Dieser Beitrag ist die gekürzte und modifizierte Form eines Kapitels, welches im Sammelband “Ethik im Personalmanagement – Zentrale Konzepte, Ansätze und Fragestellungen” (Hrsg.: Kaiser, S. & Kozica, A. 2012) im Verlag Rainer Hampp, in der Schriftenreihe des Deutschen Netzwerk für Wirtschaftsethik (DNWE), Folge 21, erschienen ist.

Das Prinzip der Nachhaltigkeit hat in vielen Vorstandsetagen deutscher Unternehmen aber auch im Mainstream der deutschen Betriebswirtschaftslehre Einzug gehalten. Das Personalmanagement nimmt das Thema ‚Sustainability‘ jedoch bisher kaum an und auch nicht die proaktive Rolle, die der Funktion hierbei zukommt. Bisher werden umweltorientierte und soziale Ansätze meist in separaten Unternehmensfunktionen betrachtet, ohne die Auswirkungen auf das Personalmanagement zu bedenken.

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Foto von Luca Bravo

Vor cirka. 25 Jahren erschien der berühmte Brundtland-Report der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung (WCED 1987). Dieser Bericht hat entscheidend dazu beigetragen, Menschen weltweit für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren und die Definition von nachhaltiger Entwicklung als „development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“ zu verbreiten. Nachhaltigkeit befasst sich nach dieser Definition damit, Ressourcen weltweit zukunftsorientiert zu erhalten und zu erneuern, damit sie langfristig auch für zukünftige Generationen sowie für Menschen in sich entwickelnden Nationen zur Verfügung stehen.

Für das Personalmanagement ist Nachhaltigkeit in zweierlei Hinsicht relevant: Einerseits erweitert die Nachhaltigkeitsidee strategische Ziele um soziale und ökologische Komponenten. Andererseits unterstützt nachhaltiges Personalmanagement die Analyse der Bedingungen der Regeneration und Reproduktion von Personal. Insofern könnten Personalabteilungen und -ressorts einen Paradigmenwechsel anstoßen: Indem sie durch einen neuen, bewussteren Umgang mit Personal zu einer nachhaltigen Entwicklung ihres Unternehmens und womöglich auch der Gesellschaft beitragen.

Bisher spielen jedoch in der Personalforschung und -praxis Nachhaltigkeitsüberlegungen eine eher untergeordnete Rolle. Scheinbar glauben viele Personaler, dass das Thema Nachhaltigkeit sie nicht beträfe, da es ein rein ökologisches und/oder gesellschaftliches Thema sei. Zumindest in Deutschland liegt die Vermutung nahe, dass das Personalmanagement schon immer mehr oder weniger explizit den Anspruch hatte, nachhaltig im Sinne von zukunftsfähig zu sein. Das volle Potential der Nachhaltigkeitsidee für das Personalmanagement ist damit jedoch noch längst nicht ausgeschöpft.

Nachhaltiges Personalmanagement umfassend definieren

Es lohnt sich, in Praxis und Forschung das jeweils verwendete Nachhaltigkeitsverständnis genauer zu betrachten, da hinter der Rechtfertigung nachhaltigen Handelns (häufig implizit) Rationalitäten oder Wertorientierungen verborgen liegen. Das zu Beginn zitierte Nachhaltigkeitsverständnis der Brundtland-Kommission kann als weltweit dominierende Definition betrachtet werden. Dennoch bezieht diese Definition auf ein gesellschaftliches Verständnis von Nachhaltigkeit und wird somit den Anforderungen von Unternehmen oder des Personalmanagements nur unzureichend gerecht.

Der Nachhaltigkeitsbegriff hat in Europa eine sehr lange Tradition, da er sowohl auf Aristoteles zurückgeführt, als auch in der Europäischen Wald- und Fischwirtschaft erstmals aus ökonomischen Gründen systematisch angewendet wurde (vgl. Tabelle 1). Das moderne Verständnis von Nachhaltigkeit stellt sich aufgrund größerer globaler Wechselwirkungen und kürzerer zeitlicher Bezugszeiträume heute wesentlich komplexer dar als etwa zu Zeiten der Einführung nachhaltiger Forstwirtschaft.

Tabelle: Entwicklung des Nachhaltigkeitsbegriffs und Diffusion in das Personalmanagement

Periode Analyseebene Anwendung
2010er Personalmanagement Nachhaltiges Personalmanagement als strategisches,

integratives Konzept (z.B. Ehnert 2009a;

Ehnert/Harry/Zink 2012)

2000er Personalmanagement, CSR Nachhaltigkeit als ethisch-moralischer Wert i.S.v.

sozialer Verantwortung (z.B. Boudreau/Ramstad 2005;

Mariappanadar 2003; Zaugg 2009)

1990er

Unternehmen

Nachhaltigkeit als Balance von Ressourcenverbrauch und

–reproduktion aller Ressourcen im Unternehmen

(Müller-Christ and Remer 1999)

Ökonomische Nachhaltigkeit ist unzureichend für einer

unternehmerische Nachhaltige Entwicklung, stattdessen

‘Triple bottom line’ (Elkington 1994)

1987 Weltgemeinschaft,

Gesellschaft

Nachhaltigkeit als inter- und intragenerationale

Gerechtigkeitsmetapher: ‘Meet the needs of the present

without compromising future needs’ (WCED 1987: 8)

1970er Ökologie, Entwicklungshilfe Sensibilisierung für insbesondere ökologische Probleme

ökonomischen Wachstums in Verbindung mit rasanter

Entwicklung der Weltbevölkerung (Club of Rome:

‘Limits of Growth’)

(Meadows/Meadows/Randers/Behrens 1972)

12th-

19th

century

Waldwirtschaft,

Fischwirtschaft

Ressourcenverbrauch und -nachschub sind

auszugleichen, wenn langfristiges Wirtschaften mit der

Ressource angestrebt wird

Ca. 400

vor Chr.

Haushaltsökonomische Idee

von Nachhaltigkeit

Aristoteles Haushalt (oikos) als konsum- und

reproduktionsorientierte Einheit (vgl. Müller-Christ,

5 Ina Ehnert

2001; Nagle, 2006)

Quelle: Erweitert von Ehnert 2009a: 35.

Wenn es darum geht, was Nachhaltigkeit für Unternehmen und insbesondere für das Personalmanagement bedeuten kann, stellt die ökonomische Interpretation von Nachhaltigkeit eine der größten Herausforderungen dar. Ein sehr verbreitetes, aber leider auch verkürztes Verständnis von Nachhaltigkeit, interpretiert Nachhaltigkeit als Business Case, als Grundlage für Effizienzsteigerungen und Innovationen und somit für Wettbewerbsvorteile.

Verkürzt ist dieses Verständnis, da es nicht sicherstellt, dass nachhaltiges Denken in Unternehmen noch eine Rolle spielt, wenn „grün“ nicht mehr „in“ ist und nicht mehr von den Märkten belohnt wird. Dieses Nachhaltigkeitsverständnis ist auch verkürzt, weil die Darstellung der Win-Win-Win-Lösungen von ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit (häufig dargestellt als Schnittmengenmodell von drei sich überschneidenden Kreisen) überschätzt wird und somit bei der Umsetzung in der Unternehmenspraxis leicht zu Frustrationen bei den Beteiligten führen kann.

Das Problem dabei: Berücksichtigen Unternehmen die drei Dimensionen tatsächlich gleichwertig und wenn ja, wie? Oder ordnen sie die ökologische und soziale Dimension der ökonomischen unter? Letzteres scheint bei der Mehrheit der Unternehmen der Fall zu sein, auch wenn damit nur diejenigen (Neben- und Rück-)Wirkungen auf Umwelt, Gesellschaft oder Personal betrachtet und korrigiert werden, die sich unmittelbar negativ auf das Geschäftsergebnis auswirken. Diese Wirkungen werden dann meist im Sinne eines Frühwarnsystems als unternehmerische Risiken überwacht. Eine tatsächliche Integration der ökonomischen, sozialen und ökologischen Dimension findet jedoch kaum statt.

Besonders für das Personalmanagement ist dieses Verständnis von Nachhaltigkeit nicht sehr vielversprechend, da die Analogie der Ressourceneffizienz hier nicht funktionieren wird. Ein zweites ökonomisch motiviertes, jedoch erweitertes bzw. substanzerhaltungsorientiertes Verständnis definiert Nachhaltigkeit als Quotient von Ressourcenverbrauch zu Ressourcennachschub = 1. Alle Entscheidungen im Personalmanagement die zum langfristigen Ausgleich von verbrauchten und erneuerten Ressourcen führen, sind demnach nachhaltig. Dies bedeutet auch, dass einzelne Entscheidungen effizient oder nachhaltig sein können, denn es geht um die Summe der Entscheidungen und um die Balance – nicht um maximales Streben nach sozialer, ökonomischer oder ökologischer Nachhaltigkeit.

Verständnis von Personalmanagement weiterentwickeln

Aus einer Nachhaltigkeitsperspektive auf das Personalmanagement ist die Erkenntnis relevant, dass Personal und die Herkunftsquellen von Personal (Arbeitsmärkte, Universitäten, Schulen, Familien) bestimmten und teilweise sehr individuellen Eigengesetzlichkeiten folgen. Eigengesetzlichkeiten sind Bedingungen für die Entwicklung, Regeneration und Erneuerung der Ressource, die es zu beachten und zu verstehen gilt, wenn man langfristig darauf zugreifen möchte, um mit ihr zu wirtschaften.

Neben den Eigengesetzlichkeiten hat Personal aus Sicht eines nachhaltigen Personalmanagements auch einen Eigenwert, wie z.B. das Menschsein an sich, der Mensch in seinem Leben außerhalb der Organisation. Personal wird somit trotz des umstrittenen Begriffs „Ressource“ aus der Subjektperspektive verstanden, d.h., es gilt, das Personal menschlich zu behandeln, zu pflegen, zu entwickeln und zu fördern.

Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass Mitarbeiter sich in einem Unternehmen wohlfühlen, dass sie motiviert und engagiert sind, sondern auch wie sich die langfristigen Beziehungen zwischen Mitarbeiter und Unternehmen in Krisensituationen und ökonomisch guten Zeiten entwickeln und wie sich der Umgang mit Personal in Unternehmen langfristig auf die Verfügbarkeit von Personalressourcen auswirkt. Der arbeitende Mensch wird somit auch in einer Weise betrachtet, die nicht an der Unternehmensgrenze endet, sondern Neben-, Rück- und Wechselwirkungen auf sein Engagement und seine Qualifikation betreffen. Auch die Auswirkungen seiner Arbeit auf die ökologische und soziale Umwelt (z.B. Familie und Gesellschaft) spielen eine Rolle. Dafür bedarf es neben einem erweiterten Personalbegriff auch einem breiteren Verständnis von Personalmanagement.

Nachhaltiges Personalmanagement kann das Verständnis von HRM folgendermaßen ausbauen:

1. durch ein erweitertes Zielsystem

2. durch eine explizite Berücksichtigung des Zeitaspektes bzw. langfristiger Wirkungen auf die Zukunft des Unternehmens und des Personalmanagements

3. durch ein erweitertes Verständnis von Strategie und Erfolg

1. Zielsystem erweitern

Personalmanagement ist in traditioneller Sichtweise immer zielorientiert. Besonders in der deutschen Personallehre ist die duale Zielsetzung (Ziele des Unternehmens sowie Ziele der Mitarbeiter) schon lange fester Bestandteil des Denkens. Die Sicht eines nachhaltigen Personalmanagements ergänzt einerseits ein reines Zweck-Mittel-Denken durch ein Bestands(Substanz)-Erhaltungsdenken. Andererseits erweitert diese Perspektive das Zielsystem. Zusätzliche Aspekte können dabei beispielweise (Menschen-)Rechte von Mitarbeitern in der gesamten Lieferkette, Wohlbefinden von Mitarbeitern, Corporate Volunteering (freiwillige, unbezahltes Engagement von Mitarbeitern eines Unternehmens für dessen soziale Umgebung wie Gemeinde und Städte oder freiwilliges Engagement der Mitarbeiter für die ökologische Umwelt) sein.

Diese verantwortungsorientierte Sichtweise hat inzwischen in der internationalen Literatur unter verschiedenen Begriffen mit jeweils anderen Schwerpunkten Einzug gehalten. Zusammenfassen lassen sich diese Ansätze mit dem Begriff „Responsible HRM“, also verantwortungsorientiertes Personalmanagement, ein wichtiger Teilbereich des nachhaltigen Personalmanagements. Darüber hinaus kommen zum klassischen Personalmanagement nicht nur soziale Zielsetzungen hinzu, sondern zunehmend auch ökologische Zielsetzungen.

Auch diese Erweiterungen fungieren bisweilen unter dem Begriff „Sustainable HRM“ oder auch „Green HRM“ (ökologisches Personalmanagement). Effizientes und effektives wirtschaftliches Handeln soll möglichst wenig negative Wirkungen auf die natürliche Umwelt haben. Die ökologische Dimension wird dabei als fester Bestandteil der Unternehmensstrategie sowie der Personalstrategie betrachtet.

2. Zukunft in die Gegenwart integrieren

Nachhaltiges Personalmanagement berücksichtigt kurz- sowie langfristige Wirkungen personalwirtschaftlicher Entscheidungen. Aus dieser systemischen Perspektive ist es ökonomisch rational, „Nebenwirkungen“ von Arbeit auf Personal zu erfassen und potentielle Rückwirkungen von Personalentscheidungen (z.B. Entlassungen) auf die zukünftige Ressourcensituation des Unternehmens zu berücksichtigen.

Ziel ist es, die erwartete Zukunft in die Gegenwart zu integrieren. Es kommt darauf an, sogenannte Eigengesetzlichkeiten und Eigenwertigkeiten von Personal bei Personalentscheidungen zu berücksichtigen, auch wenn dies kurzfristig Investitionen oder Rücksichtnahme bedeutet. Letztendlich beinhaltet dies also auch, dass Unternehmen darauf verzichten, die Ressource Personal maximal auszunutzen, um sich hiermit in Zukunft weiterhin den Zugang zur Ressource und das Engagement der Mitarbeiter zu erhalten.

3. Erfolgsbegriff des Personalmanagements erweitern

Unternehmerischer Erfolg kann im Sinne eines nachhaltigen Personalmanagements die ökonomische Rationalität um die Komponente einer langfristigen Sicherung der benötigten Personalressourcen erweitern (Substanzerhaltung). Damit sich diese „Ressource“ erneuert und entwickelt, sind aktive Investitionen im Unternehmensumfeld nötig, die für den Nachschub mit Personal zuständig sind (z.B. Kooperation mit Schulen und Universitäten, Ausbildung von Azubis oder Unterstützung berufsbegleitender MBAs).

Der Erfolgsbegriff des Personalmanagements entwickelt sich somit von einem reinen Zweckdenken hin zu einem ressourcenerhaltenden Bestandsdenken. Nachhaltigkeit wird zur Überlebensstrategie für das Unternehmen. Dabei sind jedoch dynamische Umweltentwicklungen zu berücksichtigen. Die Aufgabe des Personalmanagements ist es, sich noch systematischer als bisher mit den Grundlagen der Erneuerung und Entwicklung von Ressourcen zu beschäftigen und sich bewusst zu machen, dass Unternehmen nur gemeinsam mit ihren Umwelten überleben werden. Die Integration von ökologischen und sozialen Zielsetzungen geht somit einher mit einer veränderten Herangehensweise bei der der Auswahl, Entwicklung oder Entlassung von Personal. Personalverantwortliche können außerdem stärker das soziale und ökologische Engagement der Beschäftigten fördern und – wie erste Forschungsergebnisse vermuten lassen – somit besonders bei jungen Mitarbeitern zu attraktiveren Arbeitgebern avancieren.

Außerdem wird vermutlich auch die Erweiterung der ökonomischen Rationalität um ethisch-moralische Überlegungen eine Rolle spielen. Ethische Überlegungen sind nicht nur eine Frage des ökonomischen Überlebens. Es geht vielmehr auch darum, wie Menschen in Unternehmen miteinander umgehen möchten und wie diese Umgangsweise dazu beiträgt, Werte in Unternehmen, Unternehmenskulturen und ihrem künftigen Verhältnis zur Gesellschaft zu entwickeln. Unternehmen können sich dafür entweder an vorgegebene Rahmenabkommen (wie z.B. Global Reporting Initiative) anschließen oder selbst aktiv einen personalethischen Diskurs gestalten.

Nachhaltigkeit im Personalmanagement implementieren

Personalmanager, die Nachhaltigkeit in ihre praktische Arbeit integrieren möchten, müssen sich zunächst konzeptionell Gedanken über die Auswirkungen des Nachhaltigkeitsgedankens auf das gesamte Personalmanagementsystem ihres Unternehmens machen. In der Praxis sind die Ansätze bisher kaum umfassend, integriert oder ganzheitlich. Häufig kommt es nicht dazu, dass Prinzipien von Nachhaltigkeit implementiert werden, weil der Begriff selbst für das Personalmanagement diffus bleibt oder man sich rasch einem Nachhaltigkeitsbegriff anderer Unternehmen anschließt, auch wenn dies eventuell im eigenen Unternehmen nicht zu den erwünschten Effekten führt.

Die bisherige Diskussion mit Praktikern hat gezeigt, dass für die erfolgreiche Implementierung eines nachhaltigen Personalmanagements die personalphilosophischen Grundannahmen des Top-Managements, der Linienverantwortlichen sowie des Personalmanagements von entscheidender Bedeutung sind.

Personalverantwortlich müssen sich nicht nur fragen, was die Leistungsfähigkeit, Motivation und das Engagement ihres Personals ausmacht und wie sie diese langfristig erhalten können, sondern auch neue Fragen stellen wie

• Wo kommt unser Personal her?

• Was braucht unser Personal heute und in Zukunft, um leistungsfähig und -bereit zu bleiben?

• Welche Wertvorstellungen und Einstellungen liegen unserem Umgang mit Personal zugrunde?

• Was bedeutet Nachhaltigkeit für uns?

• Was bedeutet Nachhaltigkeit für andere Unternehmen in unserer Branche?

• Welche Ziele möchten wir mit Nachhaltigkeit im Personalmanagement erreichen?

• Welche Rationalitäten und/oder Wertvorstellungen und Einstellungen verbinden wir mit Nachhaltigkeit?

• Wie verändern sich durch die Idee der Nachhaltigkeit unsere Personalstrategie und unsere Personalprozesse?

Diese Überlegungen können auch eine gewisse Zuliefermentalität in der Praxis in Frage stellen, die sich durch den Selbstanspruch des Personalmanagements ergeben hat, Personal in der richtigen Qualität, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort bereitzustellen. An dessen Stelle könnten Überlegungen treten, wie alle Beteiligten dazu befähigen werden können, ihre Entscheidungen und den Umgang mit Personal auf langfristige Regeneration und Erneuerung auszurichten.

Hierzu gehört beispielsweise auch, dass das Management einen gesunden, regenerierenden Lebensstils vorlebt und das Personal beim Umgang mit Widersprüchen und Spannungen, die sich aus dem operativen Tagesgeschäft und den langfristigen Nachhaltigkeitszielen des Unternehmens oder des Personalmanagements ergeben können, unterstützt.

Doppelrolle annehmen

Dieser Beitrag möchte deutlich machen, dass das Personalmanagement eine wichtige Doppelrolle einnimmt: zum einen das Personalmanagement selbst nachhaltig im Sinne von substanzerhaltend machen, zum anderen die Implementierung der Nachhaltigkeitsidee in den verschiedenen Subfunktionen und -prozessen des Personalmanagements sowie des gesamten Unternehmens zu unterstützen.

Für die Implementierung eines nachhaltigen Personalmanagements ist es notwendig, dass die in diesem Beitrag angesprochenen Überlegungen für den jeweiligen Unternehmenskontext angepasst werden. Personalmanager müssen etwaige Barrieren, die der Implementierung eines nachhaltigen Personalmanagements und des Nachhaltigkeitsgedankens im Gesamtunternehmen entgegenstehen, identifizieren und überwinden. Diese Barrieren beginnen beim fehlenden Wissen über Nachhaltigkeit und enden bei eventuell fehlenden Personalmanagementinstrumenten (z.B. zur Messung und Entwicklung von Kompetenzen eines Sustainable Leadership, d.h., einer nachhaltigen Unternehmensführung).

Dies ist eine Aufgabe, die das Personalmanagement nicht allein den CSR- und Nachhaltigkeitsabteilungen überlassen, sondern die es selbst aktiv mitgestalten sollte.

Literaturhinweise

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Jackson, Susan E. /Douglas W. S. Renwick/Charbel J. C. Jabbour/Michael Muller-Camen (2011): State-of-the-art and future directions for green human resource management: Introduction to the special issue. Zeitschrift für Personalforschung, Jg. 25, Nr. 2, S. 99-116.

Kozica, Arjan M.F. (2011): Personalethik: Die ethische Dimension personalwissenschaftlicher Forschung, Frankfurt/Main et al.: Peter Lang. Pfeffer, Jeffrey (2010): Building sustainable organizations: The human factor, in: Academy of Management Perspectives, Jg. 24 No. I, S. 34-45.

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Zaugg, Robert J. (2009): Nachhaltiges Personalmanagement: eine neue Perspektive und empirische Exploration des Human Resource Management. Ed. neue betriebswirtschaftliche forschung (nbf); 375. Wiesbaden, Deutscher Universitätsverlag.