Stuhltanz am Arbeitsmarkt
Fast wöchentlich erscheinen neue Studien verschiedener Marktforschungsinstitute und Beratungsfirmen sowie Daten von öffentlichen Stellen, die von einer hohen Wechselbereitschaft am Arbeitsmarkt berichten. In Kombination mit dem Fachkräftemangel bedeutet das: Häufig müssen neue Stellen besetzt werden, gleichzeitig wird der Recruiting-Prozess aber immer aufwendiger und teurer, weil sich die Auswahl an Kandidat:innen in Grenzen hält.
Die Situation erinnert ein wenig an das Spiel „Reise nach Rom“ – nur umgekehrt: Anstatt eines Stuhls zu wenig gibt es mehr Stühle zu besetzen als Personen im Spiel sind. Die Krux ist also: Wird ein Stuhl leer, ist nicht sicher, dass er in der nächsten Runde wieder besetzt wird. Wie sorgt man aber dafür, dass ein Stuhl, der konstant besetzt sein muss, auch konstant besetzt bleibt? Im Idealfall findet man eine Person, die einfach sitzen bleibt. Um wieder in HR-Sprache zu sprechen: Es geht um Retention.
Vielfältige Bindungsfaktoren
Nicht umsonst heißt es, Retention sei das neue Recruiting. Wer seine Mitarbeiter:innen dazu bringt, lange im Unternehmen zu bleiben, schafft Stabilität und behält nicht nur Menschen, sondern auch Wissen und Erfahrung. Da Bindung als solche aus mehreren Dimensionen besteht, gibt es viele Faktoren, die mitspielen: Ein angenehmes Arbeitsklima, Flexibilität, aber gleichzeitig auch Stabilität sind Beispiele für solche Faktoren, die die Bindung erhöhen können. Doch welche Faktoren am effektivsten greifen, hängt sowohl von der Unternehmenskultur als auch von den Einzelpersonen ab.
In der Arbeitspsychologie werden drei Arten von Bindung unterschieden[1]: Affektive Bindung, kontinuierliche Bindung und normative Bindung. Die normative Bindung beschreibt dabei jene Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber, die dadurch entsteht, dass ein Weggang mit Schuldgefühlen verbunden wäre – im Unternehmen zu bleiben, fühlt sich wie „the right thing to do“ an. Kontinuierliche Bindung basiert auf einer rationalen Kosten-Nutzen-Analyse; es gibt also Faktoren wie Gehalt oder Arbeitsort, aufgrund derer es sich einfach nicht auszahlt, den Arbeitgeber zu wechseln.
Die affektive Bindung hingegen zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Mitarbeiter:innen emotional an das Unternehmen gebunden fühlen. Die Loyalität zum Unternehmen ist dadurch langfristig gegeben, dass sich die Menschen mit der Unternehmenskultur sowie dessen Zielen und Werten identifizieren. Dies steigert gleichzeitig die Motivation und Produktivität. Dementsprechend ist affektive Bindung die Art von Bindung, die am besten wirkt und am meisten bringt.
Fragen, aber regelmäßig
Das bedeutet: Um zu wissen, ob die eigenen Mitarbeiter:innen an das Unternehmen gebunden sind – und das auch noch nachhaltig und wirksam –, sollte man über den emotionalen Bezug der eigenen Belegschaft zum Arbeitgeber Bescheid wissen. Am besten erfährt man dies, indem man einfach nachfragt. Aber Vorsicht: Eine große jährliche Befragung mit zig Fragen birgt vielleicht den geringsten Vorbereitungsaufwand, erfüllt ihren Zweck aber eher mittelmäßig: Zum einen bildet eine so selten durchgeführte Befragung nur einen punktuellen Zustand ab, zum anderen kann auch das Ausfüllen einer langen Befragung als mühsam empfunden werden – die eigentlich gute Intention dahinter kommt dadurch gar nicht bei den Mitarbeiter:innen an.
Werden aber regelmäßig kurze Befragungen durchgeführt, kann schnell auf Probleme reagiert werden. Gleichzeitig fühlen sich die Menschen im Unternehmen dadurch wertgeschätzt, dass sie durch die Befragungen laufend eingebunden werden – Stichwort Partizipation. Durch die wenigen Fragen ist die Beantwortungszeit kurz und stört den Arbeitsablauf nicht – außerdem gehört die Befragung ja zur Routine. Einige Befragungstools und -lösungen setzen auf diese sogenannten „Pulse Checks“ und bieten womöglich vorgefertigte Fragebögen, deren Nutzen im Idealfall auch arbeitspsychologisch fundiert ist.
Auf die Antworten reagieren
Von großer Bedeutung ist, die Antworten nicht nur zu sammeln, sondern auch damit zu arbeiten. Dabei hilft es, transparent vorzugehen und deutlich aufzuzeigen, auf welches Problem mit welcher Maßnahme reagiert wird. Bei größeren Umstrukturierungen ist es außerdem ratsam, im Prozess immer wieder „rückzufragen“, also diesen mit Befragungen zu begleiten und ihn dementsprechend anzupassen. Dadurch merken die Mitarbeiter:innen, dass die Befragungen keine Beschäftigungstherapie sind, sondern die Menschen im Unternehmen gehört werden und aktiv an dessen Entwicklung mitwirken können.
Befragungen als Recruiting-Unterstützung
Selbst mit hoher Bindung der Mitarbeiter:innen an das Unternehmen ist es auch immer wieder notwendig, neue Menschen zu rekrutieren; beispielsweise im Falle von Erweiterung oder wenn jemand in Rente geht. Um von vorneherein eine Person zu finden, die affektiv gebunden ist, also sich mit Unternehmensmission und -kultur identifiziert, ist es von Vorteil, diese auch nach außen zu kommunizieren: Dabei geht es nicht um Hochglanzbilder und professionelle Image-Videos, sondern um echte Werte. Worauf das Team Wert legt, lässt sich ebenfalls durch Befragungen feststellen. Werden die Werte authentisch nach außen getragen, bewerben sich auch jene Menschen, die dazu passen und bleiben wollen.
Automatisierte Auswertungen
Zoomen wir eine Ebene heraus: Um den Blick auf das „große Ganze“ zu bewahren, können Befragungstools eine nützliche Rolle spielen: Während individuelle Antworten und Kommentare wichtig sind, um einzelne Bedürfnisse zu identifizieren, lohnt es sich auch, die Entwicklung der Stimmung im ganzen Unternehmen im Auge zu behalten. Ein Tool kann hierbei unterstützen, indem es automatische Auswertungen ermöglicht oder aus den Antworten einen Stimmungsquotienten errechnet. Dieser ist hilfreich, um Langzeitentwicklungen in der Makro-Sicht festzustellen und darauf zu reagieren – und möglicherweise auch die Leistungen der HR-Abteilung an die Geschäftsleitung weiterzugeben.
Bindung messen
Das Befragungstool robin mood geht sogar noch einen Schritt weiter und bildet nicht nur die Stimmung, sondern auch die Bindung in Zahlen ab: Der von Prof. Dr. Franz Kolland und Rebekka Rohner von der Karl Landsteiner Universität Linz entwickelte Kolland-Rohner-Index (KRI) dient zur Quantifizierung der Bindung im Unternehmen auf Basis der Ergebnisse aus regelmäßigen Befragungen. Er dient als Messgröße für den Bindungszustand und lässt sich so einsetzen, um den Bindungszustand im Unternehmen zu messen. Damit muss nicht über die Bindungskraft spekuliert werden, sondern diese kann mit der „harten“ Währung KRI sichtbar und vergleichbar gemacht werden.
Fazit
Bindung ist essenziell, um den Recruiting-Aufwand und die damit verbundenen Kosten gering zu halten. Mit regelmäßigen Befragungen wird sie unmittelbar gesteigert, weil diese vergleichsweise wenig Aufwand bergen und viel Wertschätzung ausdrücken – im nächsten Schritt ist es aber auch wichtig, darauf zu reagieren. Bei der Durchführung der Befragung sowie Auswertungen für den Gesamtüberblick können Befragungstools wie robin mood unterstützen und einen großen Teil der Arbeit durch Automatisierung abnehmen. Die Daten erweisen sich auch im Recruiting als nützlich, um die gelebte Kultur nach außen zu kommunizieren und die Mitarbeiter:innen zu finden, die dazu passen und dadurch besser gebunden sind. Bei der Reise nach Rom der Fachkräfte gilt: Wer fragt, gewinnt!
Mehr zur Bindung und dem Kolland-Rohner-Index erfahren Sie im Whitepaper, das unter https://www.career.gmbh/kri heruntergeladen werden kann.
[1] Quelle: Allen, N.J. and Meyer, J.P. (1990) The Measurement and Antecedents of Affective, Continuance, and Normative Commitment to the Organization. Journal of Occupational Psychology, 63, 1-18.