Gerhard Apfelthaler
Professor für International Business,
California Lutheran University
apfelthaler@callutheran.edu

photography of three women sits beside table inside room during daytime
Foto von Christina @ wocintechchat.com

Christiane Erten
Senior Partner,
AT Consult
certen@atconsult.com

Jeder, der einmal versucht hat, mit der Verkaufsstrategie aus heimischen Märkten in fernen Ländern erfolgreich zu sein, weiß: Strategien der Anbahnung, Verkaufsargumente oder der Stellenwert von Verträgen funktionieren selbst in geografisch sehr nahen Auslandsmärkten anders. In manchen Kulturen, wie etwa den USA, spielen zum Beispiel Beziehungsfaktoren eine untergeordnete Rolle und die Geschäftspartner sprechen hier in der Regel sofort über Inhalte und Ziele einer geschäftlichen Transaktion. In vielen fernöstlichen Kulturen hingegen müssen erst persönliche Beziehungen aufgebaut werden, bevor man beginnt, über Verträge zu sprechen.

Dementsprechend war (und ist nach wie vor) das Ziel vieler interkultureller Trainings, heimisches Personal zu trainieren, auch in anderen Kulturen effektiv zu sein. Beispiele dafür sind Seminare mit Titeln wie zum Beispiel „Verkaufen in China“ oder „Erfolgreiche Verhandlungsführung in Russland“, die die sogenannten Dos and Don’ts vermitteln sollen.

Dies passiert dann oft unter Zeitdruck, schnell hineingeschoben zwischen „wichtigeren“ Terminen. Inzwischen boomen auch Taschenbuchreihen, die unter ähnlichen Titeln länderspezifisches Knowhow vermitteln wollen – und dem längst überholten „University Model“ des interkulturellen Trainings entsprechen, von dem man schon Anfang der 70er Jahre in den USA wieder abgekommen ist. Dass diese Art von Training/Lesestoff keine nachhaltige Verhaltensänderung bewirkt und noch viel weniger Verständnis für fremde Kulturen aufbauen kann, ist leicht einsehbar und fördert den manchmal auch zu Recht zweifelhaften Ruf solcher Veranstaltungen.

Vorbereitung von Expatriates

Viele Unternehmen haben sich mit zunehmend globaler Konkurrenz für die Etablierung/ Akquisition von Tochterunternehmen oder Joint Ventures im Ausland entschieden. Damit haben sich die Anforderungen an IKTs weiter verändert. Oft werden zu Zwecken des Know-how-Transfers inländische Führungskräfte für mittel- bis langfristige Einsätze ins Ausland versendet.

Im besten Fall werden diese in manchmal sogar mehrtägigen Trainings auf das neue Arbeits- und Lebensumfeld vorbereitet. Hier kann dann auch ein Tag „kulturgenerelles Training“ vorgeschaltet werden, das heißt, zuerst sensibilisiert man die entsprechenden Mitarbeiter für jene Normen und Werte, die dem eigenen Handeln zugrunde liegen, um darauf basierend das spezifisch Andere einer fremden Kultur besser verstehen und einordnen zu können.

Die Themenbreite reicht von Regeln der Kommunikation und dem Aufbau eines funktionierenden sozialen Umfelds bis hin zur erfolgreichen Führung von lokalen Mitarbeitern. „Auslandsvorbereitung Singapur“ oder „Pre-Departure Training USA“ sind typische Titel solcher Trainings, die auf den nachhaltigeren Aufbau interkultureller Kompetenz abzielen und im besten Fall Veränderungen im Denken, Fühlen und Verhalten einleiten möchten. Alles Weitere ist Übung und der Wunsch, sich in der neuen Arbeits- und Lebenskultur auch wohlzufühlen und nicht nur als Mitarbeiter des Unternehmens maximal effizient handlungsfähig zu sein.

Globale und virtuelle Teams

Mit der Entstehung globaler werdender Unternehmensverbünde hat kulturelle Diversität auch in Projektteams Einzug gehalten. Ein Hauptproblem dabei ist, dass jedes Gruppenmitglied eine andere Vorstellung über den eigenen hat. Unterschiedliche Annahmen über Autoritätsstrukturen, Aufgaben- versus Prozessorientierung, über Zeit oder Konfliktlösung erschweren den Alltag. Studien belegen aber, dass es auch internationale Unternehmen gibt, die im Bereich Teamarbeit/Effektivität kaum Probleme haben.

Zum Beispiel konnte ein im Ölbereich tätiges Unternehmen auf sehr auslandserfahrene Mitarbeiter zurückgreifen, die gewöhnt waren, in multikulturellen Teams zu arbeiten. Auf Basis einer stark ausgeprägten globalen Unternehmenskultur führte man so schnell eine Identifikation innerhalb der Gruppe herbei.

Demgegenüber fand man bei anderen Unternehmen die angesprochenen Schwachstellen, so zum Beispiel bei einem in der Lebensmittelproduktion angesiedelten Unternehmen, das durch Zukauf nationaler Firmen mit internationalen Filialen nicht über die notwendige multikulturelle Erfahrung der Mitarbeiter verfügte und keinerlei integrative Maßnahmen ergriffen hatte.

Dies zeigt klar, dass vor allen Trainingsmaßnahmen immer auch die Rahmenbedingungen berücksichtigt werden müssen. Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zu optimieren, gibt es viele: Neben Ansätzen des internationalen Teambuildings hat sich das MBI-Modell von Maznevski/DiStefano als besonders beliebt herauskristallisiert. Sie definieren drei aufeinander aufbauende Prozesse als erfolgskritisch: Mapping, das heißt Unterschiede und Gemeinsamkeiten erkennen und verstehen; Bridging, diese miteinander verbinden; und Integrating, daraus neue, für alle Beteiligten erfolgreiche Verfahrensweisen generieren. Dabei zeigt sich, dass internationale Teams dann äußerst erfolgreich sind, wenn man ihnen zu Beginn Phasen des Aufbaus einer fruchtbaren Zusammenarbeit gönnt. Aus praktischer Sicht bedeutet dies, dass Geduld geboten ist: Diverse Teams benötigen zu Beginn mehr Zeit, um auf Touren zu kommen.

Als Variation zu internationalen Teams sind mit dem rasanten Fortschritt moderner Kommunikationstechnologie, aber auch um dem stetigen Kostendruck entgegenzutreten, virtuelle Teams häufiger geworden. Nicht auf Dauerhaftigkeit ausgerichtet, müssen die Mitglieder solcher Gruppen rasch funktionierende Kommunikationsstrukturen aufbauen. Wesentlich ist dabei nicht nur die Vorbereitung aller Teammitglieder auf das kulturell geprägte Kommunikationsverhalten, sondern ebenso die Etablierung einer vereinbarten Teamkultur, in der auch das Thema „verwendete Technologien“ nicht zu kurz kommen darf. Die Verhandlung einer derartigen „dritten“ Kultur moderiert oft ein interkultureller Trainer, der die Teams auch über ihre Lebenszeit begleiten kann. Dabei setzt sich langsam bei immer mehr global tätigen Unternehmen die Erkenntnis durch, dass die Andersartigkeit von Gruppenmitgliedern großes Innovationspotenzial birgt: Die Unterschiedlichkeit von Teammitgliedern produziert kreativere Problemlösungen und wird somit zum Wettbewerbsvorteil.

Dies hat sich zum Beispiel Ende der 1990er Jahre gezeigt, als Daimler mit der Produktion der M-Klasse in den USA das erste Mal bewusst drei grundverschiedene Kulturen – japanische Produktionskultur, deutsche Planungskultur und die amerikanische Kultur des Pragmatismus – durchmischt zu seinem Vorteil genutzt hat und die Produktivität deutlich steigern konnte. IKT ist in diesem Kontext weit mehr als nur Training, es ist auch Begleitung und Coaching.

Cultural Intelligence

Analog zur kognitiven und emotionalen Intelligenz hat sich in den letzten Jahren ein weiteres Schlagwort etabliert – kulturelle Intelligenz. Trotz – streng besehen – konzeptioneller Unterschiede ist dieses Schlagwort synonym mit interkultureller Kompetenz. Die Wissenschaft hat damit den Versuch unternommen, die bislang schwammig definierten positiven Effekte von IKTs messbar zu machen. Unterschiedlichste Instrumentarien ermöglichen es, kulturelle Intelligenz zum Beispiel zum Zwecke der Mitarbeiterauswahl zu messen. Die gleichen, meist auf Fragebögen basierenden Instrumente werden eingesetzt, um den Zuwachs an interkultureller Kompetenz in Trainings zu messen und Trainingsmaßnahmen individuell zu adjustieren.

Wenngleich noch immer nicht belegt ist, in welchem Ausmaß der Zugewinn an kultureller Intelligenz sich in besserer „Performance“ von Unternehmen ausdrückt, so weiß man aus wissenschaftlichen Meta-Analysen von Effektivitätsstudien mittlerweile, dass das Fehlen kultureller Intelligenz und entsprechender Qualifizierungsmaßnahmen Grundlagen des internationalen Misserfolgs sind.

Global Mindset

Der „letzte Schrei“ der Weiterentwicklungen der IKTs ist das „Global Mindset“-Konstrukt. Dies ist die Abkehr von der eher funktionalen Sichtweise kultureller Unterschiede. Während man mit IKTs traditionellerweise versucht hat, in einer spezifischen Kultur erfolgreicher in seinen Geschäftsvorhaben zu sein, geht das Global Mindset von einer weiter gefassten, mittlerweile empirisch bewiesenen Prämisse aus: Organisationen, die fähig sind, einem globalen Umfeld gegenüber eine positive Grundhaltung entgegenzubringen und ihre Aktionen vor dem Hintergrund globaler Komplexität zu reflektieren, sind erfolgreicher als andere. IKT erhält nun eine neue Dimension: Über den individuellen Zuwachs von kultureller Kompetenz hinaus geht es nunmehr um interkulturelle Organisationsentwicklung (OE), gewissermaßen die Königsdisziplin sowohl des IKT als auch der OE.

Literaturtipps

  • Management internationaler Geschäftstätigkeit. Von Manfred Fuchs und Gerhard Apfelthaler. Springer 2009.
  • International Management Behavior. Leading with a Global Mindset. Von Henry W. Lane, Martha Maznevski, Joerg Deetz und Joseph DiStefano. John Wiley & Sons 2009.
  • Riding the Waves of Culture. Von Fons Trompenaars und Charles Hampden-Turner. Mcgraw Hill Book Co 2012.