Claus-Peter Barfeld, der seit über 30 Jahren Führungskräfte für Unternehmen aus der Energiebranche rekrutiert, gibt Antworten auf die drängendsten Fragen.

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Foto von Nastuh Abootalebi

Kommt derzeit bzw. in absehbarer Zukunft einen Fach- und Führungskräftemangel auf die Energiebranche zu? Welche Rolle spielt der allgemeine Demographiewandel dabei oder sind die Probleme hausgemacht?

Barfeld: Beides trifft zu. Zum Stichwort Demographiewandel ist zu sagen, dass wir gerade in der Energiewirtschaft eine Überalterung bei Fach- und Führungskräften feststellen. Zum Teil wurde aber auch jahrelang kein Führungsnachwuchs eingestellt (hier denke ich insbesondere an die Mineralölindustrie). Die Strom- und Gasunternehmen waren personell recht gut ausgestattet. Dies hat sich aber in der jüngsten Vergangenheit völlig verändert, denn hier machte sich auch aufgrund des Ergebnisrückgangs der Arbeitsplatzabbau – wenn auch sozial verträglich – breit. Wie oben schon erwähnt, hat die Mineralöl- und Petrochemieindustrie schon in den letzten zehn Jahren heftig abgespeckt und steht deswegen in den nächsten Jahren personell gesehen mit dem Rücken an der Wand. Dies gilt für die Bereiche Exploration, Raffinerien aber auch Marketing und Vertrieb. Insofern sind die Probleme hausgemacht und das vor dem Hintergrund, dass es der Energiewirtschaft im Allgemeinen finanziell und ergebnismäßig gesehen recht gut gegangen ist. Man hätte hier früher Vorsorge treffen müssen! Ein jüngstes Zitat eines Unternehmenslenkers aus der Mineralölindustrie: „Wir haben zwischenzeitlich zu viel in Highflyer investiert, weniger für die Nachfolge von Managern für die untere und mittlere Führungsebene oder für ausgesuchte Spezialisten“.

Welche Auswirkung könnte der Fach- und Führungskräftemangel auf die Zukunft der Energieunternehmen haben?

Barfeld: Schon jetzt stellen wir fest, dass einige Positionen – zumindest so wie die Anforderungsprofile von den Unternehmen definiert sind – nicht mehr besetzt werden können. Ich denke insbesondere an Key Account oder Portfolio Manager, aber auch an Trader für die Strom- und Gasindustrie. Dies wird sich bedingt durch das Ausscheiden älterer Mitarbeiter deutlich verstärken. Schon jetzt lässt sich auch im Kraftwerksbereich feststellen, dass Positionen vakant bleiben. Dies hat Auswirkungen auf den Ausbau der nationalen und internationalen Geschäftsaktivitäten sowie auch schon auf das laufende Geschäft. Als Beispiel, allein Siemens Power sucht weltweit Tausende von technischen Mitarbeitern, um den Anforderungen die an die Unternehmen aus den jeweiligen Märkten gestellt werden, gerecht zu werden!

Wann werden diese Auswirkungen massiv spürbar sein?

Barfeld: Ich vermute, dass wir mit den Auswirkungen des Fach- und Führungskräftemangels schon in den nächsten drei bis fünf Jahren konfrontiert werden. Massiv verstärken wird sich das in den nächsten 8 bis 10 Jahren.

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Energieunternehmen in Deutschland?

Barfeld: Da wir vornehmlich Nachfolgeprobleme im technischen Bereich sehen, werden wir in Deutschland an Innovationskraft nachlassen und technisches Know-how verlieren. Dies war in der Vergangenheit immer unsere Stärke. Um das zu verhindern wird derzeit von den Unternehmen versucht, gegenzusteuern. Aber selbst wenn dies aber kurzfristig passiert, werden wir frühestens in den nächsten 10 Jahren über das entsprechende Führungspotential verfügen. Es wird sich eine Lücke von mindestens 5 Jahren auftun, was letztendlich volkswirtschaftlich gesehen Wachstum kostet.

Welchen Beitrag können/müssen die Energieunternehmen leisten, um dem Fach- und Führungskräftemangel zu begegnen?

Barfeld: Es wird jetzt schon damit begonnen, „Energielehrstühle“ an den deutschen Universitäten einzurichten. Daneben werden engagierte und qualifizierte Studenten, die nicht über entsprechende Geldmittel verfügen, mit Stipendien gefördert, um deren Ausbildung nicht nur national sondern auch international zu unterstützen. Im Übrigen muss die Politik entsprechende Rahmenbedingungen setzen, um junge Führungsnachwuchskräfte nicht mit einer schlechten Bildungspolitik aus dem Land zu „jagen“. Hier tut eine Vereinheitlichung über alle Bundesländer Not. Eine ausgewogene Hochschulpolitik könnte die Abwanderung der jungen Leute verhindern. Darüber hinaus müssen die Energieunternehmen, ähnlich wie andere Wirtschaftszweige, versuchen, die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie – und das nicht nur bei den Frauen – zu fördern. Hier greifen zwischenzeitlich erste Maßnahmen.

Woran liegt es, dass es immer schwieriger wird hoch qualifizierter Arbeitskräfte zu finden?

Barfeld: Da man ansonsten viel über Defizite der Unternehmen und Arbeitgeber spricht, so muss man hier erwähnen, dass die Besetzung von durchaus interessanten Positionen oftmals auch an der Immobilität der Arbeitnehmer scheitert. Den geeigneten und mit Perspektiven versehenen Arbeitsplatz gibt es nun mal in der Regel nicht um die Ecke. Ein sehr frühes Binden an Standorte und persönliche Gewohnheiten behindert nachweislich eine gute Karriere. Darüber hinaus muss auch an der Schulbildung gearbeitet werden. Wir haben zu wenig gut ausgebildete Abiturienten, die in der Lage sind, den Anforderungen der Unternehmen gerecht zu werden. Dies gilt insbesondere für die naturwissenschaftlichen Fächer. Das Bestreben, dass möglichst jeder Schulabgänger einen Abiturabschluss hat, ist zwar einerseits löblich, andererseits bedingt durch genetische Voraussetzungen in der Regel nicht umsetzbar. Hier fehlt eine größere Differenzierung, die sicherlich im Einzellfall auch bedeutet, dass hoch engagierte und zielstrebige Schüler mehr gefördert werden müssen, als diejenigen, die meinen, dass es reicht mit Mindestaufwand durch die Schulzeit zu kommen. Es fehlen derzeit Perspektiven für Hochbegabte, von denen in der Konsequenz viele spätestens nach dem Studium Deutschland in Richtung Ausland verlassen. Die Gleichmacherei aller Schüler, die im Moment politisch propagiert wird, wird es für die Unternehmen immer schwieriger machen, hoch qualifizierte Arbeitskräfte zu finden!