person using laptop on white wooden table
Foto von Tyler Franta
Derzeit erleben viele Unternehmen Knowhow- Verlust durch den sogenannten „demografischen Wandel“: Experten und langjährige Mitarbeiter werden immer älter, ohne dass junge Mitarbeiter nachrücken. Mit dem Ausscheiden dieser älteren Wissensträger droht der Verlust von langfristig aufgebautem betriebsinternen Wissen – und dies meist schlagartig.

Dieses Risiko besteht insbesondere dann, wenn statt einer gleichmäßigen Altersverteilung im Betrieb viele Experten bereits über 50 Jahre alt sind.

Laut einer Studie der DIHK bei rund 20.000 Unternehmen rechnen inzwischen rund drei Viertel der Unternehmen in Deutschland mit gravierenden Folgen des demografischen Wandels. Von den Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten sind es sogar fast 90 Prozent. Jeder zweite Betrieb rechnet mit einem Fachkräfteengpass.

Zudem zeigt der erfolgte Personalabbau in der Krise seine Folgen. Die inzwischen wieder gute Konjunkturentwicklung mit steigendem Auftragsvolumen in den Unternehmen lässt die Nachfrage nach qualifiziertem Personal erneut steigen. In Kombination mit dem grundlegenden Fachkräftemangel ergibt sich so eine weiter verschärfte Problematik.

Der bestehende „War for Talents“, also die Suche oder Abwerbung von Fachleuten und Experten im Markt, wird immer stärker. Gemeinsam mit den oben genannten Faktoren stehen Unternehmen heute also vor der Herausforderung, der Problematik Know-how mit entsprechenden Maßnahmen zu begegnen.

Insbesondere bei kleinen Unternehmen stellt dies eine neue Herausforderung dar, während große Unternehmen sich laut einer Studie von IBM (CHRO-Studie) bereits frühzeitig darauf eingestellt haben. Fehlendes Personalmanagement bedeutet unter anderem, keine strukturierte Übersicht zu haben und daher Frühwarnindikatoren nicht zu bemerken. Große Unternehmen haben viel eher die Notwendigkeit, ihren Personalbedarf zu planen und zu steuern, als kleine Unternehmen. Durch die häufig geringere Fluktuation bei kleineren Unternehmen spüren Betriebe, die kein professionelles Personalmanagement haben, die negativen Effekte von Wissensverlust folglich erst später.

Experten-Know-how und betriebsinternes Wissen erhalten

Um das Know-how nach dem altersbedingten Ausscheiden von Fachkräften im Betrieb zu erhalten, ist ein Wissenstransfer zwischen Jung und Alt wichtig. Hierzu können die Betriebe zum Beispiel bewusst altersgemischte Teams zusammenstellen. Diese ermöglichen, dass betriebsspezifische Kenntnisse und Informationen von älteren Mitarbeitern an junge Kollegen im täglichen Arbeitsprozess übertragen werden.

Im Gegenzug vermitteln die jüngeren Mitarbeiter im Team ihr aktuelles Fachwissen – zum Beispiel aus Ausbildung und Studium – an die Älteren. Auch durch den Einsatz von älteren Beschäftigten als Trainer, Ausbilder oder Berater im Betrieb kann Wissen übertragen und gesichert werden.

Um mögliche Lösungsansätze für die Problematik Know-how-Verlust zu entwickeln, ist es sinnvoll, sich grundlegend über das Thema Wissen und Wissensmanagement im Unternehmen Gedanken zu machen.

Wissensmanagement

Insbesondere das Humankapital, das heißt das Wissen, die Expertise und die Erfahrungen der Mitarbeiter, rückt in unserer Wissensgesellschaft in den Mittelpunkt. In einer wissensbasierenden Gesellschaft sind Wettbewerbsvorteile gleichbedeutend mit Know-how-Vorteilen und der Fähigkeit, überlegenes Know-how beziehungsweise Wissen in marktgerechte Geschäftsprozesse zu überführen. Viele innovative und erfolgreiche Unternehmen binden die Ideen und Vorschläge ihrer Mitarbeiter und Kunden in ihre Entwicklungen mit ein und generieren so erfolgreiche Produkte. Das bewusste Management von Wissen als kostbarer Unternehmenswert ist also ratsam.

Mitarbeiter-Know-how und Humankapital

Mitarbeiterwissen ist ein Bestandteil des Humankapitals, also der immateriellen Vermögenswerte im Unternehmen. Im engeren Sinne umfasst es das Wissen, die Leistungen und die Potenziale der Mitarbeiter eines Unternehmens. Daher ist es durchaus sinnvoll und gewinnbringend, Systeme zur Erfassung, Entwicklung und Förderung des Mitarbeiterwertes und -wissens zu nutzen.

Ein systematisches unternehmensweites Ideenmanagement bietet hier eine gute Möglichkeit, um das Wissen der Mitarbeiter zu erfragen, zu bewerten und Ideen zu realisieren. Gleichzeitig kann es durch seine Systematik transparent machen, wo sich Expertenwissen befindet – dies vor allem durch die Quantität und die Qualität der Beiträge. Ein systematisches Ideenmanagement fördert Ideen und unter Umständen eine innovative Kultur. Es wertschätzt Ideengeber, geht respektvoll und verantwortlich, transparent sowie zeitnah mit Ideen um, beispielsweise durch eine systematische Förderung/Wertschätzung durch den Vorgesetzten beziehungsweise die Führungskräfte oder die Verankerung von Ideenkennzahlen im Führungssystem des Unternehmens.

Das Ideenmanagement bildet damit eine gute Ergänzung für das Wissensmanagement. Mit einem systematischen Ideenmanagement kommt Licht ins Dunkel, denn Experten, also Träger von Wissen, entwickeln sich in Ideenforen wie etwa einem Problemlösungsforum fast automatisch zu Knotenpunkten der Kommunikation und lassen sich anhand von Anzahl, Qualität und Bewertung ihrer Beiträge identifizieren.

Das Ideenmanagement liefert wertvolle Informationen an das Personalmanagement für die gezielte Mitarbeiterbindung. Faktoren, die einen Beitrag liefern können, sind hierbei unter anderem Wertschätzung, Gestaltung des eigenen Arbeitsplatzes und Anreizsysteme. Außerdem können Kosten für Mitarbeiter-Neubeschaffung und -Einarbeitung sowie indirekte Kosten durch den Verlust von Wissen reduziert werden, zum Beispiel Kosten für den Neuerwerb von Prozesskenntnissen und informellen Strukturen, aber auch etwa Kosten durch den Verlust von Kunden.

Know-how- und Wissensträger ermitteln

In vielen Unternehmen fehlen Strukturen und Maßnahmen, die einen Wissensaustausch fördern. Durch angeregte Ideenwettbewerbe, Problemlösungspools oder interne Wikis können Unternehmen gute Grundsteine dafür legen, um Experten zu identifizieren und Wissen zu archivieren. Wissensdatenbanken und sogenannte „Brain Pools“ sind ein kostbarer Bestandteil gerade in technologisch orientierten Unternehmen. Auch die Einbindung von externen Akteuren, „Open Innovation“, gehört heute zur innovativen Möglichkeit, um Wissen ins Unternehmen zu holen oder bestehendes Wissen anzureichern. Hier geht es insbesondere um kollaborative Ideen- oder Innovationssysteme (Web 2.0).

Erstellen Unternehmen eine Analyse des Know-hows, das durch altersbedingtes Ausscheiden von Mitarbeitern verloren geht, und darüber, ob dieses Wissen archiviert ist, können entsprechende Maßnahmen zum Wissenstransfer in die Wege geleitet werden. Um betriebswichtiges Wissen bewahren zu können, muss es also zuerst lokalisiert und identifiziert werden.

Ideen- und Wissensmanagement

Ein systematisches Ideenmanagement ergänzt das Wissensmanagement hilfreich. Ideenmanagement hat zur Aufgabe, Ideen abzufragen, zu begutachten, zu bewerten, zu realisieren und gegebenenfalls auch zu prämieren. So können beispielsweise in einer Aktion Mitarbeiter aufgefordert werden, Ideen zu konkreten Maßnahmen zu entwickeln. Dadurch können Experten und Wissensträger gefunden werden. Wissensmanagement hingegen hat zur Aufgabe, vorhandenes Wissen oder neu aufgedecktes Wissen zu strukturieren, zu sichern, zu bewerten, weiterzuleiten und zu teilen, beispielsweise in einem Tandem-Lernmodell oder in Lernteams.

Beim Ideenmanagement ergeben sich folgende Effekte:

  • Wissen identifizieren und erzeugen: Implizites Wissen ist schwer zu erfassen und zu entwickeln. Ideenmanagement kann diesen Prozess unterstützen, indem systematische Methoden wie Kreativitätstechniken und Workshops angewandt werden oder die Bearbeitung von Problemspeichern beziehungsweise Ideenpotenzialen eingeführt wird. In teamorientierten Verbesserungsprozessen können Mitarbeiter implizites Wissen auch durch Beobachtung oder Nachahmung austauschen. Dabei geht es etwa darum, unfertige Ideen gemeinsam zu entwickeln beziehungsweise Problemlösungen zu erarbeiten.
  • Wissen teilen: Ziel des Wissenstransfers ist es, vorhandenes Wissen einem größeren Kreis von Akteuren zugänglich zu machen. Dieser Prozess gelingt unter anderem dadurch, dass Mitarbeiter Ideen ihrer Kollegen erfassen und umsetzen – ohne sie selbst entwickelt zu haben.
  • Wissen nutzen: Das zunächst personengebundene Wissen überträgt sich auf andere Akteure, etwa auf Mitarbeiter, die in Ideenbanken recherchieren oder auch Ideen kommentieren, indem Ideen eingereicht und die Vorschläge bearbeitet werden. Insgesamt geht es bei der Nutzung von Wissen in diesem Kontext darum, dass Ideen nicht nur auf dem Papier bleiben sondern umgesetzt, also implementiert werden.
  • Wissen speichern: Im Ideenmanagement werden auch abgelehnte Ideen archiviert und damit für andere Akteure nutzbar gemacht. Schafft es eine Idee bis zur Realisierung, drückt sich Wissen wiederum in Handlungen aus. Darüber hinaus kann Know-how auch über Gutachten und dokumentierte Realisierungsaktivitäten explizit gespeichert werden.

Synergieeffekte von Wissens- und Ideenmanagement nutzen

Ein wichtiges Erfolgskriterium ist die Gleichberechtigung beider Konzepte. Der Fokus des Ideenmanagements liegt auf dem Ideenpotenzial des Menschen, der des Wissensmanagements hingegen auf organisationalen Lernprozessen. Beide Konzepte können sich effektiv positiv beeinflussen und entwickeln mit Blick auf Innovationen große Synergien, insbesondere wenn Wissensmanagement dazu beiträgt, unstrukturiertes Know-how in Ideenbanken zu ordnen. Zudem kann Ideenmanagement den Prozess aktiv unterstützen, Wissen zu gewinnen beziehungsweise zu erzeugen. Ideenmanagement hat immer das Ziel, das „Gold in den Köpfen“ zu nutzen, also das Potenzial der Mitarbeiter auszuschöpfen. Potenzial in diesem Zusammenhang hängt immer auch zusammen mit Wissen. Indem also möglichst viele hochwertige Ideen entstehen, desto mehr trägt Ideenmanagement dazu bei, Wissen zu vergrößern.

Eine reine „Archivierung“ von Wissen in Ideenmanagement- Systemen kann durch die gezielte Anbindung an ein Wissensmanagement verhindert werden. Ideenmanagement umfasst neben den reinen Verbesserungsideen auch etwa die Dokumentation von Best Practice. Weiterhin lassen sich ältere Ideenbestände nach neuen Anwendungsmöglichkeiten durchsuchen, bereits implementierte Ideen sich gegebenenfalls auch in anderen Bereichen in gleicher Weise oder analog umsetzen. Dazu muss das Wissen aber dorthin verteilt werden.

Die Wissensentwicklung im Wissensmanagement gilt dem Aufbau neuer Fähigkeiten innerhalb des Unternehmens. Ideenmanagement unterstützt diesen Prozess, indem es fördert, neue Ideen zu entwickeln, und dem Zusammenwirken von kreativen Einfällen und systematischer Problemlösung eine Struktur gibt. Die Offenheit des Ideenmanagements für Vorschläge aller Art ermöglicht den Zufluss neuen Wissens in die Organisation durch teilnehmende Akteure und deren Subsysteme.

Bei der Entwicklung eines Vorschlags spielt nicht nur das im Unternehmen erworbene Wissen des Einreichers eine Rolle, sondern er wendet Wissen an, welches ihm durch seine gesamte Berufsbiografie sowie Lern- und Lebenserfahrungen zur Verfügung steht.

Dies kann aktives, explizites Prozess- und Faktenwissen sein, aber auch implizites Wissen, welches erst am Gegenstand der Problemlösung zutage tritt und sich im Umsetzungsvorschlag manifestiert.

Wissen als solches ist zudem die Grundlage von Ideen und Innovationen. Daher ist das Wissensmanagement ein entscheidender Wettbewerbsfaktor für die Innovationskraft eines Unternehmens.

Methoden gegen den Know-how-Verlust

Methoden wie Mentoring, Tandem-Lernen, Lernpartnerschaften oder altersgemischte Arbeitsgruppen haben zum Ziel, erlangtes Wissen an andere weiterzugeben. Die internen Experten können beispielsweise in altersübergreifenden Teams Fachwissen und Ideen austauschen.

Unter der Methode Tandem-Lernen findet eine Form des offenen Lernens statt. Mitarbeiter verschiedener Alters- und Wissensstufen arbeiten paarweise zusammen und lernen so systematisch voneinander.

Mentoring bringt neue oder unerfahrene Mitarbeiter mit geeigneten erfahrenen und dienstälteren Mitarbeitern zusammen. Ziel ist die effektive Weitergabe des nicht konkret vorliegenden beziehungsweise impliziten Wissens. Außerdem sollte dadurch eine Bindung zwischen dem Mentor und seinem Schützling entstehen. Diese Technik kann dann besonders nützlich sein, wenn zum Beispiel ein erheblicher Teil der Mitarbeiter auf das Pensionsalter zugeht, steile Lernkurven zu bewältigen sind oder die Fluktuationsrate sehr hoch ist.

Quelle: personalmanger - 6/2011