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Foto von Sergey Zolkin
Das Buch lässt sich leicht und flüssig lesen. Sein Autor versucht wissenschaftlich nachzuweisen, dass in vielen Fällen weniger Wissenschaft mehr ist. Er lenkt die Aufmerksamkeit der Leser weg vom „großen Ganzen“ hin zur Fokussierung auf das Detail, das den Unterschied macht. Dabei verfolgt er drei grundlegende Anliegen:
  1. Gladwell möchte den Leser davon überzeugen, dass Entscheidungen, die sehr schnell gefällt wurden, genauso gut sein können, wie jene Entscheidungen, die auf Basis langwieriger Prozesse getroffen wurden.
  2. Weiters versucht er darzulegen, wie man zwischen vorurteilsgeprägten Spontanurteilen und reinem, intuitivem Wissen unterscheiden kann.
  3. Schlussendlich ist es Gladwells wichtigstes Anliegen darzustellen, wie man Spontanurteile und den ersten Eindruck verfeinern und für sich nützen kann. Anhand vieler interessanter Details weckt Gladwell Vertrauen in die Funktion der Intuition. Zugleich stellt er klar, dass wir einige Verzerrungen in der Wahrnehmung verringern können, wenn wir uns mit unseren eigenen Vorurteilen auseinander setzen.
So ganz unbeeinflusst von der eigenen Erziehung und persönlichen Lebenserfahrung können wir jedoch nicht an Themen herangehen. Nicht umsonst wurden viele Testverfahren extra zu dem Zweck entwickelt, bei Personalentscheidungen eine betont rationale Herangehensweise zu ermöglichen.

Ich stimme daher grundsätzlich mit dem Autor darin überein, dass in unserer „verkopften“ Welt mehr Beachtung der Intuition sehr hilfreich und bereichernd sein könnte. Doch gleichzeitig befürchte ich, dass der hektische Alltag den Zugang dorthin schon zu sehr verbarrikadiert hat, und dieses Buch kann ihn aus meiner Sicht nicht ausreichend freilegen.

Alles in allem ist das Buch eine angenehme Abendlektüre. Es enthält viele wissenswerte Aspekte und gibt gute Denkanstöße. Als praktisch umsetzbarer Ratgeber ist es dagegen eher ungeeignet.




Blink! Die Macht des Moments
Von Marcolm Gladwell
Campus Verlag 2005-12-21
264 Seiten, 24,90 Euro
ISBN 3-593-37779-9
www.campus.de

Leseprobe

Der Teil unseres Gehirns, der diese schnellen und einfachen Schlüsse zieht, nennt sich auch adaptives Unterbewusstes, und die Erforschung dieser Entscheidungsprozesse ist eines der wichtigsten Gebiete der modernen Psychologie. Dieses adaptive Unterbewusste hat nichts mit dem zu tun, was Sigmund Freud das Unterbewusste oder das Unterbewusstsein nannte und mit dem er seine mysteriösen und düsteren Orte voller Begierden, Erinnerungen und Fantasie meinte, die uns zu sehr verstören, als dass wir uns auf einer bewussten Ebene mit ihnen auseinander setzen wollten.

Stattdessen können wir uns dieses adaptive Unterbewusste als eine Art Supercomputer vorstellen, der schnell und leise all die Unmengen von Daten verarbeitet, die auf uns einströmen und die wir zum Überleben benötigen. Wenn Sie zum Beispiel das Haus verlassen und plötzlich bemerken, dass ein Lastwagen auf Sie zurast, haben Sie keine Zeit, lange darüber nachzudenken, wie Sie wohl am besten reagieren. Der einzige Grund, weshalb die menschliche Spezies so lange überleben konnte, ist, dass wir im Lauf der Evolution einen Entscheidungsapparat entwickelt haben, mit dessen Hilfe wir eine Situation auch mit wenig Informationen schnell einschätzen können.

Der Psychologe Timothy D. Wilson beschreibt dies in seinem Buch „Strangers to Ourselves“ so: „Das Gehirn arbeitet hocheffizient, indem es einen großen Teil des komplexen Denkens an das Unbewusste delegiert, so wie ein modernes Linienflugzeug in der Lage ist, mittels Autopilot zu fliegen, mit wenig oder keinem Input von Seiten des menschlichen oder ›bewussten‹ Piloten. Das adaptive Unbewusste versteht es hervorragend, die Umwelt einzuschätzen, Menschen vor Gefahren zu warnen, Ziele zu setzen und Handlungen in intelligenter und effizienter Weise einzuleiten.“ Wilson beschreibt, wie wir je nach Situation zwischen dem bewussten und dem unbewussten Denken hin- und herschalten. Wenn Sie sich entscheiden, eine Kollegin oder einen Kollegen zum Abendessen einzuladen, dann findet diese Entscheidung auf der bewussten Ebene statt.


Quelle: personal manager 1/2006