Mediation (lat. „Vermittlung“) ist ein strukturiertes Verfahren, mit dessen Hilfe die beteiligten Parteien einen Konfikt beilegen können. In diesem Verfahren unterstützt ein unparteiischer Dritter die Konfiktparteien, auch Medianden genannt, auf der Suche nach Lösungen. Wie Mediation funktioniert, lässt sich am Beispiel einer typischen Trennungssituation schildern:

three men sitting on chair beside tables
Foto von Austin Distel

Ein mittelgroßes Handelsunternehmen beschäftigt seit 15 Jahren einen mittlerweile 55-jährigen Mitarbeiter im Vertrieb. Aufgrund von Restrukturierungen will das Unternehmen das Dienstverhältnis aufösen. Denn aufgrund seines Alters und der Dauer seiner Unternehmenszugehörigkeit bezieht der Beschäftigte ein vergleichsweise hohes Gehalt, obwohl die jüngeren und „billigeren“ Kollegen teils gleich hohe, teils sogar höhere Umsatzergebnisse erzielen. Dem Geschäftsführer ist die Situation höchst unangenehm, denn er kennt den betroffenen Mitarbeiter und dessen Familie schon sehr lange. Daher entschließt er sich, den erst seit kurzem im Unternehmen beschäftigten Personalchef zu beauftragen, das Gespräch zu führen. Der HR-Verantwortliche führt das Kündigungsgespräch, übergibt das Kündigungsschreiben und bietet dem Mitarbeiter gleichzeitig eine einvernehmliche Auflösung mit einer großzügigen freiwilligen Abfertigungszahlung an. Zur großen Verwunderung des Geschäftsführers langt statt einer Reaktion des Dienstnehmers eine Woche später eine Klage auf Anfechtung der Kündigung im Unternehmen ein.

Der Firmenchef ist verärgert, weil der Mitarbeiter das großzügige Angebot der Abfindung nicht angenommen hat, und übergibt die Angelegenheit der externen Rechtsvertretung. Im darauf folgenden Gerichtsverfahren verhärten sich die Fronten besonders, als der Geschäftsführer die Gründe nennt, die zur Kündigung geführt haben: Neben den betrieblichen Ursachen führt er weitere persönliche Gründe an. Eine Kündigung des Dienstnehmers wäre nicht erforderlich gewesen, wenn dieser die Umsatzziele erreicht hätte, was er aber aufgrund seiner persönlichen Minderleistung nicht geschafft habe.

Nach einem mehr als einjährigen Rechtstreit fällte das Arbeitsgericht schließlich ein Urteil in erster Instanz. Es war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr von Bedeutung, wer den Prozess gewonnen hat. Denn aufgrund der langen Verfahrensdauer, der Prozesskosten und der durch das Verfahren völlig zerstörten Basis für eine weitere Zusammenarbeit hatten beide Seiten verloren.

Wie hätte das Unternehmen dieses Ergebnis verhindern können?

Der erste „Fehler“ des Geschäftsführers bestand in der Art seiner Kommunikation. Um Konfikte zu vermeiden, delegierte er die Kündigung an den Personalchef und kränkte dadurch den Mitarbeiter schwer. Obwohl der Beschäftigte viele Jahre im Unternehmen tätig war, hielt es sein Chef nicht für notwendig, das Trennungsgespräch persönlich zu führen. Auch wenn das Unternehmen dem Mitarbeiter eine einvernehmliche Aufösung anbot, brachte es ihm nicht die erforderliche Wertschätzung entgegen.

Regel Nr. 1:Vor Ausspruch einer Kündigung sollten die Entscheider im Unternehmen genau überlegen, wer das Gespräch führen soll und muss.

Gerade bei langjährigen Mitarbeitern ist es wichtig, dass der Geschäftsführer – in größeren Unternehmen der direkte Vorgesetzte – seine Wertschätzung für die vergangenen Jahre demonstriert, indem er das Gespräch persönlich führt. Hat der Beschäftigte eine längere Zeit für den Betrieb gearbeitet, sollte die Führungskraft ihm für seinen Einsatz ausdrücklich danken. Sprechen die Verantwortlichen dagegen die Kündigung schnell, unpersönlich und ignorant aus, ist die Kränkung groß. Wichtig ist außerdem, dass der Vorgesetzte die betrieblichen Gründe erklärt, die eine Trennung unumgänglich machen, aber gleichzeitig vermittelt, dass das Unternehmen die Leistungen des Arbeitnehmers immer sehr geschätzt hat. Aufgrund dieser Wertschätzung biete man eine einvernehmliche Aufösung an, die den Beschäftigten gegenüber einer Dienstgeberkündigung besser stellt.

Wertschätzende Gespräche mit den Betrof-fenen können dazu beitragen, gerichtliche Prozesse im Vorfeld zu vermeiden. Denn sehr häufg steht hinter der Klagsführung eines Mitarbeiters gekränkter Stolz. Der Betroffene hat das Gefühl, dass seine Leistung nicht geschätzt wurde, dass er sich jahrelang für das Unternehmen eingesetzt hat und er als Dankeschön die Kündigung erhält, wobei es dem Geschäftsführer nicht einmal wert ist, diese persönlich auszusprechen. Der Arbeitnehmer fühlt sich unbedeutend und versucht in der Folge die mangelnde Wertschätzung des Unternehmens im Gerichtsverfahren zu „bestrafen“.

Regel Nr. 2:Neben der Person des Gesprächspartners ist auch der Inhalt des Auflösungsgespräches wichtig, um dem Mitarbeiter Wertschätzung und Dankbarkeit zu vermitteln.

Selbst wenn der Dienstnehmer eine Klage einreicht, ist es nicht zu spät für eine einvernehmliche Lösung. Auch zu diesem Zeitpunkt können Vergleichsgespräche sowie außergerichtliche Konfiktlösungsgespräche (Mediation) das Gerichtsverfahren noch verhindern. Im geschilderten Fall war die Tür für einen Vergleich noch offen, bis der Unternehmer vor Gericht die persönlichen Kündigungsgründe nannte, die der Dienstnehmer als besonders kränkend erlebte.

Da aber die Klage bereits eine gewisse Eska-lationsstufe markierte, wäre zu diesem Zeitpunkt das Hinzuziehen eines neutralen Dritten sinnvoll gewesen. Teilweise übernehmen Richter diese Funktion, indem sie während des Prozesses Vergleichsgespräche führen, die häufg in gute wirtschaftliche Lösungen münden. Freilich ist ein Richter kein profes-sioneller Konfiktlösungsberater und kann einen Vergleich nur mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln herbeiführen. Wenn die Fronten bereits verhärtet sind, sollten Unternehmen daher ein Mediationsverfahren vorschlagen. Mediatoren können auch schon vor einem Gerichtsverfahren aktiv werden. Doch in der Praxis setzen Unternehmen das Verfahren zu diesem Zeitpunkt eher selten ein. Keinen Sinn macht der Einsatz eines Mediators, wenn der Konfikt so weit fortgeschritten ist, dass Gespräche nur über die Rechtsvertreter geführt werden können.

Regel Nr. 3: Auch wenn das Gerichtsverfahren bereits begonnen hat, können Unternehmen einen Mediator hinzuziehen, um eine einvernehmliche Lösung zu erzielen.

Ein Mediator vermittelt als neutraler Dritter zwischen den Parteien. Er ist kein Richter und entscheidet den Konfikt nicht, sondern moderiert das Gespräch und unterstützt die Parteien dabei, eigene Lösungen zu erarbeiten. Durch seine externe Rolle kann er Eskalationssituationen entschärfen und die Beteiligten auf eine sachliche Ebene zurückführen. Im Verfahren klären die Beteiligten nicht nur ihre Standpunkte, sondern beschäftigten sich auch mit den Bedürfnissen und Gefühlen, die zu gewissen Handlungen geführt haben. Im Idealfall bemerkt der Mitarbeiter im Mediationsverfahren zum Beispiel, dass dem Geschäftsführer die Kündigung nicht „egal“ war, sondern ihn belastet hat. Und er erkennt außerdem, dass ihm sein Vorgesetzter für die langjährige Zusammenarbeit dankbar ist und dies durch eine freiwillige Abfertigung zum Ausdruck bringen wollte. Wenn die Parteien lernen, Verständnis für die Sichtweisen und Bedürfnisse des anderen zu entwickeln, kann dies die Basis für eine einvernehmliche Lösung bringen.

Fazit: Unternehmen, die Dienstverhältnisse aufösen müssen, sollten im Vorfeld klären, wer die Trennungsgespräche leitet, welchen Inhalt diese haben sollen und wie sie zu führen sind. Wer den gekündigten Mitarbeitern zeigt, dass der Betrieb sie trotz der Kündigung wertschätzt, hilft nicht nur den Betroffenen aus der Krise, sondern auch dem Unternehmen. Denn Arbeitgeber, die sich fair verhalten, müssen sich nicht vor Gerichtsprozessen, internen Konfikten und Imageschäden fürchten.

Quelle: personal manager 1/2009