marcel rütten

00:00:03
Alexander Petsch: Glückauf und herzlich willkommen zu den heutigen HRM Hacks! Mein Name ist Alexander Petsch, ich bin der Gründer des HRM Institutes, euer Gastgeber. In unserer heutigen HRM Hacks Folge spreche ich mit Marcel Rütten zu Recruiting-Strategien. Marcel Rütten ist Global Director Talent Acquisition und Employer Branding bei PACCOR, einem europäischen Verpackungshersteller mit circa 4.000 Mitarbeitern und 24 Standorten. War vorher Head of Talent Acquisition und Employer Branding bei der Berner Group und ich kenne ihn eigentlich… Beziehungsweise ich habe schon von Marcel gehört gehabt, bevor ich ihn kennenlernte, als er HR Manager bei der Kindernothilfe e.V. war. Und da eilte ihm sozusagen der legendäre Ruf voraus, dass er tolle und spannende Dinge macht im HR und das ohne große Budgets. Und das fand ich schon immer toll und spannend. Und ansonsten ist Marcel noch Blogger, Speaker und Autor, unter anderem mit seinem Blog HR4Good oder im letzten Jahr hat er das Buch Future Talents über strategische Personalgewinnung mittels Praktikanten-Programme herausgebracht. Also ein kompetenter Ansprechpartner. Ich freue mich, dass du heute bei uns bist. Hallo, Marcel Rütten!

00:01:30
Marcel Rütten: Vielen lieben Dank für die Einladung.

00:01:33
Alexander Petsch: Ja, Marcel, wie ist denn das, wenn man dann nach der Kindernothilfe e.V. jetzt da im Job mal endlich HR mit Budget machen kann?

00:01:45
Marcel Rütten: Ja, es macht vieles auf jeden Fall einfacher, natürlich, wenn man ein bisschen Budget zur Verfügung hat. Auf der anderen Seite muss ich natürlich sagen, dass… Auch ohne Budget kann es natürlich funktionieren. Ich glaube, man muss halt nur ein bisschen kreativer werden. Oder sagen wir es mal so, aus Mangel kann Kreativität entstehen. Aber klar, also du brauchst unterm Strich – und das war einfach, glaube ich, auch die Chance damals – eine ordentliche Strategie und Geduld, dass du bestimmte Dinge auf den Weg bringen kannst, die vielleicht nicht sofort wirken müssen, die aber eben in ein bis fünf Jahren wirken dürfen.

00:02:24
Alexander Petsch: Ja, und ich glaube, es ist ein Riesenvorteil, wenn man vielleicht nicht die größten Budgets hat, aber eine sympathische und spannende Marke oder auch Employer Brand, sage ich mal. Und vielleicht auch da andere Wege zu gehen und andere Kooperationen machen zu können. Das hilft natürlich bestimmt auch.

00:02:43
Marcel Rütten: Auf jeden Fall. Also das war… In dem Case war das auf jeden Fall sehr zuträglich, dass man eine sehr positiv behaftete Marke hatte, die ja, es etwas einfach gemacht hat oder einfacher gemacht hat, dort Kandidaten oder Kandidatinnen von sich zu überzeugen beziehungsweise von der Organisation, vom Unternehmen. Aber ich glaube, so ein kleiner Schatz schlummert in so ziemlich jedem Unternehmen. Von daher ist, glaube ich, das Spannende, insgesamt aus eher unbekannteren Marken oder mit schwierigeren Bedingungen das Beste rauszuholen.

00:03:21
Alexander Petsch: Ja, ja, da bin ich gespannt, was du uns erzählst oder was so deine Hacks sind, deine Tipps und Tricks für‘s Thema Recruiting-Strategien. Ja, wie würdest du da einsteigen?

00:03:34
Marcel Rütten: Ich glaube, so ein bisschen das, was ich gerade schon gesagt habe. Quasi das Potenzial zu heben, Potenzial zu identifizieren von Unternehmen, die vielleicht noch nicht den absoluten Reifegrad haben. Das heißt, was ich häufig erlebe oder erlebt habe, ist, dass Unternehmen die Schwierigkeit haben, ihren Personalbedarf zu decken und in dem Moment, wo sie in dieser Situation sind, sehr, sehr aktionistisch sind. Also sie haben eine sehr kurzfristige Perspektive, sind vielleicht kurzfristig durch Zahlen getrieben, die nicht unbedingt dazu führen, dass man langfristig Dinge auf den Weg bringen kann. Das heißt, es werden häufig Headhunter beauftragt, obwohl man vielleicht eine eigene Recruitingorganisation aufbauen könnte. Es werden Kanäle gebucht, die vielleicht gar nicht die Richtigen sind, weil man die Zielgruppen nicht ordentlich analysiert hat und so was. Das heißt, das führt in dem Sinne zu Aktionismus. Oder nehmen wir mal als Beispiel, wenn keine ordentliche Personalplanung stattfindet. Also der Klassiker ist ja immer, wenn der oder die Managerin eine Woche, bevor jemand in Mutterschutz und Elternzeit geht, dann im Recruiting vor der Tür steht und sagt, oh, wir müssen jetzt unbedingt und ganz schnell die Stelle hier nachbesetzen, weil die Mitarbeiterin geht nächste Woche in Mutterschutz und Elternzeit. Dann ist natürlich der Verweis darauf, dass man hätte sechs Monate früher kommen können, erst mal das Allererste. Aber die eigentliche Ursache ist eben, dass keine langfristige Personalplanung stattgefunden hat. Das heißt, da kommen dann eben diese aktionistischen Handlungen her und die sollte man dann eben schnellstmöglich identifizieren und dann eben auch abstellen.

00:05:17
Alexander Petsch: Also Aktionismus stoppen und überhaupt mal eine mittel- und langfristige Planung und Ziele sozusagen.

00:05:27
Marcel Rütten: Ja, unbedingt. Also nehmen wir ein anderes Beispiel. Wenn ein Mitarbeiter verrentet wird, dann kommt das ja auch nicht plötzlich. Das heißt, ich kann ja mindestens mal mit einem Jahr Vorlauf hochrechnen, welchen Personalbedarf habe ich mindestens nächstes Jahr? Und wenn ich weiß, welchen Personalbedarf es in einem Jahr oder sogar in mehreren Jahren gibt, dann kann ich daran mein Personal Marketing Budget ausrichten. Ich kann daran meinen Bedarf, den ich an Recruiter und Recruiterinnen habe, ausrichten. Das heißt, die kann ich dann dieses Jahr vielleicht schon rekrutieren, um dann in den nächsten ein bis drei Jahren meinen Personalbedarf intern decken zu können, ohne dann extern auf Personalberatungen zugehen zu müssen, weil ich eben intern überhaupt gar keine Möglichkeiten oder Kapazitäten habe, um den Personalbedarf dort abzudecken.

00:06:17
Alexander Petsch: Und ich sage mal, Aktionismus, wie du es genannt hast, erzeugt ja auch meistens, ich sage mal, Druck, der dann zu „ich muss jetzt handeln“ und im Prinzip fast wie an der Börse zu jedem Preis, ja?

00:06:32
Marcel Rütten: Genau. Genau das ist es ja. Und intern führt es ja auch zu vergifteter Stimmung. Also irgendwer hat den Druck, ja. Entweder der Hiring Manager oder die Hiring Managerin, die zu spät gehandelt haben oder dann eben HR und Recruiting, wenn die Anforderungen zu spät kommen und man dann relativ schnell liefern muss. Völlig egal, ob jetzt wer anders schuld war. Aber die Stelle muss zu einem bestimmten Zeitpunkt besetzt werden, weil dahinter vielleicht Sales Zahlen liegen, die erreicht werden müssen und und und. Und das führt halt insgesamt zu einem schlechteren Klima oder zu einem schlechteren Verhältnis unter den Kollegen. Und das kann man eben abstellen, eben einfach durch etwas mehr Weitsicht.

00:07:16
Alexander Petsch: Okay, jetzt haben wir alle eingenordet. Ich gehe jetzt drauf los. Zurückgeschickt, als der Zug kurzfristig um die Ecke kam. Und wie würdest du die Strategie dann weiter aufbauen?

00:07:30
Marcel Rütten: Dann würde ich mir anschauen, wie sieht denn eigentlich meine komplette Candidate Journey aus? Also gehen wir davon aus, die Stelle ist genehmigt. Wir alle sind vorbereitet, haben alles getan, damit wir die Stelle jetzt in den Äther geben können. Die Stelle wird ausgeschrieben und dann muss ich mir einfach anschauen, was passiert denn eigentlich dann. Also in welchen Kanälen schreibe ich meine Stelle aus? Habe ich genug Sichtbarkeit? Wie viele Kandidaten bekomme ich auf meine Bewerbung? Welche Zielgruppe wird für welche Region vielleicht angesprochen? Welche Tools habe ich zur Verfügung? Wie sieht meine E-Mail-Kommunikation mit Kandidaten aus? Und und und. Also ich muss einfach jeden einzelnen Berührungspunkt von, sagen wir mal, der Ausschreibung oder ich trete auf dem Arbeitsmarkt auf, bis hin zur Einstellung oder sogar noch weiter bis zum Onboarding analysieren, um dann zu schauen, wie effizient oder ineffizient bin ich denn unterwegs oder wo gibt es Abbruchpunkte. Was spricht meine Kandidaten ganz besonders an? Und daraufhin kann ich dann eben meine Strategie entwickeln und sagen, na ja, ich kriege zwar 100 Bewerbungen für die Stelle, aber das sind 100 völlig falsche. Was habe ich bisher falsch gemacht? Ich habe vielleicht die falsche Zielgruppe angesprochen oder ich habe total viel Geld ausgegeben, um meine Stellenausschreibung in alle mögliche Kanäle zu geben. Aber meine Zielgruppe ist gar nicht in diesen Kanälen, weil sie einfach andere Gewohnheiten hat. Von daher muss ich mir einfach anschauen oder jeden einzelnen Punkt während der Candidate Journey analysieren, um da so effizient wie möglich zu werden. Oder zu schauen, na ja, ich schaffe es zwar irgendwie 100 Leute zu erreichen oder anzusprechen. Die fühlen sich aber alles andere als begeistert, um sich auf die Stelle zu bewerben. Was ist mein Problem? Und das kann man immer so ein bisschen vergleichen mit dem Rundgang im Möbelhaus. Wenn man mit seinem Partner oder seiner Partnerin durch‘s Möbelhaus schlendert, dann hat man alle Zeit der Welt und irgendwann kommt man dann zur Kasse und ist völlig abgenervt, weil die Kasse oder die Schlange an der Kasse so elend lang ist. Und man will dann hinterher das gesamte Einkaufserlebnis als negativ bewerten, nur weil dann an der Kasse es eben nicht so schnell ging, wie man vielleicht erwartet hat. Und das Gleiche passiert eben auch im Recruiting. Da gibt es irgendeine Stellschraube, irgendeinen kleinen Punkt. Nehmen wir das Bewerbungsformular, das entspricht nicht den Erwartungen und schon bin ich raus. Ich habe eine negative Candidate Experience und deswegen ist es halt umso wichtiger, die komplette Candidate Journey zu analysieren und darauf oder daraus abzuleiten, welche Punkte muss ich verbessern, dass ich niemanden unterwegs verliere oder die Wenigsten zumindest.

00:10:15
Alexander Petsch: Also das sind ja… Das sind ganz viele Punkte. Das sind ja sozusagen… Es sind ja nicht nur die Touchpoints der Journey, sondern eigentlich muss man sich ja auch immer fragen, wie ich die einzelnen Punkte verbessern kann.

00:10:33
Marcel Rütten: Na ja, es sind ja die Berührungspunkte und du musst ja dann nach den Ursachen schauen. Warum funktioniert was nicht? Also wenn du als Symptom hast oder als Symptom identifizierst, es brechen, sagen wir mal, 80 % meiner Bewerber den Bewerbungsprozess im Bewerbungsformular ab. Nehmen wir mal die Zahl an. Dann ist ja dein Problem nicht, dass sie abbrechen, sondern die eigentliche Ursache dahinter ist ja, vielleicht gibt es technische Probleme. Oder der Registrierungszwang im Bewerbungsformular führt dazu, dass Kandidaten den Bewerbungsprozess abbrechen. Das heißt, um… Oder die Analyse der Candidate Journey wird sehr automatisch auch dazu führen, dass du sagst okay, ich habe hier scheinbar einen Punkt, den muss ich unbedingt verbessern und das Problem kann ja viel größer sein. Das Problem kann sein, dass du letztens erst ein Bewerbermanagementsystem eingekauft hast, was leider keine andere Möglichkeit zulässt als diesen Bewerbungszwang. Wobei das heute nur noch hoffentlich weniger der Fall ist. Wobei die großen Flaggschiffe häufig immer noch damit arbeiten. Aber sei‘s drum. Du wirst halt über diese Ursachenforschung dann daran kommen, deine Candidate Journey so zu analysieren, um direkt quasi in die Verbesserung gehen zu können. Und dann denk an den Möbeleinkauf zurück oder das Schlendern durch‘s Möbelhaus. Sobald du es auch nur minimal schaffst, die Zeiten an der Kasse zu verbessern, die du da warten musst, wirst du insgesamt das Einkaufserlebnis vergrößern. Und das wird letztlich dazu führen, dass die Leute positiver über dich sprechen. Bei Freunden, ihrer Familie und und und. Im Internet. Das wird letztlich sich unmittelbar auf deine Umsatzzahlen auswirken. Oder auf deine Bewerberzahlen, je nachdem.

00:12:16
Alexander Petsch: Ja, Ich überlege, was jetzt im Bewerbungsprozess der günstige Hotdog ist…

00:12:25
Marcel Rütten: Vielleicht ist es die Art und Weise, wie das Gespräch geführt wird. Oder wir haben… Habe ich gerade was Passendes? In meiner Zeit bei Berner zum Beispiel, da war es so, es war mitten in der Anfangszeit von Corona. Da hatten die Kollegen in den Niederlanden eine tolle Idee, weil sie sagten, wir haben im Moment extrem lange Wartezeiten für Kandidaten, weil wir kriegen gar nicht alle Kollegen so schnell zusammen. Also wie gesagt, wir reden ja von der ersten Zeit während Corona, wo alle sich irgendwie noch schütteln und sortieren mussten. Und was die witzigerweise gemacht haben, ist, sie haben gesagt, wir wollen euch tatsächlich auch vor Ort in einem Interview kennenlernen und haben den Kandidaten dann ein Metermaß geschickt, um zu sagen, wir brauchen noch ein bisschen, aber wir bleiben… Wir bleiben zwar auf Distanz, aber wir bleiben in Kontakt. Das war einfach so ein besonderes Erlebnis für Kandidaten, um zu sagen, ach ja, sie haben sich echt etwas überlegt, ich kann verzeihen, dass sie gerade länger brauchen, aber…

00:13:32
Alexander Petsch: Und wenn wir uns dann im Vorstellungsgespräch sehen, kannst du nachmessen, dass wir die 2 Meter Abstand halten.

00:13:38
Marcel Rütten: Könnte man machen. Ja, also, das ist jetzt nicht überliefert, ob das ein Kandidat oder eine Kandidatin gemacht hat. Aber tatsächlich wäre die Möglichkeit da gewesen, ja.

00:13:49
Alexander Petsch: Ja, schön. Okay, also Analyse der Candidate Journey so weit abgeschlossen. Vorher den Aktionismus abgestellt. Vielleicht nochmal kurz zum Blick zurück. Aktionismus, ineffiziente Aufgaben. Das ist ja auch so ein Punkt. Wie identifizierst du denn den Teil? Oder ist das, ja…

00:14:15
Marcel Rütten: Also mal angenommen, du hast ein bestimmtes Maß und eine bestimmte Anzahl an Bewerbungen, die du im Jahr erhältst. Und wenn du deine Bewerbung nach wie vor mit Excel… Dann solltest du tatsächlich über die Anschaffung eines Bewerbermanagementsystems nachdenken. Oder du hast ein Bewerbermanagementsystem und jeder Recruiter und jede Recruiterin schreibt aber die E-Mails noch manuell mit den Kandidaten und hat keine Templates, die dann individualisiert werden können. Dann hast du natürlich extrem viel Zeit, die unnötigerweise aufgewendet wird. Du hast im Zweifel Qualitätsverluste, weil wenn jeder auf der grünen Wiese anfängt, eine E-Mail zu schreiben, dann kannst du natürlich nicht ein gewisses Maß an Qualität gewährleisten in der Kommunikation und und und. Das heißt, du… Im Endeffekt… Und da kommen wir eigentlich schon zum dritten Hack in der Kombination. Du musst eine Infrastruktur aufbauen, wie all diese Themen, die du analysiert hast, dann eben verbessert werden können. Das kann eine technische Infrastruktur sein, eben bestehend aus einem ATS und vielleicht auch mit einem Multiposting Tool dahinter. Dass du all deine Kanäle automatisch bedienen kannst, dass im Active Sourcing Kolleginnen und Kollegen da sind, die direkt Kandidaten ansprechen, aber sie auch dann quasi ins Bewerbermanagementsystem reinbringen. Also quasi, dass deine Prozesse neu definiert sind oder so definiert sind, dass sie auch dazu führen, Stellen relativ zeitnah zu den entsprechenden Kosten, aber auch in der Qualität gut besetzt werden können. Und dann geht es eben darum, wenn du an diese Infrastrukturen oder an so eine Art Ökosystem denkst, dann gehören natürlich auch die Recruiter dazu, die über entsprechende Skills verfügen müssen. Also beispielsweise wenn eine Stelle ausgeschrieben wird und man analysieren möchte, woher kommen denn eigentlich unsere Bewerber? Dann müssen Recruiter, ohne dass sie Online Marketer sind, aber sie müssen in der Lage sein zu verstehen, wie ein Tracking Link aufgebaut wird. Also wie ich bestimmte UTM-Parameter an einen Link hinzufüge oder eben über‘s Tool generiere, damit auch die Quellen hinterher analysiert werden können, um dann anschließend Aussagen treffen zu können. Welche Quelle, also welche Stellenbörse zum Beispiel, liefert mir Bewerbungen, in welcher Qualität oder in welchem Zeitraum oder was auch immer. Also all das, was dich da interessieren könnte. Und dafür ist es halt wichtig, dass die Kollegen dort das richtige Rüstzeug mitbekommen.

00:16:55
Alexander Petsch: UTM-Parameter. Was ist das für diejenigen, die das nicht wissen?

00:16:58
Marcel Rütten: UTM-Parameter sind quasi… Das sind kleine Snippets oder kleine Schnipsel, die an eine Domain hinzugefügt werden. Die dem Marketer, also derjenige, der eine Stelle ausschreibt oder ein Produkt bewirbt, helfen, herauszufinden, über welche Quelle jemand gekommen ist oder über welche Kampagne jemand auf den Link geklickt hat. Und das… Also praktisch kann man das häufig selbst erkennen, wenn man mal in die Domainleiste guckt vom Browser. Alles, was so nach dem Fragezeichen kommt. Es sind im Endeffekt Tracking Parameter oder UTM-Parameter.

00:17:41
Alexander Petsch: Okay. Ja, Mensch. Man könnte fast meinen, du wärst Dozent. Ja, okay. Also jetzt haben wir die technische Infrastruktur uns angeguckt. Gibt es da noch ein paar Tipps von dir, wo du sagen würdest, also ehrlich gesagt würde ich das eher alles aus einer Hand nehmen? Oder meine Erfahrungen sind, das funktioniert aus einer Hand nur alles mäßig, ich würde mir das eher aus einzelnen Lösungen zusammenbauen, wenn man das technisch betrachtet?

00:18:17
Marcel Rütten: Ja, tatsächlich bin ich persönlich eher Fan der sogenannten Best of Breach Strategie. Das heißt, sich nicht alles aus einer Hand zu besorgen, sondern wirklich zu gucken, welches Thema möchte ich gerade digital abdecken? Dann wäre eben Recruiting ein Thema innerhalb von HR und dann suche ich mir eben die beste Lösung aus, die für meinen Case oder für mein Unternehmen ganz gut passt. Brauche ich eine rein deutsche Lösung, dann suche ich mir eben ein sehr gutes deutsches Produkt oder ein deutschsprachiges Produkt, das vernetzt ist mit all den Plattformen, die da in Deutschland so präsent sind. Brauche ich eher ein internationales Produkt, dann muss ich natürlich darauf achten, dass ich viele Sprachen habe. Oder wenn ich viele Standorte abdecken muss, muss ich natürlich gucken, ist mein Tool so agil, dass ich dann auch ohne großen Aufwand und ohne 27 SAP Customizer in meinem Unternehmen zu haben, dann auch das Tool entsprechend anpassen kann? Aber grundsätzlich, das hängt immer so ein bisschen auch von der Unternehmensstrategie natürlich ab. Aber ich persönlich bin immer ein Fan davon, quasi pro HR Stream oder pro einzelner HR Funktion einzelne Tools zu belegen, wohlwissend, dass die auch natürlich gut miteinander zusammenspielen müssen. Und neuere, bessere Tools, die können das. Die haben eine sehr offene und einfach handzuhabende Schnittstellen-Funktion. Also die APIs können dann relativ einfach aufgesetzt werden, sodass die einzelnen Tools miteinander kommunizieren können. Also im Recruiting klassisch der Fall, du hast jemanden eingestellt und möchtest dann die Daten der Person, die gerade eingestellt worden sind, ans HR-Stammdaten-System übergeben, damit das Onboarding gestartet werden kann oder damit die erste Gehaltsabrechnung ausgelöst werden kann und so was. Das kann man halt automatisieren. Ist nicht schwer heute.

00:20:14
Alexander Petsch: Ja, da wären wir dann wieder bei den ineffizienten Themen.

00:20:17
Marcel Rütten: Genau.

00:20:18
Alexander Petsch: Das alles… Also alles im Prinzip, was ich von Hand machen muss, lässt sich wahrscheinlich optimieren.

00:20:24
Marcel Rütten: Ja, es kommt immer drauf an. Also es kommt so ein bisschen auch auf‘s Volumen an, was zu rekrutieren ist. Wenn du jetzt im Jahr, sage ich mal, zehn, 20 Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen rekrutierst, dann musst du natürlich nicht alles automatisieren. Dann bist du wahrscheinlich schneller, wenn du es noch per Hand irgendwo einträgst oder überträgst. Wenn du aber jetzt ein großer Einzelhändler bist, der Zehntausende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jedes Jahr rekrutiert, dann muss man sich natürlich über andere Prozesse Gedanken machen.

00:20:50
Alexander Petsch: Dann Auflösung der Schreibabteilung…

00:20:53
Marcel Rütten: Ja, genau.

00:20:55
Alexander Petsch: So, ich kannte das noch in meiner Anfangszeit. Ja, okay, also wir haben jetzt die technische Infrastruktur uns strategisch angeguckt und ja, wie geht es dann weiter?

00:21:15
Marcel Rütten: Also wenn dann quasi die strategische Infrastruktur so weit überlegt ist und auf den Weg geht und Prozesse definiert sind und so was, dann ist, glaube ich, wichtig, mit den einzelnen Standorten – also gehen wir davon aus, ein Unternehmen hat mehrere Standorte –, dann mit den einzelnen Standorten die Anforderungen noch mal im Detail durchzugehen und zu schauen, dass man eben all das, was man sich überlegt hat, dann auch nicht nur konzeptionell auf dem Papier hübsch aussieht, sondern auch wirklich Zeit bekommt, um sich zu entwickeln. Und dann gibt es halt unterschiedliche Anforderungen. Also in unserem Fall zum Beispiel, wir haben Standorte mit vier Mitarbeitern und wir haben Standorte mit knapp 1.400… Oder Länder mit knapp 1.400 Mitarbeitern. Das heißt, die Anforderungen der jeweiligen Länder sind halt… Oder könnten unterschiedlicher nicht sein. Die einen sagen, ich habe vielleicht alle zehn Jahre mal ein Recruiting. Die anderen sagen, ich habe alle zehn Minuten eins. Also ich überspitze das jetzt bewusst, aber da sind halt völlig unterschiedliche Anforderungen notwendig. Und das muss man dann eben im Einzelnen sich anschauen und quasi einen Rahmen schaffen und dann gucken, wie kann ich mein Set-up so ausrichten, dass jeder dieser Standorte dann auch wirklich damit arbeiten kann und keine Verschlimmbesserung stattfindet. Also wenn ich jetzt alle in ein Korsett presst und sage, du musst das aber so machen, dann… Nehmen wir das Beispiel mit den Riesen Bewerbermanagementsystemen, mit den Riesen Tools, die irgendwie sehr unflexibel sind. Dann muss ich allen global sagen, wir haben das Tool so eingekauft, es lässt sich nicht so einfach ändern, macht es erst mal so. Das kann ich machen, dann werden die aber, denke ich mal, sehr stark frustriert sein und sagen, na ja, so haben wir es uns nicht vorgestellt und ehrlicherweise führt das dazu, dass wir unsere Stellen schlechter oder langsamer besetzen können. Das heißt, ich muss natürlich auch gucken, okay, wie kann ich meinen Prozess so aufsetzen, dass er lokal adaptiert werden kann? Oder nehmen wir das Thema Vertragserstellung. In Deutschland zum Beispiel, da ist es völlig üblich, dass wir nach einem Interview uns mündlich einigen. Wir verhandeln mündlich, was soll der Vertragsinhalt sein. Dann schicke ich dir einen Vertragsentwurf, du guckst dir den Vertragsentwurf an. Wenn er passt, unterschreiben wir dann beide. Du kündigst bei deinem aktuellen Arbeitgeber und irgendwann startest du dann. So sieht ein typischer Prozess in Deutschland aus. In anderen Ländern ist es aber so, dass du zum Beispiel einfach nur einen Offer Letter bekommst, also ein DIN A4 mit einem niedergeschriebenen Angebot, aber ohne detaillierte Vertragsklauseln. Und das muss dann reichen, um bei deinem Arbeitgeber zu kündigen. Und in anderen Ländern, da bekommst du erst am ersten Tag, wenn du angefangen hast, deinen detaillierten Vertrag. In Polen zum Beispiel ist es völlig üblich, dass du deinen wirklichen Arbeitsvertrag erst bekommst, wenn du angefangen hast. In Deutschland völlig undenkbar. So was musst du halt abdecken können, dass du halt sagst, okay, was sind denn die wirklichen Anforderungen, die sehr stark unterschiedlich sind? Und habe ich Personen hier vor Ort, die auch genau das schon mitdenken können? Also da sind wir wieder bei dem Punkt auch von vorher. Also Skills und Mindset auch mitgeben und dafür auch Zeit geben. Also jemand, der bis gestern vielleicht noch Recruiting über Postkisten gemacht hat, der wird nicht direkt morgen schon auch alles datenbasiert machen und UTM-Parameter in Links hinzufügen und so was. Das muss man ja… Man muss ja die Zeit bekommen, das lernen zu dürfen. So, und das ist halt gemeint mit Strategy Deployment, dass du halt wirklich einen Zeitraum definierst und Ziele festlegt, wo du dich als Organisation hinentwickeln willst und dann eben deinen Reifegrad beobachtest und dann deinen Reifegrad entsprechend entwickelt kannst.

00:24:54
Alexander Petsch: Was… Um so eine, ich sag mal Recruiting Strategie, wie wir sie jetzt beschreiben, anzugehen und aufzusetzen und umzusetzen. Was für ein Zeitrahmen ist aus deiner Sicht da realistisch?

00:25:10
Marcel Rütten: Ja, es kommt auf die Größenordnung des Unternehmens an. Jetzt in unserem Fall bei PACCOR war es so, dass wir vor knapp zwei Jahren gemeinsam dort gestartet sind. Und das Unternehmen war zu der Zeit in einer Situation, dass sie aus einem anderen Unternehmen herausgekauft wurden und dadurch relativ viele Infrastrukturen einfach nicht da waren. Das heißt, wir haben dann, ich sag mal, so ziemlich genau ein Jahr gebraucht, bis wir so ein Ökosystem aufgebaut haben. Und wir haben uns dann eben ein Jahr Zeit gegeben für das Thema Strategy Deployment, was wir gerade gesagt hat. Also dass wir wirklich gesagt haben, so, wir haben euch jetzt ein Ökosystem bereitgestellt, ihr habt Stellenbörsen zur Verfügung, ihr habt ein ATS zur Verfügung, ihr habt eine Recruiting Policy zur Verfügung, wir haben Recruiter trainiert, wir haben Hiring Manager trainiert und und und. Und jetzt gucken wir uns ein Jahr an, wie sieht denn euer Zustand aus aktuell? Also wie ist der Reifegrad im Moment und wie können wir gemeinsam Ziele definieren, dass wir den Reifegrad auf ein Niveau anheben, wo wir uns beide darauf einigen können, was realistisch ist und was auch der Notwendigkeit entspricht, die du hast? Also wenn du jetzt… Gehen wir wieder von einem Standort mit vier Mitarbeitern aus, dann brauchen wir da keinen Reifegrad von 120 %. Dann reicht im Zweifel, wenn der Kollege anruft und sagt, also, ich bräuchte jetzt mal noch jemanden. So, wenn du aber, ich sage mal, 120 Mitarbeiter an einem Standort im Jahr einstellst, dann ist die Erwartung natürlich entsprechend höher, den Reifegrad auch anzuheben.

00:26:47
Alexander Petsch: Ja, Marcel, gibt es sonst noch etwas, was du unseren Hörerinnen und Hörern mitgeben möchtest zum Thema Recruiting-Strategien?

00:26:55
Marcel Rütten: Ich glaube, eins ist noch super, super wichtig. Und zwar geduldig sein und bleiben. Also bei all dem, was ich gerade gesagt habe, ist es ja nicht so, dass es von heute auf morgen mal eben so passiert, sondern da muss man tatsächlich einen langen Atem manchmal mitbringen, manches auch zwei oder drei Mal erklären oder trainieren, besprechen, abstimmen, was auch immer und dann nicht sofort irgendwie Wunderdinge erwarten. Dass wenn dann… Nehmen wir das Eingangsbeispiel wieder. Der Hiring Manager steht da und sagt, meine Mitarbeiterin geht nächste Woche in Elternzeit. Dann wird es auch morgen noch nicht so sein, dass man innerhalb von einer Woche neue Mitarbeiter gefunden hat, die dann nur am Eingangstor darauf gewartet haben, endlich die Elternzeitvertretung einzunehmen. Das wird auch dann nicht passieren. Aber man wird besser in der Lage sein, sich zu überlegen und anzuschauen, wie sieht der aktuelle Arbeitsmarkt für diese Funktion an diesem Standort aus und wie schaffe ich es realistischerweise, die Stelle in einem gemeinsam definierten Zeitkorridor zu besetzen? Ohne zu sagen, keine Ahnung, was da gerade los ist, wir müssen schnell den Headhunter anrufen, der muss irgendwas machen.

00:28:08
Alexander Petsch: Ja, Marcel, herzlichen Dank, ja…

00:28:10                           
Marcel Rütten: Dankeschön.

00:28:11
Alexander Petsch: Hat mir Spaß gemacht. Und wenn ihr noch mal die Zusammenfassung oder die Checkliste unserer heutigen Hacks nachlesen möchtet, einfach auf HRM.de den Titel unserer heutigen Podcast-Episode eingeben. Noch mal herzlichen Dank, Marcel, an dich!

00:28:29
Marcel Rütten: Vielen, vielen Dank!

00:28:33
Alexander Petsch: Und ja, Glückauf, bleibt gesund und denkt dran, der Mensch ist der wichtigste Erfolgsfaktor für euer Unternehmen.