Den Beschäftigten mag das nützen, entkommen sie doch der oftmals als perspektivlos empfundenen Kurzfristigkeit konventioneller Leiharbeitsverhältnisse. Der Arbeitgeber andererseits profitiert von nachhaltig günstigeren Tarifbedingungen. Doch was nach einer gelungenen Quadratur des Kreises klingt, ist nicht ohne Risiken. Während einige Firmen im Ergebnis zufrieden sind, sind andere spektakulär gescheitert mit diesem Flexibilisierungsinstrument. Personalverantwortliche sollten die Vor- und Nachteile kennen und mit den spezifischen Gegebenheiten ihres Unternehmens abgleichen, bevor sie über den Einsatz konzerninterner Leiharbeiter entscheiden.

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Foto von Van Tay Media

Das Phänomen „Konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung“ ist beinahe gänzlich unerforscht. Die wenigen Veröffentlichungen beschäftigen sich hauptsächlich mit Fragen der rechtlichen Zulässigkeit. Was fehlt, sind gesicherte Aussagen darüber, unter welchen Bedingungen sich die konzerninterne Variante der Leiharbeit personalwirtschaftlich rechnet.

Die hier wiedergegebenen Erkenntnisse und Überlegungen beruhen insbesondere auf einer empirischen Kurzstudie, die im Frühsommer 2009 an der Universität Hamburg durchgeführt wurde. Mittels halbstandardisierter Interviews wurden Erfahrungen von Konzernen und Verbänden, die mit dem Thema direkt befasst sind, sondiert. Die so gewonnenen Daten wurden mit den Annahmen der Institutionenökonomik verglichen – und so in einen größeren Bezugsrahmen gesetzt.

Das Konstrukt

Konzerninterne Leiharbeit ist zunächst von der gleichnamigen Version abzugrenzen, die das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) – die Rechtsgrundlage der Leiharbeit – anbietet. Demnach können Beschäftigte unter bestimmten Bedingungen innerhalb des Konzerns zwischen den einzelnen Betrieben verliehen werden. Das Gehalt muss freilich unverändert fortgezahlt werden, dem Arbeitnehmer die Rückkehr auf seinen Arbeitsplatz in Aussicht gestellt werden.

Bei der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung, die Gegenstand der Untersuchung war, gründet der Konzern eine Tochter für Personaldienstleistungen. Diese Tochter übernimmt es von da an, für den Gesamtkonzern und seine Töchter – oder Teilbereiche – das Personal einzustellen. Es wird ein Dauerleihverhältnis vereinbart. Den Beschäftigten wird eine langfristige Perspektive geboten, freilich mit niedrigerem Tarifniveau. Abgesehen vom Tarifniveau jedoch sollen keine Unterschiede zu den sonstigen Belegschaftsmitgliedern gemacht werden. Ob Weiterbildungsangebote, Aufstiegsmöglichkeiten oder Ideenmanagement, die konzerninternen Leiharbeitnehmer – die sich nicht als solche fühlen sollen – werden in personalpolitische Strukturen einbezogen.

Obwohl bestehende Arbeitsverhältnisse nicht auf die neue Tochter übertragen werden können, erwarten die Konzerne im Zeitverlauf signifikante Einsparungen: Wenn die normale Fluktuation genutzt wird und neue Beschäftigte stets über die Personalservicetochter eingestellt werden, sinkt auf Dauer das durchschnittliche Lohnniveau.

Abwägung der Vor- und Nachteile

Soweit das Modell in Reinkultur. Den Vorteilen wie oben beschrieben, können noch einige hinzugefügt werden. (Tab.) So ist die Schattenstammbelegschaft prinzipiell für all jene weichen Faktoren ansprechbar, die kaum messbar sind von hoher Bedeutung sind: Es können Vertrauen und Commitment zur Firma aufgebaut werden. Diese beiden Aspekte, die in der Wissenschaft insbesondere durch die Principal-Agent-Theorie und das Konzept des Psychologischen Vertrages aufgegriffen werden, verlangen zwingend nach einer langfristigen Perspektive. Im Rahmen normaler Leiharbeitsverhältnisse mit einer Durchschnittsverleihdauer von etwa drei Monaten ist derlei nicht zu erwarten. Commitment wiederum, im Verbund mit Arbeitszufriedenheit führt potenziell zu einer Reihe weiterer erwünschter Effekte: von einer verringerten Fluktuation über niedrigere Krankenstände bis hin zum Extrarollenverhalten. Auch aus Sicht des Personalmarketings wird eine Deluxe-Version der Leiharbeit besser kommunizierbar sein, als die Anwendung konventioneller Leiharbeit im großen Stil.

Nicht zu unterschätzen sind auf der anderen Seite die Nachteile, die prinzipiell mit konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung Hand in Hand gehen können. Aus der Rechtsprechung sind Fälle bekannt, in denen der Versuch unternommen wurde, schlicht den Lohn auf das geringstmögliche Maß zu drücken. Analog stellt sich bei solchen Firmen auch die ganze Vorgehensweise als schlichte Umgehungskonstruktion rechtlicher Bestimmungen dar – mit schmerzlichen finanziellen Folgen. Die Drogeriemarktkette Schlecker steht deshalb gerade selbst in der Bundespolitik in der Kritik.

Rechtliche Belange stellen aber nur das offensichtlichste Risiko dar. Es ist durch eine angemessene juristische Begleitung letztlich handhabbar. Insbesondere ist aus juristischer Sicht von Belang, dass die Servicetochter nicht lediglich als leere Hülle ausgestaltet ist (Strohmannkonstruktion), sondern tatsächlich gewisse Kompetenzen erhält und dementsprechend auftritt. Es gibt typische Anhaltspunkte, die – insgesamt und im Wechselspiel – zur Bewertung der Frage herangezogen werden können, ob eine rechtlich valide Konstruktion vorliegt. So wird im Idealfall eine Personalunion im Management vermieden. Auch muss es sich nicht um eine 100-prozentige Tochter handeln, sondern mehrere Konzerne können die Firma gemeinsam betreiben. Eigene Entscheidungsstrukturen und eine örtliche Trennung wirken sich ebenfalls günstig aus.

Neben rechtliche Risiken treten personalwirtschaftliche und organisationale Risiken. Die Betriebskultur eines Unternehmens lässt sich kaum messen, zudem unterscheidet sie sich von der Kultur eines jeden anderen Unternehmens. Somit sind generalisierende Aussagen hier kaum möglich. Entscheidungsträger, die sich mit dem Für und Wider der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung auseinandersetzen, sollten die spezifische Betriebskultur jedoch berücksichtigen. Immerhin entstehen im Zweifel gemischte Abteilungen. Neben Mitarbeiter mit altem, in der Regel komfortablerem Arbeitsvertrag treten Beschäftigte, die über die Verleihtochter eingestellt wurden. Hier zeigt die Gerechtigkeitsforschung, dass es unter Umständen als Problem angesehen werden kann, wenn unterschiedliche Entlohnungsniveaus praktiziert werden. Auch unsere Gesprächspartner berichteten von gewissen Friktionen unter den Beschäftigten, die etwa dann entstehen, wenn die unterschiedlich lange Wochenarbeitszeit evident wird. Es wären dann motivationale Probleme zu erwarten, die im Schlepptau beispielsweise erhöhte Fluktuations- und Krankenstandsraten mit sich führen mögen.

Ein Großkonzern der Verlagsbranche ging wie folgt vor: Obwohl im Ganzen neue Mitarbeiter nur noch über die Verleihtochter eingestellt wurden, erhielten doch einige strategisch bedeutsame und abgrenzbare Bereiche die Möglichkeit, weiterhin direkt Einstellungen vorzunehmen. Zuvor kamen die handelnden Akteure zu dem Schluss, dass aus jenen Bereichen mit grundsätzlichen Akzeptanzproblemen zu rechnen sei. Strategische Überlegungen, die dahin gehen, auf Dauer den gewerkschaftlichen Organisationsgrad im Konzern zu verringern, sind nicht aussichtsreich. Gerade die Langfristigkeit der hier besprochenen Arbeitsverhältnisse, so ein Ergebnis der Gewerkschaftsforschung, ist Ausgangspunkt erfolgreicher gewerkschaftlicher Mitgliederwerbung.

Ausblick

Im Ergebnis stellt sich die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung ambivalent dar. Für den Arbeitnehmer mag sie einerseits – je nach Ausgestaltung – günstiger sein als die konventionelle Leiharbeit, andererseits ist sie natürlich weniger erstrebenswert als das Normalarbeitsverhältnis. Arbeitgeber haben die Möglichkeit, eine passgenaue Schattenstammbelegschaft mit verringertem Tarifniveau aufzubauen. Allerdings sinken die relativen Kostenvorteile, wenn Wettbewerber die Strategie nachahmen (müssen). Auch sind eventuelle motivationale und betriebskulturelle Friktionen zu erwarten. In unseren Interviews hat sich gezeigt, dass es nicht immer leicht fällt, den Eindruck einer Zweiklassen-Belegschaft zu zerstreuen, selbst wenn immer noch respektable Vergütungen gewährt werden.

Quelle: PERSONAL – Heft 02/2010