In der modernen Personalgewinnung gewinnen alternative Methoden immer mehr an Bedeutung. Unternehmen experimentieren mit Jobcasts, in denen Mitarbeiter Einblicke in ihre Tätigkeiten geben, während andere die Macht der digitalen Außenwerbung erkennen. Zugleich zeigt Streit Datentechnik, wie Print-Mailings effektiv mit digitalen Komponenten kombiniert werden können. Diese Entwicklungen könnten die Zukunft der Talentakquise prägen und bieten spannende Perspektiven für Recruiter und Bewerber gleichermaßen.
PODCAST STATT KLASSISCHER STELLENANZEIGE
Wer auffallen möchte, um qualifizierte Kandidat:innen anzusprechen, sollte sich schon was einfallen lassen. „Die klassische Stellenanzeige wendet sich meist nur an aktive Kandidat:innen auf Jobsuche oder in einer fortgeschrittenen Entscheidungsphase – und deren Zahl wird immer geringer. Daher sind alternative Kanäle immens wichtig, um Menschen zu interessieren und die Reichweite zu steigern“, sagt Stefan Wagner, CSO bei der Agentur Embrace. Statt herkömmlicher Stellenanzeigen produziert Ohrbeit sogenannte Jobcasts, in denen Mitarbeitende des Unternehmens aus genau den Bereichen, für die eine Stelle ausgeschrieben ist, Auskunft geben über Jobinhalte, Arbeitszeiten, Homeoffice-Möglichkeiten und Urlaubsumfang. „Unternehmen können in den Jobcasts einen fundierten Blick auf das Tätigkeitsfeld liefern, da Mitarbeitende eine aufschlussreichere Quelle sind als die klassische Stellenanzeige“, sagt Alex Grossmann (siehe Interview), Geschäftsführer von Ohrbeit. Zu seinen Kunden zählen kleine und mittlere Unternehmen wie DAW oder Wago, aber auch große Player wie Deichmann, Ergo, Deloitte, Mydays und R+V Versicherung. Zu finden sind die Audio-Beiträge auf Streamingportalen wie Spotify sowie auf den Karriereseiten der Unternehmen oder als Videoeinbettung unter den Stellenanzeigen, zum Beispiel bei Stepstone.
„Unternehmen können in den Jobcasts einen fundierten Blick auf das Tätigkeitsfeld liefern, da Mitarbeitende eine aufschlussreichere Quelle sind als die klassische Stellenanzeige“, sagt Alex Grossmann.

Leitung PR und Kommikation
bei AstraZeneca
DOOH: BEWERBER:INNEN IM KONKURRENZUMFELD ANSPRECHEN
Es sind noch wenige, aber es gibt sie: Unternehmen, die als Arbeitgeber über digitale Außenwerbung auf sich aufmerksam machen. So startete AstraZeneca Deutschland Anfang des Jahres eine Kampagne, um als Arbeitgeber noch mehr Sichtbarkeit zu erlangen. Mit der EmployerBranding-Kampagne sollten Talente angesprochen und für einen Job bei dem Hamburger Pharmaunternehmen begeistert werden. Es ließ Mitarbeitende selbst zu Wort kommen – und zwar zu den Themenbereichen Versorgung, Pipeline, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Empowerment und Diversität. Sie gaben dazu unter dem Hashtag #madeformore Einblick in unterschiedliche Situationen ihres Joballtags – beim digitalen Teammeeting, während der Arbeit auf dem Indoor-Cycle oder an der E-Ladesäule im Außendienst, verknüpft mit einer persönlichen Aussage zum Mehrwert der Arbeit bei AstraZeneca.
Das Besondere bei #madeformore: Die Employer-Branding-Kampagne war nicht nur auf LinkedIn, Instagram und Google zu sehen, sondern auch auf ausgewählten digitalen Displays out of Home. „Es ist nicht verkehrt im öffentlichen Raum für den Arbeitgeber zu werben. Aber man muss sich auch um Themen wie Streuverluste und Platzierungen Gedanken machen“, sagt der Embrace-Manager Wagner. Das hat AstraZeneca getan. „Anstatt die Kampagne bundesweit auszuspielen, haben wir im Vorfeld sehr genau analysiert, an welchen Orten wir potenzielle Talente ansprechen wollen. Auf dieser Basis haben dann die Touchpoints präzise ausgewählt“, sagt Sabine Reinstädler, Leitung PR und Kommikation bei AstraZeneca . So lief die Kampagne beispielsweise in Städten, in denen gerade ein Kongress stattfand, darunter der Kardiologenkongress in Mannheim. Dort wurden die Motive in anliegenden Bahnhöfen und U-Bahnhöfen ausgespielt. Gleichzeitig wurden Städte ausgewählt, in denen andere Pharmaunternehmen sitzen, wie in Nürnberg, München oder Berlin.
„Es ist nicht verkehrt im öffentlichen Raum für den Arbeitgeber zu werben. Aber man muss sich auch um Themen wie Streuverluste und Platzierungen Gedanken machen.“
„Wir wollten als Unternehmen Präsenz zeigen und Sichtbarkeit als Arbeitgeber erzeugen“, so Reinstädler. So habe DOOH in Verbindung mit den anderen Kanälen ein deutliches Wachstum beim Bewerbungseingang geschaffen. „Die Kampagne hat einen deutlichen Kick gebracht und die Zahl der Bewerbungen sehr stark angekurbelt. Im ersten Quartal ist sie um ein Viertel nach oben gegangen und die Kampagne wirkt immer noch nach“, erklärt die Expertin. Reinstädler kann sich gut vorstellen, bei der Bewerber:innenansprache wieder auf DOOH zu setzen, vor allem aufgrund des Corporate-Influencer-Ansatzes, der das Herzstück der Kampagne war: „Die Motive waren auch in Hamburg zu sehen und haben nicht nur die Mitarbeitenden, die Teil von #madeformore waren, schon sehr stolz gemacht“.

MEHR BEWERBUNGEN DURCH PRINT-MAILINGS
Neue Wege beim Personal-Recruiting hat auch das das Schwarzwälder Software-Unternehmen Streit Datentechnik eingeschlagen. „Es ist angesichts des Fachkräftemangels vor allem in ländlichen Gebieten wie der Region Haslach nicht einfach, qualifizierte Mitarbeiter:innen zu gewinnen“, sagt Jonas Kammerer, Leiter Online Marketing bei Streit Datentechnik. Facebook und Instagram sowie diverse Online-Stellenportale und lokale Tageszeitungen waren bislang die vorrangigen Recruiting-Kanäle. Um die regionale Reichweite zu steigern und die Bekanntheit zu erhöhen, war dem Unternehmen bald klar, dass mehr Kanäle ausgeschöpft werden müssen. Warum also nicht auf eine Botschaft setzen, die auch passiv Jobsuchende sowie Verwandte und den Freundeskreis potenzieller Bewerber:innen erreicht? Für die vier offenen Stellen wurden 17.000 unadressierte Werbemailings im Einzugsgebiet rund um den Firmensitz versandt. „Wir haben einen aufklappbaren Flyer verschickt, der für unsere Botschaften mehr Platz als eine MaxiPostkarte geboten hat“, erklärt Kammerer. Das ausklappbare Mailing gab dem Unternehmen die Möglichkeit, sich als moderner Arbeitgeber zu positionieren sowie die Werte und die Unternehmenskultur zu vermitteln. Auch Mitarbeitende kamen zu Wort. „So konnten potenzielle Bewerber einen besseren Eindruck erhalten, wie es ist, bei uns zu arbeiten“, sagt Kammerer weiter.
Zudem habe so ein Print-Mailing den großen Vorteil, dass es länger im Haushalt liegen bleibe und über längere Zeit beachtet werde, so Kammerer, der im Vergleich zu früheren Kampagnen einen Bewerber-Anstieg von rund 320 Prozent verzeichnen konnte. Einer der Gründe, warum die nächste Print-Mailing-Aktion bereits geplant ist. „Wir werden Anfang nächsten Jahres eine Azubi-Aktion starten“, sagt der Leiter Online Marketing. So soll ein QR-Code auf dem Mailing zu einem Video führen. Das Unternehmen verspricht sich von der Verbindung von offline und online weiteren Zuspruch.