LANDLUST STATT LANDFRUST – DAS hilft gegen das Imageproblem!

Ländliche Regionen sind vom Fachkräftemangel stärker betroffen als die Städte. Vor allem Unternehmen, deren Namen oder Produkte kaum jemand kennt, tun sich besonders schwer geeignetes Personal zu finden. Wie spricht man die Zielgruppen an? Welche Kanäle sind erfolgversprechend? Welche Möglichkeiten bieten lokale Jobbörsen? Vor allem mit Blick auf die junge Generation ist es wichtig, sich als Arbeitgebermarke richtig in Stellung zu bringen.

Wegen Personalmangels haben wir heute geschlossen“ – in Läden, Restaurants, Reinigungen fehlt Personal. Aber nicht nur da. Auch in vielen Betrieben tritt der Mangel zutage. Im ländlichen Raum sogar besonders massiv. „Wir sehen, dass städtisch geprägte Ballungsgebiete wie München, Berlin, Hamburg oder das Ruhrgebiet in den meisten Berufen eine etwas entspanntere Arbeitsmarktsituation aufweisen“, sagt Lydia Malin, Senior Researcher für Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte beim Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW), das sich mit dem Thema Fachkräftemangel auseinandersetzt. „Rechnerisch konnten beispielsweise in Brandenburg im vergangenen Jahr 51 Prozent der offenen Stellen für Qualifizierte nicht besetzt werden, da es innerhalb der jeweiligen Region keine passend qualifizierten Arbeitslosen gab. Im Raum Würzburg waren es sogar 75,5 Prozent und in Schweinfurt 74,9 Prozent“, erklärt Malin, die sich auf Daten des IW-Fachkräftedatenbank auf Basis von Sonderauswertungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) und des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) aus dem Jahr 2024 bezieht. „Damit gehören insbesondere die Arbeitsagenturbezirke Würzburg und Schweinfurt zu den Top-5 Arbeitsagenturbezirken mit der relativ betrachtet angespanntesten Arbeitsmarktlage.“

Wir sehen, dass städtisch geprägte Ballungsgebiete wie München, Berlin, Hamburg oder das Ruhrgebiet in den meisten Berufen eine etwas entspanntere Arbeitsmarktsituation aufweisen.

Ankämpfen gegen das dröge Image des ländlichen Raumes

Ein Beispiel, wie Regionen außerhalb der Städte wieder attraktiver werden können, liefert Südwestfalen. Dort hat der Verein „Wirtschaft für Südwestfalen“ insgesamt 400 Mitgliedsunternehmen in der Region – sie sind neben fünf Landkreisen Gesellschafter der Südwestfalen Agentur. Diese wurde ins Leben gerufen, um Fachkräfte in die Region zu locken. Denn die Region ist zwar drittstärkste Wirtschaftsregion in Europa, aber sie ist sehr ländlich geprägt und stark von Abwanderung betroffen.

Es geht darum, das langweilige Image, das ländlichen Regionen manchmal anhaftet, zu korrigieren.

Marie Ting,
Leitung des Bereichs Regionalmarketing bei der
Südwestfalen Agentur

Marie Ting leitet den Bereich Regionalmarketing bei der Südwestfalen Agentur. Sie kennt die Pain Points der Unternehmen und hat bereits diverse Lösungen erarbeitet und umgesetzt. Zentraler Punkt ihrer Arbeit ist es, für die Region zu trommeln und ihre Vorteile in den Vordergrund zu stellen. „Es geht darum, das langweilige Image, das ländlichen Regionen manchmal anhaftet, zu korrigieren“, sagt Marie Ting. „Wer ländlich wohnt, kann beispielsweise mit dem Rad oder mit dem Auto ohne Stau zur Arbeit fahren, profitiert von den günstigeren Immobilienpreisen und genießt dank Wälder und Seen vor der Haustüre einen hohen Freizeitwert“. Neben einem angemessenen Gehalt sowie einem Dienstwagen oder -fahrrad ist auch der Erholungsaspekt ein wichtiger Faktor. Die aktuelle Kampagne „Komm und bleib“ zeigt beispielsweise einen Waldweg mit der Zeile: „So könnte Dein Feierabendverkehr aussehen“.

Weitere Projekt-Beispiele der Südwestfalen Agentur:

GAP Year. In dem 12 Monate dauernden Programm können Interessierte für jeweils drei Monate in unterschiedliche Unternehmen reinschnuppern.

„Summer of Pioneers“. Damit wurden Kreative und Selbständige angesprochen, die testweise erfahren wollten, wie es ist, in der Region zu arbeiten und zu wohnen.

Steckbrief. Menschen, die Interesse haben, in der Region zu arbeiten, schicken ihre Daten an die Agentur, die erstellt einen Steckbrief und schickt ihn an die Personalabteilungen der 400 Mitgliedsunternehmen.

Bei so viel Einsatz stellt sich natürlich die Frage nach dem Erfolg. Deshalb wird laut Ting alles getrackt: Wie viele Personen haben das GAP Year absolviert? Wie viele Menschen haben an dem „Summer of Pioneers“ teilgenommen oder haben einen Steckbrief erstellen lassen und wie viele Einstellungen haben sich durch die Teilnahme an Karrieremessen ergeben? „Niemand wird sich nur wegen eines Werbeplakates in der Region bewerben, doch das Zusammenspiel der Maßnahmen zahlt sich aus“, sagt die Expertin.

Niemand wird sich nur wegen eines Werbeplakates in der Region bewerben, doch das Zusammenspiel der Maßnahmen zahlt sich aus“, sagt die Expertin

Das, was die Agentur auf den Weg bringt, ist das eine, aber auch die Zusammenarbeit mit der Politik ist wichtig, denn diese „muss das Regionalmarketing wollen, besonders dort, wo der Wohnraum knapp ist und die Mobilität ein zusätzliches Problem darstellt“, sagt Ting und wartet gleich mit ein paar Vorschlägen auf: So könnten Kommunen und Unternehmen betriebsübergreifende „Boardinghouses“ ins Leben rufen, in dem die Fachkräfte auch nach Arbeitsschluss, wenn die Bordsteine bereits hochgeklappt sind, etwas gemeinsam unternehmen. Aber auch an den Nachwuchs müsse gedacht werden: Kinderbetriebstagesstätten oder ein Hort, in dem schulpflichtige Kinder der Mitarbeitenden nachmittags betreut werden, könnten schließlich „das Zünglein an der Waage sein, wenn es um die Entscheidung geht, wo man sich beruflich niederlässt“, sagt Ting.

Bei schlechter Weiterempfehlungsquote kann auch eine Kampagne nichts reißen

Wie sinnvoll es ist, die Kräfte zu bündeln, weiß man auch in der Region rund um Augsburg. Dort hat sich die Regio Augsburg Wirtschaft GmbH mit der TH Augsburg zusammengetan und das Transferprojekt „Fachkräftesicherung im ländlichen Raum“ angestoßen. In interdisziplinären Teams haben 30 Studierende das Personalmarketing von 14 Unternehmen analysiert und Praxis-Vorschläge zu unterschiedlichen Themen entwickelt.

Erreichbarkeit. „Nicht alle Auszubildenden oder Migranten haben einen Führerschein oder ein Auto. Warum sollten sich nicht mehrere Unternehmen zusammentun und einen Shuttle-Bus einrichten?“, sagt Erika Regnet, Professorin für Personalmanagement an der TH Augsburg, die das Projekt geleitet hat.

Wohnungsmarkt. „Es ist sinnvoll für Unternehmen, Azubi-WGs anzubieten oder den Mietvertrag für ihre internationalen Mitarbeitenden abzuschließen, weil es Migrantinnen und Migranten im Mietmarkt schwer haben“, so die Professorin.

Suchmaschinenoptimierung. Viele kleine und eher unbekannte Arbeitgeber werden in den Suchmaschinen gar nicht gefunden. „Suchmaschinenoptimierung und damit ein Platz auf den vorderen Rängen bei Google 4 Jobs, ist immens wichtig.“

Stellenanzeigen. „Wir haben bei unserer Studie auch gesehen, dass bei der inhaltlichen Gestaltung der Stellenanzeigen noch viel Luft nach oben ist“, so die Professorin. Oft werde nicht klar: Was macht das Unternehmen? Was wäre genau die Tätigkeit? „Besonders bei weniger bekannten Unternehmen sollte die Stellenanzeige wie eine Visitenkarte sein“, gibt die Expertin zu bedenken.

Mitarbeitende-empfehlen-Mitarbeitende-Programm. „Dabei erhalten Interessierte interne Informationen aus erster Hand und können sich ein eigenes Bild machen“, sagt Regnet, die ein solches Programm als „besonders wichtige Lösung“ sieht.

Mitarbeiterzufriedenheit. Nicht nur das Finden, auch das Binden der Fachkräfte ist ein entscheidender Faktor im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Ob sie sich im Job auch wohlfühlen, dafür sind Arbeitnehmerportale wie Kununu ein guter Indikator. „70 bis 80 Prozent Weiterempfehlungsquote sind gut, wer nur 40 bis 50 Prozent aufweisen kann, sollte kein Geld in eine Kampagne investieren, sondern erst einmal intern Veränderungsprozesse anstoßen, die zu einer höheren Zufriedenheit der Mitarbeitenden führt“, empfiehlt Regnet.

Erika Regnet,
Professorin für Personalmanagement
an der TH Augsburg

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