Die IKK Südwest ist als Organisation rasch gewachsen: 1995 als IKK des Saarlandes gegründet, hat sie eine rasante Mitgliederentwicklung genommen. So hat sich die Zahl der Versicherten in den letzten 5 Jahren vervierfacht. Damit einhergehend stieg auch die Zahl der Beschäftigten rapide an. Heute beschäftigt die IKK Südwest fast 1.400 Mitarbeiter. Eine der Folgen, die mit diesem Wachstum verbunden waren, betraf Führungskräfte: mehrfache Umstrukturierungen und Neuordnungen der Teams stellten die im Durchschnitt relativ jungen Teamleiter damals wie heute immer wieder vor neue Herausforderungen. Die IKK Südwest hatte bislang diese Mitarbeiter für ihre neuen Aufgaben in Trainings geschult. Im Laufe der Jahre aber entwickelte der Bereich Organisations- und Personalentwicklung eine Idee, für die der Vorstand im Jahr 2008 den Startschuss gab und die seither die Organisationsentwicklung allgemein vorantreibt: Coaching von und für Mitarbeiter. Astrid Potdevin gehört als Leiterin Organisations- und Personalentwicklung des Hauses zum Coach-Team. Für HRM.de aktuell berichtete sie von den Erfolgen und Herausforderungen.

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Foto von Patrick Amoy

“Wie viele andere Unternehmen setzten wir lange Zeit für die Personalentwicklung auf Trainings. Die Effekte waren gut, aber wir wünschten uns eine individuellere und nachhaltige Unterstützung für unsere Mitarbeiter. Im Training wird lediglich ein paar Tage geschult, was uns im Hinblick auf die zu bewältigenden Führungsaufgaben und der dafür nötigen Persönlichkeitsentwicklung zu kurz griff. Wir entwickelten die Idee, Coaching als hausinternes Angebot einzusetzen. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Heute sind wir froh über diesen Schritt, denn unsere Mitarbeiter handeln eigenverantwortlicher und ihr Selbstbewusstsein ist gewachsen. Zunächst richtete sich das Angebot nur an Führungskräfte, aufgrund der großen Erfolge steht es mittlerweile aber sämtlichen Mitarbeitern offen und wird stark nachgefragt. In diesem Zusammenhang muss man auch sagen, dass die Mitarbeiter, die zum Coach ausgebildet wurden, eine hohe Akzeptanz bei unseren Beschäftigten haben und ihnen großes Vertrauen entgegengebracht wird – das ist ein wichtiges Kapital . Denn öffnet sich der Coachee nicht, ist ein Coaching nicht möglich. Noch dazu, wenn der Coach ein Kollege ist. Doch zurück zum Beginn: zunächst fragten wir uns, was wir mit Coaching erreichen wollen und welche Konsequenzen dadurch entstehen können. Denn es ist evident, dass sich die Unternehmenskultur ändert, wenn eine Organisation einen intensiveren Dialog mit ihren Beschäftigten beginnt. Führungskräfte in unserem Unternehmen mussten für sich auch klären, wie sie mit einem höheren Selbstbewusstsein und folglich anderem Auftreten ihrer Mitarbeiter umgehen.

Diversity im Coaching

Als wir die Entscheidung getroffen hatten, dass wir unser Beratungsangebot professionell erweitern wollten, entschieden wir uns für eine fundierte und qualifizierte Ausbildung zum systemischen Management-Coach bei Neuland & Partner, weil es den einzelnen Mitarbeiter, seine Beziehungen und die Folgen seines Handelns für das Gesamtsystem thematisiert. Psychotherapeutische Ansätze kamen dabei für uns nicht in Frage. Im nächsten Schritt wählten wir Kollegen aus, die sich für eine Coaching-Ausbildung eigneten, wobei wir insbesondere auf deren Akzeptanz bei den Mitarbeitern achteten. Denn kein Kollege ist ausschließlich Coach, sondern jeder übernimmt diese Verantwortung zusätzlich zu seinen zahlreichen Aufgaben. Wichtig war uns auch, verschiedene Persönlichkeiten als Coach zu qualifizieren, denn nicht jeder kann mit jedem offen sprechen. Mitarbeiter sowie Coaches dürfen daher von einem Coaching zurücktreten, den Coach wechseln bzw. eine Anfrage ablehnen. Übrigens treffen sich alle Coaches regelmäßig, um sich zu beraten, einander zu stützen und sich fachlich auszutauschen – eine für uns sehr wichtige Einrichtung.

Individuelle Coach-Profile und ein Ethikkodex

Als wir die Ausbildung beendet hatten, entwickelten wir Coach-Profile, um den Mitarbeitern eine gezielte Auswahl zu ermöglichen. Ein Profil listet die Position des Coaches, seinen bisherigen Werdegang und Themenschwerpunkte auf, wie zum Beispiel Umgang mit Veränderungen, Kommunikation und Selbstkonzepte. Außerdem haben wir einen Ethikkodex formuliert, der hilft, den Mitarbeitern zu erklären, wofür wir stehen. Komplettiert wird das Bild mit einer Darstellung unseres Coaching-Verständnisses. Damit vermeiden wir, dass unser Angebot instrumentalisiert wird. Es könnte keine Führungskraft zu uns kommen und fordern: “Sprich mal mit dem Mitarbeiter, der soll dies oder das tun”; oder ein Mitarbeiter, der appelliert: “Meine Führungskraft sieht nicht, wie gut ich bin, sprichst Du mal mit ihr?” Zu Beginn eines jeden Prozesses erfolgt ein Beratungsgespräch mit dem Mitarbeiter und seiner Führungskraft zur Auftragsklärung. „Welches Ziel soll erreicht werden? Wer leistet welchen Beitrag? Wann ist die gewünschte Intervention erfolgreich für alle Beteiligten?“ Erst dann entscheiden wir über die Methoden, zu denen übrigens nicht immer Coaching gehört; wenn zum Beispiel andere Personalentwicklungs- oder Führungsinstrumente zielführender sind. Unsere erstellten Unterlagen helfen uns derzeit, unser Angebot in der Organisation noch bekannter zu machen. Wir stellen uns unter anderem bei Teambesprechungen vor. Des Weiteren sind die Informationen im Intranet abrufbar. Vielen Kollegen ist der Begriff bisher weniger bekannt, bzw. unklar. In den Medien findet man viele Anzeigen für beispielsweise Wohn-Coachings, Ernährungs- oder Hunde-Coachings, die natürlich nicht mit unserem Angebot vergleichbar sind. Daher achten wir auf eine präzise Kommunikation.

Der Spagat

Ich behaupte nicht, dass Coaching von und für Mitarbeiter nicht herausfordernd ist. Meine Kollegen und ich müssen täglich den Spagat zwischen Rollen, Erwartungen und Praktikablem bewältigen. Ich muss immer wieder klären, in welcher Rolle ich gerade etwas zu wem sagen kann, wer etwas von mir möchte und inwiefern dies realistisch durch welche Maßnahmen erreichbar ist. Natürlich bin ich daneben auch noch dem Management gegenüber verpflichtet. Wichtige Informationen muss ich an dieses weiterleiten, dabei dennoch die Vertraulichkeit gegenüber dem Mitarbeiter wahren. Insgesamt lohnt sich das Engagement jedoch, denn wir Coaches erkennen so viel mehr über unsere Organisation und die Menschen in ihr als vorher. Ich sehe zum Beispiel eher, ob sich jemand in seiner Funktion wohl fühlt oder was ihn in seiner Entwicklung hindert. Dies erweitert meinen Blickwinkel. Und für die Organisation bedeutet dieser Prozess tatsächlich eine organische Entwicklung von innen heraus. Wir geben im Rahmen der Organisationsentwicklung unseren Beschäftigten nicht per Sender-Empfänger-Prinzip Ziele vor, sondern wir gehen mit den Mitarbeitern mit, geben Impulse, hören ins System und so verändert sich die Organisation allmählich – getragen von allen. Deswegen sind unsere HR-Maßnahmen keine Schminke, sondern verändern nachhaltig.