich ist er Finanzexperte und war vor seiner jetzigen Position General Manager Finanzen & Einkauf. Das Human Resource Management ist für ihn neu hinzugekommen. In zahlreichen Gesprächen zwischen Mitarbeiter, dem Vorgesetzten und den HR-Managern wird das Potenzial der Mitarbeiter ermittelt. „Wir überlegen, was jemand noch machen sollte, um sich bei Toyota weiterzuentwickeln.“ Die eventuell optimale Stelle im Unternehmen zu besetzen, rücke zugunsten der Mitarbeiterentwicklung oftmals in den Hintergrund.

Basis für den Erfolg der ständigen Verbesserung ist die standardisierte Kommunikationsmethode des so genannten A3-Papiers. Es beherrscht nicht nur die Entscheidungsprozesse in der Führungskräfteentwicklung, sondern auch alle anderen Prozesse bei Toyota. Für dieses Papier trägt ein Mitarbeiter oder ein Manager die Informationen aus Gesprächen – in der Personalentwicklung sind das beispielsweise die Informationen aus den Mitarbeitergesprächen – zusammen, strukturiert und visualisiert sie nach einem Standard. “Auf dieser Grundlage kann sich ein Toyota-Manager innerhalb von einer Viertelstunde ein Bild machen, um zusätzlichen Input zu geben und zur Entscheidung beizutragen“, führt Lintel-Höping aus.

Herdentiere statt Platzhirsche

Die klassische Ausprägung des Managers, der seine Entscheidungen im Alleingang durchzieht, ist bei Toyota nicht zu finden. „Innerhalb der Führung leben wir hauptsächlich respektvollen Umgang zum Mitarbeiter und führen durch Coaching und Delegation“, sagt General Manager Lintel-Höping. Die Führungskräfte geben die Straße vor, auf der sich die Mitarbeiter bewegen. Innerhalb dieses Rahmens könne der Mitarbeiter frei agieren. „Dadurch hat jeder die Möglichkeit das Unternehmen positiv zu verändern.“ Zwar bereite hauptsächlich ein Mitarbeiter die Entscheidungsfindung vor, doch er spreche vorher mit allen Beteiligten eines Themas und wiege Vorschläge gegeneinander ab. Nach der Vorlage des A3-Papiers bei Kollegen und Vorgesetzten, folgten noch mehrere Entscheidungsschleifen, bei denen der Prozess immer wieder in Frage gestellt wird. „Am Ende gibt es eine Konsensentscheidung“, so der HR-Manager.

Selbst der CEO von Toyota hält sich an diesen Prozess. „Es gibt keine einzige Weisung, die eine Einzelentscheidung von Konzern-Chef Katsuaki Watanabe wäre“, kommentiert Dr. Helmut Becker vom IWK. Das ist nichts für autoritäre Persönlichkeiten, die immer ihren Willen durchbringen wollen. So setzt Toyota auch schon bei der Personalauswahl an und überprüft, ob jemand zum Unternehmen passt und die richtigen Kompetenzen mitbringt. Wenn sich ein Anwärter für das Finanzressort bewerbe und bisher nur mit Finanzen zu tun hatte, so kommt laut Lintel-Höping im Bewerbungsgespräch beispielsweise die Frage: „Können Sie sich auch etwas anderes vorstellen?“ Dann zeige sich, ob der Kandidat ein „Toyotaner“ sei, denn diese könnten sich sehr wohl vorstellen, als Manager Finanzen auch Manager Einkauf oder etwas ganz anderes zu machen.

Für die Entwicklung von General Managern arbeitet Toyota mit einem Kompetenzmodell, das auf den zentralen Unternehmenswerten aufbaut. Zur Unterstützung bietet der Automobilhersteller Trainings an: Seminare, die den Toyota Way vermitteln und Schulungen, in denen die Teilnehmer standardisierte Methoden erlernen wie zum Beispiel eine spezielle Problemlösungsmethode.

Zum Topmanagement entwickeln sich Mitarbeiter des Unternehmens inzwischen hauptsächlich über einen internationalen Arbeitseinsatz. An jedem Standort gibt es neben den Sachbearbeitern und zwei Managerstufen die Ebene General Manager und den Geschäftsführer. Diejenigen, die Entwicklungspotentiale aufzeigen, kommen für ein internationales „assignment“ in Frage. „Als Manager gehen Sie zum Beispiel nach Brüssel, in unsere europäische Zentrale, um mehr über die strategische Perspektive zur Steuerung des Europageschäftes zu erfahren und Input über den deutschen Markt zu geben“, erzählt Lintel-Höping. „Dort bekommen die Führungskräfte aber auch Anregungen aus anderen Vertriebsgesellschaften.“ Meistens dauerten diese internationalen Einsätze drei Jahre, anschließend kämen die Mitarbeiter häufig wieder an den Ausgangsstandort zurück.

Einer der auffälligsten Unterschiede zu anderen Unternehmen sei die Bedeutung des Einzelnen. „Bei Toyota haben Sie – egal in welcher Hierarchiestufe – das Gefühl: Sie gehören zu einer großen Familie“, offenbart Lintel-Höping und fügt hinzu: „Die Organisation Toyota wird nicht durch einen Menschen repräsentiert, sondern durch die Gesamtheit der Mitarbeiter.“

Soziales Leitbild vorleben

Ein Schlüssel für den Toyotaerfolg ist die ethische Ausrichtung des Konzerns. Dazu gehört insbesondere Respekt in Bezug auf die Stakeholders. „Die Bedürfnisse der Kunden stehen in der Priorität ganz oben, aber genauso sind auch die Anliegen der Mitarbeiter, der Lieferanten und die der Gesellschafter wichtig“, berichtet HR-Manager Lintel-Höping. Außerdem richte Toyota sein Geschäft nach den gesellschaftlichen Bedürfnissen aus und widme sich zum Beispiel intensiv dem Thema Umwelt mit dem Aspekt Hybridtechnik. „Wir glauben daran, dass wir unsere Produkte am langfristigen Bedarf der Gesellschaft ausrichten müssen, damit wir und unsere Umwelt langfristig eine Chance haben. Kurzfristige Profitgeschäfte stehen nicht im Vordergrund.“

Das sei nicht immer einfach, denn jeder habe auch den Wunsch erfolgreich zu sein und Profit zu machen. Doch gerade die Manager müssen hinter dem Prinzip stehen, denn: „Führung durch Vorbild von oben nach unten – das ist letzten Endes das Geheimnis von Toyota“, resümiert Dr. Helmut Becker vom IWK. Lintel-Höping erzählt, dass es deshalb regelmäßige „Manager-Meetings“ gebe, bei dem sich die Führungskräfte über dieses Thema austauschen. In der Veranstaltung solle diskutiert werden, dass der Automobilhersteller nur dann erfolgreich sei, wenn die Mitarbeiter von Toyota tatsächlich hinter dieser Einstellung stehen. „Wir müssen an unseren Weg glauben und dürfen ihn nicht aus Profitgier gehen“, erläutert Lintel-Höping. In dem Meeting werde also versucht klar zu machen, dass der finanzielle Erfolg automatisch kommt, wenn der Service den Kunden vollkommen zufrieden stellt. Das sei so ähnlich wie bei der Produktqualität: „Wenn die Qualität der Fahrzeuge gut ist, dann werden sie auch verkauft.“

Literaturtipps:

Jeffrey K. Liker – David P. Meier: Toyota Talent Developing Your People the Toyota Way. Mc Graw-Hill Professional Verlag 2007. ISBN 0071477454

Jeffrey K. Liker: Praxisbuch – Der Toyota Weg. Finanzbuch Verlag 2007. ISBN 978-3898792585

Jeffrey K. Liker: Der Toyota-Weg: 14 Managementprinzipien des weltweit erfolgreichsten Automobilkonzerns. Finanzbuch Verlag 2006. ISBN 978-3898791885

Helmut Becker: Phänomen Toyota. Erfolgsfaktor Ethik. Springer Verlag 2006. ISBN 978-3540298472 Foto: Toyota