nicole_truchseß

00:00:06

Intro: Die HRM Hacks, Tricks, Tipps und Hilfe für Ihre HR-Herausforderungen und HR-Strategien. Denn der Mensch ist der wichtigste Faktor für den Erfolg Ihres Unternehmens.

00:00:22

Alexander Petsch: Glückauf und herzlich willkommen zu den heutigen HRM Hacks! Mein Name ist Alexander Petsch, ich bin der Gründer des HRM Institutes. In unserer heutigen HRM Hacks Folge spreche ich mit Nicole Truchseß zu Hacks gegen Schubladendenken im Recruiting. Nicole Truchseß ist Geschäftsführerin von Truchseß & Brandl, einer Unternehmensberatung im Bereich Recruiting, auch Sales für Zeitarbeit, Leadership und ja, Nicole Truchseß ist Buchautorin, tolle Referentin und wir haben auch schon einen Podcast zusammen gemacht zum Thema Telefon als Future Skill. Also wer in der Zeitarbeit ist, kann da gerne mal reinhören. Das würde ganz gut passen. Liebe Nicole, herzlich willkommen und schön, dass du da bist!

00:01:07

Nicole Truchseß: Hallo Alexander, schön, dass ich wieder da bin.

00:01:11

Alexander Petsch: Ja, Schubladendenken im Recruiting. Im ersten Moment dachte ich, ich mache so eine etwas provokante Einstiegsfrage und frage mal: Na ja, Schubladendenken vereinfacht das Leben ja auch. Ist das in der komplexen Welt nicht auch ein Vorteil? Aber…

00:01:29

Nicole Truchseß: Mit der Frage können wir gerne anfangen. Ist überhaupt kein Thema.

00:01:31

Alexander Petsch: Nee, das möchte ich eigentlich dann doch nicht, weil ich sage eigentlich… Also ich bin kein Freund von Schubladendenken und ich glaube ja eigentlich, was dahinter steckt, nämlich Stereotypisierung und Vorurteile, die dann dazu führen, Menschen aufgrund von Äußerlichkeiten oder Denkweisen oder Geschlecht oder Rasse oder sonst was vorzukategorisieren, wollen wir nicht haben. Von daher, schön, dass wir das Thema heute haben.

00:02:04

Nicole Truchseß: Also, mit Schubladendenken an sich… Also, ich… Vielleicht ersetzen wie das mit Assoziationen. Also es ist einfach ganz klar, das Gehirn liebt es ja, in Schubladen zu denken. Es ist ja auch Mann, Frau, Generation. Nehmen wir die Generation. Das ist vielleicht auch ja jetzt wahnsinnig aktuell. Generation XYZ. Jetzt haben wir auch Alpha, das ist die Neueste. Und… Also das Gehirn liebt dich dafür, wenn man in Schubladen das vorgefertigt macht, weil es halt wenig Energie verbraucht. Und das Gehirn neigt dazu, in Schubladen sowieso zu denken. Und ich sage immer, Diversität, also das berühmte Wort Diversity, fördert auch noch das Schubladendenken.

00:02:48

Alexander Petsch: Echt? Wieso fördert das… Also das musst du jetzt mal erklären.

00:02:51

Nicole Truchseß: Ja, weil Diversity nicht divers denkt, sondern auch wieder die Schubladen bedient. Es geht dann um die Frau, die nach vorne gehen muss gegenüber dem Mann. Oder, ich sag mal, gendergerecht oder auch generationsgerecht. Also es wird dann aber, wenn du dann in die Unternehmen reingehst, auch wieder auf die bunte Vielfalt nicht geachtet, sondern nur darauf geachtet, dass man der Diversity in dem Sinne gerecht wird, ohne dass man ihr eben tatsächlich gerecht wird, weil man dann wieder Schubladen bedient. Ach, wir brauchen jetzt noch eine Frau. Und wir brauchen da jetzt noch einen Mann. Und wir brauchen jetzt eine Ältere. Und wir brauchen die Jüngere. Oder wir brauchen jetzt jemanden aus der Generation X oder Y. Und ich erkenne halt dann auch immer wieder, dass man genau auch dadurch, dass natürlich das Marketing oft im Recruiting eine riesengroße Rolle spielt, das Eins-zu-M im Marketing rübernimmt ins Recruiting, was eigentlich Eins-zu-eins wäre, und man eben diese Individualisierung, die notwendig wäre, und die auch… Dann berufen auch alle danach, ja, nicht nur die Kunden customized, sondern auch die Kandidaten. Dass man dem eben dann überhaupt nicht gerecht wird und Diversität einfach auch wieder nur einer Schublade gerecht wird. Also es gibt ja gerade sehr viele Verfechter. Wir haben es beim letzten Podcast gehabt zum Thema Influencer, wo wir ganz kurz angedeutet haben, Diversity wird dann nur in Verbindung gebracht mit Frauen nach vorne. Und Diversity bedeutet ja schon Vielfalt in jeglicher Hinsicht. Aber jeder vertritt halt dann auch vielleicht nur eine Schublade in dieser Diversität. Und es hat dann mit dem, was man eigentlich erreichen wollte, überhaupt nichts mehr zu tun.

00:04:43

Alexander Petsch: Okay, welchen Hack leiten wir dann daraus ab?

00:04:48

Nicole Truchseß: Diversität versus Individualität.

00:04:50

Alexander Petsch: Und heißt dann für dich nicht divers denken, sondern Individualität zulassen?

00:04:58

Nicole Truchseß: Individualität zulassen, dann wirst du demjenigen wirklich auch gerecht. Ich verstehe, dass du im Marketing-Bereich, was eben Teil von Recruiting ja immer ist, dass man hier schon bestimmte „Schubladen“ bedienen muss. Oder Zielgruppen, nennen wir es mal so.

00:05:14

Alexander Petsch: Buying Persona.

00:05:15

Nicole Truchseß: Ja, Buying Persona, genau. Aber dass du dann eben, sobald du in den Einzelkontakt trittst, diese Denke beiseitelassen musst. Und das bekomme ich halt sehr viel mit bei den persönlichen, bei den digitalen, online, wie auch immer, oder auch telefonischen Bewerber-Interviews, dass da schon sehr die Schubladen da sind und aufgrund der Erfahrungswerte, die man mit anderen Bewerbern gehabt hat, diese dann dementsprechend auch bedient werden.

00:05:45

Alexander Petsch: Okay, ich überlege gerade, wie wir die Individualität noch ein bisschen… Also ich habe ja auch schon den einen oder anderen Podcast und Diskussionen oft geführt zum Thema High Performance Teams. Und da ist Heterogenität, Individualität einfach schon auch bei vielen High Performance Teams ein Merkmal.

00:06:09

Nicole Truchseß: Ja. Und das ist ja, selbst wenn du jetzt sagst… Ich habe letztens oder ich habe einen Vortrag jetzt vorbereitet und da geht es eigentlich um das Thema Fachkräftemangel. Aber die wollten auch noch ein paar Worte haben zu der Generation Z. Das ist ja jetzt gerade sehr gefragt und ich habe allein aus unserem Team fünf Leute rausgenommen. Die gehören alle der Generation Z an, also 1997 bis 2007, ja? Und jeder ist total anders. Und zwar nicht nur, weil der eine eine Frau oder ein Mann ist, sondern von der Ausbildung, von den Rahmenbedingungen. Und ich finde einfach, 2020-2021 hat gezeigt, dass ein Thema, was alle betroffen hat, ganz individuelle Auswirkungen hatte. Und wenn man jetzt noch nicht verstanden hat, dass man einfach diese Schubladen nicht bedienen kann, dass man eben nicht davon ausgehen kann, dass bei allen die gleichen Rahmenbedingungen herrschen und selbst ein und das gleiche Thema ganz unterschiedliche Konsequenzen hat, dann ist es eben im Eins-zu-eins Kontakt ganz, ganz wichtig, das zu berücksichtigen.

00:07:14

Alexander Petsch: Also ich hatte mal schon länger her, weil er ist ja leider schon länger tot, mit Professor Peter Kruse eine tolle Diskussion. Und er hat da ja auch in den Bereichen geforscht und damals hieß es halt noch nicht Z, sondern da waren wir vielleicht noch bei X oder so. Und er hat auch gesagt, na ja, die Generationen unterscheiden sich in ihrer Präferenz nur in wenigen Prozentpunkten. Und damals ging es um das Thema Führung und dass also jüngere Leute, man feststellte, dass die weniger, ich sag mal, eng geführt werden wollten, wie das vielleicht vorher Usus war. Und das stimmte aber halt nur für wenige Prozent. Und das halt abzuleiten auf alle hat dazu geführt, dass halt ein Großteil sich falsch behandelt oder, ich sag mal, in einer Form geführt wurde, die halt nicht adäquat war.

00:08:16

Nicole Truchseß: Ja. Also es gibt ja… Du weißt ja, ich liebe das Thema. Also erstens liebe ich Professor Kruse über alles. Also ich glaube sein… Über die, was man… Wie sie garantiert… Wie war das mit dem Thema Führung? Wie sie garantiert alles falsch machen können oder irgendsowas? Das war ja… Das ist grandios! Da lache ich mich heute noch kaputt. Also wer es noch nicht kennt, unbedingt anschauen. Und ich bin ja einfach ein Fan auch von neurowissenschaftlichen Themen. Und es gibt eben auch einen ganz, ganz tollen Schriftsteller und Professor Martin Schröder, der eindeutig festgestellt hat, über wirklich, ich kann es mal… Ich habe es mir mal nämlich tatsächlich auch aufgerufen. Also über eine aktuelle Studie, die eben rauskam. Ich glaube 2018-2019, da hat er 500.000 Einzeldaten von mehr als 70.000 Umfrageteilnehmern und -teilnehmerinnen ausgewertet und bewiesen, dass es diese Art von Generationen, die man einteilt in X, Y, Z, definitiv de facto nicht gibt. Und er zeigt da auch auf, da gibt es eine ganz tolle Auswertung dazu von ihm, dass hier ein Fehler gemacht worden ist oder in diesen marketinggerechten, sehr hippen, nachgefragten, hier Generation X, Y, Z und Alpha, dass eben die Generationen, also dass alt und jung sozusagen miteinander verglichen worden ist. Aber du musst ja sozusagen die Zwanzigjährigen von heute mit den Zwanzigjährigen von damals vergleichen, um überhaupt zu sagen, gibt es hier einen tatsächlichen Generationsunterschied? Also das musst du in den Studien auch mit berücksichtigen. Und wenn du hörst, nach was die sich sehnen, die Generation Z. Sorry, da sitze ich da mit meinen 53 und denke ja, da gehe ich mit. Also… Und das hat er eben auch durch seine Studien bewiesen, dass die Art von Unterschiede, die man bewusst vielleicht marketinggerecht, weil damit viele auch sehr viel Geld verdient haben, diese brutale Entfremdung oder diese, dass sie gar nicht gerecht werden oder dass man für jede einzelne Generation das macht, dass es in dieser Form gar nicht vorhanden ist. Also das muss man sich echt mal durchlesen. Da wird einem schon auch das eine oder andere wirklich klar, dass sich… Wie tut er sich ausdrücken? Dass die Alterskohorten in ihren Einstellungen sich kaum unterscheiden tatsächlich. Also, dass es diese Einzeleinstellungsunterschiede in Wirklichkeit eben gar nicht gibt und es ein Unterschied ist, ob man eben Studien, neue Studien anschaut, die das nicht berücksichtigen oder eher populärwissenschaftliche Bücher, was mit einer wissenschaftlichen Auswertung nichts zu tun hat.

00:10:55

Alexander Petsch: Also vergesst Generation X, Y, Z. Alles Kokolores! Zusammenfassung.

00:11:02

Nicole Truchseß: Ja, das ist… Und auch hier gibt es innerhalb der Generation Riesenunterschiede. Also da kommen wir wieder zurück zum ursprünglichen Hack Diversität oder Diversity Richtung Individualität. Da spielt es ja auch einfach mit rein. Gar keine Frage. Was mich persönlich getroffen hat, ich weiß nicht, wenn du das hörst… Ich glaube, wir haben ja ungefähr oder zumindest in die Richtung das gleiche Alter. Würdest du sagen, Freiheit oder Sicherheit ist dir wichtiger?

00:11:31

Alexander Petsch: Mir Freiheit!

00:11:32

Nicole Truchseß: Ja, und ich glaube, das ist der große Unterschied, was auch unsere Generation von Gen Z vielleicht jetzt unterscheidet oder was uns manchmal so ein bisschen den Kopf schütteln lässt. Oder wir nicht verstehen oder wir da dieses Verständnis nicht haben. Ich habe letztens eine Auswertung wieder gesehen und auch einen Podcast dazu gehört, dass die Generation Z, dass die sagt, Sicherheit vor Freiheit. Und dass sich das durch die Corona-Situation tatsächlich verschärft hätte. Und ich glaube, das ist vielleicht eher ein Ansatzpunkt, wo es sich lohnt, darüber mal nachzudenken, ob das vielleicht uns trennt, ja? Aber nicht mit den anderen Themen. Also das hat mich erschüttert, sag ich dir ganz ehrlich, als ich es gehört habe: Sicherheit vor Freiheit.

00:12:20

Alexander Petsch: Muss ich mal drüber nachdenken, wie ich mich da mit 18, 19… Ob mir da Sicherheit vielleicht auch wichtiger war, weiß nicht, kann ich dir… Also muss ich mal tief in mich reinhorchen. Ein weiterer Hack, den du genannt hattest, war Marketing versus Recruiting. Was meinst du damit?

00:12:38

Nicole Truchseß: Dass es oft… Dass die Unterschiede nicht gemacht werden. Also im Marketingbereich hast du ja Kampagnen, wo du logischerweise eine breite Masse oder eine Zielgruppe eben, wie du gesagt hast, die Buyer Persona oder Persona eben ansprechen musst. Und da muss ich mich klar irgendwo entscheiden und davon ausgehen. Aber im einzelnen Gespräch ist es eine Eins-zu-eins Konstellation. Und da muss ich dann eben weg von vielleicht auch von meiner Buyer Persona und auch wieder nicht ähnlich wie im Sales- Bereich vermuten, glauben, denken, sondern durch gute Fragen wirklich das auch herausfinden. Und da fällt es mir eben ähnlich auf, wie im Sales-, im Recruiting-Bereich, dass viele Annahmen getroffen werden und tatsächlich auch von den selbst gemachten Erfahrungen dann eine eigene Erwartungshaltung abgeleitet wird, was vollkommen normal ist, aber zu wenig auch hier hinterfragt wird. Vor allem jetzt im Personaldienstleistungsbereich, auch Richtung… Wenn es Richtung Vermittlungen auch geht bei den Kandidaten. Dass man aufgrund zum Beispiel von der Zeitarbeit immer davon ausgeht, ja, der Kandidat, der ist jetzt irgendwie gerade aktuell auf der Suche, gerade ganz frisch, es ist gerade jetzt passiert. Oder vielleicht ist er jetzt gerade erst arbeitslos geworden. Und dass bestimmte Vorgehen oder Ereignisse vorher nicht stattgefunden haben und der vielleicht schon sehr weit in seinem Bewerbungsprozess tatsächlich ist. Das fällt mir zum Beispiel immer wieder auch auf in der Konstellation, dass man immer die Annahme hat: Ach ja gut, das ist jetzt gerade eben erst passiert und der bewirbt sich ja jetzt. Wenn man im Active Sourcing zum Beispiel unterwegs ist. Aber dass der vielleicht erst sehr spät die Personaldienstleistung oder Zeitarbeit mit in Betracht zieht und schon sehr viele eigene Bemühungen hat, das wird zum Beispiel dann auch zu wenig im ersten Kontakt hinterfragt.

00:14:30

Alexander Petsch: Hm, also ich bin im Personalmarketing natürlich schon ein großer Freund davon, sich erst mal zu überlegen, wer ist meine Zielgruppe und durchaus auch zielgruppengerechte Angebote zu machen oder zu formulieren.

00:14:44

Nicole Truchseß: Ja.

00:14:45

Alexander Petsch: Aber ja, danach bin ich auch bei dir zu sagen, okay, wenn ich dann aber am Tisch sitze, dann muss ich aus meiner Zielgruppen-Box raus denken, weil ja, ich kann gar nicht sicher sagen, ob er oder sie da reingehört.

00:15:02

Nicole Truchseß: Das ist einfach mein Job, das rauszufinden. Die Krux ist halt gerade im Personaldienstleistungsumfeld auch, dass die sehr viele Erfahrungswerte natürlich haben. Die machen ja… Die haben ja ihre Spezialisierung und viele haben sich auch auf das Thema Rekrutierung dann auch spezialisiert. Dass die gar nicht im Vertrieb mehr sind oder im Tagesgeschäft, sondern nur noch Recruiting machen – und nur in Anführungsstrichen bitte zu sehen – und dann so viele Erlebnisse haben, dass, wenn das Gehirn denkt, ja gerne Muster, da kommt dann ein Kandidat rein, auch ins Onlinegespräch, gar keine Frage, oder im persönlichen Gespräch oder am Telefon und dann hat natürlich das Gehirn eine Mustererkennung. Und dann ist irgendetwas, was einen erinnert an ein Gespräch, was man entweder schon 500-mal geführt hat. Oder irgendetwas an dem Kandidaten erinnert einen an den Kandidaten von vor fünf Minuten so gefühlt. Und dann fängt man auch an, die gleichen… Also diese Ableitungen zu machen. Steckt ihn dann auch eben in eine Schublade rein, anstatt wirklich wieder auf null einzugehen, vom Level her, und zu sagen, nee, ganz frischer Kandidat, neue Kandidatin. Darfst du nicht vergleichen. Stell deine Fragen, gehe die runter. Und da erlebe ich es auch immer wieder, dass sehr viele Annahmen getroffen werden oder man auch eine Mustererkennung hat und dementsprechend auch oft negativ auf eine Kandidatin oder einen Kandidaten reagiert, weil man sich gerade an das Gespräch von gestern oder vor einer Woche erinnert.

00:16:29

Alexander Petsch: Ja, das ist natürlich menschlich. Also diese Professionalität muss man sich wahrscheinlich antrainieren, oder?

00:16:38

Nicole Truchseß: Antrainieren… Vor allem muss man sich einfach immer wieder liebevoll selbst darauf aufmerksam machen. Also man merkt ja auch schon gerade in der klassischen Personaldienstleistung… Jetzt nicht falsch verstehen, dass ich gerade den Punkt nehme, aber wenn wirklich Bewerber mit dem typischen Zettel von der Bundesagentur für Arbeit kommen, das ist für mich immer so der Klassiker in der Zeitarbeit. Da merkst du schon, wie manche dann eben schauen, wenn der Kandidat oder der Mitarbeiter eben in die Niederlassung kommt, und dann dieses, ich sage mal, dieses Feld aufgeht im Gehirn: Ja, der hat eh kein Interesse wirklich an einem Job, der will sich da jetzt nur den Stempel holen. Das ist so ein ganz klassisches Zeitarbeitsbeispiel, wo ich dann immer sage, Mensch, Leute, derjenige kann doch jetzt nichts dafür für den Bewerber oder den Mitarbeiter, den er vor fünf Stunden gehabt hat oder gestern. Also bitte, gebt denen jedes Mal doch bitte wieder eine neue Chance, weil es kommt auch sehr viel von ihrer Körperhaltung schon rein, weil sie so viel Abwehr schon erlebt haben. Und da vielleicht auch schon traurig sind oder sich tatsächlich schämen, weil sie arbeitssuchend sind. Und wir da dennoch ganz frisch und ganz fröhlich und ganz offen auf jeden Kandidaten wieder neu zugehen. Das ist ganz, ganz wichtig. Und wenn man das merkt, eine Pause einlegen sollte, um sich da wieder auf null zu drehen.

00:18:01

Alexander Petsch: Ja, ich hatte jetzt letztes Jahr eine Bewerbung, die über die Bundesagentur für Arbeit kam, wo ich auch dachte, guck mal, ganz anders, als man es im ersten Moment denkt. Es war nämlich jemand, der war noch nie arbeitslos und er hatte sich auch noch nirgendwo beworben, weil er einfach… Und wir waren sozusagen sein erster Touchpoint. Und da dachte ich mir auch, das habe ich gar nicht… Das hatte ich gar nicht so in der Schublade drin. Oder ich hatte es in einer anderen Schublade drin und habe dann festgestellt, eigentlich, es kann auch genau andersrum sein.

00:18:35

Nicole Truchseß: Ja, absolut. Und die Denke, die du vorhin gesagt hast, das ist tief menschlich. Das ist jetzt auch nichts Schlimmes. Es ist nur, man bringt sich selbst um eine Chance. Und man will ja immer, egal, wo man ist, gerade die Personaldienstleister, man will ja oft, man möchte ja gerne, empfohlen werden. Und egal… Ich sage immer, jeder Bewerber, der mit euch in Berührung kommt, ist ein potenzieller Empfehlungsgeber. Auch wenn er vielleicht nicht infrage kommt. Und da musst du einfach rausgehen und sagen, jawohl, ich bin nicht in eine Schublade gesteckt worden, sondern… Und es ist immer wieder so schön, auch zu hören… Unser Sohn hat es letztens gesagt: Ich möchte einfach gesehen werden, ich möchte wahrgenommen werden. Und wenn du… Diesen Wunsch hat jeder von uns. Wirklich jeder, ja? Also dieses „make me feel important“. Dieses Gefühl möchte doch wirklich jeder vermittelt bekommen. Und wenn ich aber so diese Schubladen aufmache und vielleicht manchmal zu viel Erfahrungen habe mit bestimmten Kandidaten, weil ich eben mit einem bestimmten Klientel immer zu tun habe… Das ist ja auch so wirklich die Denke bei IT, also im IT-Dienstleistungsumfeld. Ich muss immer so schmunzeln, wenn immer noch die Schublade herrscht oder die Denke, ja, die IT-Leute, die möchten am liebsten im Dunkeln sitzen, alleine sein und bloß mit niemanden sprechen und dann sind die happy. Und ich habe es letztens wieder in so einem Auswahlverfahren eben mitbekommen, dass sie so dankbar waren, dass man zum Beispiel mit Eignungsdiagnostik mit ihnen gearbeitet hat, also wirklich herausfinden wollte, wer sind sie, wie ticken sie, wie sind sie drauf, was macht sie aus. Und zwar ganz unabhängig von ihrer Programmiersprache. Und da kam von den ganzen IT-Experten, sie sind so happy, dass man sich wirklich bemüht, sie als Person mal wahrzunehmen und nicht nur ihre IT-Kenntnisse abklopft. Und das fand ich also schon bezeichnend, weil man immer meint, ja, das ist typisch bei eher ungelernten Kräften, dass man da vielleicht so die Schubladen aufmacht oder solche Erfahrungswerte hat. Aber das ist eben auch bei höher qualifizierten Kandidaten der Fall.

00:20:46

Alexander Petsch: Hm, spannend.

00:20:46

Nicole Truchseß: Ja, und das war jetzt nicht im Personaldienstleistungsumfeld.

00:20:51

Alexander Petsch: Ja, kann ich nachvollziehen, ja.

00:20:55

Nicole Truchseß: Ja, also insofern ist es immer wieder interessant und man sagt ja immer, bei den verschiedensten Auswertungen, wenn es immer da ist, es ist immer die große Frage, worauf kommt es denn an, dass man schnell zu einem Bewerber kommt oder erfolgreich im Recruiting ist. Und du kannst dir Auswertungen anschauen, welche du willst. Und ich beschäftige mich viel mit Studienauswertungen. Aber es sind immer die drei. Transparenz. Wo stehe ich denn gerade im Bewerbungsprozess oder wo gehen meine Unterlagen hin? Also mit wem spreche ich? Das ist den Kandidaten wahnsinnig wichtig. Das Nächste ist tatsächlich Wertschätzung. Das wird immer genannt, steht meistens an Nummer eins. Und ich stelle mir immer die Frage, an was macht der Kandidat wirklich Wertschätzung fest? Auch das ist immer so ein Buzzword, wo ich sage, bitte definiere doch das Ganze und frage auch mal den Kandidaten. Und das dritte ist das Thema Geschwindigkeit. Und ich bin mir fast sicher, dass das Thema Geschwindigkeit mittlerweile Priorität Nummer eins ist. Wie schnell reagierst du wirklich auf Bewerbungseingänge?

00:21:59

Alexander Petsch: Ja, hatte ich hier im Podcast. Hatten wir auch schon öfter als Thema. Und das ist wirklich also im ganzen Recruiting-Prozess ein Mega Hack. Also du hast einen Riesenvorteil, wenn du am selben Tag reagierst…

00:22:10

Nicole Truchseß: Ja.

00:22:10

Alexander Petsch: …und zwar persönlich reagierst.

00:22:12

Nicole Truchseß: Ja, und auch da vielleicht so ein kleiner Schwenk zu unserem Thema, was wir beim letzten Podcast hatten. Thema Telefonkompetenz. Auch hier, ich erlebe das immer wieder, gerade wenn dann eben Personaldienstleister am selben Tag noch anrufen, wie erstaunt die Bewerber sind, dass sie so schnell ein Feedback bekommen und wie begeistert die sind. Manche sind sogar fast schon überfordert, dass es so schnell geht. Aber da kannst du echt positiv punkten. Und es ist halt nach wie vor so, also kleiner Schwenk zu unserem Sohnemann, der hat sich im August letzten Jahres beworben für Ausbildungsstellen jetzt in 2023, wo sie starten, weil er ja noch im Ausland eben auch war. Und er hat sich bei einem Unternehmen beworben, wo wir wissen, dass die händeringend Fachkräfte brauchen und ihnen auch Azubis wirklich total fehlen, die sich immer beschweren, dass große Unternehmen, Konzerne ihnen die Azubis wegschnappen in der Region. Und der hat sich beworben im August. Und Achtung, Alexander, weißt du, wann er eine Einladung zu einem Gespräch bekommen hat per E-Mail?

00:23:20

Alexander Petsch: Ja, bestimmt am 16. Januar.

00:23:23

Nicole Truchseß: Nee, du, noch später.

00:23:23

Alexander Petsch: Hm.

00:23:23

Nicole Truchseß: Ende Februar.

00:23:26

Alexander Petsch: Wahnsinn!

00:23:27

Nicole Truchseß: Also wenn du das nicht alles persönlich erleben würdest, würdest du es nicht glauben. Also der hat schon seit vier Monaten seinen Arbeitsvertrag, also seinen Ausbildungsvertrag. Aber da denke ich mir immer, das kann doch wohl nicht sein und es kann… Also ich verstehe so was einfach nicht. Also so viel dazu.

00:23:45

Alexander Petsch: Ja, Speed ist King, und das ist… Ja, wir haben eine verschärfte demografische, ich sage mal, Wettbewerbssituation um Talente, ganz klar. Aber da ist in vielen Organisationen noch verdammt viel Luft.

00:23:59

Nicole Truchseß: Ja, also auf jeden Fall die ganzen Prozesse. Auch die Abteilungen. Mir tun auch manche HR-Abteilungen leid, wenn man immer noch in den Abteilungen, in den Fachabteilungen einfach nicht merkt, dass ein schnelles Feedback echt günstig wäre. Und da wird auch ziemlich viel Geld und Zeit tatsächlich dementsprechend verbrannt. Aber du hast gerade so ein schönes Wort gesagt, da geht ja auch immer eine Schublade dementsprechend auf oder eine Assoziation. Wenn man das Wort Talent oder Talent hört. Und da gibt es ja diese schöne geflügelte Aussage, dass Talente sich nicht bei Unternehmen bewerben, sondern dass sich Unternehmen bei Talenten bewerben müssen. Habe ich es jetzt richtig rum gesagt, ja?

00:24:38

Alexander Petsch: Ja.

00:24:39

Nicole Truchseß: Und ich denke mir dann immer, was ist denn eigentlich ein Talent? Und wenn das so wäre, warum haben wir immer noch fast 60 Prozent Ghosting auf Unternehmensseite?

00:24:51

Alexander Petsch: Also ich denke mal, was ein Talent ist, hängt ganz stark von der Position ab. Ich sage mal, ein Talent im Vertrieb ist jemand anders als ein Talent in der Programmierung, als ein Talent in der Gebäudereinigung. Und es kann in allen drei Fällen Talente und echt unbegabte Schnöselinnen und Schnösel geben.

00:25:12

Nicole Truchseß: Aber auch hier ist es wieder… Man spricht vermeintlich vom Gleichen, ist aber nicht so. Man kann sich stundenlang über Talents unterhalten und hat vorher den Begriff nicht definiert. Genauso, was ist ein Fachkräftemangel eigentlich? Also wir haben schon so Buzzwords auch und es hat auch was mit Schubladendenken zu tun, dass man einfach einen bestimmten Erfahrungswert hat, eine Schublade aufgeht, man das Wort rausholt und das definiert man halt so mit den eigenen Erfahrungswerten, spricht dann miteinander, geht auseinander und meint: Ach, man hat jetzt wunderbar eben eine Stunde miteinander schön telefoniert oder gesprochen und dabei hat jeder was anderes gehabt. In den Seminaren oder in den Workshops mache ich immer die Übung: Bitte ein leeres Blatt und ich stelle euch jetzt eine Frage. Und die erste Zahl, die euch einfällt, schreibt ihr bitte auf. Und die Frage lautet dann immer… Ich lasse mir auch immer wieder andere einfallen, aber die, die ich jetzt hier bringe, ist: Ab welcher Einwohnerzahl ist es für euch eine Großstadt? Oder ihr hört Großstadt, an welche Einwohnerzahl denkt ihr? Und an welche Zahl denkst du jetzt gerade?

00:26:20

Alexander Petsch: 1 Million.

00:26:21

Nicole Truchseß: 1 Million. Ja, ich bin gebürtige Münchnerin, das wäre jetzt meine Zahl auch gewesen. Aber wir hören auch 10.000 oder was aufgeschrieben wird, 20.000, 50.000, 80.000, wir hören auch 3 Millionen und…

00:26:35

Alexander Petsch: Also als Saarländer, Saarbrücker, bei 80.000 weiß ich, bin ich Provinzhauptstadt. Ja, aber ob ich da bei Großstadt bin, weiß ich nicht, ja?

00:26:45

Nicole Truchseß: Aber das ist so was. Also man muss, glaube ich, ganz, ganz wichtig, auch in den Rekrutierungsgesprächen oder überhaupt in der Kommunikation unglaublich mittlerweile darauf achten, wenn man bestimmte Worte hört, auch von Kandidaten oder auch von den Kunden, ganz egal, ob man dann wirklich vom selben spricht. Also, dass man das klarstellt und definiert. So nach dem Motto: Ach, Sie haben gerade über eine Großstadt gesprochen. Entweder fragt man nach der Einwohnerzahl oder man sagt, welches Bild haben sie denn da im Kopf? Haben sie Berlin im Kopf, Hamburg oder was haben Sie bei Großstadt im Kopf? Oder Ihre kleine Gemeinde am Dorf?

00:27:23

Alexander Petsch: Und noch mal zurück zu Recruiting. Was heißt das für uns in der Recruiting-Schublade?

00:27:27

Nicole Truchseß: In der Recruiting-Schublade heißt das, dass ich auch, wenn Kandidaten über ihre Wünsche sich äußern… Also wenn ich zum Beispiel sage, was ist Ihnen wichtig und er sagt zum Beispiel, ja, ich möchte nicht zu weit fahren. Nicht zu weit fahren. Aber dann wird oft nicht gefragt, was heißt denn nicht zu weit fahren? Oder ich möchte lieber in einem großen Unternehmen arbeiten. Ja, was ist groß? Ist es ein Konzern oder ist es ein Mittelstandsunternehmen? Es wird oft von einer Frage in die nächste gehuscht. Man hat vielleicht auch eine Schublade, man hat auch ein bestimmtes Bild im Kopf, weil man das vielleicht bei zwei Bewerbern vorher gefragt hat, aber dann nicht mehr, assoziiert es eben dementsprechend rein und hat den Kandidaten überhaupt nicht verstanden.

00:28:13

Alexander Petsch: Okay, also, im Prinzip ist dein Hack zu dem Thema, genau nachfragen, um nicht eine vermeintliche Antwort in eine Schublade zu packen, wo sie gar nicht hingehört. Also diese klassische Frage. Ich möchte nicht weit fahren. Für den einen oder anderen sind es fünf Kilometer, weil er immer mit dem Rad fährt, weit, für den anderen sind 50 Kilometer weit.

00:28:39

Nicole Truchseß: Oder frage mal jemanden aus Berlin. Also weißt du, zehn Kilometer von mir hier, da brauche ich gefühlt fünf Minuten, weil ich auf dem Land lebe. Da stellt sich bei mir nicht so viel in den Weg und ich bin dann doch relativ schnell auf der Autobahn und habe da vielleicht auch gute… Also keine großen Staus zu erwarten. Aber sage mal jemandem in Berlin, dass er zehn Kilometer mit dem Auto durch Berlin fährt.

00:29:05

Alexander Petsch: Da ist er einen Tag beschäftigt.

00:29:06

Nicole Truchseß: Da ist er einen Tag beschäftigt. Ja, also macht man es an den Kilometern fest? Macht man es an der Zeit fest? Oder ich habe das ja vor 1996 schon gehabt in der Personaldienstleistung, dass gerade Höherqualifizierte im kaufmännischen Bereich nicht zu oft mit den öffentlichen Verkehrsmitteln umsteigen wollten. Also wehe, sie mussten einmal umsteigen. Das war schon zu viel. Und wenn du dann einen hohen Kandidaten gehabt hast, dann hast du schon sofort die Schublade: Entschuldigung, oje, hier zickt wieder jemand rum, brauche ich gar nicht fragen. Die will das jetzt wahrscheinlich auch nicht und die möchte auch auf jeden Fall nur zehn Minuten mit der U-Bahn fahren. Dann wurde schon auch gar nicht mehr gefragt, wären Sie für einen tollen Job auch bereit, eine längere Fahrzeit in Kauf zu nehmen? Das sind so Kleinigkeiten, wo man wirklich den Kopf schüttelt und sagt, kann es wirklich sein, dass es daran scheitert? Ja, das kann tatsächlich sein!

00:29:59

Alexander Petsch: Also, liebe Nicole, ich würde mal alle Hacks zusammenfassen mit: Sich immer wieder reseten und nicht in Schubladen verfallen und offen sein für Talente im Sinne von „Passt die oder derjenige zu meinen Anforderungen?“.

00:30:17

Nicole Truchseß: Ja.

00:30:19

Alexander Petsch: Passt das so für dich?

00:30:20

Nicole Truchseß: Das passt absolut, ja. Also immer, wenn man hört, darf nicht zu jung sein, darf nicht zu alt sein. Es ist ja auch immer eine Frage der Perspektive. Ich mit 50 Plus, wenn ich jung höre, habe ich ein anderes Alter im Kopf, als wenn ich 18 bin.

00:30:33

Alexander Petsch: Klar, ja, du hast vorhin gesagt Zeitarbeit. Ihr macht auch einen tollen Expertentag, Zeitarbeit Exklusiv. Ich war beim letzten in Heidelberg dabei, fand ich spannend. Dieses Jahr, 19. Oktober, am Vortag der STAFFINGpro in Wiesbaden. Tolles Programm. Also, wenn ihr Entscheidungsträger, Entscheidungsträgerinnen aus der Zeitarbeit seid, guckt es euch an, könnt ihr toll verbinden mit dem Besuch der STAFFINGpro am nächsten Tag. Und abends gibt es auch noch eine coole Gala im Kurhaus von Wiesbaden. Also…

00:31:07

Nicole Truchseß: Top Location. Also wirklich total schön, bestimmt ein super Erlebnis. Und richtig tolle Referenten und richtig tolle Gastredner vor allem auch dabei. Für alle, die etwas interaktive Vorträge lieben und viel, viel Praxisbezug, den Austausch mögen und viele konkrete Tipps, Hacks mitnehmen wollen, dann ist es auf jeden Fall genau das Richtige.

00:31:33

Alexander Petsch: Danke, dass du da warst.

00:31:34

Nicole Truchseß: Ja, danke dir.

00:31:36

Alexander Petsch: Und Stichwort Interaktion. Wir freuen uns über Feedback und wenn ihr Anregungen habt, auch noch Hacks oder ja, gerne auch eine Podcast-Bewertung da lassen. Und natürlich findet ihr wie immer die Zusammenfassung auf HRM.de. Glückauf und bleibt gesund und denkt dran, der Mensch ist der wichtigste Erfolgsfaktor für euer Unternehmen.