Menschenbilder in der Gegenüberstellung:
Wettbewerb versus Kollaboration

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Foto von Trent Erwin

Die Entwicklung vieler Unternehmen hin zu agilen Organisationen ist ohne einen Wandel des von der Wettbewerbsideologie geprägten Menschenbildes nicht denkbar. Dessen neue geistige Heimat ist nunmehr die Kollaboration.

Die folgende Aufstellung gleicht Menschenbilder anhand wissenschaftlich definierter Wettbewerbsfunktionen ab mit Profilen von Beschäftigten unter Kollaborationsaspekten im Zeichen von Innovation. Diese wurden erweitert um Erkenntnisse aus der so genannten Positiven Psychologie des US-amerikanischen Psychologen Martin Seligman. Seine Arbeiten sind nämlich inzwischen grundlegend für Personalführungs-, Trainings- sowie Coachingprogramme. Seit ihrem Auftreten Anfang des 21. Jahrtausends beeinflusst die Positive Psychologie das Menschenbild in der modernen Arbeitswelt maßgeblich. Seligmann kommt der Verdienst zu, die ehemals einseitig auf humane Defizite fokussierte Menschensicht in eine stärken- und lösungsorientierte Sicht umgemünzt zu haben. Gefragt wird unter anderem: Was lässt Menschen aufblühen? Wie finden sie zu ihren Stärken? Wie gelingen ihnen positive und wertschöpfende Beziehungen? Was stärkt Solidarität und Vertrauen?

Die Funktionen des Wettbewerbs:

Innovationsfunktion
Der Wettbewerb gewährleistet Innovation dadurch, dass Konkurrenten gefordert sind, einander in immer kostengünstigeren Produktionsmethoden oder neuen Waren und Dienstleistungen zu überbieten. Dabei treibt das Streben eines Wettbewerbers die Bemühungen seiner Konkurrenten
notwendigerweise an, womit ein Innovationsdruck entsteht. Dadurch, dass Unternehmen
vorübergehend Monopolstellungen erhalten und einander abjagen, wird der Innovationskreislauf zusätzlich in Atem gehalten.

Freiheitsfunktion
Indem der Wettbewerb aufrecht erhalten wird, bleiben individuelle Freiheiten erhalten. Zu unterscheiden sind materielle und formale Freiheiten. Formal bedeutet, der Einzelne ist in seiner Staatsbürgerschaft anderen Bürgern gleichgestellt und damit vor Zwängen und Unterdrückung geschützt. Materiell bedeutet: Der Einzelne kann sich selbst verwirklichen und jederzeit handeln.

Kontrollfunktion
Damit in einem System dezentraler Planung der Wettbewerb gewährleistet bleibt, braucht es staatliche Kontrollmechanismen. Daneben verhindern systemimmanente Institutionen und Instrumente nachhaltige Monopolbildungen.

Koordinations- und Anpassungsfunktion
Langfristig bewirkt Wettbewerb, dass nur jene Waren und Dienstleistungen angeboten, die auch auf Nachfrage stoßen. Und er befördert, dass veränderter Bedarf veränderte Produktion nach sich zieht. Dadurch werden Arbeit, Boden und Kapital optimal eingesetzt.

Verteilungsfunktion Der Wettbewerb bestimmt über Armut und Reichtum; gemäß des Wertschöpfungsbeitrages am Ertrag der Volkswirtschaft.  

Der Mensch im Wettbewerb                            Der Mensch in der Kollaboration

Gegner. Maßgabe: Fehler beim Anderen finden               Partner. Maßgabe: Fehler ausgleichen,
und ankreiden, um eigene Stellung zu heben                   mit Kollegen lernen, offener Austausch

Teamarbeit zum Eigennutzen,                                       Teamarbeit zum Eigennutzen, Team- und
erreicht schnell Grenze                                                 Firmennutzen, Selbstläufer

Erfolge stabilisieren Status, nützen,                               Erfolge motivieren, werden geteilt,
um Konkurrenten zu frustrieren                                      Empowerment des Selbst und der Gruppe

Wissen bunkern, mit Wissen strategisch                        Wissen als freie Ressource für alle,
taktieren, manipulieren und steuern                                Geben und nehmen

Machtspiele, Ellenbogen, Ego,                                       Selbstverwirklichung, Kooperations-
ausgrenzen, Feld abstecken                                          bewusstsein, Authentizität

Wahrheiten verschleiern, vernebeln,                               Wahrheiten offenlegen, um zu verhindern,
um Vorteile zu halten                                                    dass die Gruppe auf Eis läuft

Andere festnageln, mit                                                 Blick für die Potenziale anderer,
Druck arbeiten, Fallen stellen                                        Akzeptanz komplexer Persönlichkeiten

Unverbindliche, unnahbare Persönlichkeit                      Verbindliche, offene Persönlichkeit

Sieger-Verlierer-Denke                                                 Beteiligten-Denke

Brücken unter Druck setzen, brechen                            Brücken wahren

Fatalismus                                                                  Lösungsorientierung

Zerstören, um Platz für eigenes zu schaffen                  Pflanzen, erhalten und vergehen lassen

Selbstwertkämpfe                                                       Selbstwirksamkeitsglaube, Selbstannahme

Erfindungsreichtum ist der Schlüssel zur modernen Wirtschaftskultur. Dieser sichert nämlich den meisten Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen künftig im Kleinen wie im Großen ihre Existenzen.

Die Gründe dafür sind handfeste Wirtschaftsverwerfungen: Die digitale Technisierung killt Millionen Jobs. Es gilt, neue Aufgabenfelder zu erschließen; unter der Maßgabe, dass staatliche Sicherungssysteme zurückgefahren werden und weltweite Völkerwanderungen soziale Konflikte verschärfen.

Die fortschreitende technische Automatisierung von Standardprozessen in der modernen Wirtschaft und Gesellschaft entzieht zudem reinen Preis-, Ressourcen- und Kostenrivalitäten den fruchtbaren Boden. Die Wettbewerbe um günstige Angebote haben ohnehin oftmals die Decke erreicht: In vielen Bereichen wie zum Beispiel in der Textilwarenherstellung oder im Fernbusmarkt lassen sie sich nicht weiter verschärfen, ohne dass soziale und umwelttechnische Desaster folgen, beziehungsweise Businessmodelle unprofitabel werden. Unternehmer müssen mit Bumerang-Effekten rechnen.

Das allerdings ist keine Mär. Eruptive Produkt- und Dienstleistungsentwicklungen aus der radikaleren Start up- oder internationalen Szene versetzen schon längst Aktienkursen großer Unternehmen oder einzelnen Branchen tödliche Stöße. Privatzimmervermittlungen auf Onlinebasis graben der Hotellerie das Geschäft ab, Datenbanken mit weltweit gelisteten Grafik-Freelancern ermöglichen Softwareschmieden optimale Kostenkalkulationen. Architekten satteln zum Teil von Print-Bauplanvorlage beim Bauherrn auf digitale Visualisierungsanwendungen um – Pech für Copy- und Druckdienstleister. Die Liste der Beispiele ließe sich beliebig fortführen.

Dieser Wandel bedeutet für Beschäftigte und Unternehmen gleichermaßen, dass sie lernen müssen, sich ständig neu zu organisieren und vorrangig auf Kollaborationschancen zu achten, statt die Ellenbogen ihrer Angriffs- und Verteidigungshaltung anzuspitzen. Man weiß nie, wer sich künftig wie entwickelt und nicht doch zu einem attraktiven Kooperationspartner werden könnte. Um im Markt zu überleben, gilt es, an den eigenen Kernkompetenzen zu feilen und sich an Unternehmensclustern zu beteiligen. Die meisten Organisationen sind heutzutage ständig im Fluss; was Fachleute inzwischen als „agil“ bezeichnen.

Foto: 1) Günther Gumhold | pixelio.de | 2) M. Gapfel | pixelio.de