Für Personalverantwortliche ist Mentoring kein unbekanntes Konzept. Viel wurde über den kleinen Bruder des Coachings geschrieben und diskutiert. Dennoch scheint sich dieses Personalentwicklungsinstrument nur langsam durchzusetzen. Das zeigt auch der aktuelle Financial Directions Survey 2008 von Robert Half. Im Rahmen dieser Studie wurden weltweit insgesamt 5219 Fach- und Führungskräfte im Finanz- und Rechnungswesen befragt, unter anderem auch zum Thema Mentoring. In Deutschland gibt es beim Mentoring noch Nachholbedarf: Nur gut ein Drittel (37 Prozent) der befragten Finanzexperten hat bislang von einer entsprechenden Förderung profitiert. Würde man hingegen danach fragen, wie viele eine formelle Weiterbildung erhalten haben, wäre die Zahl vermutlich höher.

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Foto von Scott Graham

Das ist erstaunlich, denn ein Großteil der Fähigkeiten, die Führungskräfte erfolgreich werden lassen, kann nicht in Seminaren vermittelt werden. Dazu gehören das Wissen um implizite Regeln im Unternehmen, Networking- Fähigkeiten oder Soft Skills. Aber genau hier sehen die befragten Finanzexperten ihren größten Entwicklungsbedarf. 32 Prozent halten ihre Kompetenzen in der Mitarbeiterführung für verbesserungswürdig, immerhin 22 Prozent möchten ihre kommunikativen Kompetenzen ausbauen. (siehe Tab.)

Idealer Partner

Um die Entwicklung eines Mitarbeiters gezielt zu fördern, ist ein Mentor der ideale Ansprechpartner. Dies bestätigt Rick Kögler, Leiter Debitoren beim Unternehmen für Vacuumlösungen Oerlikon Leybold Vacuum GmbH, Köln. Kögler hat ein Mentoring- Programm durchlaufen und ist von dessen Vorteilen überzeugt: „Meine persönliche Herausforderung war es, in meinem Team in eine Führungsposition aufzusteigen.“ Damit änderten sich seine Rolle und seine Aufgaben in der Abteilung natürlich grundlegend. Er musste sich zunächst in dieser neuen Rolle zurechtfinden. „Mein Mentor hat mir dabei geholfen, bestehende Selbstzweifel auszuräumen und gegenüber meinen Mitarbeitern sachlich zu argumentieren“, erklärt Kögler. „Das ist in meinen Augen eine ganz wesentliche Voraussetzung, um erfolgreich zu führen.“

Neben individuellen Führungstipps passend zum aktuellen Karriereabschnitt des Protegés kann ein Mentor natürlich auch in weiteren wichtigen Fragen ein wertvolles Feedback geben. Da er im Normalfall schon längere Zeit im Unternehmen tätig ist, kennt er abteilungsübergreifende Prozesse und unterstützt den Mentee beim Aufbau eines internen Netzwerks. Handelt es sich um einen neuen Kollegen, führt der Mentor seinen Schützling gleichzeitig in die Werte und Arbeitsweisen des Unternehmens ein.

Direkter Vorgesetzter

In Mentoring-Programmen deutscher Unternehmen übernehmen häufig Führungskräfte aus dem direkten Umfeld des Mentees die Aufgabe des Ratgebers. So wurden 55 Prozent der befragten Mentees auf ihrem Karriereweg bereits von ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, CFO oder Finance Manager unterstützt. Tatsächlich würden sich auch knapp zwei Drittel der Finanzfachkräfte an ihren direkten Vorgesetzten wenden, wenn es um die eigene Karriere geht. Interne oder externe Mentoren wurden nur von 15 Prozent genannt. Auch Georg Piaschinski, Senior Manager Finance & Risk Management und Mentor bei Oerlikon Leybold Vaccum, machte am Anfang seiner Karriere gute Erfahrungen mit dem direkten Vorgesetzten als Mentor.

Piaschinski wurde vom Chief Financial Officer betreut – freilich mit maßgeblicher Unterstützung aus der Personalabteilung. Er gibt sein Wissen heute selbst als Mentor in fachspezifischen Projekten weiter und resümiert seine Erfahrungen: „Nur wenn man sich auf Menschen einlässt, ist man erfolgreich und fit für die Zukunft. Das erfordert allerdings gegenseitiges Vertrauen und die Bereitschaft aller Beteiligten, sich zu engagieren.“ Auch Mentoring-Beziehungen, bei denen der Mentor in einem anderen Unternehmensbereich tätig ist, sind sehr effektiv, denn so kann der Mentor seinen Schützling weitgehend unparteiisch on the job auf Führungsaufgaben vorbereiten. Darüber hinaus lernt der Mentee unterschiedliche Führungsstile kennen, die er in der täglichen Arbeit umsetzen kann.

Verschiedene Generationen

Ob direkt oder abteilungsübergreifend – Mentoring-Programme sind eine Chance für alle Beteiligten, denn sie dienen dem generationsübergreifenden Wissensaustausch. Auch der erfahrene Mitarbeiter kann so im Arbeitsalltag sein Wissen komplettieren und beispielsweise Einblicke in aktuelle Forschungs- und Managementtrends erhalten. Zusätzlich baut jeder Beteiligte seine sozialen und kommunikativen Fähigkeiten aus. Die Erfahrungen von Rick Kögler und Georg Piaschinski von Oerlikon Leybold Vacuum zeigen, welche Vorteile Mentoring-Programme bieten können. Als Unternehmen, das überwiegend in internationalen Projektteams arbeitet, legt Oerlikon besonderen Wert darauf, dass seine Mitarbeiter über ausgeprägte Soft Skills verfügen. Herkömmliche, bisweilen ziellos gestreute Weiterbildungen hatten sich für dieses Ziel nicht bewährt.

Daher entschied sich die Unternehmensleitung vor etwa eineinhalb Jahren, in der Abteilung Finanz- und Risikomanagement ein Mentoring-Programm für angehende Führungskräfte einzuführen. Ziel der Maßnahme war es, das Wissen und die Erfahrung älterer Führungskräfte zu nutzen. Auf diesem Wege sollten Nachwuchsführungskräfte die Chance erhalten, verschiedene Unternehmensbereiche kennenzulernen und eventuell eine Affinität für eine bestimmte Abteilung zu entwickeln.

Dazu Georg Piaschinski: „Mentoring basiert auf einem ganz bestimmten Menschenbild: Die Bedürfnisse des Mitarbeiters stehen im Mittelpunkt. Ratgeber und Schützling müssen sich für einander Zeit nehmen und sich gegenseitig Aufmerksamkeit schenken, um zu dem Ergebnis zu gelangen, das letztlich angestrebt wird.“ Im hektischen Arbeitsalltag könne das nur in einem organisierten Rahmen funktionieren. „Dass damit auch betriebswirtschaftliche Ziele erreicht werden, kann Unternehmen nur darin bestärken, solche Programme aufzubauen“, so Piaschinski.

Zu guter Letzt sind natürlich auch die demografischen Veränderungen in Deutschland ein triftiger Grund für Unternehmen, diese Vorteile von Mentoring-Programmen stärker zu nutzen als bisher geschehen. Denn Mentoring erhöht die Chancen für Frauen auf einen Einstieg in Führungspositionen, integriert hoch qualifizierte ältere Mitarbeiter sinnvoll im Unternehmen und verhindert einen kostspieligen Wissensverlust. Damit ist Mentoring nicht nur im Sinne einer Karrierepartnerschaft wertvoll, sondern auch als wesentlicher Faktor im Wettbewerb um die besten Talente auf dem Markt.

So führen Mentoringprogramme zum Erfolg

 

  • In der Regel entscheidet die Personalabteilung, wer Mentor wird. Es sollte sich auf jeden Fall um Mitarbeiter mit Führungs- und Managementerfahrung handeln, die die Strukturen im Unternehmen gut kennen.
  • Mentoren müssen über soziale Kompetenzen verfügen, damit sie in schwierigen Situationen diplomatisch vermitteln oder ihren Mentee mit Lob und Anerkennung richtig motivieren können. Daher ist eine gute Vertrauensbasis zwischen Mentor und Mentee eine wichtige Voraussetzung.
  • Mentor und Mentee sollten sich regelmäßig persönlich treffen, idealerweise in einem Rhythmus von vier bis sechs Wochen. Dieser intensive Austausch fördert nicht nur die Vertrauensbasis, sondern dient auch dazu, wichtige Entwicklungsschritte zu besprechen.
  • Die Personalabteilung sollte das Programm einführen und den Mitarbeitern erklären. Sie unterstützt den Mentor bei Fragen und begleitet die Entwicklung der Beteiligten. Darüber hinaus sorgt die Personalabteilung für eine ehrliche, offene Kommunikation zwischen Mentor und Mentee.
  • Manche Unternehmen nutzen einen Mentoren-Pool, aus dem sich der Mentee seine Vertrauensperson selbst aussucht. So kann sichergestellt werden, dass von Beginn anSympathien zwischen beiden vorhanden sind und die Kooperation gut funktioniert. Ein Mentor sollte maximal drei Mentees betreuen.
Quelle: PERSONAL – Heft 09-08/2008

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