Die Stadt Nürnberg startete bereits im Jahr 2001 ihre Initiative für „Gender Mainstreaming“. Gender Mainstreaming bedeutet, dass bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen sind. Dabei zielen die Instrumente bewusst nicht nur auf Frauen, sondern auf die Lebensrealitäten beider Geschlechter.

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Foto von Danielle MacInnes

Indem die Stadt Nürnberg das Innovationspotenzial beider Geschlechter anspricht und Diskriminierung abbaut, vermeidet sie Kosten, verfügt über eine größere Personalauswahl und erhöht mithilfe geschlechterspezifischer Pass- und Zielgenauigkeit die Qualität von Dienstleistungen.

Zudem hat Gender Mainstreaming positive Nebeneffekte: Das Image von Politik und Verwaltung  verbessert sich und die Beschäftigten sind zufriedener und stärker motiviert. Die Stadt kann starre und unproduktive Arbeitsstrukturen und -kulturen abbauen, denn mit dem Ende von Geschlechtermonokulturen und durch die gleichmäßige Repräsentanz von Frauen und Männern auf allen Hierarchieebenen gelingt dies leichter.

Leistungsbezogen quotieren und Arbeitszeit flexibilisieren

Um die Anteile von Männern und Frauen in Fach- und Führungspositionen anzugleichen, setzt Nürnberg auf eine leistungsbezogene Quotierung: Der Frauenförderplan sieht vor, dass bei der Besetzung von höherwertigen Stellen Frauen – bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung wie ihre männlichen Mitbewerber – solange bevorzugt berücksichtigt werden, bis ihre Unterrepräsentation aufgehoben ist. 

Schon seit 1997 hat die Stadt Arbeitszeiten flexibilisiert. Die Gleitzeitregelung erlaubt es den Mitarbeitern maximal 15 Stunden monatlich mehr oder weniger zu arbeiten. Nach Rücksprache mit der jeweiligen Dienststelle können die Beschäftigten jährlich 15 Arbeitstage zusätzlich oder 5 Arbeitstage weniger einbringen. Grundsätzlich ist Teilzeit auch für Führungskräfte möglich.

Die Stadt Nürnberg beteiligt sich außerdem regelmäßig am Girls‘ Day. Diese Veranstaltung soll Mädchen auf bisher unter Frauen unterrepräsentierte Karrieren wie technische Berufe oder Führungspositionen aufmerksam machen. Seit kurzem gibt es auch einen solchen Informationstag für Jungen, den Boys Day, an dem sich Nürnberg auch bereits einmal beteiligt hat.

Lebensrealität der Männer einbeziehen

Die Nürnberger Stadtverwaltung setzt sich auch dafür ein, Männern eine Auszeit für die Familie zu erleichtern. Sie untersuchte kürzlich in der Studie „Väter in Elternzeit“ gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Soziologie und Empirische Sozialforschung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Rahmen einer Bachelorarbeit die gesellschaftliche Akzeptanz von Elternzeit bei Männern.

In der Bewertung kommen die Autorinnen zu dem Ergebnis, dass die positiven Erfahrungen der Väter während der Elternzeit überwiegen. Allerdings sehen die Wissenschaftlerinnen noch eine Reihe von „Hausaufgaben“ für die Personalverantwortlichen der Stadtverwaltung:

  • Personalentwicklung muss Widerstände gegen Elternzeit thematisieren und zum Abbau beitragen, Aufklärungsarbeit ist zu leisten: Die Zahl derjenigen, die Karriereeinbußen befürchten, ist zu hoch.
  • Die Beratung ist zu verbessern.
  • Die Väter wünschen sich eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten und eine Erleichterung von Teilzeit während der Elternzeit.
  • Die Kontaktmöglichkeiten zur Arbeitsstelle auch während der Elternzeit sind zu optimieren.
  • Knapp 40 Prozent der Väter wünschen die Einrichtung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

In den Kindertagesstätten sind männliche Fachkräfte heute noch unterrepräsentiert. Das möchte das Modellprogramm des Europäischen Sozialfond (ESF) „MEHR Männer in Kitas“ ändern, an dem sich auch die Stadt Nürnberg beteiligt. Ziel ist es, das Interesse von Jungen und Männern am Beruf des Erziehers zu wecken, Männer bei der Entscheidung zu unterstützen, den Erzieherberuf zu wählen und die Perspektiven für Männer (und Frauen) im Arbeitsfeld Kindertageseinrichtungen zu verbessern. Neue Konzepte für eine geschlechtersensible Pädagogik sind zu entwickeln und positive Rollenmodelle vorzuleben.

Frauen auf dem Vormarsch

Angesichts der eingesetzten Instrumente und Projekte steigt der Frauenanteil an den Gesamtbeschäftigten, der heute schon bei 49,8 Prozent liegt, kontinuierlich. In den Laufbahngruppen des höheren und gehobenen Dienstes sind Frauen mit 55,7 Prozent vertreten – und auch hier: Tendenz steigend. Verbesserungsbedarf besteht noch bei den Leitungspositionen in der Stadtverwaltung. Nur 12 von 68 Dienststellen und Schulen werden von Frauen geleitet (17,4 Prozent) und 27 von 68 Dienststellen und Schulen haben Frauen als Stellvertretende Leitungen (knapp 40 Prozent). Jede zweite Frau arbeitet heute in der Stadtverwaltung Nürnberg mit reduzierter wöchentlicher Stundenzahl, bei den Männern ist es jeder zehnte. Der Männeranteil bei der Elternzeit beträgt 13 Prozent.

Um Gender Mainstreaming weiter voranzubringen hat sich der Stadtrates im Oktober 2009 zur Steigerung des Frauenanteils bei Entsendungen von Stadtratsmitgliedern in Unternehmen und Zweckverbänden verpflichtet: Künftig soll die Stadt Nürnberg eine Quote von mindestens 40 Prozent einhalten; mittelfristiges Ziel ist die Geschlechterparität. Im Oktober 2010 hat die Stadt die Europäische Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene unterzeichnet. Innerhalb eines Jahres muss nun ein Aktionsplan mit Zielen und Prioritäten erarbeitet und dem Stadtrat berichtet werden.