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Foto von Austin Distel

Wenn Veränderungsprozesse schlecht ausgeführt werden, sinkt die Produktivität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um durchschnittlich 25 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Beratungsunternehmens Capgemini aus dem Jahr 2010. Auch Personalabbau ist ein Veränderungsprozess. Je nachdem, wie die verbleibende Mitarbeiter diesen wahrnehmen, fallen ihre Reaktionen aus. Die Bandbreite reicht von passiv bis aktiv und von destruktiv bis konstruktiv. Mishra/Spreitzer (1998) haben daraus vier Survivor-Archetypen abgeleitet:

Die Gekränkten „Walking wounded“

Die Gekränkten reagieren mit Angst, Sorge und Furcht auf den Personalabbau. Ihre Reaktionen sind passiv und destruktiv. Sie fühlen sich hilflos und ziehen sich zurück. In Bezug auf zu treffende Entscheidungen zaudern sie. Denn sie leiden unter Konzentrationsstörungen und fühlen sich, als ob sie „neben der Spur“ stünden. Das Commitment zur Organisation sinkt. Sie identifizieren sich mit dem Schicksal der Betroffenen und neigen dazu, die Organisation freiwillig zu verlassen oder spielen zumindest mit den Gedanken daran. Die eigenen Ressourcen, die ihnen zur Bewältigung des Veränderungsprozesses zur Verfügung stehen, nehmen sie nur eingeschränkt oder gar nicht wahr. Bei den Gekränkten kann es in der Zeit des Personalabbaus vermehrt zu Krankenständen kommen oder sie legen ihren Fokus auf Aktivitäten abseits der Arbeit.  


Praxistipps für den Umgang mit den Gekränkten:

  • Sprechen Sie an, dass Sie ein bestimmtes Verhalten der Mitarbeiter wahrnehmen (beispielsweise Rückzug, Passivität, etc.).
  • Führen Sie regelmäßig Einzelgespräche mit den Mitarbeitern. 
  • Organisieren Sie ein externes Coaching/eine externe Beratung.
  • Moderieren Sie einen Austausch zwischen externen Beratern und Teammitgliedern.

Die aktiven Befürworter „Active Advocates“

Die aktiven Befürworter nehmen genügend persönliche Ressourcen wahr und empfinden zusätzlich Hoffnung und Optimismus in Hinblick auf den Personalabbau. Sie fühlen sich in keiner Weise bedroht. Ihr Verhalten ist somit aktiv und konstruktiv. Die aktiven Befürworter teilen ihre hoffnungsvolle Perspektive mit den getreuen Folgsamen und ihre aktive Orientierung mit den nörgelnden Kritikern. Deshalb fühlen sie sich in der Lage, den Veränderungsprozess aktiv mitzugestalten. Sie sind emotional gefestigt und blicken aufgeregt und hoffnungsvoll in die Zukunft.

Ihr Commitment zur Organisation ist voll aufrecht. Sie fühlen sich für ein positives Ergebnis des Veränderungsprozesses mitverantwortlich. Ihr Verhalten ist lösungsorientiert und innovativ. Sie übernehmen Risiken und entdecken neue Wege, um die zukünftigen Ziele/Visionen der Organisation möglich zu machen.


Praxistipps für den Umgang mit den aktiven Befürwortern:

  • Bieten Sie eine aktive Rolle im Personalabbauprozess an.
  • Lassen Sie die Mitarbeiter ihr neues Jobprofil mitgestalten. 
  • Fördern Sie den Austausch der aktiven Befürworter mit anderen Kollegen und Kolleginnen.

Die Survivor-Archetypen treten in der Praxis eher selten in Reinkultur auf. Meistens sind Mischtypen anzutreffen, die sowohl Aspekte des einen als auch des anderen Archetypus in sich vereinen und die ihre Haltung im Verlauf des Personalabbaus verändern. So kann sich ein zu Beginn aktiver Befürworter während des Veränderungsprozesses in einen nörgelnden Kritiker und umgekehrt verwandeln. Auch aus einer getreuen Folgsamen kann aus verschiedenen Gründen eine Gekränkte werden. Dies sollten Führungskräfte berücksichtigen. Die Archetypen helfen ihnen jedoch dabei, das Verhalten der Mitarbeiter besser einzuordnen und entsprechend zu reagieren.


Ausblick

Lesen Sie in Teil 2 der Serie Trennungsmanagement im nächsten Newsletter am 4. Juli, welche direkten und indirekten Trennungskosten im Falle von Personalabbau und Kündigung entstehen und wie sich professionelles Trennungsmanagement auf Ihre Trennungskosten auswirkt. 

Die getreuen Folgsamen „Faithful Followers“

Die getreuen Folgsamen reagieren auf den Personalabbau mit Ruhe und Gelassenheit. Sie sind der Meinung, der Personalabbau wird ihnen oder ihren Interessen nicht schaden. Sie zeigen Routineverhalten und übernehmen bereitwillig neue Aufgaben. Emotional reagieren sie weitgehend unaufgeregt, ruhig oder sind sogar erleichtert. Ihr Commitment zur Organisation bleibt aufrecht und sie passen sich an.

Ihre Reaktionen sind passiver Natur, da sie glauben, dass ihre persönlichen Ressourcen nicht ausreichend sind, um den Veränderungsprozess aktiv zu beeinflussen. Stattdessen warten sie darauf, dass sich die Rahmenbedingungen für sie wieder von selbst verbessern. Die Organisation zu verlassen, kommt für sie nicht in Frage. Sie sind bereit, gemeinsam mit dem Unternehmen schlechte Zeiten zu überstehen. 


Praxistipps für den Umgang mit den getreuen Folgsamen

  • Führen Sie verstärkt Feedbackgespräche mit den getreuen Folgsamen.
  • Forcieren Sie deren Austausch mit anderen Teammitgliedern.
  • Bieten Sie Trainings/Schulungen/Coachings an, um Kompetenzen zu steigern. 
  • Räumen Sie die Mitsprache bei der Gestaltung der neuen Jobprofile ein. 


Die nörgelnden Kritiker „Carping Critics“

Die nörgelnden Kritiker reagieren auf den Personalabbau mit Ärger und Empörung. Wie bei den Gekränkten stehen Furcht und Sorge im Vordergrund. Sie sind moralisch entrüstet und reagieren zynisch. Im Gegensatz zu den getreuen Folgsamen nehmen sie jedoch auch ausreichend Ressourcen wahr, um mit dem Veränderungsprozess zurechtzukommen. Ihr Verhalten ist jedoch destruktiv anstatt kooperativ.

Die nörgelnden Kritiker sind emotional aufgeregt und wütend, da sie der Meinung sind, durch den Personalabbau werde ihnen persönlich Schaden zugefügt. Ihr Commitment zur Organisation geht verloren. Sie nörgeln über das Top-Management. Im Extremfall sabotieren sie den Veränderungsprozess durch das Zurückhalten von Informationen oder das gezielte Streuen von Falschinformationen, beispielsweise an die Medien.


Praxistipps für den Umgang mit den nörgelnden Kritikern:

  • Sprechen Sie das Verhalten der Mitarbeiter im direkten Gespräch an.
  • Handeln Sie Vereinbarungen für die Zeit des Personalabbaus aus. 
  • Bieten Sie an, dass die Mitarbeiter den Veränderungsprozess aktiv mitgestalten können.
  • Organisieren Sie externes Coaching beziehungsweise externe Beratung.