Rund 500.000 haupt- und nebenberuflich tätige Vermittler für Betriebsrentenlösungen und Versicherungsprodukte bemühen sich täglich, ihre Offerten an den Mann oder die Frau zu bringen. Bei der Vielfalt der Durchführungswege und der Unzahl von Finanzprodukten zur bAV verlieren viele jedoch schnell die Übersicht – das hat das Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen e. V. (iff) bei einer Überprüfung führender deutscher Kreditinstitute zur Qualität von Beratern festgestellt. Das niederschmetternde Ergebnis: Die Altersvorsorgeberatung weist oft erhebliche Mängel auf. Überforderung der Berater, schlechte Koordination und inhaltliche Fehler sind die Hauptursachen. In 85 Prozent aller Beratungsgespräche versagten die so genannten Finanzexperten und scheiterten schon an einfachen Aufgaben wie der Berechnung von Einkommenshöhen für den Ruhestand. Ebenso erschreckend ist das Resultat eines Tests der Münchner Profile-Redaktion des Bayerischen Fernsehens (BR) „Wie gut ist die Beratung bei der Altersvorsorge?“ im November 2003. Im Rahmen einer verdeckten Befragung wurden „Altersvorsorgeexperten“ namhafter Finanzdienstleister um entsprechende Vorsorgekonzepte gebeten. Das Fazit: Es wurden überwiegend Finanz- und Versicherungsprodukte angeboten, die lediglich für den Vermittler mit einer hohen Provision verbunden waren und auf Kundenbedürfnisse nur am Rand eingingen. In der Praxis hätte jedes dieser Beratungsergebnisse dramatische Folgen für den Kunden gehabt.

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Foto von William Iven

 

EU-weite Umsetzung steht noch aus

Um Spreu und Weizen vom Beratungsacker des Versicherungswesens besser trennen zu können, verabschiedete das Europäische Parlament schon Ende 2002 eine EU-Richtlinie über die Vermittlung von Versicherungen, nach der alle Mitgliedstaaten ein Register für ihre Vermittler einrichten und führen müssen. Zum 15. Januar 2005 sollte die EU-weite Umsetzung in nationales Recht erfolgen. Die Folge wäre, dass sich jeder Versicherungsvermittler in seinem Heimatstaat registrieren lassen muss. Da eine solche Eintragung nur erfolgen kann, wenn der Vermittler die in der Richtlinie angegebenen – und durch das nationale Recht präzisierten – Anforderungen erfüllt (dazu zählen der Nachweis der Fachkunde und das Vorliegen einer EU-weit gültigen Vermögensschadenhaftpflichtversicherung), würde die Registrierung dem im Bereich der Altersvorsorge ratsuchenden Unternehmen Qualität und Haftung des Beraters garantieren. In Deutschland fand die geforderte Umsetzung bislang jedoch nicht statt. Kurz vor dem Ziel kündigte das Berliner Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) eine Verschiebung der Gesetzgebung an. Der zuständige BMWA-Ministerialrat Ulrich Schönleiter nennt als Grund für die Verzögerung den Widerstand der zuständigen Länderbehörden entsprechende Aufgaben zu übernehmen und die damit verbundenen Verwaltungskosten tragen zu wollen. Dazu zählen neben dem Aufbau und der Führung örtlicher Register auch die Überwachung der Berechtigung zur Berufsausübung, die Durchführung von Gewerbeentzugsverfahren und die Einleitung gewerblicher Strafverfahren. Zum Schutz der Verbraucher vor unredlichen Geschäftemachern möchte Schönleiter die Messlatte hoch aufhängen. Für ihn macht eine Qualifizierung und Zulassungsregistrierung wenig Sinn, wenn die Erfüllung der Kriterien nicht überprüfbar ist und ein Verstoß ohne Folgen bleibt.

 

Schlusslicht Deutschland

Der Direktor des europäischen Verbands der Versicherungsvermittler (BIPAR), Harald Krauss, Brüssel, teilte auf Anfrage mit, dass bereits sieben Staaten (Österreich, Tschechien, Dänemark, Ungarn, Litauen, Irland und Großbritannien) der 25 EU-Mitgliedsstaaten die Vermittlerrichtlinie fristgerecht umgesetzt haben und in den nächsten Monaten alle übrigen Staaten ihrer Umsetzungsverpflichtung nachkommen werden. Deutschland wird voraussichtlich das Schlusslicht bilden. Krauss geht davon aus, dass sich – zumindest nach einigen Anlaufschwierigkeiten – jeder deutsche Kunde via Internet über eine fortdauernde Registereintragung des jeweiligen Vermittlers informieren kann. Gerade bei ausländischen Vermittlern werde der Kunde sicherstellen wollen, dass die Fachkunde des Vermittlers auch den deutschen Markt umfasst und eine Kundenbetreuung auf Dauer gewährleistet ist. Professor Hans-Peter Schwintowski, Rechtswissenschaftler an der Berliner Humboldt- Universität, weist darauf hin, dass mit Ablauf der Umsetzungsfrist am 15. Januar 2005 die Teile der Richtlinie trotzdem unmittelbare rechtliche Wirkung entfalten, bei denen der nationale Gesetzgeber keinen Umsetzungsspielraum hat. Das betrifft – bezogen auf die Vermittler – die Notwendigkeit einer ausreichenden Haftpflichtversicherung und der Dokumentation der Beratung sowie der Vermittlerstatusangaben. „Sollten Betroffenen aus der nicht rechtzeitigen Umsetzung der Vermittlerrichtlinie Schäden entstehen, so haftet die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz“, so Schwintowski. Lilo Blunck, Vorsitzende des Bunds der Versicherten (BdV), mutmaßt, dass die fristgerechte Umsetzung der Richtlinie manch unsinnigen Versicherungsvertragsabschluss hätte verhindern können. „Der schlechte Ruf der Vermittler“, so Blunck, „ist wesentlich auf das Fehlen jeglicher Berufsausübungsbeschränkungen innerhalb der Versicherungsbranche zurückzuführen.“ Denn bislang bedurfte die Ausübung einer Vermittlungstätigkeit – je nach Art der zu erbringenden Finanzdienstleistung – lediglich entweder einer Anzeige beim zuständigen Gewerbeamt oder der Erlaubnis nach der Gewerbeordnung oder dem Kreditwesengesetz. Das soll sich durch die Registrierungspflicht, die an eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung gebunden ist, ändern: Künftig sollen Vermittler vor den Kammern die so genannte Sachkundeprüfung ablegen. Unter die Erlaubnispflicht der Versicherungsvermittlerrichtlinie werden alle Makler fallen, echte Mehrfachagenten, haupt- und nebenberufliche Ausschließlichkeitsvertreter, ferner Obervermittler, die die Verantwortung für Untervermittler tragen sowie leitende Angestellte einer erlaubnispflichtigen Firma, wenn sie Aufsicht über vermittelnde und weisungsgebundene Personen führen. Weiterhin keinen Sachkundenachweis führen müssen Strukturvertriebler in der Funktion als abhängige Vermittler, Rückversicherungsvermittler, Annexvertriebler und Bausparkassenvermittler, die im Zusammenhang mit einem Annexvertrieb tätig werden.

Das Haftungsrisiko der Berater steigt

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e. V. (BVK) bemängelt, dass eine solche Regelung zur Berufszulassung für deutsche Vermittler frühestens Ende 2005 zu erwarteten sei und macht darauf aufmerksam, dass mittlerweile alle EU-Mitgliedsländer über so genannte berufszugangs- und berufsausübungsrechtliche Bestimmungen für Versicherungsvermittler verfügen. Nach Einschätzung des BVK werden in Deutschland zahlreiche Vermittler von Altersvorsorgeprodukten sich künftig aus dem enorm haftungsbewehrten Beratungsgeschäft zurückziehen. Einer der Gründe dafür ist in dem erhöhten Haftungsrisiko der Vermittler durch die Beratung zu sehen. Indem der Vermittler bei der Realisierung einer betrieblichen Altersversorgung die Informationspflicht und Beratung der Mitarbeiter eines Arbeitgebers – als dessen Erfüllungsgehilfe – übernimmt, haftet er ihm gegenüber für die Qualität der Beratung. Dem Personalentscheider soll die neue Richtlinie mehr Markttransparenz und Schutz vor unseriösen Beratern sowie vor unbefriedigenden Angeboten bescheren. Gleichzeitig soll die ausreichende Risikoabsicherung des Vermittlers im Fall einer Falschberatung sichergestellt sein. So müssen künftig Vermittler oder Mitarbeiter von Finanzdienstleistungsunternehmen in kaufmännischer, fachlicher sowie in organisatorischer Hinsicht ihre Kompetenz und einen untadeligen Leumund nachweisen.

So schützen Sie sich heute

Wenn auch die geforderten Register für Vermittler in Deutschland noch nicht bestehen, kann sich der Kunde dennoch vor unseriösen Beratern und fragwürdigen Offerten schützen: Schon heute besteht die Pflicht für Vermittler in Deutschland, eine ausreichende Haftpflichtversicherung nachzuweisen. Sie müssen vor jedem Erstgespräch den Kunden über ihren Status informieren und die Beratung selbst ordentlich dokumentieren. Dabei genügt es allerdings, wenn das Beratungsprotokoll dem Kunden bei Vertragsunterzeichnung ausgehändigt wird. „Arbeitgeber, die sich über Angebote im Bereich betrieblicher Altersversorgung informieren lassen, sollten eine entsprechend qualifizierte Beratung verlangen“, fordert der Jenaer Jurist, Dr. Claus Fuchs, Geschäftsführer der Dr. Fuchs Consult GmbH, und rät dazu, „einen Berater oder Vermittler in jedem Fall nach seiner Anbieteranbindung sowie nach Ausbildung und fachspezifischer Qualifikation zu fragen.“ Nach Fuchs Erfahrungen sind viele Vermittler als Quereinsteiger und ohne besondere Ausbildung in den Versicherungsbereich gelangt. Produktschulungen der Versicherung oder ein mehrwöchiger Crashkurs in Finanz- oder Betriebswirtschaft könnten aber als Qualifikationsmerkmal allein nicht überzeugen. Daher wünschen viele Kunden sogar die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses, ein Ansinnen, das übrigens auch seriöse Versicherungsgesellschaften von ihren Vermittlern verlangen. „Sollte ein bAV-Berater nicht mehr aufzubieten haben als eine bunte Visitenkarte mit einer „Berufsbezeichnung per Ritterschlag“, dann sollte man das Gespräch abbrechen, rät Fuchs. Nur der erfahrene wie finanzkonzernunabhängige Spezialist könne im Rahmen einer Konzeption auch wirklich die Unternehmensbedürfnisse in den Vordergrund stellen und nicht das Produkt des eigenen Konzerns. Sein Fazit: „Eine betriebliche Altersversorgung ist kein Produktverkauf, sondern basiert auf anspruchsvollem Projektmanagement, dass nur Experten beherrschen. Wird ein seriöser unabhängiger Berater gewählt, steigt nicht nur die Chance einer objektiven Beratung, es ergibt sich auch die Möglichkeit einer ganzheitlichen Vorsorgelösung für das gesamte Unternehmen.“

Hintergrund:Geschäftsmodelle bei bAV-Vermittlern

Meist ist es Aufgabe der Personalleitung im Unternehmen, aus der Vielfalt von bAVVermittlern und Angeboten den „Berater des Vertrauens“ auszusuchen. Dabei hilft es, Überblick über die verschiedenen Vermittlerformen und Geschäftsbeziehungen der Berater zu haben.

Verschiedene Beraterformen

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft beziffert die gegenwärtig in Deutschland offiziell tätigen Vermittler auf bis zu 8.000 Makler. Makler sind in der Regel unabhängig von Finanz- und Versicherungskonzernen und somit auch autonom bei Beratung und Produktauswahl. Hinzu kommen rund 3.000 ungebundene Vertreter, die mittels Agenturvertrag mit verschiedenen Versicherungsunternehmen verbunden sind und meist aus deren Produktangeboten frei wählen. Die Mehrheit bilden über 400.000 per Ausschließlichkeits-Agenturvertrag an ein einzelnes Versicherungsunternehmen gebundene Vertreter, die ausschließlich die Produkte dieser Gesellschaft offerieren. Dazu gesellt sich eine nicht bezifferbare Anzahl von Nebenerwerbstätigen und Gewerbetreibenden, die Versicherungs- und Finanzberatung als so genanntes Nebengewerbe ausüben und ausgewählte Produkte beiläufig vermitteln, wie beispielsweise Kreditinstitute, Handel und berufsständische Interessenvertretungen.

Pflicht zur Offenlegung

Der Vermittler muss den Kunden noch vor Beginn des ersten Beratungsgesprächs darüber in Kenntnis setzen, ob er als Makler, Mehrfachvertreter oder als vertraglich gebundener Vermittler auftritt. Makler wie Versicherungsvertreter müssen mitteilen, auf welcher Marktund Informationsgrundlage sie ihre Leistung erbringen. Der Makler ist verpflichtet, seinen Rat auf eine hinreichende Zahl von Anbietern und Produkten zu stützen, sodass eine Empfehlung, welches Angebot die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers erfüllt, möglich ist. Mehrfirmenvertreter sind verpflichtet, die Kunden zu informieren, dass sie nur aus einer begrenzten Anzahl von Produkten auswählen und mit welchen Finanzdienstleistungs- oder Versicherungsgesellschaften sie zusammenarbeiten. Vertraglich gebundene Vermittler müssen erklären, dass sie ausschließlich die Produkte eines Versicherers anbieten und diesen benennen.