An der empirischen Studie „Internationale Rekrutierung – Realität oder Rhetorik?“, die das Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) in Kooperation mit der Hays AG durchführte, hatten sich 309 Entscheider aus dem Personalwesen beteiligt. „75 Prozent der Befragten haben keine Strategie für internationales Rekrutierung“, erklärte Prof. Rump – angesichts des deklarierten Fachkräftemangels ein bedenkliches Ergebnis. Nicht ausreichend verfügbar seien insbesondere ausgebildete Kräfte aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, den sogenannten MINT-Berufen.

person using laptop
Foto von Thomas Lefebvre

Während Großunternehmen laut Befragung nach Osteuropa schauen, um ihren Bedarf an Mitarbeitern zu decken, suchen KMU vorrangig im deutschsprachigen Ausland nach geeigneten Bewerbern. Es sei allerdings die Frage, ob Osteuropa in Zukunft noch so viel hergebe. „Dort herrscht auch schon Mangel“, warnte Rump. Als auffallend kennzeichnete sie zudem die unterschiedliche Einschätzung von Personal- und Fachabteilung: Personalmanager seien mehrheitlich davon überzeugt, dass sie die Federführung beim internationalen Rekrutierung innehätten, die Fachabteilung sehe diese jedoch eher bei externen Beratern und Dienstleistern.

Osteuropäische Talente zeichne ein „Hunger nach Erfolg“ aus, erklärte Karl-Heinz Stroh in seinem Keynote-Vortrag. Auch in den Praktiker-Baumärkten sei die „Triebkraft“ der osteuropäischen Arbeitnehmer spürbar. Die erfolgreiche Rekrutierung von osteuropäischen Fachkräften sei somit einer der wichtigsten Hebel, um Engpässe bei den Leistungsträgern zu überbrücken. Zugleich gelte es, nach verborgenem Potenzial im eigenen Unternehmen zu suchen. „Es ist ein Irrtum zu glauben, dass Leistung von allein bemerkt wird“, kennzeichnete er das Problem. Im Zuge der Finanzkrise sei allerdings bereits absehbar, dass viele Unternehmen ihre Weiterbildungsbudgets für das kommende Jahr kappen. „Das ist ja ein Goody, ein Benefit“, ironisierte Stroh.

„Ja, wir können etwas machen. Es gibt keinen Grund damit zu warten – auch nicht in der Krise“, lautete das Fazit des Keynote-Speakers. Stroh drängte auf einen besseren Umgang mit Bachelor-Absolventen, auf mehr Angebote für die Studenten während und nach der Hochschulausbildung sowie eine generell engere Verzahnung von Universitäten und Unternehmen. Um neue Talentsegmente zu erschließen müssten Berufstätigkeit und Kindererziehung miteinander vereinbar sein, erfahrene Fachkräfte im Betrieb gehalten und neue Einwanderungspfade geschaffen werden. Dazu sei eine Änderung der makroökonomischen Bedingungen von Seiten der Politik nötig. „Wir fordern die Streichung der Mindestverdienstgrenze und die Einführung eines Punktesystems nach angelsächsischem Muster“, erklärte er mit Verweis auf den Goinger Kreis, in dem er sich zusammen mit Berufskollegen engagiert.

„Personalmanager haben eine staatsbürgerliche Verantwortung für das System Arbeit. Das ist bei ihnen noch unterentwickelt“, sieht Thomas Sattelberger auch die eigene Profession in der Pflicht. Der Personalvorstand der Deutschen Telekom hatte bereits bei den ersten Ludwigshafener Personalgesprächen zum Thema Professionalisierung der Personalarbeit nach dem Motto „Was hilft das schönste Morgenrot, wenn man nicht aufsteht?“ mehr Einsatz angemahnt. Starke Hemmnisse und Versäumnisse sieht Sattelberger jedoch insbesondere in der Tarifpolitik und im Bildungswesen. „Wir haben mit gewerkschaftlichen Ideologien zu tun – da muss man noch lange draufschlagen, bis die aufbrechen“, polterte er. Beispielsweise verwehre sich die Gewerkschaft ver.di gegen eine Stufenausbildung und halte stattdessen an einer dreijährigen Lehre fest. „Unsere Bildung ist kompakt, teuer und dann kommt nichts mehr“, kritisierte Sattelberger. Insofern sei die Einbindung des Abiturerwerbs in die Ausbildung ein Schlüsselthema für die Telekom. Mit 150.000 unbestrittenen Fehlstellen sei der Fachkräftemangel zweifellos real, kommentierte er die Eingangsfrage. „Wir haben ein richtig seriöses Problem.“

„Als strukturelles, nicht konjunkturelles Problem“, charakterisierte Frank Schabel den Fachkräftemangel, der die Unternehmen so oder so 20 Jahre beschäftigen werde. Der Leiter der Abteilung Marketing und Corporate Communications bei Hays forderte ebenfalls eine Änderung der Bildungspolitik. „Schule ist grauslich: Pauken, pauken, pauken – aber keine Vermittlung von Lernkompetenz“, kritisierte er den Standard-Unterricht. Schule solle Neugierde wecken und neue Werdegänge ermöglichen, regte der besorgte Vater an. Es sei mehr Offenheit in der Berufslaufbahn gefragt, die durchaus zwei-, dreimal eine andere Richtung einschlagen dürfe. „Einmal Controller, immer Controller – das ist nicht gut“, meinte Schabel. Er halte es zudem für empfehlenswert, auf die veränderte Interessenlage von Jugendlichen in der Pubertät einzugehen und beispielsweise den normalen Unterricht durch Projektarbeit zu ersetzen.

Ein spezielles Projekt für die 7. Klasse hat die Metropolregion Rhein-Neckar aufgesetzt. Darauf verwies Dr. Dorothee Karl in der Diskussion. „Beim KÜM-Projekt checken wir zunächst die kognitiven, psychischen und physischen Fähigkeiten der jungen Leute“, erklärte Karl. Vielen Lehrern fehle die Kompetenz für neu entwickelte Berufsfelder. „Wir wollen gemeinsam eine Stoßrichtung finden“, betonte die Leiterin der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik der Metropolregion Rhein-Neckar.

„Ich glaube nicht, dass Personaler das Problem nicht verstanden haben“, erklärte der Gastgeber der Veranstaltung, Prof. Dr. Peter Mudra. Es sei eher ihr Umfeld, das den Fachkräftemangel falsch einschätze, so der Leiter der Personalstudiengänge an der Fachhochschule Ludwigshafen. Als „letztlich großes Geschenk“ für Personaler bezeichnete Randolf Jessl den Diskussionsgegenstand. „Der Fachkräftemangel zeigt ihre Wichtigkeit“, befand der Chefredakteur der Zeitschrift Personalmagazin, der die Moderation der Diskussionsrunde übernommen hatte.