Nach Stationen im High-Volume-, Blue-Collar und Tech-Recruiting hat sich Jan Kirchner mit der Wollmilchsau GmbH und der Programmatic Job Advertising Software „Jobspreader“ der Automatisierung des datengetriebenen Recruitings verschrieben. In dieser Episode der HRM Hacks spricht Jan Kirchner zum intelligenten Umgang mit Talent Analytics-Kennzahlen, ihrer Herleitung sowie ihren Einsatzmöglichkeiten.

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Intro: Die HRM Hacks, Tricks, Tipps und Hilfe für Ihre HR-Herausforderungen und HR-Strategien. Denn der Mensch ist der wichtigste Faktor für den Erfolg Ihres Unternehmens.

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Alexander Petsch: Glückauf und herzlich willkommen zu den heutigen HRM Hacks! Mein Name ist Alexander Petsch, ich bin der Gründer des HRM Institutes, euer Gastgeber. Heute haben wir bei unserer heutigen HRM Hacks Folge wieder Jan Kirchner zu Gast. Wer fleißig den HRM Hacks Podcast hört, weiß, wir haben zusammen schon Hacks zum Aufbau einer erfolgreichen Talent Acquisition Organisation aufgenommen. Und unser heutiges Thema ist Talent Analytics. Hacks für logische Kennzahlen. Und Jan ist für mich einer der Pioniere des Online Marketings im HR-Bereich, nenne ich es mal. Oder neudeutsch auch des Programmatic Job Advertisings. Und er hat vor mehr als 16 Jahren Wollmilchsau gegründet. Zuerst als Agentur und jetzt als Anbieter von Jobspreader, einer Programmatic Job Advertising Lösung. Jan, freue mich, dass du heute wieder bei uns bist!

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Jan Kirchner: Moin, ich freue mich auch.

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Alexander Petsch: Ja, Talent Analytics, braucht’s das?

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Jan Kirchner: Leider ja. Wir haben ja beim letzten Mal, als wir eben über die erfolgreiche Talent Acquisition Organisation gesprochen haben, schon festgestellt, dass ich, wenn ich was erfolgreich machen will, ich das irgendwie vorher verstehen muss und dass in dem Kontext Zahlen und Benchmarks eine ganz große Rolle spielen. Und damit sind wir dann schon voll im Thema Talent Analytics. Wenn ich verstehen will, wie das funktioniert, dann muss ich sowohl meine Anforderungen in Zahlen kippen können als auch die Benchmarks drum rum verstehen. Um das Ganze dann eben in ein Zahlen-Framework zu gießen. Und das sind dann eben die Talent Analytics.

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Alexander Petsch: Ja, logische Kennzahlen. Wo würdest du denn da anfangen? Was muss man denn als Erstes verstanden haben, um sagen zu können, nachher, in der letzten Erleuchtungsstufe unserer Hacks, bin ich Meister im Talent Analytics?

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Jan Kirchner: Hm ja, tatsächlich eigentlich genau diese Frage. Was ist eigentlich eine logische Kennzahl oder warum steht dieses Adjektiv vor der Kennzahl? Sollten Kennzahlen nicht immer logisch sein? Im Grunde ja. Aber tatsächlich habe ich über die Jahre so ein bisschen den Eindruck gewonnen, dass Kennzahlen häufig erhoben werden aus so einem Reporting-Gedanken. So, wir müssen irgendwas reporten und deswegen brauchen wir Kennzahlen. Und irgendwo haben wir mal gehört, wir sollen irgendwie die Cost-per-hire messen. Und das können wir zwar noch nicht so richtig messen, aber wir nehmen halt mal die Total Cost of Talent Acquisition, teilen das durch die Jobs und dann haben wir eine Zahl für die Cost-per-hire. So, wunderbar, fertig ist das KPI. Und das ist keine logische Kennzahl, weil die am Ende zwar in der Herleitung logisch ist, aber die hat halt überhaupt keine Aussage. Und im Grunde geht es bei Kennzahlen ja eigentlich nicht um Zahlen, sondern um Antworten auf Fragen. Und deswegen wäre quasi mein erster Hack: Bevor man mit KPIs anfängt, sollte man erst mal Leitfragen entwickeln, auf die man gerne eine Antwort hätte im jeweiligen Kontext. Das kann so wie in unserer letzten Folge sein, wie baue ich eine erfolgreiche Talent Acquisition Organisation und welche Zahlen brauche ich dafür? Es kann auch die Frage sein, wie kriege ich meinen Personal-Marketing-Trichter voll, um möglichst viel meines Bedarfs zu decken? Und Stichwort Bedarf: Wenn man Leitfragen entwickeln will, dann wäre es auch ganz gut, wenn man vorher als Basis, als Zahlenbasis, eine systematische Personalbedarfsplanung hätte. Das hatten wir letztes Mal auch schon festgestellt. Das ist eine super Grundlage, auch wenn man überlegt, wie muss ich eigentlich meine Organisation aufbauen? Das ist aber genauso, wenn ich halt anfangen will, KPIs zu entwickeln. Dann muss ich halt auch erst mal verstehen, wofür. Und das heißt in unserem Fall, im Recruiting-Kontext, dass ich halt verstehen muss, wie viele soll ich rekrutieren und welchem Fachbereich sollen sie denn eigentlich angehören? Und dann kann ich anfangen zu sagen, okay, und was muss ich denn jetzt wissen, um das gut machen zu können? Und das ist dann meine Grundlage.

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Alexander Petsch: Also Personalbedarfsplanung als Grundlage. Und da haben wir gleich ein paar Zusatz-Hacks, die hatten wir auch schon mal in einem anderen Kontext sozusagen beleuchtet. Da gehören natürlich auch so Teile dazu, wie zu wissen, wer geht wann in Rente, wie ist meine, ich sag mal, meine natürliche Fluktuation, ohne dass ich andere toxische Einflüsse noch on-top habe. Ja, das sind ja alles wichtige Teile der systematischen Personalbedarfsplanung.

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Jan Kirchner: Genau. Wenn ich das habe, dann kann ich eben jetzt auf Basis… Das wären ja schon im Prinzip fast die ersten Kennzahlen. Also so, die erste Leitfrage wäre dann eben, wie hoch ist meine Altersfluktuation? Wie hoch ist meine, ich nenne es Querfluktuation? Also einfach aus welchen Gründen die auch immer gehen. Wie hoch ist der Anteil an Leuten, die in Elternzeit gehen? Wie viel Azubis schließen ihre Ausbildung ab? Und wie viel davon verlassen das Unternehmen? Wie viel Ingenieure müssen wir einstellen, um die Business-Ziele der nächsten fünf Jahre zu erfüllen? Das lässt sich ganz schnell sehr weit fortführen und… Aber auch bei der ganzen Personalbedarfsplanung wäre eine ganz wichtige Leitfrage, wie gut ist denn eigentlich meine Personalbedarfsplanung? Wir haben das letzte Mal schon gesagt, das ist was, das sollte man vielleicht in Szenarien denken. Das heißt, wir wissen schon, die kann nicht auf die letzte Einstellung genau vorhergesagt werden. Das heißt, ich muss vielleicht auch erst mal als Leitfrage sagen, wie ist denn so der Zielkorridor dessen, was ich mache und ab wann kann ich das eben mit der Organisation leisten, die ich habe? Ich habe auch durchaus schon von Fällen gehört, wo am Ende des Jahres doppelt so viele Leute eingestellt werden mussten, wie am Anfang des Jahres vorhergesagt waren. Da fragt man sich ja schon, ob das dann dasselbe Team auch leisten kann, ohne Verstärkung. Und das, glaube ich, sind alles so… Also logisches Denken kommt zuerst und dann auf eine logische Frage kommt halt irgendeine Kennzahl, die mir hilft, die Antwort zu greifen. Dann kann ich mir so eine KPI-Liste aufstellen. Und ich glaube, das auch genauso aufzuschreiben, wäre quasi dann auch so ein bisschen der Folge-Hack: Also erst mal diese Fragen aufzuschreiben und dann immer daneben, okay, welche KPI würde mir das denn beantworten und wie tief muss ich rein? Also ich habe eingangs mich lustig gemacht über die Cost-per-hire. Und die Cost-per-hire für Ingenieure würde natürlich mehr aussagen, und die für Lagerarbeiter und die für Inbound Sales, als so die allgemeine Durchschnittskennzahl. Da bist du hinterher genauso schlau wie vorher. Und ich glaube, das müssen… Wir müssen erst mal Fragen denken und Fragen zulassen und auch nicht den Zwang haben, immer sofort eine KPI für alles hinschreiben zu können. Sondern erst mal drüber nachdenken, das Problem verstehen und dann in Lösungen zu denken. Und dann hat man diese Frageliste und die Wunsch-KPIs. Und dann mache ich mir meistens eine dritte Spalte und sage, was wäre denn die Datenquelle, wo ich diese KPI halt herkriegen kann oder die Zutaten, um die auszurechnen? Dann kann man auch noch ein bisschen weitergehen und kann gucken, auch wenn ich die Datenquelle habe, komme ich an die Daten auch ran? Also wenn ich zum Beispiel so Themen messen möchte wie Recruiting-Prozess-Durchlaufzeiten, dann weiß ich, dass viele der dazu notwendigen Daten in meinem Bewerbermanagementsystem drin stecken. Weil das macht jedes Mal, wenn jemand auf den Knopf drückt und sagt, speichern, macht es einen Zeitstempel. Was ich nicht weiß ist, ob ich die da auch rauskriege oder ob der Anbieter dann einmal laut lacht und sagt, ja, das wollte noch nie jemand und das machen wir auch nicht. Und wenn ich dann auf so eine komme, dann sage ich halt, ja, es wäre ein schönes KPI, aber das ist wahrscheinlich eher was für in drei Jahren. So, jetzt mache ich erst mal die anderen und dann kann ich mich halt so langsam vortasten. Und dann gucke ich halt, wie weit ich komme.

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Alexander Petsch: Ab wann ist für dich denn eine Cost-per-hire eine reelle KPI? Runtergebrochen auf die einzelne Stelle, auf die einzelne Jobfunktion?

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Jan Kirchner: Ähm, ab dann, wenn es eine vernünftige Frage dazu gibt, auf die sie die Antwort ist. Das heißt, wenn es eine Frage ist, wie teuer ist die Einstellung eines Ingenieurs? Und selbst auf diese Frage wüsste ich noch nicht ganz genau, warum ich das wissen sollen wollte. Also ich mag Kennzahlen, die mir Orientierungshilfe geben in einem Veränderungsprozess. Und die Cost-per-hire oder auch vielleicht die Time-to-hire, also pauschal sowieso, aber auch jetzt runtergebrochen, sind Kennzahlen, die eigentlich nur in dem überjährigen Vergleich überhaupt eine Aussage entfalten. Und selbst, nehmen wir mal jetzt die Cost-per-hire, jetzt wissen wir irgendwie, die Einstellung eines Ingenieurs kostet uns 2022 5.800 Euro und 2023 kostet sie uns 6.200 Euro. Warum ist das jetzt so? Sind wir schlechter geworden im Recruiting? Ist das Marktangebot schlechter? Haben wir einfach… Also haben wir schlechter rekrutiert? Ist es einfach allgemeine Teuerungsrate, Inflation, die ja gerade ein Thema ist? Also das sind ja die spannenden Fragen. Die Fragen nach den Ursachen. Das heißt, ich glaube, für mich ist eine Kennzahl immer dann gut, wenn es davor eine Frage gibt, die versucht, eine Ursache zu erforschen und eine Richtung zu erkunden, in die sie sich entwickeln muss. Das ist so das, was ich versuche, wenn ich selber mit Kennzahlen arbeite, an Anforderungen an die Kennzahl selbst zu stellen.

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Alexander Petsch: Und sozusagen die Kennzahlen selbst. Neben der Frage kann man wahrscheinlich auch noch mal clustern in verschiedene Kennzahlenbereiche, oder?

00:10:10

Jan Kirchner: Ja, also die Klassiker – und die machen aus meiner Sicht schon auch Sinn als Bereiche –, das ist schon einmal die Kostenkennzahl, eben dann verbunden mit einer gewissen Richtung. Also grundsätzlich ist es ja schon interessant zu erfahren, wenn die Frage halt nicht heißt, wie teuer ist die Einstellung eines Ingenieurs, sondern wenn die Frage aus der Geschäftsführungsperspektive ist, wie viel Geld müssen wir ausgeben, um unseren Personalbedarf qualitativ und zeitnah zu decken? Dann habe ich halt eine Frage, wo Kosten-KPIs Sinn machen und wo ich dann eben in einem überjährigen Vergleich gucken kann und dann sagen kann: Ja, okay, wir haben sowieso jetzt eine Inflation und wir konnten auch schon sehen, dass aufgrund der Marktentwicklung die beispielsweise Personalmarketingkosten ohnehin gestiegen sind. Dann kann ich ja auch schon in einem Budgetprozess fürs nächste Jahr vielleicht einfach schon mal mit einplanen, dass ich da halt eine gewisse Kostensteigerung habe. Und auch wenn ich merke, ich habe Ausreißer bei Kosten, die dann als Indikator zu nehmen dafür, dass ich vielleicht irgendwo in meinem Prozess ein Problem habe oder vielleicht habe ich eben auch einfach zu wenig Leute, die irgendwas machen, und deswegen dauert es länger oder so. Zeitkennzahlen, die sagen ja…

00:11:26

Alexander Petsch: Vielleicht noch mal zu den Kostenkennzahlen. Also, wie du gesagt hast… Na ja, also mir fehlt ein bisschen der… Wie soll ich das sagen? Der Gestalteranspruch. Weil genauso kann es ja sein, wenn du weißt, okay… Wenn die Fragestellung ist, wie viel Geld brauchen wir, um unsere Organisation im Rahmen unserer Ziele personell auszubauen, kann es ja auch trotzdem dazu kommen, dass man sagt oder sagen muss, ja, wir haben aber die Ressourcen nicht…

00:12:00

Jan Kirchner: Völlig okay.

00:12:01

Alexander Petsch: Und dann zu sagen, na ja, wir wissen jetzt, wenn wir so weitermachen wie bisher, dann werden wir das im Recruiting nicht erreichen. Das heißt, das wäre dann die logische Überlegung zu sagen, na ja, so weitermachen wie bisher, ist halt dann keine Option. Beispiel Stellenanzeigen überschalten und dort die Teuerungsrate mitnehmen. Sondern dann zu sagen, okay, wir müssen andere Wege gehen, wir müssen andere Bereiche angehen.

00:12:27

Jan Kirchner: Ja, ich denke, dass… Also im Grunde wird das ja über die Kostenkennzahlen zumindest in Teilen abgedeckt, wenn wir quasi jetzt an die… Wir nennen das immer Channel Effectiveness, also sprich, wo kriege ich für mein Personalmarketingbudget, wie viele Bewerbungen? Also, wo hole ich das Meiste raus? Und da wäre jetzt zum Beispiel auch so ein bisschen der Wechsel hin von Laufzeitanzeigen zum Thema Performance Marketing. Das ist ja im Endeffekt genau aus diesem Grund. Die Firmen haben ein zumindest teilweise begrenztes Personalmarketingbudget, können das eben… Viele können es eben nicht beliebig an die Marktanforderungen anpassen und müssen dann halt gucken, wo kriege ich für das gleiche Invest am meisten raus? Und dann bin ich halt über eine Kostenbetrachtung, wie Cost-per-application auf einer Kanalbasis im Vergleich, dann schon in der Lage zu gucken und kann da halt ein bisschen nachjustieren bis zu einem bestimmten Punkt. Also insofern, das ist auch immer dieses mit Kennzahlen halt weiterdenken. Die erste Ebene bringt meistens nicht sonderlich viel Erkenntnis, sondern immer erst der Vergleich. Also Kosten pro Bewerbung, pro Kanal, aber auch Kosten pro Einstellung, Kosten pro Einstellung nach Kanal, also so diese ganzen Vergleiche. Ab da wird es dann halt interessant und ab da kriege ich dann auch das, was Marketing oder aus dem Marketing raus so gerne Actionable Data genannt wird. Also Daten, auf deren Grundlage ich sofort eine Entscheidung treffen kann und sagen kann, okay, das haben wir immer gemacht, Laufzeitanzeigen. Aber es funktioniert halt heute in einem Drittel der Fälle gar nicht mehr, in einem Drittel der Fälle so mittelgut und in einem Drittel der Fälle noch super. Und deswegen lassen wir jetzt das Drittel da, was super ist und nehmen die Kohle für die anderen zwei Drittel und packen die halt in andere Maßnahmen, zum Beispiel im Bereich Performance Marketing, Programmatic, von mir aus auch als Prämien für Mitarbeiterempfehlungsprogramme. Das ist ja dann jedem Einzelnen zur Entscheidung reingelegt. Aber genau, also Actionable Data wäre gut.

00:14:22

Alexander Petsch: Jetzt… Also ich wollte gerade sagen, sag es noch mal. Ein tolles neues Wort, was ich jetzt gerade gelernt habe. Das werde ich jetzt in meinem ständigen Sprachschatz mit aufnehmen und auch mit meiner eigenen Marketing-Abteilung diesen Level einfordern.

00:14:36

Jan Kirchner: Na ja, also ich mag das… Ich mag generell eigentlich nicht so gerne das Marketing-Englisch. Also ich habe da noch keine deutsche Zwei-Wort Kombi dafür. Aber Actionable Data ist im Prinzip einfach… Sind einfach Daten, die denjenigen, der damit arbeitet, halt dazu befähigen, Dinge zu verstehen und Entscheidungen zu treffen. Und das sollte halt generell der Anspruch sein. Auch wenn wir jetzt das Thema… Wir haben gesagt, okay, jetzt haben wir Kostenkennzahlen. Wenn wir jetzt halt uns weiterbewegen und gucken uns Zeitkennzahlen an, ja, dann hast du als erstes immer irgendwie Time-to-hire, Time-to-fill. Dann geht es in die Diskussion, was ist das überhaupt? Was im Einzelfall egal ist. Es können im Prinzip einzelne Organisationen ruhig unterschiedlich messen. Wichtig ist ja nur, dass die innerhalb der Organisation irgendwie erst mal verstehen, was das ist, was sie da messen und womit sie das dann vergleichen. Dann ist doch eigentlich wieder die Frage, um es eben auch actionable zu kriegen, warum ist unsere Time-to-hire in einem bestimmten Bereich so lange, wie sie ist? Und dann ist man halt ein Level tiefer und sagt, okay, wir machen jetzt mal Recruiting-Prozess-Durchlaufanalyse und messen halt die einzelnen Prozessschritte in unserem Recruiting-Prozess und sagen halt, okay, von der Personalmeldung bis zur Ausschreibungen brauchen wir keine Ahnung, zehn Tage. Da muss noch ein Anforderungsprofil erstellt werden oder vielleicht ist es auch schon da und muss einfach aufgehübscht werden, in eine Anzeige gepackt werden. Jemand muss dann diese Anzeige, die in Word geschrieben wurde, in ein ATS einpflegen und die erst mal auf der Karriereseite schalten. Ein anderer muss die dann nehmen und muss die irgendwie eben egal in welchem Mix, aber irgendwo in der Welt bekannt machen und dann müssen wir erst mal warten. Reichweite ist halt eben auch ein Thema, was erst mal aufgebaut werden muss. Dann kommen irgendwann Bewerbungen rein. So, dann sind die da, dann muss ich die sichten. Wie schnell mache ich das denn? Schaffe ich das in 48 Stunden oder mache ich so eine lustige Sammelbewertung? Also wir schreiben jetzt aus und dann sammeln wir acht Wochen lang Bewerber und die, die dann danach noch zur Verfügung stehen, denen kann man… Das wissen wir eigentlich nicht. Weil wir alle angucken, die filtern wir dann, verteilen die weiter. Und dann haben wir die verteilt, wie lange braucht eigentlich dann die Fachabteilung noch, um die anzugucken? Und wenn die dann gesagt haben, ja, die sind gut, wie lange brauchen sie denn, mit denen noch einen Termin zu machen? Und man merkt jetzt schon, die Aufzählung wird länger. Aber die Zahl, die da hinten steht, ist in der Praxis auch häufig so hoch, dass in dem Moment, wo du die schwarz auf weiß siehst, du erst mal einen kleinen Schlag verspürst und fast hinten überfällst und dann sagst, das kann nicht sein, dass ihr so lange dafür braucht. Und dann ist es auch kein Wunder, wenn die Hälfte der Leute, die sich mal beworben haben, nicht mehr zur Verfügung stehen. Und da hast du sofort Actionable Data, weil du sagen kannst, hey, wenn wir im Schnitt drei Wochen brauchen, bis der Fachbereich sich entscheidet, ob er den Kandidaten sehen will, ja, nein, um dann einen Termin mit dem zu machen, dann kann das Recruiting vorne sich abmühen bis zum Geht-nicht-mehr. Dann ist da die Bruchstelle und dann muss man vielleicht auch da erst mal ansetzen und sagen, Leute, wir müssen mit euch mal über Service Level Agreements reden, weil das geht so nicht. Der Markt hat nicht so viel Angebot, dass ihr so verschwenderisch damit umgehen könnt. Ihr müsst das halt machen. Und ich habe bestes Verständnis dafür, dass ein Hiring Manager natürlich einen vollen Terminkalender hat. Aber da müssen wir an den Prozess ran und müssen den Prozess anpassen auf die Marktsituation. Und das ist wieder diese Actionable Data, wo man halt sagen muss, auf der zweiten, dritten Ebene, da liegen wirklich die Gold Nuggets versteckt und da kann man dann teilweise auch mit wirklich relativ kleinen Prozessanpassungen richtig was reißen. Also zum Beispiel, eine Erkenntnis aus der Arbeit mit Kunden ist, dass die, die in Engpassumfeldern erfolgreich sind, sind die, die schnell sind. Das sind die… Ja, das sind die, die dir wirklich sagen, ich kann jetzt hier garantieren für meine 800 Positionen, dass die innerhalb von 48 Stunden eine Antwort kriegen. So, ne?

00:18:26

Alexander Petsch: Da haben wir auch einige Podcasts schon zu gemacht und… Ja, Recruiting und Speed ist da in den meisten guten Podcasts, die wir gemacht haben, ein absoluter Key Faktor. Und da könnt ihr auch solche Hacks hören, wie feste Zeitfenster in den Hiring-Abteilung sozusagen zu blockieren, dass ich im Recruiting ohne Rückfragen direkt die Termine einbuchen und einlegen kann, weil ich weiß, in den Zeitfenstern sind immer freigehalten dafür. Und wenn ich halt keinen Kandidaten habe, haben die Abteilung auch genug zu tun. Also solche Themen. Und auch Entscheidungsprozesse nachher schnell zu fällen und den Kandidaten auch natürlich im Klaren zu lassen, was sind die nächsten Prozessschritte, wie lange dauern die? Auch solche Sachen. Überhaupt, wenn ich das nicht weiß, kann ich dem Kandidaten ja auch nicht sagen, auf was musst du dich einstellen. Und das ist… Ja, die Kandidatenbefragung auch immer eines der absoluten, ja… Will ich den Job haben oder nicht, hängt oft davon ab, auch wie transparent ist der Prozess.

00:19:35

Jan Kirchner: Ja, absolut. Also das ist ja im Prinzip dieses ganze Thema Erwartungsmanagement. Und auch das setzt aber voraus, dass ich das erst mal beantworten kann. Also… Und das ist halt gerade bei größeren Organisationen total spannend, weil du meistens auf die Frage, „wie lange braucht ihr denn“ eigentlich eher so ein, ja, das kommt darauf an und das kann ich dir jetzt auch nicht so ganz genau sagen… Und dann merkst du halt, dann bist du eben wieder an so einem Thema, wo du halt häufig mit so Datengräbern zu tun hast. Du weißt, dass diese theoretisch da liegen, aber eben beispielsweise im Bewerbermanagementsystem in irgendsoeiner Sub-Datenbank versteckt, die halt keiner angezapft hat. Dann wird es teilweise versucht zu rekonstruieren, muss aber händisch gemacht werden und in so eine… Also es gibt halt noch kein zentrales Dashboard, wo das drin ist, wo man sich auch angucken kann, wie sich dieser Prozess entwickelt. Weil das ist ja nicht so, dass du den einmal erreicht hast und dann steht er so. Hiring Manager haben ja auch unterschiedliche Workloads zum Beispiel. Und dann wird halt mal sowas wie ein freigehaltenen Termin, sofern es den überhaupt gibt, was ja bei den meisten nicht der Fall ist, dann wird er halt geblockt. Ja, und ich glaube, worum es halt ganz oft eben erst mal geht, ist halt wirklich auch, Transparenz zu schaffen und nicht immer alles sofort zu werten. Also ich empfinde Zahlen persönlich auch nicht als Bedrohung, sage ich mal. Oder habe Angst davor, dass das sofort dazu führt, dass irgendwer sagt, oh, das ist aber schlecht. Sondern das hilft mir, erst mal zu verstehen, wie ist es denn überhaupt so? Und dann kann ich ja da nachgucken. Warum ist das so? Wieso brauchen wir denn so lange? Ich kann ja auch niemandem vorwerfen, wenn er sich an einen existierenden Prozess hält, und das ist halt ein Prozess, der ist eben überaltert und muss angepasst werden, das kann ich ja nicht den Leuten vorwerfen, die in dem Prozess stecken. Dann muss ich halt an den Prozess ran und das ist ja auch voll okay. Ich glaube aber, dass genau diese Angst bei KPIs oft da ist. Dass so, wenn das KPI da ist, dann wird irgendeiner kommen und sagen, das ist schlecht und du bist schuld. Und im Normalfall ist die klassische Antwort immer, das ist historisch gewachsen und so richtig schuld ist da eigentlich keiner dran, sondern das ist jetzt eben so, und dann muss man halt die Ärmel hochkrempeln und zusammen gucken, wo kann ich denn jetzt halt ansetzen? Ich glaube so einen positiveren Blick auf Kennzahlen allgemein, nämlich als das sind Rätsellöser oder die helfen, Rätsel zu lösen. Und das sind so die kleinen Joker, die man so ziehen kann. Ich glaube, da wäre auch viel getan, wenn man dahin geht und die dann als, ja, Helferlein auf dem Weg zu mehr Qualität im Recruiting Prozess sieht. Und klar, man reportet dann am Ende auch irgendwas. Aber vor allem geht es eben darum, gerade wenn man sagt, man hat diesen Gestalteranspruch. Denn gestalten kann man nur, was man auch versteht. Oder Peter Drucker hat immer gesagt, ich kann nur steuern, was ich auch messe. Und das ist halt im Endeffekt genau das. Aber es sollte halt eben mit Fragen verknüpft sein. Und es sollte einmal… Also ich habe es gerade gesagt: Kosten, Zeit und eben auch Qualität, Prozessqualität messen. Und das sollte ich dann sowohl einmal vertikal tun, also im Prinzip den Personalmarketing-Trichter so von: Wie viele Erstkontakte habe ich eigentlich? Wie viele Leute gucken sich die Karriereseite an? Wie viel davon haben erst Kontakt mit Jobs? Wie viele ziehen in Erwägung, sich zu bewerben? Wie viele tun es wirklich? Wie viele von denen kommen halt eben bei mir durchs Erstscreening? Wie viele schaffen halt die zweite Runde? Wie viele von denen, denen ich ein Angebot gemacht habe, nehmen das hinterher auch an? Wie viele von denen, die wir eingestellt haben, bleiben länger als ein Jahr? Das wäre so einmal quasi der Acquisition Trichter und genauso dann der ganze horizontale Prozess. Eben dieses Durchlaufthema von, ich habe halt eine Job Requisition, also jemand meldet eine Stellenanforderung über die ganzen Schritte: Wie lange brauche ich eigentlich dafür? Und wie gut funktionieren halt auch die einzelnen Teilaspekte? Das wären so die beiden… Das sollte man einmal versuchen zu messen. Und dann hat man eigentlich im Großen und Ganzen das auch im Griff. Und mir ist es lieber, man hat pro Bereich irgendwie drei Kennzahlen als quasi alles. Wichtig ist wieder dieses actionable, ich muss halt was machen mit den Kennzahlen und sie nicht in einer Powerpoint, in einem Sharepoint-Ordner begraben und dann da liegen lassen und nächstes Jahr mache ich das wieder als Reporting. Und dann eben nächstes Jahr auch wirklich wieder hinterfragen. Also immer wieder hinterfragen, warum sind die Daten so? Wie haben wir die noch mal erhoben? Oder die kommen da aus dem System? Was ist denn da eigentlich drin? Wie werden die denn erhoben? Also gerade wenn es um den Acquisition Trichter geht, ist das super spannend. Wenn man beispielsweise ein Bewerbermanagementsystem eines großen deutschen Anbieters mit drei Buchstaben benutzt, dann hat man da natürlich ein schickes Dashboard, wo irgendwie irgendwas drin steht und es ist völlig intransparent, wie das erhoben wird. Die finden auch nur 10 Prozent von dem wieder, was halt draußen passiert. Das merkt man, wenn man dann noch ein paralleles Web Analytics System laufen hat und auch sowas wie die Datengüte, Herkunft, wie wird die eigentlich verarbeitet, eben wirklich nachzuvollziehen und sich die Zeit dafür zu nehmen. Das wäre auch ein wichtiges Thema, wenn man sich da weiterentwickeln will. Also nicht einfach alles, was in dem Dashboard steht, hinnehmen, sondern nachvollziehen, warum das so ist. Und jedes Jahr noch mal hinterfragen, wieder gucken und Daten, die man vielleicht auch nicht gebraucht hat, dann halt auch einfach im nächsten Jahr nicht mehr erheben und dafür vielleicht was Neues.

00:24:49

Alexander Petsch: Ja, also das ist auf jeden Fall… Aufmerksam sein und hinterfragen ist auf jeden Fall ein ganz wichtiger Aspekt, ganz wichtiger Hack, um erfolgreich zu sein, auch im Recruiting, ja? Ja, dass es eine Fülle von Kennzahlen gibt, sieht man daran… Wir haben, glaube ich, bei HRM.de bestimmt 80, mal als Beschreibung und Formeln hinterlegt. Also wer seinen Kennzahlen-Fetisch ausleben möchte, der wird bei uns auch bedient. Einfach mal durchstöbern, vielleicht auch als Anregung, um die richtigen Fragen zu stellen.

00:25:26

Jan Kirchner: Das ist auf jeden Fall immer lohnenswert. Also grundsätzlich, sich auch einfach mal anzugucken, was gibt es da? Dann zu überlegen, was könnte ich für mich brauchen? Und was mich freut, wenn du sagst, 80, da sind vielleicht auch welche dabei, die nicht so die üblichen dieser „acht KPIs musst du messen“-Listicles haben. Und es gibt sehr schöne KPIs. Meine beiden Lieblinge sind aktuell einmal die Treffgenauigkeitsquote meiner Personalbedarfsplanung. Also im Jahresrückblick, wie gut habe ich vorher gesagt, wie viel es am Ende wird? Und das zweite ist die Cost-of-vacancy. Wie viel kostet eine nicht besetzte Stelle? Die ist auch nicht immer einfach zu beantworten, aber die hat unheimlich großes Verbesserungspotenzial. Also sei es, dass sie halt Budget freimachen kann, aber sie hilft eben insgesamt auch Priorisierungen herbeizuführen und sie erleichtert Entscheidungen hin zu hey, wir probieren mal was Neues. Also das sind so zwei Zahlen.

00:26:23

Alexander Petsch: Aber diese Kennzahlen kannst du doch auch nur sinnvoll nutzen, sozusagen die Cost-of-vacancy, wenn du sie runterbrichst auf die einzelne Position, weil…

00:26:31

Jan Kirchner: Das ist eine Positionskennzahl, klar. Also keine, die kannst du ja auch nicht übergeordnet bestimmen, aber das macht sie ja so schön. Und klar ist das irgendwie einfacher, wenn du mit einem Vertriebler oder so zu tun hast, wo du sagst, ach, na ja, dann nehmen wir den Durchschnittsumsatz im Monat und dann haben wir das ziemlich genau. Das ist sicherlich bei einem Entwicklungsingenieur schwerer. Aber auch da gelingt es am Ende, weil die haben ja dahinter dann auch einen Plan, wie viel kann einer von denen arbeiten? Die haben halt ein Zeitziel, irgendwo ist es auch mit Geld hinterlegt und dann kann man das halt runterbrechen. Und in dem Moment, wo man die hat, relativieren sich auch häufig die Recruitingkosten oder die Mehrkosten, die ich vielleicht investieren müsste, um irgendwo was zu beschleunigen, massiv. Wenn wir in eine Industrie oder so gucken, dann sind ja ehrlicherweise die Investitionen, die ins Recruiting fließen, eigentlich lachhaft gegen das, was da sonst passiert. Und auch oft um die Beträge, um die es da hinten rausgeht. Und deswegen glaube ich schon, dass die Cost-of-vacancy halt wirklich viel Potenzial hat. Und ja, das wäre so eine, wo ich mir wünsche, dass da mehr Leute häufiger drüber nachdenken würden.

00:27:35

Alexander Petsch: Ja, total spannend, Jan. Also, ich glaube, da ist viel, wie soll ich sagen, viel Power für Argumentation und wir hatten in unserem anderen Podcast auch darüber gesprochen, dass ja so viel Online Marketing ins Recruiting reinschwappt. Und ich stelle in meinen Gesprächen immer wieder fest, dass gerade diese Cost-of-vacancy im Mittelstand zum Teil zu auch krassen Entscheidungen führt, wofür man auf einmal riesige Budgets ausgibt. Also von da… Auch da sollte man das Know-how der Recruiting-Abteilung vielleicht einbeziehen, bevor man dann ja der einen oder anderen vermeintlich erfolgreichen Marketingagentur…

00:28:26

Jan Kirchner: Ja, unbedingt. Also ja auch wieder hinterfragen. Also auch bei den… Ja, na ja, bei den Marketingagenturen… Wir haben früher immer gelästert über die Schöne-Bildchen-Agenturen, die halt in ihren Pitches irgendwie tolle Hero Images auf der neuen Karriereseite machen, aber wo kein einziger Mensch über User Flow und Conversion Rate nachgedacht hat. Und dann hinterher hast du eine ganz toll anmutende erste Seite und einen total abgefuckten Prozess dahinter, weil die halt gesagt haben, oh was, ein externes Bewerbermanagementsystem integrieren? Na ja, das machen wir per iFrame. Ja, super, und dann bist du halt nicht sichtbar, und das, was du eigentlich verbessern wolltest, die Candidate Experience ist eigentlich nur schlimmer geworden als vorher. Aber Hauptsache, vorne sieht es schick aus.

00:29:13

Alexander Petsch: Ja, ich glaube, was früher die, wie du es genannt hast, Schöne-Bildchen-Agenturen sind, sind im Moment die Agenturen, die sonst „ich mache dich erfolgreich“ verkauft haben und jetzt festgestellt haben, da ist viel Kohle im Recruiting-Bereich möglich, und die dir jetzt sagen, kein Problem, gib mir die Kohle, ich mach dich erfolgreich, ja?

00:29:32

Jan Kirchner: Ja, aber die finde ich ja schon fast witzig. Also weil, wenn du ganz ehrlich, wenn du auf die rein fällst, dann bist du ja auch wirklich selber schuld. Das sind ja so diese Chaka-Typen, die „Recruiting ist ein Mindset-Problem“. Und ja, wir haben auch über Mindset geredet, aber nicht in dem Sinne, wenn du es nur willst, dann kauft er auch. Auch wenn es das Socken-Abo ist, was du halt am Telefon anbietest. Ich glaube… Also klar muss man sich vor denen hüten. Aber ich glaube, dass genau das eben auch zeigt, dass jetzt halt große Chancen da sind. Und dass… Wer sie nutzt, und Kennzahlenerheben gehört eben dazu, die dann auch nutzen kann. Und wer auf Kennzahlen guckt, fällt auf solche Typen auch nicht rein.

00:30:07

Alexander Petsch: Ja, und dann könnt ihr auch noch besser Business-Treiber im Recruiting und in eurer Organisation werden oder sein.

00:30:15

Jan Kirchner: Absolut!

00:30:17

Alexander Petsch: Jan, hat mir Spaß gemacht wieder mit dir.

00:30:18

Jan Kirchner: Ebenso.

00:30:18

Alexander Petsch: Schön, dass du da was.

00:30:20

Jan Kirchner: Und wir setzen das auf der TALENTpro im Juni fort. Wann war sie noch mal?

00:30:25

Alexander Petsch: 28., 29. Juni in München. Ihr habt eine eigene Stage, ich freue mich drauf!

00:30:30

Jan Kirchner: Da werden wir auch was zum Thema Kennzahlen machen. Also wer Bock hat, sollte auf jeden Fall kommen. Wir werden das Thema auch da platzieren.

00:30:36

Alexander Petsch: Also Glückauf und bleibt gesund und denkt dran, der Mensch ist der wichtigste Erfolgsfaktor für euer Unternehmen.