Um komplexe Aufgaben lösen zu können, müssen Teams gut zusammenarbeiten. Dazu gehört auch, die eigenen Prozesse immer wieder zu hinterfragen und zu verbessern. Ein wichtiger Hebel dabei ist die Meeting-Kultur. Wie Teams ihre Besprechungen optimieren und „blinde Flecken“ auf der Agenda bearbeiten können, erklärt der folgende Beitrag.

Foto: Redd F, Unsplash
Foto: Redd F, Unsplash

In ihrem Buch „Die angstfreie Organisation“ schreibt Amy C. Edmondson, dass „heute die Mitarbeitenden auf allen Hierarchieebenen 50 Prozent mehr Zeit damit verbringen, mit anderen zusammenzuarbeiten, als noch vor 20 Jahren. Es ist also nicht genug, talentierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen; sie müssen gut zusammenarbeiten können“.

Neben dem “Wie” der Zusammenarbeit das “Was” unter die Lupe nehmen

Dabei geht es neben dem „WIE“ der Kollaboration auch darum, das „WAS“ der Zusammenarbeit unter die Lupe zu nehmen. Bezogen auf die regelmäßigen Absprachen im Team könnte eine Frage lauten: „Welche Themen stehen üblicherweise nicht auf unserer Meeting-Agenda, obwohl wir davon profitieren könnten, sie zu besprechen?“ Vielleicht spielt das Onboarding neuer Kolleginnen und Kollegen in Team-Meetings aktuell keine Rolle. Möglicherweise geht es auch nicht um fachübergreifendes Lernen, Wissensmanagement oder Change-Prozesse. Wenn Teams Aspekte wie diese in Besprechungen aber dauerhaft ausblenden, verspielen sie die Chance, sich weiterzuentwickeln, besser zu werden und zusätzlichen Mehrwert zu schaffen.

Es lohnt sich daher, Vorgehensweisen und Formate für Themen zu entwickeln, die für das Team relevant sind, aber bisher keinen Platz auf der Meeting-Agenda gefunden haben. Es kann durchaus sinnvoll sein, dafür Settings zu wählen, die sich von den gewohnten Regelmeetings unterscheiden – zum Beispiel, indem die Wahl auf einen anderen Raum fällt. Eine äußerliche Veränderung hilft dabei, nicht in gewohnte Muster zurückzufallen.

Fortschritt der Veränderungen reflektieren

Die Themen, die ein Team in diesem neuen Setting bespricht, können vielfältig sein. Nehmen wir als Beispiel die Reflexion von Veränderungen. Change-Prozesse beschäftigen viele Unternehmen. Von der Erkenntnis, dass eine Veränderung notwendig ist, bis zur Umsetzung ist es aber meist ein weiter Weg. Und während es den Initiatoren von Veränderungsprozessen tendenziell zu langsam geht, fühlt sich der zu bewältigende Berg an Neuem für diejenigen, die Veränderungen im Alltag umsetzen müssen, schnell übermächtig an. Veränderungen brauchen Zeit und einen langen Atem. Deshalb ist es sinnvoll, neben großen unternehmensweiten Change-Workshops auch den konkreten Change-Fortschritt im Team immer wieder zu thematisieren.

Dabei kann es hilfreich sein, die Veränderungen mithilfe der Kraftfeldanalyse zu reflektieren wie sie die Ökonomin und Prozessberaterin Nadia Dörflinger-Khashman ausgearbeitet hat.

Das kollaborative Arbeiten beginnt mit einem Check-in, um die Teilnehmenden abzuholen und gliedert sich danach in zwei Phasen.

Phase 1 – Kraftfeldanalyse

In der ersten Phase geht es darum, den Status einer Veränderung zu reflektieren, um die jeweiligen Hindernisse und Ressourcen sichtbar zu machen und Handlungsspielräume auszuloten.

Dabei analysiert das Team nacheinander die folgenden fünf Felder:

Dabei gehen die Beteiligten nicht von links nach rechts vor, sondern orientieren sich an der Nummerierung der Felder. Der Start erfolgt also in der Mitte. Das mag möglicherweise zunächst irritieren, ergibt aber durchaus Sinn. Denn am Ende geht es darum, die Hemmnisse und Ressourcen zu identifizieren. Eine visuelle Gegenüberstellung der aktuellen und der besten beziehungsweise schlechtesten Situation unterstützt dabei, diese auch konkret zu benennen.

Das Team analysiert also die aktuelle Situation, beschreibt Worst-Case- und Best-Case-Szenarios, listet Hemmnisse und Ressourcen auf. Dabei kann es die einzelnen Punkte beispielsweise auf Haftnotizen schreiben und in der jeweiligen Spalte untereinander anordnen.

  1. Aktuelle Situation: Das Team beschreibt möglichst genau den derzeitigen Status/die Ausgangslage.
  2. Worst Case: Eine einleitende Frage könnte sein: „Wie wäre die Situation, wenn im Veränderungsprozess überhaupt nichts funktionieren, sondern alles gegen die Wand fahren würde?“
  3. Best Case: Nun geht es ins genaue Gegenteil: „Wie sieht das Idealszenario dieser Veränderung aus?“
  4. Hemmnisse: Die Hemmnisse sind bewusst zwischen der aktuellen und der besten Situation angebracht. Und so lautet dann auch die Frage: „Was hindert euch daran, dass ihr aktuell noch nicht in der bestmöglichen Situation seid?“
  5. Ressourcen: Die verbleibende Kategorie „Ressourcen“ ist zwischen der schlechtesten und der aktuellen Situation angeordnet. Und auch hier bezieht sich die Frage auf diese beiden Kategorien: „Welche Ressourcen und Stärken im Team verhindern das Abrutschen in die schlechteste Situation?“ Anschließend gewichtet das Team die Ressourcen und Hemmnisse entsprechend ihrer Bedeutung, um danach in der zweiten Phase Konsequenzen und Veränderungen abzuleiten.

Phase 2 – Ergebnisse bearbeiten:

In diesem Schritt geht es darum, die herausgearbeiteten Ressourcen und Hemmnisse weiterzubearbeiten und in einen Aktionsplan zu überführen. Hierbei legt das Team zunächst ein Idealszenario zugrunde:

„Angenommen, wir stellen in einem halben Jahr fest, dass unsere tatsächliche Situation mittlerweile nahezu identisch mit der besten Situation ist

  • mit welchen konkreten Aktivitäten hätten wir dann unsere Ressource xy so richtig zum Strahlen gebracht?
  • mit welchen konkreten Aktivitäten wäre es uns gelungen, das Hemmnis xy nachhaltig in den Griff zu bekommen?

Je nach Größe des Teams können die Teilnehmenden hierzu in Untergruppen parallel an verschiedenen Themen arbeiten.

Die gesammelten Veränderungen schauen sie sich nun gemeinsam an, hinterfragen und bewerten sie, bevor sie dann in den konkreten Aktionsplan überführt werden. Das Format endet mit einem Check-out mit dem Fokus auf die erlebte Zusammenarbeit.

Nutzen der Kraftfeldanalyse

An dieser Vorgehensweise gefällt mir besonders gut, dass der Fokus der Kraftfeldanalyse nicht ausschließlich auf den Themen liegt, die nicht funktionieren, sondern in gleichem Maße die vorhandenen Stärken in Augenschein nimmt, um diese weiter zu nutzen und auszubauen. Das nimmt der Aufgabe die Schwere. Die klare Struktur macht diese doch recht komplexe Vorgehensweise gut handhabbar. Zu guter Letzt wirkt das Idealszenario auf die Teilnehmenden spürbar motivierend.

Dieses Meeting-Format ist nur eine von vielen Möglichkeiten, die Kollaboration in Unternehmen und Organisationen fokussiert zu fördern und zu gestalten. Bestimmt finden auch Sie bei genauem Hinsehen Themen und Anlässe, die in Ihrem Umfeld nach einem individuellen Kollaborations-Format rufen. Das ist übrigens kein Plädoyer dafür, immer neue Meetings anzuhäufen. Anders herum wird ein Schuh draus: Gut durchdachte Meeting-Formate können Effizienz und Mehrwert in die Zusammenarbeit zu bringen.

Ich wünsche Ihnen viel Freude und Erfolg beim Ausprobieren!

Literaturtipp

Moderation in Workshop und Meeting. Mit ergebnisorientierten Tools und Methoden Zusammenarbeit neu gestalten. Von Michaela Stach. Business Village Verlag 2022. Mehr Infos