Im Management Audit prüfen externe Berater, häufig ausschließlich auf der Basis von Interviews, welche Kompetenzen und Potenziale eine Führungskraft für ihre aktuellen und künftigen Aufgaben mitbringt. Sie testen die fachliche und psychologische Eignung der Kandidaten, um Talente und Stars zu identifizieren, aber auch Leistungsschwache herauszufiltern. Nicht selten rufen die Audits Ärger und Frust auf Seiten der Teilnehmer hervor - ebenso wie konzeptionelle Kritik auf Seiten der Experten.

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Foto von Amy Hirschi

Reichen Spitzenleistungen im derzeitigen Job nicht aus, um einen Manager für neue und anspruchsvollere Aufgaben zu qualifizieren? Die bisherige Leistung ist zweifellos eine berechtigte Basis, um zukünftige Leistungen vorab einzuschätzen. Aber sie reicht nicht aus. Insbesondere dann nicht, wenn die zukünftigen mit den bisherigen Anforderungen nicht oder nur zum Teil übereinstimmen. Daher verfolgen Management Audits zwei Zielsetzungen: Zum einen sammeln sie das Wissen über die bisherigen Leistungen eines Kandidaten und lassen es in die Bewertung einfließen. Zum anderen untersuchen sie die Potenziale für neue Aufgaben.

Die Aufgaben eines Mitarbeiters verändern sich, sobald er andere Funktionen übernimmt. Wenn ein Key Account Manager zum Vertriebsleiter avanciert, gehören Kundenakquise und Auftragsmanagement meist auch weiterhin zu seinen Aufgaben. Seine zukünftigen Leistungen in genau diesen Anforderungsbereichen lassen sich in der Regel ausreichend gut mit Blick auf seine bisherigen Arbeitsergebnisse vorhersagen. Vorausgesetzt, das Unternehmen kann diese Leistungen adäquat einschätzen. Diese Voraussetzung erfüllen viele Organisationen jedoch nicht oder nur dürftig. Denn nicht in allen Unternehmen überprüfen Vorgesetzte in regelmäßigen Abständen die Leistungen der Führungskräfte. Zudem ist nicht jeder Vorgesetzte in der Lage, objektive, zuverlässige und gültige Leistungseinschätzungen abzugeben. Viele Unternehmen ersetzen dieses Defizit, indem sie die Fähigkeiten ihrer Führungskräfte auch in Bereichen, in denen diese schon lange tätig sind, in Management Audits von externen Beratern einschätzen lassen. Sie führen Management Audits durch, ohne die bisherigen Arbeitsergebnisse angemessen zu berücksichtigen und ersetzen solide Leistungsbeurteilungen aus mehreren Jahren durch einen Tag Prüfung. Dieses Vorgehen erzeugt naturgemäß viel Unmut. Allerdings liegt hier der Fehler weniger im Management Audit selbst, sondern vielmehr darin, dass im Unternehmen ein gutes und langfristiges Kompetenzmanagement fehlt. Organisationen sind gut beraten, ihre Führungskräfte zur Leistungsbeurteilung anzuleiten. So steigern sie die Beurteilungskompetenz ihres Führungspersonals und schaffen eine Basis für Leistungseinschätzungen, die den berechtigten Ansprüchen der Mitarbeiter genügen. Die ergänzende Potenzialeinschätzung durch externe Berater sollte sich auf jene Aspekte beziehen, die zukünftige, neue Anforderungen darstellen.

Dünnes Eis: Einseitige und fehleranfällige Methoden

Die zentrale Audit-Methode ist typischerweise das Interview. Lässt sich aber in einem Interview überhaupt feststellen, was eine Führungskraft kann und wo ihre Potenziale liegen? Schließlich beruhen alle Antworten auf Selbsteinschätzungen der Kandidaten. Diese häufig geäußerte Kritik an der Methodik ist nicht aus der Luft gegriffen. Denn in vielen Audits glänzen vor allem die Selbstdarstellungskünstler - und schwache Interviewer erreichen den Menschen hinter der Fassade nicht. Im Interview lassen sich Werte, Motive, Einstellungen und Einschätzungen erfassen. Es eignet sich jedoch weniger gut dazu, Fähigkeiten und Kompetenzen abzubilden. Deutlich steigern lässt sich die Qualität der Management Audits, wenn unterschiedliche Methoden zum Einsatz kommen - zum Beispiel Tests, Fragebögen und Fallstudien oder Simulationen von wichtigen Gesprächsund Verhandlungssituationen. Weitere mögliche Bausteine - vor allem für die adäquate Beurteilung bisheriger Leistungen - sind Einschätzungen von Vorgesetzten, Referenzen oder 360-Grad-Feedback. Die Zusammenstellung der Bausteine eines Audits sollte sich danach richten, welche Anforderungen und Modalitäten es abbilden soll. Management Audits können für sehr unterschiedliche Anforderungen konzipiert werden - und sollten jeweils das Wissen (etwa fachlich, methodisch oder mikropolitisch), das Können (also die Umsetzung des Wissens in das richtige Verhalten) sowie das Wollen (Motivation, Einstellungen und Ziele) der Kandidaten untersuchen.

Das System der Leistungsprognose

Feigheit und Intrigen: Das Management Audit als Feigenblatt

Betroffene Führungskräfte vermuten häufig, dass ihr Unternehmen ein Management Audit ansetzt, um harte Personalentscheidungen geschickt zu verpacken. Der Vorwurf: Die Ergebnisse stünden schon vorher fest und das Beratungsunternehmen werde gefügig gemacht, diese gewünschten Resultate zu erzielen und in der öffentlichen Wahrnehmung zu validieren. Diese Kritik trifft weniger das Management Audit als vielmehr die Berater und ihre Auftraggeber, deren Lauterkeit und Integrität die Betroffenen in Frage stellen. Tatsächlich gibt es mehr oder weniger ausgeprägte Beispiele für den Versuch, die Ergebnisse von Audits zu manipulieren. Die Bedenken lassen sich nur zerstreuen, wenn Unternehmen durch Worte und Taten überzeugen. Sie müssen ihre Entscheidungen auf Basis einer soliden Bewertung fällen und klar stellen, dass jeder Teilnehmer im Audit eine tatsächliche Chance hat. Ganz entscheidend ist, dass Unternehmen transparent kommunizieren und die Kommunikation mit dem tatsächlichen Vorgehen übereinstimmt. Dazu gehört auch ein differenziertes und begründetes Feedback zur Einschätzung der Teilnehmer.

Naiv und zu einfach gestrickt: Die Systemvergessenheit des Management Audits

Vielen Kritikern erscheinen typische Management Audits naiv und systemvergessen: Wird die Leistung des einzelnen Managers nicht massiv durch die Organisation selbst und das Zusammenspiel im Managementteam beeinflusst, wenn nicht gar bestimmt? Können fachlich wie persönlich hoch kompetente Führungskräfte nicht durch fehlende oder ständig wechselnde strategische Vorgaben oder operative Gängelungen aus dem Topmanagement in der Entfaltung ihrer Leistungsfähigkeit behindert werden? Und ist es nicht so, dass ein Team die Schwächen eines Managers auffangen und kaschieren kann, so dass sie kaum zum Tragen kommen? Ein ganzheitlicher Management-Audit-Ansatz müsste neben der Persönlichkeit des Managers auch den Leistungskontext, den die Organisation bietet, und das Zusammenspiel im Managementteam unter die Lupe nehmen. Ein solcher Ansatz sollte verschiedene Aspekte berücksichtigen, die das Leistungsverhalten der Führungskräfte beeinflussen:

  • Management Context Audits: analysieren Aspekte der Organisation, die besonderen Einfluss auf die Leistung und Leistungsfähigkeit im Management haben, zum Beispiel Beurteilungs- und Belohungssysteme, Zielvereinbarungssysteme, Feedbacksysteme oder Aspekte der Unternehmenskultur.
  • Management Team Audits: untersuchen Aspekte der Zusammenarbeit im Management-Team, die Einfluss auf die Leistungsentfaltung der einzelnen Manager sowie die Teamleistung insgesamt haben. So können Konflikte im Managementteam einzelne Führungskräfte oder das gesamte Team massiv schwächen. Sie lassen sich durch Einzel- oder Gruppeninterviews, aber auch durch Fragebögen oder teilnehmende Beobachtungen aufdecken.
  • Manager Competence Audits: prüfen Leistungsaspekte und Leistungsvoraussetzungen des einzelnen Managers. Sie befassen sich mit persönlichen, sozialen und Businesskompetenzen, manchmal auch mit fachlichen und methodischen Kompetenzen, also jenen Bereichen, die typischerweise mit dem Begriff Management Audit assoziiert werden.

Fazit

Management Audits sollten interne und externe Perspektiven integrieren, das vorhandene Wissen über die Leistungen des Managements bündeln und um solide Potenzialeinschätzungen ergänzen, so dass sich fundierte Vorhersagen über zukünftige Leistungen treffen lassen. Ein ganzheitlicher Management-Audit-Ansatz, der Kontextund Teamfaktoren in die Betrachtung mit einbezieht, kann die Qualität der Erkenntnisse massiv verbessern und Entscheidungen voranbringen, die tatsächlich Wirkung zeigen.

Webtipp

www.managementaudit.de

Literaturtipps

Handbuch Management Audit.

Von Klaus Wübbelmann. Hogrefe Verlag 2005.

Management Audit. Unternehmenskontext, Teams und Managerleistung analysieren.

Von Klaus Wübbelmann. Gabler Verlag 2001.

Quelle: personal manager 3/2007