Was ist nachhaltiges Personalmanagement?

Nachhaltiges Personalmanagement (NPM) ist für uns nicht nur eine bestimmte Ausrichtung der Personalarbeit, sondern ein ganzheitliches, in sich stimmiges Gesamtkonzept, das sich an langfristigen Zielen orientiert. NPM verfolgt nicht den schnellen, kurzfristigen Erfolg, sondern die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Nicht das Denken in Quartals- oder Jahreszyklen bestimmt das Handeln, sondern die Gestaltung und Entwicklung des Unternehmens über Generationen hinweg. Die richtigen Mitarbeiter fi nden, sie befähigen, motivieren, fördern und fordern und sie auch jenseits des 55. Lebensjahres beschäftigungsfähig zu halten, das sind die Herausforderungen, denen sich Personalverantwortliche stellen müssen. Der Fokus nachhaltigen Personalmanagements liegt also nicht auf Kostenoptimierung, sondern im Entwickeln und Ausschöpfen von Potenzialen. NPM ist in erster Linie eine gestaltende und kulturprägende, auf Visionen und fundamentalen Werten wie Vertrauen, Partnerschaft und gegenseitiger Wertschätzung beruhende Personalarbeit.

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Foto von Austin Distel

Mitarbeiterorientierung ist eine wichtige Voraussetzung dafür. Hinzu kommt eine hohe Aufgaben-, Ergebnis- und Leistungsorientierung, die sich unter anderem über klare, messbare und anspruchsvolle Ziele, sichere Prozesse und Arbeitsabläufe sowie effi ziente Kommunikationsstrukturen sicherstellen lässt. Damit nachhaltige Personalarbeit erfolgreich sein kann, muss sie klar defi nierten Prinzipien folgen und Instrumente einsetzen, die sich in der Praxis bewährt haben. Den Nährboden, auf dem diese Prinzipien und Instrumente erst ihre Wirkung entfalten, bildet ein positives Menschenbild.

Die Grundvoraussetzung: ein positives Menschenbild

Wie wir mit Menschen umgehen, hängt im Wesentlichen davon ab, welches Bild wir von ihnen haben. Wer davon ausgeht, dass seine Mitarbeiter gerne Leistungen vollbringen und Verantwortung übernehmen, dass sie Sinn, Selbsterfüllung und Selbstverwirklichung in ihrer Arbeit suchen und nicht zuletzt bereit sind, sich zugunsten von Zielen der Selbstdisziplin und Selbstkontrolle zu unterwerfen, der wird – bewusst oder unbewusst – entsprechend mit ihnen umgehen. Er wird ihnen Wertschätzung und Vertrauen entgegenbringen, Verantwortung übertragen und Freiräume einräumen. Er wird sie auf dem Laufenden halten und in Entscheidungen einbeziehen, Interesse für sie zeigen und ihre Belange berücksichtigen. Die Mitarbeiter werden merken, dass es auf sie ankommt und dass ihre Vorgesetzten ihnen etwas zutrauen. Sie werden die Freiräume zu schätzen wissen, ohne sie auszunutzen, und sich an Erfolgen freuen, die sie selbst erzielt haben und die sie wiederum für weitere Anstrengungen motivieren. Außerdem werden sie alles daransetzen, die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen, denn sie spüren den „schmeichelnden“ Druck der Verantwortung, der auf ihnen lastet (Douglas McGregor 1970).

Abbildung 1: Das NPM-Konzept im Gesamtüberblick

Umgekehrt wirkt diese selbsterfüllende Prophezeiung auch. Wer seine Mitarbeiter herablassend und unmündig behandelt, ihnen ständig das Gefühl vermittelt, dass sie nur Befehlsempfänger sind und froh sein müssen, einen Job zu haben, wer ihnen nichts zutraut, sie ständig kommandiert, kontrolliert und kritisiert, der darf sich nicht wundern, wenn sie sich entsprechend verhalten. Diese Mitarbeiter gehen in die Defensive. Sie folgen zwar den Anweisungen und Vorschriften, aber sie stellen jegliche Eigeninitiative ein. Im besten Fall machen sie „Dienst nach Vorschrift“ und bestätigen damit genau das Bild, das ihr Chef von ihnen hat. Hier gilt: „Jede Führungskraft bekommt auf Dauer die Mitarbeiter, die sie verdient“.

NPM-Prinzipien – die Erfolgsfaktoren

Die Praxis zeigt, dass eine nachhaltige Personalarbeit sechs grundlegenden Prinzipien folgen sollte, um erfolgreich zu sein (Jürgen Weißenrieder/Marijan Kosel 2005):

  • Führung als Schlüssel zum Erfolg betrachten und nutzen
  • Klare Ziele setzen
  • Betroffene zu Beteiligten machen
  • Konsequent an Ergebnissen, Qualität und Leistung orientieren
  • Eine Kultur der Offenheit im Unternehmen schaffen
  • Mitarbeiter am Erfolg beteiligen

NPM-Instrumente in den zwölf Themenfeldern

Die Aufgabe des Personalmanagements lässt sich im Kontext der Nachhaltigkeit wie folgt beschreiben: passende Mitarbeiter fi nden, entwickeln und fördern, für das „richtige Zusammenspiel“ sorgen, sie an das Unternehmen binden und bis zum Rentenalter leistungsfähig halten. Aus dieser Beschreibung lassen sich die Personalaufgaben in zwölf Themenfelder unterteilen:

  1. Personalbeschaffung
  2. Führung
  3. Unternehmensleitbild, -strategie und -ziele
  4. Systematische Personalentwicklung
  5. Teamentwicklung
  6. Information und Kommunikation
  7. Umgang mit Veränderungen (Change-Management)
  8. Kontinuierliche Prozessverbesserung
  9. Leistungs- und ergebnisorientierte Vergütung
  10. Beschäftigungsfähigkeit älterer Mitarbeiter
  11. Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf
  12. Betriebsklima und Unternehmenskultur

Für ihre Arbeit innerhalb der genannten Themenfelder benötigen Personalverantwortliche bewährte Instrumente, Methoden und Werkzeuge, mit denen sie Prozesssicherheit in der Personalarbeit sicherstellen können. Dazu gehören Feedbackgespräche mit den Mitarbeitern ebenso wie Führungskräfte-Audits oder Zielvereinbarungssysteme.

Die konkrete Ausgestaltung der Instrumente hängt von den jeweiligen Gegebenheiten und Zielsetzungen des Unternehmens ab. Wichtig ist vor allem, dass sie aufeinander abgestimmt sind, ineinander greifen und sich sinnvoll ergänzen. Allerdings: Ohne ein positives Menschenbild gerät der strikte Einsatz der NPM-Instrumente – und mögen sie noch so ausgeklügelt sein – zu einem technokratischen und seelenlosen „Bedienen der Systeme“, das nicht die erhofften Effekte und Erfolgserlebnisse erzielen wird.

Studie zeigt: Nachhaltiges Personalmanagement lohnt sich

Eine nachhaltige Personalarbeit, die auf einem positiven Menschenbild beruht, zahlt sich für Unternehmen aus, wie eine Studie des Beratungsunternehmens WEKOS belegt. Die Erhebung, an der im Jahr 2008 insgesamt 84 Industrieunternehmen mit 100 bis 5.000 Mitarbeitern teilnahmen, ging der Frage nach, welche Auswirkungen nachhaltiges Personalmanagement auf personalwirtschaftliche und unternehmerische Erfolgsgrößen hat. Im ersten Schritt befragten die Autoren die teilnehmenden Personalleiter mithilfe eines strukturierten Fragebogens, welche Bedeutung die zwölf Themenfelder nachhaltiger Personalarbeit für sie haben.

Die Teilnehmer sollten für jedes Themenfeld folgende Fragen beantworten:

  • „Wie wichtig ist Ihnen das Themenfeld?“
  • „Was tun Sie konkret in diesem Themenfeld?“
  • „Welche Wirkung beziehungsweise welchen Erfolg messen Sie dem bei?“

In einem zweiten Schritt führte WEKOS eine Mitarbeiterbefragung durch, die die Einschätzungen der Beschäftigen bezogen auf die zwölf Themenfelder erfassen sollte.

Den Unternehmenserfolg bestimmten die Autoren über die Entwicklung von Umsatz, Umsatzrendite, Eigenkapitalquote und – sofern vorhanden – über die Ratingergebnisse. Aufgrund der Daten, die mehr als zwei Drittel der Teilnehmer bereitstellten, ließen sich die meisten Unternehmen hinsichtlich ihres Erfolgs vergleichen. Die Studie teilt sie in vier Erfolgsklassen ein:

a) Im Vergleich sehr erfolgreich

b) Im Vergleich erfolgreich

c) Im Vergleich durchschnittlich erfolgreich

d) Im Vergleich unterdurchschnittlich erfolgreich

Aus den Daten wurde der sogenannte „NPMIndex“ gebildet, der alle Aussagen einbezieht, die sich einer nachhaltigen Gestaltung des Personalmanagements zuordnen lassen, wie zum Beispiel:

  • „Wir führen neue Mitarbeiter systematisch in unser Unternehmen ein.“
  • „Wir verfügen über ein Führungskräfteentwicklungskonzept.“
  • „Wir verfügen über ein schriftlich fixiertes Unternehmensleitbild.“
  • „Bei uns existiert ein Nachwuchsförderkreis.“

Der NPM-Index drückt aus, welche Bedeutung die Unternehmen den NPM-Instrumenten und -Prinzipien beimessen und in welchem Umfang sie NPM-Instrumente einsetzen. Die Korrelation von NPM-Index und Unternehmenserfolg zeigt eindeutig, dass sehr erfolgreiche Unternehmen den Personalmanagementaufgaben mit einem Mittelwert von 1,9 eine signifikant höhere Bedeutung beimessen und in einem stärkeren Umfang nachhaltige Personalmanagementinstrumente einsetzen als dies im Vergleich unterdurchschnittlich erfolgreiche Unternehmen tun. Bei diesen beträgt der Mittelwert nur 2,9 (Abbildung 2).

Abbildung 2: NPM-Index (Instrumente, Bedeutung und Wirksamkeit)

Die zentrale und empirisch nachgewiesene Erkenntnis lautet damit: Unternehmen, die über ein professionelles und langfristig ausgerichtetes Personalmanagement verfügen, weisen einen signifikant höheren Unternehmenserfolg als andere auf. Darüber hinaus bietet die Studie einige weitere Erkenntnisse:

  • Führung ist (tatsächlich) der Schlüssel zum Erfolg: Die Korrelationsanalyse zeigt hier eine signifikante Korrelation von 0,33 zum Unternehmenserfolg.
  • Die höchste Korrelation mit dem Unternehmenserfolg weist eine systematische Personalentwicklung auf (r = 0,42). Für 88 Prozent der befragten Personalleiter hat eine systematische Personalentwicklung einen hohen Stellenwert, aber nur 37 Prozent der befragten Mitarbeiter bewerten die Weiterbildungsmöglichkeiten in ihrem Unternehmen als gut.
  • Daneben haben vor allem Nachwuchsförderung und Unternehmenskultur einen signifikanten Einfluss auf den Erfolg eines Unternehmens. Noch wichtiger ist allerdings die Erkenntnis, dass es weniger auf die einzelnen Themenfelder ankommt, sondern auf das Zusammenspiel der Aktivitäten und Instrumente in allen Themenfeldern.
  • Die Unternehmensgröße hat keine Auswirkungen auf die Qualität des Personalmanagements. Dies zeigt, dass sich eine erfolgreiche und nachhaltige Personalarbeit nicht nur in großen, mit speziellen Ressourcen ausgestatteten Unternehmen umsetzen lässt, sondern dass auch mittelständische Organisationen mit weniger Finanz- und Personalressourcen durch persönliches Engagement, Erfindungsgeist und individuelle Zuwendung Hervorragendes leisten können.
  • Die demografische Entwicklung und die Beschäftigungsfähigkeit älterer Mitarbeiter scheinen in den Unternehmen noch kein Schwerpunktthema zu sein. Diesem Themenfeld maßen die Teilnehmer die geringste Bedeutung bei.
  • Der Vergleich der Einschätzungen durch die Personalleiter mit den Ergebnissen der Mitarbeiterbefragung förderte beachtliche Unterschiede zutage. Die HR-Verantwortlichen schätzen die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter deutlich höher ein als die Führungskräfte und diese wiederum deutlich höher als ihre Mitarbeiter. Hierzu exemplarisch zwei prägnante Beispiele:
  1. 88 Prozent der Personalleiter schätzen das Klima im Unternehmen als offen und vertrauensvoll ein, aber nur 37 Prozent der Mitarbeiter teilen diese Meinung.
  2. 88 Prozent der Personalleiter halten die Mitarbeiter im Unternehmen für motiviert, aber nur 34 Prozent der Mitarbeiter selbst sehen das auch so.

Diese Erkenntnis sollte Unternehmen ermutigen, regelmäßige Mitarbeiterbefragungen durchzuführen, um ein besseres Gespür für die Situation im Unternehmen und damit auch eine gesicherte Entscheidungsbasis zu erhalten.

Fazit

Der Nachweis ist geführt: Nachhaltiges Personalmanagement leistet einen Beitrag zum Unternehmenserfolg. Gleichzeitig sei darauf hingewiesen, dass Organisationen, die sich nicht mit den Prinzipien der Nachhaltigkeit identifizieren können, gut überlegen sollten, ob sie NPM-Instrumente einsetzen. Ein bloßes Aneinanderreihen der Werkzeuge ohne entsprechende Grundhaltung und Kultur kann sich kontraproduktiv auswirken. Im Klartext: Wenn die Firmenleitung nicht hinter den NPM-Prinzipien steht, können Unternehmen getrost auf ihre Einführung verzichten. Dass viele Arbeitgeber bereits erkannt haben, wie wichtig nachhaltiges Personalmanagement ist, zeigt der Umgang mit den Humanressourcen in der derzeitigen Krise. Niemals zuvor haben Unternehmen in Krisenzeiten so vehement versucht, mit Kurzarbeit, Soli-Zeitkonten und anderen Instrumenten an ihren Stammbelegschaften festzuhalten. Vermehrt ist von einer funktionierenden „Sozialpartnerschaft“ die Rede, bei der beide Seiten bereit sind, Verzicht zu üben.

Literaturtipps

Nachhaltiges Personalmanagement – Acht Instrumente zur praktischen Umsetzung.

Von Jürgen Weißenrieder und Marijan Kosel, Gabler 2005.

Der Mensch im Unternehmen.

Von Douglas McGregor, Econ 1970.

Quelle: personal manager 5/2009