Was ist Ihnen an Ihrem Arbeitsplatz wichtig.
Ich möchte etwas bewegen, die Dinge beeinflussen und lenken. Dabei ist mir der persönliche Kontakt mit den Menschen in meinem Trainer- und Betreuerstab besonders wichtig. Ich will nicht über Zweite oder Dritte kommunizieren. Bei der Auswahl meines Teams stelle ich einerseits hohe Anforderungen, denn es muss funktionieren. Andererseits unterstütze ich jeden meiner Mitarbeiter. Obwohl es mir schwer fällt etwas abzugeben, da bin ich ganz ehrlich, übertrage ich Aufgaben. Und ich lasse die Mitarbeiter dann auch agieren. Ich muss die Voraussetzung schaffen, dass eine Top-Leistung abgeliefert werden kann. Habe ich aber einen Mitarbeiter, der sich nicht in diese Philosophie einordnen kann, muss ich mich trennen. Es funktioniert nur, wenn alle in eine bestimmte Richtung gehen.

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Foto von KOBU Agency

Sie haben elf hoch bezahlte Einzelunternehmer auf dem Platz. Wie formen Sie daraus ein Team.
Damit wir Erfolg haben und gewinnen, müssen sich die Einzelspieler als harmonisches Ensemble zusammenfinden. Ich brauche aber auch die Individualität, damit das Ensemble auf höchstem Niveau agiert. Also muss ich schauen, dass ich den Einzelnen stark mache für ein funtkionierendes Team.

Also Team vor Einzelspieler.
Ja, auf jeden Fall. Aber ich will nicht, dass das Team an erster Stelle steht und der Einzelne seine fantastischen Fähigkeiten icht einbringen kann. Das Team funktioniert dann zwar als Team, besitzt aber nicht die Qualität. Das Team lebt von der Individualität. Deshalb muss ich die persönlichen Fähigkeiten kennen, um für den Einzelnen die richtige Position zu finden.

Würden Sie sagen, dass Sie eine Zeit lang mehr auf der Teamebene arbeiten und dann die einzelnen Charaktere herausarbeiten.
Wir haben jedes Jahr eine Vorbereitung. Da mache ich mir dann Gedanken, wie das Team spielen soll: Die Philosophie der Arbeit. Dann erarbeite ich erst einmal mit jedem Einzelnen die Grundlagen, damit er überhaupt die Möglichkeit hat, seine Fähigkeiten einzubringen und umzusetzen. Wenn sie die Grundlage geschaffen haben, muss eine Ordnung her, eine Disziplin. Es braucht einen Gedanken, mit dem sich alle identifizieren können. Wenn sie diese Grundordnung, diese Disziplin geschaffen haben, dann können sie sagen: Jetzt will ich von dir als Spieler profitieren.

Wann sagen Sie, so jetzt steht das Team.
Man sieht und spürt es. Es gibt bestimmte Merkmale: Die Schnelligkeit im Spiel, das Umschalten, die Bewegung, und dass man dann auch effektiv arbeitet. Es wird flüssiger, eine Harmonie entsteht. Eine Harmonie, die als Ansporn und Reiz nach dem Motto “Ich will mich messen” funktioniert. Denn Harmonie kann auch etwas ganz Gefährliches sein, wenn sie in der Sättigung entsteht. Dann geht der Schuss nach hinten los. In der Champions League bei Inter Mailand hatten wir nach dem Platzverweis gegen Valerien Ismael die Situation, dass wir positiv harmonischer wurden im Team. Man hat gemerkt, wie einer den anderen nicht nur unterstützte, sondern zusätzlich auch immer wieder aktiv gefordert hat.

Wie erreichen Sie die unterschiedlichen Charaktere im Team.
Für mich ist es wichtig, dass es Regeln gibt für das Team, doch bei weitem nicht so viele. Denn je mehr Regeln sie aufstellen, umso schwieriger wird es für sie, umso mehr müssen sie kontrollieren. Sie begrenzen sich selbst in ihrem Wirken und gucken nur noch, was hat er falsch gemacht, wie kann ich ihn bestrafen. Es müssen Regeln vorhanden sein, die für jeden akzeptabel sind und für jeden gelten. Das heißt: Pünktlichkeit, Respekt, Disziplin, Ordnung und Fairness im Umgang. Wird diese Basis verletzt, egal von wem, hat das Konsequenzen.

Sie müssen rüberbringen: Wenn du dich an diese Regeln hältst, dann haben wir einen guten Umgang miteinander, dann respektiere ich dich. Ich bin als sportlicher Leiter eingesetzt. Ich muss die Spieler beurteilen im sportlichen Bereich. Als Menschen sind sie jedoch für mich unangreifbar. Ich attackiere meine Spieler nie persönlich. Das darf nicht passieren. Ich muss aber als Entscheider deutliche Worte finden, wenn mir sportlich etwas nicht gefällt. Innerhalb der oben genannten Regeln hat jeder Spieler meine volle Unterstützung. Er kann jederzeit zu mir kommen, egal mit welchem Problem. Der Spieler weiß, dass ich für ihn da bin, mir die Sache zumindest anhöre. Entweder kann ich ihm helfen oder aber ich mache mir Gedanken, bei wem er eine Anlaufstelle findet.

Ihre Mannschaft hat im Meisterjahr auch Teamgeist vorgelebt.
Ja, ich erinnere mich an eine Geschichte mit Victor Scripnik. Wir hatten am Ende der Saison in einem vorentscheidenden Heimspiel gegen den HSV einen Elfmeter und eigentlich stand Scripnik gar nicht auf der Liste der Schützen. Und da hat die Mannschaft ihn hingehen lassen. Ich kriege eine Gänsehaut, wenn ich daran denke. Zum Abschied haben sie gesagt: Du hast hier so viel geleistet, mach du noch dein Tor. Diese Mannschaft ist nicht nur so rübergekommen, sie ist auch so. Die Spieler haben sich miteinander gefunden.

Andererseits muss man immer wieder darauf achten, dass das auch weiterhin funktioniert. In dieser Saison gibt es eine unwahrscheinliche Diskussion, wer von den vier Stürmern spielt. Trotzdem habe ich immer wieder gesagt: Alle seid ihr gute Stürmer und jeder hat die Möglichkeit zu spielen. Ich will nicht, dass einer auf den anderen sauer ist. Sie können auf mich sauer sein und mich fragen, warum ich sie nicht von Beginn an spielen lasse. Doch zwischen den Stürmern muss es anständig und fair abgehen.

Was meinen Sie, was die Spieler über Sie denken.
Ehrlicher Hund, der sich mit seiner Arbeit identifiziert.

Wie gehen Sie mit eigenen Fehlern um.
Ganz wichtig ist, dass man sich immer wieder selbst kontrolliert. Wie bist du da vorgegangen, hast du den richtigen Ton getroffen. Hast du die Vorbereitung richtig geplant und umgesetzt. Warst du selbst aktiv. Hast Du Hilfe geben können.

Gehen Sie schnell auf die Optimierungsschiene und schauen sofort, was Sie anders machen können.
Nein, erst einmal ärgere ich mich. Dann versuche ich schnell herauszufinden, warum.

Wie ist es bei den Spielern. Wie gehen Sie mit deren Fehlern um.
Ich sage ihnen vor dem Spiel, dass sie das Recht haben Fehler zu machen. Aber nur unter einer Bedingung: Wenn sie aktiv sind. Das Schlimmste ist, es macht einer nichts und macht dann auch noch Fehler. Ich bin lieber dafür, aktiv zu sein. Deshalb sage ich den Spielern: Versucht etwas, dann werdet ihr auch Erfolg haben. Dann ist es mit den Fehlern auch egal.

Was würden Sie Führungskräften in der Wirtschaft empfehlen, um ihre Mitarbeiter zu Höchstleistungen zu bringen.
Sie müssen vorneweg gehen. Sie müssen mit eigenen Leistungen dokumentieren, was sie von den Mitarbeitern sehen wollen. Der Mitarbeiter muss sehen, dass die Führungskraft von der ersten bis zur letzten Sekunde da ist. Ich bin morgens früh gegen 8 Uhr da – vor der Mannschaft. Wenn ich Glück habe, ist neben den Putz- und Waschfrauen schon ein Betreuer da. Das heißt, wenn die Spieler ankommen, sehen sie, dass der Trainer schon arbeitet. Was ich von den Spielern und Mitarbeitern verlange und fordere, das muss ich vorleben. Ich kann mir nicht die Hucke voll hauen und gleichzeitig sagen: Ihr dürft kein Bier trinken. Wenn wir feiern, dann richtig, und natürlich zum richtigen Zeitpunkt.

Genauso ist es mit der Arbeit. Ich muss es dokumentieren. Ich muss sagen, dies und das stelle ich mir vor. Dafür gebe ich dir die und die Voraussetzung. Ich kann nicht von meinen Spielern verlangen, dass sie ein super Kombinationsspiel entfachen, wenn sie dafür nicht auch einen super Rasen haben. Also muss ich die Bedingungen schaffen, die sie brauchen, um ihre Aufgaben umzusetzen. Das gilt auch für die Wirtschaft. Nehmen wir Versicherungen, denn hier im Stadion ist ein Versicherungsbüro angesiedelt. Damit der Mitarbeiter erfolgreich sein kann, muss ich ihm ein Paket schnüren, mit dem er am Markt wettbewerbsfähig ist, das er verkaufen kann. Ich muss mitleben, mitdenken und zeigen, dass mich seine Gedanken interessieren. Ich muss dem Mitarbeiter das Gefühl geben: Du mit deiner Arbeit bist mir unheimlich wichtig. Du bist für mich in dem Moment, wo ich mit dir zusammenarbeite, das Wichtigste.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten bezüglich Mitarbeiterführung. Was würden Sie sich wünschen.
Beim Erfolg entsteht ja immer so eine leichte Zufriedenheit. Heute ist es so, dass man relativ zufrieden wird, wenn man gewisse Dinge erreicht hat. Das stört mich ein bisschen. Es geht nicht darum, dass man arbeitet, etwas erreicht, das schön ist, und dann erst recht wie verrückt weitermachen soll. Ich wünsche mir, dass man erkennt: Das habe ich erreicht, weil ich die und die Dinge erfüllt habe. Und diese Dinge möchte ich dann auch weiterverfolgen und so meine Ziele erreichen. Wir hatten einen wunderschönen Erfolg – doch der ist ratzfatz wieder Vergangenheit.

Ändert sich die Arbeit eines Trainers, wenn die Mannschaft Meister und Pokalsieger geworden ist.
Die Art zu arbeiten ändert sich grundsätzlich nicht. Aber dadurch, dass wir mittlerweile ein anderes Niveau erreicht haben, ist es vielleicht in einigen Bereichen zu einer Verschiebung von Schwerpunkten gekommen.

Knatsch im Team und das Ausscheiden aus der Champions League schienen Ihrer Mannschaft in dieser Saison auf Dauer wenig anhaben zu können. Inwieweit war sie in der Lage, sich nach Tiefschlägen selbst zu regenerieren.
Die Mannschaft hat gezeigt, dass sie mit vielen Unwägbarkeiten sehr gut zurecht gekommen ist. Das fing schon am ersten Trainingstag der Saison an, als wir nicht den kompletten Kader zur Verfügung hatten. Später sind die Spieler durch die EM zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den Trainingsbetrieb eingestiegen. Über das Jahr hinweg hatten wir einige Schwierigkeiten, doch die Mannschaft hat eine gute Saison gespielt. Sie hat ihre Klasse bewiesen.

Werder Bremen spielte in diesem Jahr oft besser als die unmittelbare Konkurrenz, verlor aber wichtige Spiele. Wie erhält ein Trainer die Motivation seiner Spieler, wenn an die Stelle der Titelverteidigung andere Ziele treten.
Man muss immer das anstreben, was erreichbar ist.

Ein weiteres wichtiges Thema in den Unternehmen ist die Nachwuchsförderung. Was verbinden Sie damit, was ist Ihnen daran wichtig.
Wenn sie in einem Unternehmen mit 40 Millionen Euro Umsatz führen, dann haben sie gewisse Pflichten. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass der Laden auch mittel- und langfristig läuft. Wie bewerkstellige ich das. Ich muss zum einen Einkäufe tätigen, für die sicherlich höhere Summen benötigt werden. Sie können auch nicht sagen: Wir wollen dieses Jahr keine Verpflichtungen. Die Leute wollen immer neue Spieler sehen und sie müssen als Trainer immer neue Reize setzen. Einen Kader müssen sie zum einen mit diesen großen Einkäufen zusammenstellen. Dann haben sie sicherlich einige Spieler, die nicht schlecht, aber relativ günstig sind. Ümit Davala zum Beispiel hat uns relativ wenig in der Ablösesumme gekostet. Aber natürlich ist das Gehaltspaket dann doch eine nicht unerhebliche Größe. Darüber hinaus müssen sie sehen, dass sie junge Spieler dazu aussuchen, die sie ausbilden und die irgendwann in große Positionen hineinwachsen. Sie brauchen alle drei Bereiche. Sie können nicht nur das große Geld ausgeben. Das bekommen wir bei Werder Bremen wie kaum ein anderer Verein hin.

Sie haben in den letzten Jahren viele Spieler mit Potenzial verpflichtet, die in ihren Vereinen nur auf der Bank gesessen haben. Wonach haben sie ausgewählt.
Aus Überzeugung. Das ist ganz wichtig. Als ich vor fünf Jahren als Cheftrainer anfing, hatte ich zuvor lange Jahre im Nachwuchs- und Jugendbereich trainiert und damit das Geschäft von der Pike auf gelernt. Dadurch habe ich viele Spieler in Deutschland kennen gelernt. Als ich bei Werder Cheftrainer wurde, zeigte sich, dass wir eine Mannschaft ohne einen richtigen Kern hatten. Es waren unwahrscheinlich viele Spieler da, an die 30. Da bildet sich kein Kern. Dann habe ich mich gemeinsam mit Sportdirektor Klaus Allofs gefragt: Wie könnte die Mannschaft besser strukturiert sein. Es gab wenig Kapital. Einen Transfer für fünf Millionen Euro wie bei Klose konnten wir nicht bewerkstelligen. Also mussten wir uns nach Spielern umschauen, die uns nicht so viel kosten, uns aber in der Qualität weiterbringen. Dann hört man, dann guckt man und dann macht man Kontakte. Dabei funktioniert unser Scoutsystem so, dass wir im eigenen Verein anfangen. Dann kommt Bremen, dann Norddeutschland, dann Deutschland, dann Europa und dann die restliche Fußball-Welt.

Wie geht es weiter, wenn ein Spieler zu haben ist.
Dann setzt man sich zusammen. Fabian Ernst war so ein Fall. Der saß beim HSV auf der Bank und war unzufrieden. Da habe ich mich mit Klaus Allofs darüber unterhalten und wir waren beide von seinen Fähigkeiten absolut überzeugt. Ich kannte Ernst schon, als er in der Jugend bei Hannover 96 spielte. Ich wollte ihn bereits vor Jahren nach Bremen holen, als er sich jedoch für den HSV entschied. Wir haben dann sogar die Ablösesumme in Kauf genommen. Und die Rechnung ist aufgegangen.

Bleibt nicht dennoch ein großes Fragezeichen, ob ein Spieler einschlägt.
Sicher, aber sie können es beeinflussen. Sie müssen Informationen sammeln, erste Kontakte starten und den Spieler weiter beobachten. Valerien Ismael wurde uns bereits vor vier Jahren angeboten. Wir sind nach Frankreich geflogen, haben uns den angeschaut und waren damals nicht zu 100 Prozent überzeugt. Zudem war der Transfer finanziell nicht machbar. Doch wir haben ihn weiterhin beobachtet, immer mal zwischendurch. Vor zwei Jahren haben wir dann die Information bekommen, der ist wieder zu haben.

Um eine endgültige Entscheidung zu treffen, unterhalten Allofs und ich uns lange mit potenziellen Neuzugängen. Wir wollen wissen, was er für ein Typ ist. Und wir wollen wissen, was er für Vorstellungen hat. Ich erinnere mich noch an das Gespräch mit Davala. Der hat ganz klar gesagt, dass es schon immer sein Wunsch war für Bremen zu spielen. Das kam absolut glaubwürdig rüber und er hat es später auch so in seinen Taten umgesetzt. Wenn einer hingegen im Gespräch andauernd auf den Boden schaut, dann lassen wir das lieber.

Das ist ja wieder der persönliche Kontakt…
Ja, das persönliche Gefühl, die Überzeugung, der ist der richtige Spieler. Es kommt auch noch ganz viel Glück dazu, dass man im richtigen Moment an der richtigen Stelle steht. Grundsätzlich muss das, was sie abchecken können, bei ihnen im Plus sein.

Zur Person. Thomas Schaaf trainiert seit sechs Jahren die Fußballprofis des Bundesligisten Werder Bremen. 1991 wurde die Mannschaft unter seiner Regie Pokalsieger. 2004 wiederholte sie den Erfolg und wurde außerdem Deutscher Meister.

Der gebürtige Mannheimer zog mit fünf Jahren in die Hansestadt und trat 1972 dem Verein bei, dessen Cheftrainer er heute ist. Dazwischen lagen Stationen als Jugendspieler, Profifußballer, Jugendtrainer und schließlich Amateurtrainer – immer bei dem gleichen Verein. Große Erfolge hat der Coach schon als Spieler feiern können. Er wurde mit Werder Bremen 1988 und 1993 Deutscher Meister, 1991 und 1994 DFB-Pokalsieger und 1992 Europapokalsieger der Pokalsieger.

Praxistipps
Von Thomas Schaaf lernen

Die Antworten von Thomas Schaaf bieten ein Füllhorn an Anregungen für Führungskräfte in der Wirtschaft. Drei Bereiche möchte ich dabei hervorheben: Wertschätzung der Mitarbeiter, Identifikation mit dem eigenen Tun und die Bedeutung emotionaler Intelligenz.

Schaaf gibt seinen Mitarbeitern das Gefühl, wichtig und wertvoll zu sein. Das gilt für ihre Arbeit, wie für ihre Person. Er erwartet 100 Prozent Engagement und mutiges, eigenständiges Handeln. Wer das einbringt, darf sich auch Fehler erlauben. In vielen Unternehmen regiert hingegen der negative, allein auf Leistung und Fehler ausgerichtete Blick. Die Mitarbeiter zu wertschätzen, erscheint oftmals eher als Zwang nach dem Motto “Ich muss mal loben”. Wer die Mitarbeiter für den gemeinsamen