In Zeiten des Arbeitskräftemangels spielt die Attraktivität als Arbeitgeber eine sehr große Rolle. Doch selbst wenn Unternehmen ihre „Hausaufgaben gut machen“ und als attraktiv nach innen und nach außen gelten, entscheidet auch der Standort darüber, ob Mitarbeitende sich für einen Betrieb entscheiden. Das Institut für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen hat nun untersucht, was einen Wohn- und Arbeitsort aus der Sicht der Young Professionals attraktiv macht. Dabei kommt die Studie teilweise zu überraschenden Ergebnissen.

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Metropolen wie diese stehen bei Young Professionals nicht so hoch im Kurs (Foto: Unsplash)

An der repräsentativen Befragung haben 899 Auszubildenden und junge Berufstätige im Alter unter 35 Jahren teilgenommen. 43 Prozent der Teilnehmenden arbeiten seit ein bis fünf Jahren, 14 Prozent sind gerade in den Beruf eingestiegen, 43 Prozent befinden sich in einer dualen oder Hochschul-Ausbildung. 54 Prozent der Befragten sind Frauen, 54 Prozent sind Männer.

44 Prozent der befragten Young Professionals wohnen in einer Großstadt oder einer Metropole. 33 Prozent haben ihren Wohnort im ländlichen Raum oder in einer Kleinstadt. Fast alle Befragten signalisieren Mobilität in Bezug auf den Wohnort.

Der ländliche Raum gewinnt als Wohnort an Attraktivität

Auf die Frage, welche Orte als Wohnort vorstellbar sind, antworten die Young Professionals
differenziert:

  • 44 Prozent der befragten Young Professionals können sich vorstellen im ländlichen Raum zu leben.
  • Die Kleinstadt ziehen 57 Prozent in Erwägung gezogen.
  • Ebenfalls 57 Prozent zeigen Interesse an einer mittelgroßen Stadt als Wohnort.
  • Großstädte und Metropolen stehen nicht so hoch im Kurs. 42 Prozent der befragten Young Professionals ziehen die Großstadt als Wohnort in Betracht. Lediglich 27 Prozent der Befragten bevorzugen die Metropole.

Diese Ergebnisse weichen teilweise von dem tatsächlichen Wohnort ab. Im Moment leben nur 33 Prozent im ländlichen Raum und in der Kleinstadt. Der ländliche Raum scheint also an Attraktivität zu gewinnen.

Vorstellbare Wohnorte (Quelle: IBE)

Geschlechterspezifisch lässt sich feststellen, dass fast jede zweite weibliche Befragte den ländlichen Raum bevorzugt. Mehr als 60 Prozent der befragten Frauen können sich vorstellen, in einer Kleinstadt zu leben und fast 60 Prozent sehen für sich eine mittelgroße Stadt als Wohnort. Im Vergleich: 40 Prozent der befragten Männer ziehen den ländlichen Raum als Wohnort in Erwägung, ca. 50 Prozent der männlichen Young Professionals sind an einer Kleinstadt als Wohnort interessiert.

Gründe, den Wohnort nicht zu verlassen

Obwohl fast alle befragten Young Professionals Mobilität in Bezug auf Wohnort signalisieren, gibt es einige Gründe, den Wohnort nicht zu verlassen. So macht die Befragung deutlich, dass viele Young Professionals eine Heimatverbundenheit und einen Familienbezug haben. Mit Abstand, aber mit einer gewissen Relevanz, werden die Treue zum Arbeitgeber, die Partnerschaft, Wohn- und Lebenshaltungskosten (in anderen Regionen) sowie Mentalitätsunterschiede ebenfalls als Gründe benannt.

Die Untersuchung zeigt zudem Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Bei den befragten Frauen steht vor allen Dingen der Familienbezug im Vordergrund. 87 Prozent der weiblichen Befragten führen dies als Grund an, einen Wohnort nicht zu verlassen. Im Vergleich nennen nur 62 Prozent der befragten Männer diesen Aspekt. Auch die berufliche Situation des Partners hat bei den befragten Frauen eine höhere Relevanz im Vergleich zu den befragten Männern (Frauen: 25 Prozent, Männer: 17 Prozent).

Gründe, den Wohnort nicht zu wechseln (n = 199, Quelle: IBE)

Wie mobil sind Young Professionals?

47 Prozent der Befragten suchen aktiv oder passiv nach einem Job. Drei von vier der befragten Young Professionals suchen in der Nähe nach einem Job (nicht mehr als 100 Kilometer entfernt). Dies resultiert mit hoher Wahrscheinlichkeit auch aus ihrer Heimatverbundenheit und der Nähe zur Familie (siehe oben). Heimatverbundenheit und Nähe zur Familie werden im Rahmen der Untersuchung als zentrale Gründe benannt, eine Region nicht zu verlassen.

Wird der Gender-Fokus auf die Ergebnisse gelegt, lässt die Untersuchung die These zu, dass Frauen im Umkreis ihres Wohnortes suchen, während Männer in die Welt hinausziehen. Auf den zweiten Blick sollte relativiert werden, dass auch die befragten Männer die Region mögen und dort gerne bleiben möchten. Dennoch haben sie einen deutlich weiteren Radius bei der Jobsuche.

Für den „idealen“ Arbeitgeber würde Mann/Frau jedoch „über den Schatten springen“. Trotz Heimatverbundenheit und Familienbezug sind drei von vier Young Professionals bereit, die Region zu verlassen, wenn ein Arbeitgeber als „ideal“ wahrgenommen wird. Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen Frauen und Männern: Während 82 Prozent der Männer bereit sind jobbedingt umzuziehen, sind es nur 70 Prozent der Frauen.

Grundsätzlich zeigt sich, dass der „ideale“ Arbeitgeber eine höhere Bedeutung als der Wohnort hat. Für den „idealen“ Arbeitgeber würden die meisten Young Professionals mobil sein und umziehen – zumindest für eine gewisse Zeit. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr in die Heimatregion gegeben ist.

Mobilität (n = 421, Quelle: IBE)

Welche Bundesländer sind als Arbeitsort attraktiv?

Auf die Frage, in welches Bundesland die Young Professionals für den „idealen“ Arbeitgeber ziehen
würden, lassen sich vier Cluster bilden. Dabei zeigt sich ein deutliches Ost-West-Gefälle:

  • Als besonders attraktiv gelten Bayern, Hamburg, Baden-Württemberg und Bayern (Cluster
    1).
  • Auch Nordrhein-Westfalen, Berlin, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz werden als attraktiv wahrgenommen (Cluster 2).
  • Eine geringere Attraktivität weisen Schleswig-Holstein, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Thüringen auf (Cluster 3).
  • Das Saarland und Sachsen-Anhalt zeigen den geringsten Attraktivitätswert (Cluster 4).
Attraktivität der Bundesländer als Arbeitsort (n = 677, Quelle: IBE)

Was fördert die Attraktivität eines Arbeitsstandortes?

Auf die Frage, ob die Attraktivität des Arbeitsstandortes eine Rolle spielt, antworten 70 Prozent der Befragten Young Professionals mit „Ja“. Dabei spielen für sie vor allem die folgenden Faktoren eine Rolle:

  • Die erste Priorität haben Wohnortnähe und Sicherheit. Sicherheit wird auch in Bezug auf den
    Wohnort mit hoher Priorität versehen.
  • Als zweite Priorität lassen sich der mobile Arbeitsplatz, der ÖPNV sowie die Nutzung des Rads
    zum Arbeitsplatz oder die Fußläufigkeit zum Arbeitsort
    identifizieren. Darüber hinaus
    scheinen auch Einkaufsmöglichkeiten eine Rolle zu spielen. Während der Mittagspause
    oder nach getaner Arbeit noch den Einkauf zu erledigen, ist durchaus ein
    Attraktivitätsfaktor.
  • Die Nähe zu Natur spielt im Zusammenhang mit dem Arbeitsort nur eine eher
    untergeordnete Rolle.
  • Auf den ersten Blick scheint das auch für Schule und Kita zu stimmen. Wenn man jedoch
    berücksichtigt, dass die Gruppe der Young Professionals, die bereits Kinder haben, eher
    klein ist, relativieren sich die vergleichsweise geringen Werte. Es ist davon auszugehen,
    dass viele Young Professionals mit Kindern eine Kinderbetreuung als sehr wertvoll
    einschätzen. Somit gelten Schule und Kita grundsätzlich als Attraktivitätsfaktoren.
  • Erholungs- und Kulturangebote sind nur bedingt von Bedeutung.
Gründe für Attraktivität von Arbeitsstandorten (Quelle: IBE)

Wird geschlechterspezifisch ausgewertet, ergibt sich ein durchaus unterschiedliches Bild.

  • Den befragten Männern sind ausreichende Freizeitangebote in der Umgebung der Arbeitsstelle wichtiger als den weiblichen Befragten (Männer: 41%, Frauen: 30%).
  • Für Fast die Hälfte der männlichen Young Professionals sind ausreichend Gastronomieangebote in der Arbeitsumgebung von Bedeutung, wohingegen dies nur für ein Drittel der befragten Frauen wichtig ist (Männer: 45%, Frauen: 34%).
  • Ausreichend Erholungsangebote in der Umgebung der Arbeitsstelle sind für 42% der Männer von Interesse, aber nur 26% der an der Untersuchung beteiligten Frauen.
  • Fast doppelt so viele befragte Männer wie Frauen finden ausreichend Kulturangebote in der Arbeitsumgebung wichtig (Männer: 38%, Frauen: 19%).
  • Ein Drittel mehr der männlichen Befragten geben an, dass der Arbeitsstandort in der Nähe von Natur attraktiv ist (Männer: 48%, Frauen: 33%).
  • 8 von 10 Frauen ist es wichtig, sich in der Umgebung der Arbeitsstelle sicher zu fühlen.
  • Währenddessen geben 7 von 10 Männern dies als Attraktivitätsfaktor der Arbeitsstelle an (Männer: 74%, Frauen: 82%).

Männer stellen höhere Anforderungen an den Standort als Frauen

Grundsätzlich gilt, dass die männlichen befragten Young Professionals höhere Ansprüche an den Arbeitsstandort stellen als Frauen. Lediglich das Thema Sicherheit ist den befragten Frauen wichtiger. Die IBE-Studie nimmt auch explizit die Vergütung in den Fokus. Beeinflusst die zu erwartende Vergütung in der Region des Arbeitgebers die Wahl des Arbeitsstandortes? Fast 70 Prozent der befragten Young Professionals bewerten die Vergütung als Selektionskriterium, wenn es um den Standort des Arbeitgebers geht. Dies ist eindeutig ein Standortnachteil für Ostdeutschland und ein Standortvorteil für Süddeutschland.

Darüber hinaus wird die Möglichkeit des mobilen Arbeitsplatzes in Beziehung zum Arbeits- und Wohnort gesetzt. Es wird deutlich, dass mit zunehmendem Anteil von mobiler Arbeit der Arbeitsstandort eine geringere Rolle spielt. Beträgt der Anteil der mobilen Arbeit weniger als 50 Prozent, hat der Arbeitsort für 42 Prozent der befragten Young Professionals eine Bedeutung. Steigt der Anteil der mobilen Arbeit über die 50 Prozent hinaus, sind es nur noch 32 Prozent der Befragten, für die der Arbeitsort wichtig ist.

Fazit

  • Für den „idealen“ Arbeitgeber würden jedoch die meisten Young Professionals „ihre“ Region verlassen, mobil sein und umziehen – trotz Heimatverbundenheit und Familienbezug. Vor allem die männlichen Young Professionals zeigen dieses Muster.
  • Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr in die Heimatregion gegeben ist.
  • Bei der Attraktivität der Bundesländer zeigt sich ein West-Ost-Gefälle.
  • Sicherheit und Wohnortnähe stehen bei der Attraktivität des Arbeitsortes ganz vorn – gefolgt von der Möglichkeit des mobilen Arbeitens, dem ÖPNV und der Nutzung des Rads.
  • Die Vergütung in der Region des Arbeitsgebers spielt ebenfalls eine Rolle. Dies ist ein Standortnachteil für Ostdeutschland und ein Standortvorteil für Süddeutschland.
  • Nicht zuletzt wird in der Befragung deutlich, dass mit zunehmendem Anteil von mobiler Arbeit der Arbeitsstandort eine geringere Rolle spielt.

Webtipp:

Weitere Informationen zur Studie finden Sie hier: https://www.ibe-ludwigshafen.de/standortatt/