Die deutsche Wirtschaft kämpft mit Rezession und steigender Arbeitslosigkeit
Die deutsche Wirtschaft kämpft mit Rezession und steigender Arbeitslosigkeit. Bild: Freepik

Deutschland steuert auf ein weiteres Jahr mit schlechten Wirtschaftsaussichten zu. Inzwischen hat die Krise auch den Arbeitsmarkt erreicht. Trotz des Fachkräftemangels steigen die Arbeitslosenzahlen. Wie geht es weiter, und welche Gegenrezepte gibt es?

„Die Erholung der Konjunktur lässt auf sich warten. Die deutsche Wirtschaft kämpft nicht nur mit hartnäckigem konjunkturellem Gegenwind, sondern auch mit strukturellen Problemen“, erklärte Bundesbankpräsident Joachim Nagel Mitte Dezember 2024 anlässlich der neuen „Deutschland-Prognose“ seines Hauses. Industrie, Exportgeschäft und Investitionen leiden. Hinzu kommt ein weiteres gravierendes Problem, das in Deutschland faktisch als gelöst galt: die Massen-Arbeitslosigkeit. „Auch der Arbeitsmarkt reagiert mittlerweile spürbar auf die schon länger andauernde Wirtschaftsschwäche“, sagte Nagel.

2025 winkt nur ein Mini-Wachstum beim Bruttoinlandsprodukt – wenn überhaupt

Im Verlauf des Jahres 2025 wird das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach Prognosen der Bundesbank langsam zur Erholung ansetzen. Die Bundesbank prognostiziert in ihrer „Deutschland-Prognose“ für das Jahr 2024 einen Rückgang des realen BIP um 0,2 Prozent – und erwartet für 2025 ein geringes Wachstum von 0,2 Prozent.

Tobias Dietze, Geschäftsführer des Personaldienstleisters DIEPA mit Hauptsitz in Magdeburg, überraschen die plötzlichen negativen Nachrichten vom Arbeitsmarkt nicht. Dabei geht es nicht nur um Industriegrößen wie Volkswagen, Ford, Evonik oder Thysssenkrupp, die mit dem Rücken zur Wand stehen und jeweils größeren Personalabbau angekündigt haben.

Auch in vielen mittelständischen Unternehmen hat sich die Auftragslage arg abgekühlt. Tobias Dietze: „Der erwartete Anstieg der Arbeitslosenzahlen im kommenden Jahr lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen: Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiterhin in einer Schwächephase mit nur geringem Wachstum. Strukturelle Herausforderungen wie Digitalisierung, Dekarbonisierung und der demografische Wandel erhöhen den Anpassungsdruck auf Unternehmen. Gleichzeitig erschweren Mismatches zwischen Qualifikationen und Stellenanforderungen sowie reduzierte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen die Reintegration von Arbeitslosen. Diese Entwicklungen führen zu einem moderaten, aber spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit.“

Mangel an Führungskräften hemmt die strategische Handlungsfähigkeit

© Martin Krill, geschäftsführender Gesellschafter der HAGER Executive Consulting GmbH
© Martin Krill, geschäftsführender Gesellschafter der HAGER Executive Consulting GmbH

Martin Krill, geschäftsführender Gesellschafter der HAGER Executive Consulting GmbH, meint: „Die anhaltend schwache Konjunktur beeinträchtigt besonders das produzierende Gewerbe und die Bauwirtschaft, zwei Bereiche, die traditionell viele Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig übersteigen die technologischen und digitalen Anforderungen die Qualifikationen vieler Arbeitskräfte, was eine Anpassung an den Arbeitsmarkt erschwert. Diese strukturellen Mängel werden durch einen Mangel an Führungspersönlichkeiten in Unternehmen verschärft, da unbesetzte Schlüsselpositionen die strategische Handlungsfähigkeit hemmen. Ohne starke Führung fällt es Unternehmen schwer, wirtschaftliche Stabilität zu sichern oder rechtzeitig auf Marktveränderungen zu reagieren.“

Fatal ist, dass es (abermals) besonders den Osten Deutschlands trifft. Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern hatten sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt und die wirtschaftliche Entwicklungslücke zu westlichen Bundesländern hier und da sogar etwas schließen können. Der aktuell wieder stärkere Anstieg der Arbeitslosigkeit im Osten wirkt da wie ein Bremsklotz. Dietze: „Die Prognosen zeigen, dass besonders ostdeutsche Bundesländer wie Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen am stärksten von steigender Arbeitslosigkeit betroffen sein werden.

Thüringen verzeichnet den höchsten relativen Anstieg der Arbeitslosenzahlen um 5,0 Prozent sowie den stärksten Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung um 0,6 Prozent. Mecklenburg-Vorpommern folgt mit einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf 8,2 Prozent, während Sachsen einen Zuwachs um 3,6 Prozent bei den Arbeitslosenzahlen erwartet. Auch Bayern ist mit einem ähnlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen und einer Quote von 3,8 Prozent betroffen. Im Saarland wird als einzigem westdeutschen Bundesland ein Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung prognostiziert. Insgesamt zeigt sich, dass Ostdeutschland mit einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf 7,6 Prozent stärker belastet wird als Westdeutschland.“

Passen steigende Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel zusammen? Leider ja

Erklärungsbedürftig bleibt, warum die Arbeitslosigkeit überhaupt ansteigt, wenn doch allerorten über fehlendes Fachpersonal geklagt wird, Pflegestationen unterbesetzt sind oder Gaststätten wegen fehlender Köche oder Servicekräfte gar nicht mehr öffnen. Die Erklärung liegt im sogenannten Mismatch: Langzeitarbeitslose oder auch viele gut Ausgebildete, die aktuell etwa um ihre Jobs in der Automobilbranche bangen müssen, sind für andere Berufe mit Zukunft nicht ausreichend qualifiziert – und können auch nicht binnen weniger Wochen umgeschult werden.

© Tobias Dietze, Geschäftsführer des Personaldienstleisters DIEPA
© Tobias Dietze, Geschäftsführer des Personaldienstleisters DIEPA

Qualifikation ist ein dickes Brett und erfordert eine entsprechende strategische Planung, erklärt Personalexperte Tobias Dietze: „Um den Arbeitsmarkt zu stabilisieren, sind vielfältige, aber gezielte Maßnahmen erforderlich, welche vor allem die Wirtschaftskraft in Deutschland erhöhen. Ein zentraler Ansatz ist die Förderung von Qualifikationsprogrammen, um die Diskrepanz zwischen den Qualifikationen der Arbeitssuchenden und den Anforderungen offener Stellen zu verringern. Gleichzeitig müssen die Einstiegshürden für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland gesenkt werden, etwa durch vereinfachte Anerkennungsverfahren und bessere Sprachförderung. Eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ist ebenfalls entscheidend. Dazu gehört die Aufhebung von Beschränkungen in der Zeitarbeit, wie der Wegfall der Höchstüberlassungsdauer und der Einschränkungen beim Einsatz von Fachkräften aus Drittstaaten.“

Auch Martin Krill fordert „gezielte Maßnahmen“, um den Arbeitsmarkt schnell wieder zu beleben: „Zunächst sollten Bildungs- und Qualifikationsprogramme ausgebaut werden, die auf die Anforderungen moderner Berufe ausgerichtet sind. Die Integration ausländischer Fachkräfte könnte durch erleichterte Visa-Verfahren und Anerkennung von Abschlüssen gefördert werden, begleitet von Sprachkursen und kultureller Unterstützung. Flexiblere Arbeitsmodelle wie Remote-Arbeit könnten helfen, Talente aus anderen Regionen oder Ländern zu gewinnen, während gezielte Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung die Attraktivität strukturschwacher Regionen erhöhen. Schließlich müssen Kinderbetreuungsangebote und familienfreundliche Arbeitszeiten ausgebaut werden, um die Erwerbsbeteiligung zu steigern. Diese Maßnahmen könnten die Grundlage für einen zukunftsfähigen, stabilen Arbeitsmarkt schaffen.“ Es gibt viel zu tun. Packen wir es an.