Gibt es denn neben den demografischen Faktoren andere Diversity-Faktoren, die einen Einfluss auf den Teamerfolg haben?

Typische Klauseln: Freistellung von der Arbeitspflicht
Typische Klauseln: Freistellung von der Arbeitspflicht

Das ist insgesamt sehr schwer zu beurteilen. Wenn wir die Gründe für den Erfolg von Teams analysieren, hängt vieles von der Aufgabe ab, die das Team lösen muss. Im Bereich der „Task Diversity“ zeigen sich kleinere Effekte, wenn Sie verschiedene Personen mit unterschiedlichen Hintergründen in einem Team zusammenbringen – beispielsweise einen Ingenieur, einen Manager, einen Marketingverantwortlichen und so weiter. Hier zeigen sich kleinere Auswirkungen auf die Leistung des Teams. Das hat aber natürlich den Grund, dass Unternehmen für Aufgaben, die bestimmte Expertisen erfordern, gezielt Mitarbeiter mit diesen Fähigkeiten aussuchen. In diesem Fall werden die Teams ja nicht zufällig divers zusammengewürfelt.

Auch die Perspektive „außenstehend“ versus „innenstehend“ bringt nur in bestimmten Projekten etwas. Wenn Sie beispielsweise einen neuen Markt erschließen und für Ihr Unternehmen in Südamerika tätig sein wollen, ist es hilfreich, Leute im Team zu haben, die den Markt kennen, aus Südamerika kommen und dort kulturelle Wurzeln haben. In anderen Projekten kann die kulturelle Herkunft eines Mitarbeiters ganz unerheblich sein.


Das heißt, es macht für Unternehmen gar keinen Sinn, Vielfalt zu fördern?

Doch. Denn Unternehmen sollten eines berücksichtigen: Wenn sie mit ihrem Recruiting nur junge weiße Männer ansprechen, werden sie viele kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übersehen. Diversität ist gut fürs Unternehmen, weil sie damit gute Kräfte aus allen Gruppen anziehen können. Aber wie sie diese Mitarbeiter dann wieder bezogen auf demografischen Faktoren wie Geschlecht, Alter und so weiter in Teams oder Abteilungen zusammenbringen, ist dann relativ egal.


Wie können Betriebe Menschen aus unterschiedlichen Gruppen anziehen?

Das sehen wir schon an Recruitingvideos, die bewusst Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts zeigen sowie Arbeitnehmer mit verschiedenen kulturellen Hintergründen abbilden. Sie können dazu beitragen, dass sich Menschen aus diesen Gruppen eher angesprochen fühlen. Gleiches gilt für Inserate und andere Medien im Recruiting.


Gerade in der Personalauswahl neigen Menschen aber ja leider dazu, Personen auszuwählen, die ihnen besonders ähnlich sind. Wie lässt sich dieser Mechanismus durchbrechen?

Diesem Cloning vorbeugen können Unternehmen zum einen dadurch, dass sie Interviews nie von nur einer Person führen lassen, sondern – ähnlich wie in Assessment-Centern – mit Panels arbeiten. Es hilft auch, die Auswählenden entsprechend zu schulen und auf mögliche Verzerrungen und Vorurteile hinzuweisen. Ansonsten können Sie gerade in der Personalauswahl Verfahren nutzen, die zur Objektivierung der Ergebnisse beitragen, zum Beispiel Intelligenz- oder Persönlichkeitstests. Diesen Tests ist völlig egal, ob der Bewerber dem Bereichsleiter ähnlich ist oder nicht. Daher ergibt es Sinn, solche Verfahren zusätzlich zu Auswahlinterviews einzusetzen.

 

Hilfreich ist sicher auch eine gewisse Kultur der Offenheit. Wie können Unternehmen eine solche schaffen und sich für Vielfalt öffnen – jenseits von hehren Worten auf den Websites?

Das hört sich jetzt vielleicht fast genauso platt an. Aber Vielfalt muss in den Unternehmen gelebt werden. Ich höre häufiger von Managern, dass sie mehr Diversität in ihren Unternehmen haben möchten. Aber dann sehen die 20 Leute, die sie befördern, alle gleich aus – haben dasselbe Geschlecht, stammen aus demselben Kulturkreis und haben eine vergleichbare Vita. Mit anderen Worten: Die Realität in den Unternehmen unterscheidet sich teilweise deutlich von dem, was die Internetseiten glauben machen. Das ist es im Prinzip: Die Werte zu leben, ist der notwendige Schritt.

 

Literaturtipps

The effects of team diversity on team outcomes: A meta-analytic review of team demography. Von Sujin K. Horwitz und Irwin B. Horwitz, in: Journal of Management, 33/2007, S. 987–1015.

Getting Specific about Demographic Diversity Variable and Team Performance Relationships: A Meta-Analysis. Von Suzanne T. Bell, Anton J. Villado, Marc A. Lukasik, Andrea L. Briggs u. a., in: Journal of Management, 37 (3) 2011, S. 709–743.

Women on boards and firm financial performance: A meta-analysis. Von Corinne Post und Kris Byron, in: Academy of Management Journal, 58 (5) 2015, S. 1546-1571.

The business case for women leaders: Meta-analysis, research critique, and path forward. Von Jenny M. Hoobler, Courtney R. Masterson, Stella M. Nkomo u. a., in: Journal of Management.

 

Interview: Bettina Geuenich

Quelle: Dieses Interview erschien in der Zeitschrift personal manager, Ausgabe 6/2017

Prof. Biemann, die Belegschaften der Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind immer stärker multikulturell und multinational geprägt. Wie verändern sich dadurch die Anforderungen an die Führungskräfte?

Eine Folge dieser Entwicklung ist, dass viele Führungskräfte mehr Mitarbeiter im Team haben, die nicht gut Deutsch sprechen. Darauf müssen sie eingehen und sicherstellen, dass die Kommunikation funktioniert. Außerdem können Konflikte auftreten, wenn unterschiedliche – kulturell bedingte – Vorstellungen aufeinanderprallen. Mit diesen Konflikten müssen Führungskräfte umgehen können und dafür benötigen sie natürlich entsprechende Kompetenzen.


Studien kommen immer wieder zu dem Ergebnis, dass sich Diversity positiv auf den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen auswirkt. Stimmt das?

Nein, das ist so nicht richtig. Einige der Studien, die immer wieder zitiert werden, um den Einfluss von Diversity auf den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen zu belegen, wie die „Diversity Matters“-Studie von McKinsey, sind methodisch nicht ganz so exzellent. Es gibt inzwischen viel Forschung, die sich diesen Zusammenhang wesentlich rigoroser in Metaanalysen angeschaut hat. So kommen inzwischen zwei große Metaanalysen zu dem Ergebnis, dass Gender Diversity keinen substanziellen Einfluss auf die Unternehmensleistung hat. Es gibt zwar vereinzelt Studien, die zeigen, dass sich Diversity positiv auswirkt. Ebenso gibt es aber auch vereinzelt Studien, die zeigen, dass Diversity negativ wirkt. In der Summe liegt das sehr nah bei null.

Wenn wir also die bestehenden Forschungsergebnisse zusammenfassen und auswerten, sehen wir keinen Zusammenhang von Diversity und Teamerfolg.


Gilt das nur für Gender oder auch für andere Aspekte von Diversity?

Generell zeigt sich, dass die demografische Diversität, also vor allem Geschlecht, Alter und Nationalität/Kultur, nicht mit Teamleistung zusammenhängt. Sie können ein Team altersgemischt zusammenstellen, auf ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen achten sowie Menschen mit verschiedenen nationalen und kulturellen Hintergründen zusammenbringen: All das hat keinen nachweislichen Einfluss auf die Leistung Ihrer Mannschaft.


Das ist ja ein ziemlich kontra-intuitives Ergebnis. Eigentlich würde man denken, dass bessere Lösungen herauskommen, wenn Unternehmen verschiedene Perspektiven zusammenbringen – wie Alt und Jung, erfahren und unerfahren, innenstehend und außenstehend …

Für die Außen- und die Innenperspektive kann das auch unter gewissen Umständen durchaus zutreffen. Wenn Arbeitgeber gezielt junge Menschen in Teams holen, die noch nicht alle Prozesse kennen und einen kritischen und frischen Blick auf das Unternehmen werfen, ist das möglicherweise hilfreich und trägt vielleicht dazu bei, Abläufe oder Leistungen zu verändern. Aber die eben genannten demografischen Dimensionen von Vielfalt – Alter, Geschlecht und Nation/Kultur – haben eben keine nennenswerten Auswirkungen. Und ich stimme Ihnen zu: Die Forschungsergebnisse fallen anders aus, als diese Zusammenhänge meistens wahrgenommen werden.