Eine außerordentlich wertvolle Sammlung des Weltwissens im Internet – diese Projektidee von Wikipedia erntete vor zehn Jahren viel Skepsis und Spott. Die Online-Enzyklopädie hat ihre Kritiker eines Besseren belehrt: Hunderttausende Freiwillige auf der ganzen Welt haben dazu beigetragen, Wikipedia zu der größten der Menschheit bekannten Wissenssammlung zu machen und die Wissensgenerierung in der Gesellschaft, in Bildungssystemen und Unternehmen zu revolutionieren. Dafür erhält Gründer Jimmy Wales nun den Leonardo – European Corporate Learning Award.
Die Gründer des Leonardo-Award möchten mit ihrer Auszeichnung Bildungsinitiativen ehren, die der aktuellen Dynamik und Kultur des Wissens mit wertebasierten, ganzheitlichen Ansätzen Rechnung tragen und europaweit Unternehmen inspirieren, ihre Lernprozesse entsprechend zu verändern. „Um dieses Anliegen ins digitale Zeitalter zu katapultieren, ist Jimmy Wales mit seinem persönlichen Einsatz für die Idee von Wikipedia und die weltweite Freiwilligenarbeit die Idealbesetzung“, erläutert Günther Szogs, Founding Member des „New Club of Paris“ und „Secretary“ des Leonardo, die Entscheidung des internationalen Beirats.
Wales habe viele Menschen inspiriert, ihre Kreativität aktiv einzubringen und damit in ihrem Land einen wichtigen Beitrag für die Enzyklopädie zu leisten. Inzwischen seien viele Ableger mit ähnlichem Anliegen entstanden. „Für die Unternehmenswelt ist es eine ständige Herausforderung mit der enormen Wissensexplosion Schritt zu halten“, so Szogs weiter. „Unternehmen zollen Wikipedia und seiner Freiwilligenarbeit nicht nur Respekt und Aufmerksamkeit, sondern unterstützen den Wiki-Einsatz inzwischen auch häufig in der eigenen Organisation.“
Nach Prof. Jacques Delors, dem langjährigen Präsidenten der Europäischen Kommission und Vorsitzenden der internationalen UNESCO-Bildungskommission, ist Jimmy Wales damit der zweite Preisträger des Leonardo – European Corporate Learning Award.
Weisheit der Vielen auf die Bühne bringen
Wie die Online-Enzyklopädie selbst soll die Preisverleihung nach dem Willen von Jimmy Wales nicht ihn als Hauptperson in den Mittelpunkt stellen, sondern die vielen Akteure, die zum Erfolg von Wikipedia beitragen. Deshalb nehmen gleich drei europäische Wikipedia-Bildungsvertreter den Leonardo-Award am 21. September auf der Messe Zukunft Personal in Köln entgegen: Nando Stöcklin (Schweiz), Ziko van Dijk (Niederlande) und Denis Barthel (Deutschland). Als Laudator ist der Präsident des New Club of Paris und Träger des „Brain of the Year“-Awards Prof. Leif Edvinsson von der Universität Lund (Schweden) vor Ort.
Nando Stöcklin, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Bildungsinformatik der Pädagogischen Hochschule Bern, geht seit 2006 mit seinen Schweizer Kollegen der Frage nach, wie Wikipedia für Lernzwecke genutzt werden kann. In seinem Buch „Wikipedia clever nutzen – in Schule und Beruf“ nimmt er die Fallsticke des Projekts ins Visier: Für Manipulationen und geschickte PR ist Wikipedia besonders anfällig. Deshalb möchte Stöcklin die Informationskompetenz der Nutzer stärken. So sollen sie die Qualität der Beiträge besser einschätzen können. Der Input des Schweizers für Wikipedia reicht von 30-minütigen Beiträgen zu Lehrveranstaltungen über längere Referate bis hin zu ganztägigen Kursen.
Der Wikipedia-Bildungsvertreter der Niederlande, Dr. Ziko van Dijk, ist seit 2003 bei Wikipedia aktiv. Der Deutsche, der in den Niederlanden lebt, schreibt in vier Sprachen (Deutsch, Esperanto, Niederländisch und Englisch) vor allem über deutsche und niederländische Geschichte. Ein besonderes Anliegen ist es ihm, Interessierten den Einstieg in Wikipedia zu erleichtern. Dazu veröffentlichte er 2010 sein Buch “Wikipedia. Wie Sie zur freien Enzyklopädie beitragen”, in dem er über die Hintergründe des Projekts berichtet. Der Wikipedianer van Dijk erforscht darüber hinaus die Vielsprachigkeit der Online-Enzyklopädie und geht den Ursachen dafür nach, warum manche Länderportale erfolgreicher sind als andere.
Denis Barthel, Wikipedia-Bildungsvertreter für Deutschland, ist langjähriger Wikipedia-Autor und seit 2007 bei Wikimedia Deutschland als Projektmanager tätig. Zu seinem Aufgabengebiet gehört es, die Infrastruktur aus Fachbereichstreffen und Literaturstipendien auszubauen und eine engere Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern als Autoren zu fördern. Dafür entwickelte er federführend das Konzept für ein Schulprojekt von Wikimedia Deutschland. Dieses Projekt hat er geprägt, indem er an Schulen referiert und diverse Workshops und Präsentationen zum Thema durchführt.
Weitere Informationen wie Reden und Positionspapiere zum Leonardo-Award sind unter www.leonardo-award.eu verfügbar.