Unsere Wirtschaftswelt verändert sich mit steigender Geschwindigkeit. Die zunehmende Komplexität der globalen Märkte erfordert eine permanente Innovationskraft. Vor diesem Hintergrund gewinnen Wissen und Kompetenzen der Mitarbeiter an Bedeutung. Der Faktor „Arbeitnehmer“ wird zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor der Unternehmen.

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Foto von You X Ventures

Für die Arbeitnehmer implizieren die Zukunftsszenarien zweierlei: Zum einen halten die Unternehmen immer weniger Arbeitsplätze für niedrig Qualifizierte bereit. Zum anderen hängen die Perspektiven des Einzelnen nicht mehr ausschließlich von seinen Abschlüssen oder seinem Arbeitgeber ab, sondern von den im Lauf der Berufsbiografie erworbenen Fertigkeiten und Kompetenzen.

Was ist Employability?

Fachkompetenzen allein entscheiden nicht mehr über den beruflichen Erfolg. Der Arbeitsmarkt verlangt darüber hinaus ein breit geschnürtes Paket an überfachlichen Kompetenzen. Dieses Paket wird gerne mit dem Begriff Employability versehen - oder mit Synonymen wie „Beschäftigungsfähigkeit“, „Arbeitsmarktfitness“, „Arbeitsmarktfähigkeit“ und „Jobility“. Employability umfasst alle Fähigkeiten, die Menschen für eine Beschäftigung tauglich beziehungsweise untauglich machen. Neben den fachlichen Fähigkeiten gehören dazu eine Reihe von Kernkompetenzen:

  • Initiative („Ich ergreife meine Chancen“)
  • Eigenverantwortung („Ich trage Verantwortung für mich, meine Leistung und meine berufliche Entwicklung“)
  • Unternehmerisches Denken und Handeln („Ich setze mir Ziele“)
  • Engagement und Fleiß („Ich engagiere mich“)
  • Lernbereitschaft („Ich lerne ständig weiter“)
  • Teamfähigkeit („Ich arbeite gut mit anderen“)
  • Kommunikationsfähigkeit („Ich vertrete meine Meinung“)
  • Empathie („Ich will andere verstehen“)
  • Belastbarkeit („Ich handele besonnen“)
  • Konfliktfähigkeit („Ich stelle mich schwierigen Situationen“)
  • Offenheit („Ich bin offen für Neues“)
  • Reflexionsfähigkeit („Ich überprüfe regelmäßig meine Beschäftigungsfähigkeit“)

Selbstverständlich wäre es vermessen zu glauben, ein Mensch könne alle oben genannten Kompetenzen in optimaler Ausprägung besitzen. Doch der Weg ist das Ziel: Indem wir uns regelmäßig mit den eigenen Qualifikation auseinander setzen und diese ausbauen, fördern wir einen persönlichen Entwicklungsprozess, der zu langfristiger Beschäftigungsfähigkeit führt.

Welchen Nutzen hat Employability?

Menschen, die „employable“ sind, also über erfolgskritische Kompetenz und ein Repertoire an überfachlichen Schlüsselqualifikationen verfügen, schaffen für das Unternehmen einen Mehrwert. Sie treten professioneller und kompetenter auf und wissen um den Wert der angebotenen Leistung sowie um die Bedeutung ihrer Tätigkeit für das Unternehmen. Darüber hinaus stellt Beschäftigungsfähigkeit eine wesentliche Ressource zur Steigerung der Innovationskraft eines Unternehmens dar und ist eine wichtige Voraussetzung für die zunehmende Wissensintensität.

Unternehmen können beschäftigungsfähige Mitarbeiter zudem flexibler einsetzen. Sie arbeiten sich schnell in neue Bereiche ein und sträuben sich vergleichsweise selten gegen Veränderung der Arbeitsinhalte, des Arbeitsablaufs, der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsortes. Im Gegenteil: Mitarbeiter, die beschäftigungsfähig sind, nehmen arbeitsbezogene Veränderungen eher als Chance und weniger als Risiko wahr.

Mitarbeiter können durch Employability die eigenen Karrierechancen auf dem internen wie externen Arbeitsmarkt zu verbessern. Beschäftigungsfähigkeit wird zu einem zentralen individuellen Vermögenswert und dient letztendlich der Absicherung in einer sich schnell wandelnden Arbeitswelt, in der Qualifikation und erfolgskritische Kompetenz mehr denn je darüber entscheidet, ob der Einzelne zu den Gewinnern oder Verlierern im Erwerbsprozess gehört.

Fordern und Fördern von Employability: das Konzept des Employability-Managements

Das Konzept des Employability Managements baut auf fünf Grundprinzipien auf:

  • dem Prinzip der Ganzheitlichkeit,
  • dem Prinzip der Integration,
  • dem Postulat der Wirtschaftlichkeit,
  • dem ethischen Kodex sowie
  • dem Postulat des richtigen Zeitpunkts.

Ganzheitlichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Employability-Management alle relevanten Ebenen, Bereiche und Handlungsfelder berücksichtigen sollte. Die ganzheitliche Sicht von Unternehmen berücksichtigt Werte, Strategien und Handlungen gleichermaßen. Die integrative Komponente trägt der Erfahrung Rechnung, dass die Kombination unterschiedlicher Ebenen, Bereiche und Handlungsfelder Employability fördert. Das Postulat der Wirtschaftlichkeit bezieht sich auf die wirtschaftliche Relevanz von Employability. Diese ergibt sich zum Beispiel durch eine höhere Kundenzufriedenheit, Produktivitätssteigerungen oder den flexibleren und damit effizienteren Mitarbeitereinsatz. Einen weiteren Grundsatz des Employability-Management-Konzeptes stellt der so genannte ethische Kodex dar. Arbeitgeber können keine lebenslange Beschäftigung mehr garantieren, doch sie sind durchaus in der Lage, einen nicht unerheblichen Beitrag zu Erhalt und Weiterentwicklung der Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter zu leisten. Arbeitnehmern fällt es leichter, ihre Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern, wenn ihr Unternehmen sie unterstützt. Ebenfalls bedeutsam ist das Postulat des richtigen Zeitpunktes.Nicht nur rückwirkend, also als Teil eines Sozialplanes, sondern vorausschauend und zukunftsorientiert müssen die Aspekte des Employability-Managements in das Unternehmenskonzept Eingang finden.

Die praktische Umsetzung von Employability Management lässt sich an bestimmten Handlungsfeldern und Instrumenten festmachen. So erscheint es unerlässlich, Beschäftigungsfähigkeit im Bereich der Unternehmenskultur, der Führung und Organisation, aber auch in Karriere- und Personalentwicklungssystemenzu einem festen Bestandteil des strategischen Vorgehens zu machen. Die Förderung der Eigenverantwortung und Selbstbestimmung lässt sich nur in einem Umfeld realisieren, in dem Werte, die von der „Vollkasko-Mentalität“ abrücken und die Bereitschaft zum „Unternehmer in eigener Sache“ forcieren, verankert sind; Führung nicht ständige Kontrolle, sondern einen gleichberechtigten Umgang bedeutet; Organisationsstrukturen nicht durch starre Hierarchien, sondern durch Transparenz und Flexibilität gekennzeichnet sind. Karrierewege werden nicht länger linear und rein vertikal verlaufen, sondern immer stärker auch horizontal. Der Mitarbeiter ist im Bereich der Personalentwicklung nicht länger passiver Konsument, sondern Mitgestalter einer differenzierten und vorausschauenden Förderung der eigenen Kompetenzen.

Die nachfolgend aufgeführten Aspekte wurden im Rahmen einer Breitenbefragung deutscher Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen und Größenordnungen als entscheidend für die Förderung und Forderung von Employability ermittelt:

Unternehmenskultur

  • Offenheit und Vertrauen
  • Wertschätzung von Mitarbeiterbeiträgen
  • Fehlertoleranz
  • Förderung von Vertrauen
  • Networking im Unternehmen

Organisation

  • Transparenz
  • Möglichkeit der Zusammenarbeit über die Grenzen von Fach- und Arbeitsgebieten hinweg
  • Entscheidungsbefugnisse
  • Handlungsspielräume
  • Flexible Arbeitsverhältnisse

Führungskompetenzen

  • Gewährung von Freiräumen
  • Glaubwürdigkeit
  • Schaffen von Herausforderungen
  • „Loslassen-Können“
  • Förderung der Motivation der Mitarbeiter

Personalentwicklung und Karriere

  • Förderung „lebenslangen Lernens“
  • Zielgruppendifferenzierung / Individualisierung
  • Delegation der Personalentwicklungsverantwortung auf Mitarbeiter und direkte Vorgesetzte
  • Gleichberechtigtes Angebot von Fach-, Führungs- und Projektkarrieren

Fazit:Im Zentrum der Bestrebungen zu Erhalt und Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit muss eine zielgerichtete und ganzheitliche Konzeption stehen, die Ängsten und Hindernissen auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite ebenso Rechnung trägt wie tradierten Strukturen und Systemen, die ihre Umsetzung hemmen. Denn Employability geht nicht nur mit positiven Assoziationen und mit Nutzenwahrnehmungen einher. Die Befürchtung der Arbeitgeber basiert insbesondere auf einer kritischen Kosten-Nutzen-Abwägung. Nur langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Aufwand und die Gefahr einer „Qualifizierung nach außen“ vergleichsweise gering, der langfristige Zugewinn an Know-how und Flexibilität dafür aber umso höher ist. Auf Mitarbeiterseite sind Ängste sichtbar, die vor allem auf eine mögliche Überforderung zurückzuführen sind. Zwar wird immer mehr Arbeitnehmern bewusst, dass eine gute berufliche Erstausbildung und eine gezielte Berufs- und Arbeitsplatzwahl keine Sicherheit mehr garantieren, dennoch fällt es vielen nach wie vor schwer, sich alleine auf ihre Fähigkeiten und Kompetenzen zu verlassen. Darüber hinaus haben nicht wenige Mitarbeiter die Befürchtung, dem kontinuierlichen Lernprozess nicht gewachsen zu sein. Hier bedarf es der Unterstützung und sozialen Verantwortung der Unternehmen und vor allem der Sozialpartner.

Ohne Zweifel gehört es zu den Aufgaben von Unternehmen und Sozialpartnern, Employability zu fördern. Einen Großteil der Verantwortung für den Erhalt und die Entwicklung der eigenen Beschäftigungsfähigkeit trägt jedoch der Einzelne selbst - einerseits, um den Erwartungen und Gegebenheiten seines aktuellen Arbeitgebers gerecht zu werden, andererseits, um jederzeit auf dem Arbeitsmarkt auch für andere Arbeitgeber beziehungsweise Berufsfelder attraktiv zu sein.

Quelle: personal manager 6/2004