Verändert sich die Arbeit, verändern sich auch Arbeitsplatz und Arbeitsräume. Nur: Welche neuen Entwicklungen und Rahmenbedingungen sind es, die zeitgemässe Arbeitsweisen prägen? Der Bene Trendreport „Räume der Arbeit“ geht diesen Fragen nach und befasst sich mit der Bedeutung von Kommunikation, Interaktion und Kreativität im Zeitalter der Wissensarbeit. Fünf Thesen zu Büro und Arbeitswelten des 21. Jahrhunderts bieten spannende Antworten: Das Büro der Zukunft wird eine Wissensmanufaktur sein, ein WIR-Ort, ein Kultbüro – und die Räume oder wechselnden Orte der Arbeit werden wichtiger sein als bisher der eigentliche Arbeitsplatz.

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Foto von Scott Graham

Dem Trendreport liegt unter anderem eine Studie zugrunde, die Bene beim Londoner Royal College of Art in Auftrag gab: Untersucht wurden die Arbeitsweisen von Knowledge-Workern und deren Bedürfnisse in Bezug auf Arbeitsräume. „Für all jene, die in Büros arbeiten oder sich für Bürogestaltung interessieren, ist unsere Thematik hoch brisant“, erklärt Thomas Bene, Herausgeber des Trendreports und Vorstand der Bene AG, „denn die richtigen Raumkonzepte und passenden Lösungen lassen sich nur dann finden, wenn man auch weiss, welche Trends gerade die Rahmenbedingungen neu definieren.“

Creative Office – oder: Auch Räume besitzen Intelligenz

Wer kennt sie nicht aus älteren Filmen oder Erzählungen: die Schreibstube. Sie stand am Anfang der Büroentwicklung. Dann kam der Taylorismus mit seinem mechanistischen Menschenbild und mit zerteilten Arbeitsaufgaben. Gesamtzusammenhänge waren für den Arbeitenden kaum erkennbar, da die einzelnen Arbeitsschritte hermetisch voneinander getrennt waren. Dafür waren die Schnittstellen genau definiert. Erst die Wissensökonomie durchbrach dieses Schachteldenken und initiierte gleichzeitig eine Reihe von unterschiedlichen Bürokonzepten.

Das gesamte Büro als Arbeitsplatz

Nach Zellenbüro, Teambüro, Grossraumbüro und anderen geht die Reise nun Richtung Creative Office. Was das bedeutet? Ein Gesamtkonzept mit hoher Differenzierung. Denn Büros von morgen müssen ganzheitlich betrachtet und vielfältig gestaltet werden – ganz wie es Nutzer, Arbeitsabläufe und Kommunikationsprozesse verlangen. So ist entscheidend, dass neben dem klassischen Arbeitsplatz abwechslungsreiche Zonen wie Business-Lounge, Meetingräume, Think Tanks, Präsentationsbereiche, Coffice, also ein Crossover aus Café und Office, beziehungsweise Begegnungsräume unterschiedlicher Qualität und Grössenordnungen angeboten werden. Mit einem Wort: Das Büro der Zukunft ist eindeutig kein monotoner, gleichförmiger Ort, sondern eine bunte Landschaft – ähnlich einem urbanen Lebensraum mit variantenreichen, inspirierenden Plätzen.

Die Struktur moderner Büros engt Mitarbeiter im Idealfall nicht ein. Ganz im Gegenteil: Sie eröffnet ein spannendes und motivierendes Umfeld, das frei nutzbar ist. Damit erhält auch der Arbeitsplatz eine neue Definition: Denn das gesamte Büro wird zum Arbeitsplatz – in Ergänzung zum klassischen „Fokus“ Schreibtisch. So können Wissensarbeiter den komplexen und unterschiedlichen Anforderungen, die an sie gestellt werden, besser begegnen. Denn Ortswechsel schaffen in jedem Fall Belebung und Freiraum für mehr Kreativität und effiziente Teamarbeit.

Apropos „unterschiedliche Anforderungen“: Aus einer Untersuchung aus dem Jahre 2008 gehen vier Arbeitsweisen hervor, die die Büros der Zukunft unterstützen sollen: Focus, Learn, Collaborate, Socializing. Damit sind wir schon ganz nah am Thema „Creative Office“. Denn natürlich braucht es Zonen für Konzentration, in denen man ungestört ist, privaten Raum hat und sich ohne Ablenkung auf die Arbeit einlassen, recherchieren und nachdenken kann.

Andere Bereiche dienen gezielt dem Austausch. Formale oder zwanglose Gespräche werden hier geführt – geplant oder spontan. Denn im Miteinander entstehen die besten Ideen. Inspiration findet hier nicht nur statt, sondern auch ihren Raum. Plaudern, notieren, schreiben, konferieren, präsentieren, lernen – die Vielfalt des Ortes fördert die Vielfalt der Betrachtungsweisen Flexibilität und Offenheit aller Beteiligten vorausgesetzt.

Was Räume erzählen

Ein standardisiertes Konzept, welche Zusammenstellung an Zonen und Bereichen ideal für Unternehmen ist, gibt es nicht. Denn die Anforderungen und Lösungsmöglichkeiten sind so individuell wie die Handelnden selbst. Die Konzeption von modernen Büros startet somit immer mit einem Prozess der Selbstanalyse – mit dem Ziel, dass letztlich nicht einfach „Möbel angeordnet“ werden, sondern „Unternehmensidentität sichtbar wird“.

Viele Unternehmen haben dieses Thema bereits mit aller Konsequenz umgesetzt. Zum Beispiel die Unternehmensberatergruppe Deloitte in Wien. Hier wird die Botschaft sofort deutlich: An den einladend gestalteten Empfang schliessen sich für jeden Besucher sichtbar Seminar- und Besprechungsräume sowie eine Bibliothek an. Als Besucher fühlt man sich sogleich in eine Atmosphäre von Knowhow und Wissen integriert – das macht nicht nur Eindruck, sondern bleibt auch in Erinnerung. Angewandte Raumpsychologie sozusagen.

Ein anderes Beispiel: Betritt man die Santander Consumer Bank in Mönchengladbach, findet man sich unvermittelt inmitten eines Cafés. Hier wird man willkommen geheissen und umsorgt. Man fühlt sich unweigerlich heimisch und wohl. Der emotionale Einstieg erleichtert die Bildung einer Vertrauensbasis: Die Bank wirkt auf Mitarbeiter und Besucher nicht distanziert, sondern barrierefrei und sehr menschlich.

Wohlfühlen kein blosser Luxus

Der Emotionalität kommt in der Bürogestaltung generell grosse Bedeutung zu – nicht nur in Hinsicht auf Kunden, sondern auch auf Mitarbeiter. Roman Muschiol, Verfasser des Buches „Begegnungsqualitäten in Bürogebäuden“, formuliert es so: „Es bedarf einer Förderung der emotionalen Faktoren, um die Produktivität im Wissenssektor nachhaltig zu fördern. Die Wohlfühlqualität im Büro dient damit keinem Selbstzweck.“ Salopp könnte man auch sagen: „Wer sich gut fühlt, leistet mehr.“

Lokale Identität in einer global vernetzten Welt

Auch der kulturelle Raum, in dem sich ein Büro befindet, kann relevant für dessen Gestaltung sein. So orten wir seit geraumer Zeit als Gegentrend zur globalen Vernetzung die Wiederentdeckung der Region. Lokale Wirtschaftskreisläufe und örtliche Identität werden aufgewertet. Man besinnt sich auch bei weltweiter Vernetzung wieder stark auf die eigenen Wurzeln, was oftmals Ausdruck in der Bürogestaltung findet. Ein Büro in Stockholm wird anders aussehen als eines in Wien oder Florenz. Das liegt natürlich auch an kulturell unterschiedlichen Arbeitsweisen: In den skandinavischen Ländern hat sich ein mobiler Arbeitsstil längst etabliert, während dieser im deutschsprachigen Kulturkreis erst langsam zunimmt. In Holland hat die kommunikative Offenheit der Menschen bereits in den 1990er Jahren dazu geführt, dass Lounges und informelle Kommunikationsbereiche in die Bürogrundrisse integriert wurden. Für Frankreich und Italien haben mobile Arbeitsweisen noch immer verschwindende Bedeutung. Diese Vielfalt trägt durchaus etwas Logisches in sich. Denn warum sollten Bürolandschaften nicht unterschiedliche Identitäten transportieren – ähnlich wie Stadtlandschaften?


Erstveröffentlichung im personal manager 2/2011

Literaturtipp: Trendreport „Räume der Arbeit“. Von Harry Gatterer. Bene Edition Wien 2009

Webtipp: Bene Büromöbel