Da ich eben erst aus Wien von der Personal Austria zurückgekehrt bin, kann ich mit einem ganz frischen Eindruck vom Stand des österreichischen Personalmanagements aufwarten. Mein Fazit: Personalverantwortliche in Österreich plagen sich mit ähnlichen Sorgen und Herausforderungen wie ihre deutschen Kollegen. Das war bereits am ersten Messetag im Pressegespräch mit Gertrude Schatzdorfer, Geschäftsführerin der Schatzdorfer Gerätebau GmbH & Co. KG, und Michael Hahnefeld, Personalleiter von Microsoft Österreich klar: Der Fachkräftemangel ist das alles beherrschende Thema. Da ein Ende nicht in Sicht ist - der demografische Wandel sogar dazu beiträgt den Engpass zu verschärfen – sind bereits die ersten Auswirkungen auf die Arbeitswelt spürbar.

Für HR heißt das, dass Personalfragen wichtiger werden und damit die Position von „Personalisten“ an Gewicht gewinnt. Doch aus diesem Grund liegt die Messlatte auch höher als in den vergangenen Jahren. Während früher die Kosten, die Personal verursacht, die Geschicke der Personalabteilungen lenkte, verschiebt sich nun der Schwerpunkt: „Wir müssen die Kosten deutlich machen, die entstehen, wenn eine Stelle unbesetzt bleibt“. Die Personalverantwortlichen waren sich einig, dass sie nicht um aktive Personalarbeit herumkommen, zum Beispiel mit Employer Branding. Patentrezepte gibt es dafür allerdings keine. Die Empfehlung von Frau Schatzdorfer dazu: „nicht das tun, was alle tun - neue Wege gehen und Regeln brechen.“ Das ist kein Lippenbekenntnis, denn Schatzdorfer bildet trotz anfänglicher Widerstände ihrer Belegschaft inzwischen regelmäßig Frauen in Metallberufen aus. Viele Personalverantwortliche sehen eine mögliche Lösung aus der Mangelwirtschaft darin, verstärkt Frauen zu rekrutieren. Als Zeichen von Emanzipation sollte das jedoch nicht missverstanden werden: „Hätten wir genug Frauen, wäre der Ruf nach ihnen in der Technik viel leiser“, so Schatzdorfer.

Als Begleiterscheinung oder Ursache des War for Talents identifizierten die HR-Experten auf der Messe andererseits auch die Tatsache, dass die Erwartungen der Unternehmen an geeignete Kandidaten steigen. Die Mitarbeiter sollen nicht nur eierlegende Wollmilchsäue sein, sondern auch zur Philosophie des Unternehmens passen – wenn nicht, sind goldene Zeiten in weiter Ferne. Es gebe wenige Menschen, die alle gern einstellen möchten, und viele, für die sich niemand interessiert. Außerdem – so der Tenor - steigt die Verantwortung für die Einzelnen und dabei verschwimmen die herkömmlichen Rollen in der Arbeitswelt: Mitarbeiter suchen sich ihre Unternehmen und nicht umgekehrt. Organisationen propagieren Employability, was zur Folge hat, dass der Einzelne seine Gesundheit und sein Wissen verstärkt selbst in die Hand nimmt.

Das bestätigte auch ein Keynote-Sprecher, der für seine pointierten Zukunftsperspektiven bekannt ist: Mathias Horx. Sein Auftritt war zweifellos ein absolutes Highlight. Er wartete zwar nicht mit überraschend neuen Thesen auf, doch Horx gelang es mit Wortwitz und provokant zu Ende gedachten Beobachtungen, die Zuschauer in den Bann zu ziehen. Er gab einen Aufriss über die Entwicklungsstufen der Arbeit vom Jäger und Sammler über das agrarische Zeitalter bis hin zur heute sich bereits abzeichnenden Wissensgesellschaft, um im Anschluss seine „Megatrends“ zu präsentieren: Frauen, Überalterung („Downaging“) und die Vielfältigkeit von Lebensläufen („Multigraphie“) im Wissenszeitalter. Vor diesem Hintergrund zeichnete er ein Bild von Unternehmen als Netzwerke, in denen es keine klassische Hierarchie mehr gibt und das Privatleben mit der Arbeit verschwimmt. Die Arbeit biete teilweise mehr Bestätigung als die Familie und werde für viele zum Lebensmittelpunkt. Ein Zukunftsszenario? Horx ist eher ein scharfer Beobachter des Hier und Jetzt, das er konsequent weiter denkt. Wie er selbst sagt: „Wir Zukunftsforscher tun so, als könnten wir die Zukunft voraussehen, um wenigstens die Gegenwart ein wenig zu beleuchten.“

man in gray sweatshirt sitting on chair in front of iMac
Foto von Studio Republic