Das Phänomen Stress ist allgegenwärtig – er ist wesentlicher Teil unserer Arbeits- und Lebenswelt geworden und steht in einem scharfen Wettbewerb um die verfügbare Zeit und Energie. Der eine geht jedoch damit lockerer und gelassener um, der andere hält der Belastung nicht mehr Stand und wird krank davon. Gesündere Chefs und MitarbeiterInnen sind eine wesentliche Voraussetzung für gesunde Betriebe und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens und eine gesunde Stresskultur im Unternehmen das Gebot der Stunde.

Typische Klauseln: Freistellung von der Arbeitspflicht
Typische Klauseln: Freistellung von der Arbeitspflicht

Verhaltens- und Verhältnisprävention

Die betriebliche Gesundheitsförderung betrifft in der Primärprävention die Schaffung menschengerechter und gesunder Arbeitsplätze und Abläufe (Verhältnisprävention) gleichsam wie die Förderung gesundheitsrelevanten Verhaltens der Mitarbeiter, also die Stärkung persönlicher Gesundheitskompetenzen (Verhaltensprävention). Anti-Stress-Maßnahmen auf der Organisationsebene setzen daher an den Verhältnissen zueinander an, decken Belastungsfaktoren und Missverhältnisse im Arbeitsprozess, in den Abläufen und der Organisation auf und suchen nach geeigneten Lösungen.
Ein sehr einfach umzusetzendes Instrument dafür können moderierte Gesundheitszirkel mit den Mitarbeitenden sein, die arbeitsplatzbedingte Belastungen identifizieren sowie verfügbare und fehlende Ressourcen zu deren Bewältigung und Entlastung gemeinsam finden. Es ist ein sehr lösungsorientiertes Vorgehen und immer wieder überraschend, wie viele praxistaugliche Lösungsvorschläge aufgrund des Erfahrungswissens der Mitarbeitenden zu Tage kommen, die oft nur kleine und kostengünstige Veränderungen betreffen.
Wichtig bei einer gesunden Stresskultur im Unternehmen ist es, die Mitarbeitenden ins Boot zu holen und ihnen die Möglichkeit zur Mitsprache zu geben sowie Vertrauen, Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit zu stärken. Auf der Verhaltensebene ist es wichtig, den Mitarbeitern ausreichend Impulse, Schulungen und Trainings im besseren Umgang mit belastendem Stress zu ermöglichen. Auch wenn die betrieblichen Rahmenbedingungen nicht verändert werden können, so kann jeder selbst einiges dazu beitragen, das persönliche Stressempfinden und die Stressreaktion zu verändern. Die eigene Einstellung und Bewertung und vieles um uns herum ist beeinflussbar und können wir selber in die Hand nehmen, um so Druck zu reduzieren oder die Stressantwort des Körpers zu lindern.
Impulse für ein persönliches Stressmanagement finden Sie im Beitrag „Checkliste“.

Stressmanagement ist Chefsache

Viele Unternehmer und Führungskräfte wissen zu wenig über präventive Möglichkeiten und die Rahmenbedingungen der Salutogenese, die sich sehr stark mit den Fragen der Gesundheitsentstehung, den Faktoren, die Gesundheit positiv beeinflussen und wie diese erhalten werden können, beschäftigt. Sie unterschätzen zudem ihre starke Vorbildwirkung in Bezug auf das eigene Gesundheitsverhalten. Mitarbeiter beobachten ganz genau, wie der Chef mit Stress, Druck und Anspannung persönlich umgeht. Es ist daher unerlässlich, dass alle Führungskräfte Trainings zu betrieblichen und persönlichkeitsentfaltenden Gesundheitsthemen wie Stressmanagement, Burn-out-Prävention, gesundes/altersgerechtes Führen oder Entspannungstechniken absolvieren – das gilt gleichsam für junge, aufstrebende Chefs wie auch für „alte Hasen“, die oft nur schwer für Seminare in der Persönlichkeitsentwicklung zu gewinnen sind. Hier können auch Stresscoaching oder ein One-to-one-Training ergänzende Instrumente innerhalb der betrieblichen Gesundheitsförderung sein.
Für eine gute Vorbildwirkung ist es wesentlich, dass gerade Führungskräfte von einem an der Substanz zehrenden ungesunden Non-stop-Modus zum eigenen gesunden Rhythmus mit entsprechendem Pausenverhalten finden. Es liegt ebenso in der Verantwortung der Unternehmensleitung, dafür zu sorgen, dass in den Führungskräfteentwicklungsprogrammen künftige Führungspersönlichkeiten dafür sensibilisiert werden, mit der Balance und der Ambivalenz zwischen betriebswirtschaftlichem Leistungsdenken und menschlichen Notwendigkeiten umsichtig umzugehen. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion sollte zum selbstverständlichen Rüstzeug von leitenden Mitarbeitern mit Führungsverantwortung gehören.

Mut zur Pause!

Für eine gesunde Stresskultur, gute Arbeitsmotivation und Abkoppelung vom Arbeitsgeschehen sind Pausen und Ruheflächen unerlässlich. Zu selbstverständlich wird die Pause oft als eine nur gesetzliche Regelung dargestellt und nicht als Teil eines funktionierenden Gesundheitsmanagements, und sie wird, wie Studien belegen, zu wenig in Anspruch genommen. Die Energiespeicher jedoch sind begrenzt, wir müssen achtsam mit Vorrat und Aufstockung umgehen und rechtzeitig für das Auftanken sorgen. Entschleunigung ist zum Schlüsselbegriff in unserer heutigen Arbeits- und Lebenswelt geworden. Körperliche und mentale Leistungsfähigkeit sind eng mit der individuellen Fähigkeit verbunden, Geist und Körper die notwendige Erholungszeit zu geben. Bei Fehlen von Erholungs- und Entspannungsmöglichkeiten, beispielsweise bei dauerhaft hoher Arbeits- und Leistungsanforderung, werden unsere Energiereserven allzu schnell erschöpft.

Daher muss es im Sinne der Verantwortlichen sein, hier zum einen die äußeren Rahmenbedingungen für Pausen mit entsprechenden Rückzugsmöglichkeiten zu schaffen, andererseits auch für eine Kultur im Unternehmen zu sorgen, dass Pausen ohne schlechtes Gewissen, Gruppen- und Konformitätsdruck oder Unbehagen von den Mitarbeitern in Anspruch genommen werden können, sowie Bewusstseinsarbeit leisten, wie Pausenmanagement optimal umgesetzt werden kann. Das beginnt bei vielen über den ganzen Tag verteilten Mikropausen, die zwischen 30 Sekunden und 2 Minuten dauern, über geplante Minipausen bis max. 10 Minuten, die durch aktive Bewegung und Übungen zur Spontanentspannung den Erholungswert wesentlich verbessern können, bis zur klassischen Mittagspause, angereichert mit einem kurzen Spaziergang in der Natur zur geistigen und psychischen Regenerierung. Es wird in Studien der Gehirnforschung immer wieder bestätigt, dass Erholung in der Natur mit Parks und Wäldern Stress lindert und Grünflächen positiv auf die Psyche wirken.

Ausblick

Betriebliches Stressmanagement als Teil der Gesundheitsförderung zielt auf eine gesundheitsgerechte Arbeitsgestaltung zur Minderung von Fehlzeiten und Krankheiten am Arbeitsplatz, eine Stärkung von Gesundheit und eine Verbesserung des Wohlbefindens der Mitarbeiter ab. Eine gesunde Stresskultur im Unternehmen zu entwickeln, ist ein kontinuierlicher Prozess, der ein ganzes Arbeitsleben lang andauert und bei den künftigen Herausforderungen unserer Arbeitswelt mit einer längeren Erwerbsdauer und einer alternden Belegschaft noch einen wichtigeren Stellenwert einnehmen wird.
Stressintelligenz, Stresssouveränität, Stresstoleranz – diese Fertigkeiten am Weg zu Gelassenheit können nur dann von den Mitarbeitenden abgerufen werden, wenn sie tagtäglich von jedem Einzelnen als wichtig erachtet und trainiert werden – und zwar genau dann, wenn es Körper und Geist am notwendigsten haben.


>>> Zur Checkliste Persönliches Stressmanagement von Mag. Brigitte Zadrobilek
>>> Zu www.stresscoach.at