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00:00:21
Alexander Petsch: Glück auf und herzlich willkommen zu den heutigen HRM Hacks! Mein Name ist Alexander Petsch. Ich bin Gründer des HRM Instituts, euer Gastgeber. In unserer heutigen HRM Hacks -Folge spreche ich mit Edgar Schröder zu Hacks für Zeitarbeitsunternehmen, und zwar "Fit für die Prüfungspraxis der BA, der Bundesanstalt für Arbeit". Edgar Schröder ist Unternehmensgründer und Inhaber der ES - Edgar Schröder der Unternehmensberatungsgesellschaft für Zeitarbeit, die er vor circa 30 Jahren gegründet hat - also bald Firmenjubiläum hat - und Beratung und Seminargeschäft zur Prozessoptimierung für Zeitarbeitsunternehmen betreibt. Seit 16 Jahren veranstaltete er auch in Fulda das ES Unternehmerforum, das dieses Jahr am 25 April stattfindet. Ja, herzlich willkommen, Edgar Schröder!

00:01:13
Edgar Schröder: Ja, danke, lieber Alex! Ja freue mich, dass ich das heute mal rüberbringen kann, das nicht sichtbare Thema, wo ja viele HR-Experten das für selbstverständlich erachten, was sich erstaunlicherweise in Deutschland völlig anders darstellt. Also, wir haben ja ungefähr 20.000 Unternehmen mit einer sogenannten "Lizenz der Zulassung für Arbeitnehmerüberlassung". Davon sind so 9.000 echte Profifirmen. Fängt an bei "A" wie "Adecco" und nach hinten "Z" wie "Zeitarbeit XY GmbH", also von groß bis klein, inhabergeführt oder großer weltweiter... weltweiter Player. Das entscheidende ist, dass in Deutschland eine sehr hohe Misstrauenskultur zu diesem Geschäftsmodell immanent ist und das politisch auch so gesehen wird. Und daher gibt es nicht nur eine Lizenz - gewerberechtliche Zulassung - sondern auch jede Menge Prüfungen. Prüfungsdichte ist jetzt, sage ich mal, wenn man Corona weglässt von den Prüfern, gute 5500 Prüfungen pro Jahr, so dass alle fünf Jahre jedes Unternehmen einmal geprüft wird. Dann muss man sehen, dass wir immer noch jede Menge Start-Ups haben, das heißt immer noch Spin-Offs, wo sich ehemalige Stabstellen/ Inhaber dann doch verselbstständigen, sich selbstständig machen, und man kann frühestens nach drei Jahren die unbefristete Erlaubnis aus Startup Sicht erlangen. Die Durchfallquote ist ungefähr 70 Prozent. Also fast 70 Prozent der Start-Up Unternehmen schaffen diese Hürde nicht, sondern brauchen doch noch ein Jahr oder noch mehr Jahre zusätzliche Anläufe. Wir haben also ungefähr so 45 Prozent befristete ALG Lizenzen, und da wird dann auch einmal im Jahr geprüft, und wir haben ungefähr... Also, die neuesten Zahlen liegen noch nicht vor, aber ungefähr ist die Größenordnung 150 Wegnahmen der Lizenzen und mehrere Hundert Vorgänge, in denen die Lizenz nicht verlängert wird. Dann läuft es einfach aus und dann bin ich als aktiver Unternehmer auch weg vom Markt. Das sind schon sehr harte Zahlen... Und das geht dann so weiter, dass wir Tausende von Bußgeldverfahren haben, weil das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht nur ein Gesetz zum Thema besonderes Arbeitsrecht - so würde man das ja als HR-Experte sehen - sondern es ist ein sehr starkes Gewerberecht mit diesen Mechanismen der Kontrolle und einem gigantischen Bußgeldkatalog. Die Personaldienstleistungsbranche ist die einzige Branche in Deutschland, wo die Personalakten wirklich hart geprüft werden; also wo man sich echt Gedanken macht über Lohnarten, wie die Lohnarten geschlüsselt sind, und alles das, was in einem anderen Hacks zum Thema elektronische Personalakte oder Payroll, was die absolute Kernkompetenz von Personaldienstleistern ist und die zum Teil aber outgesourct wird. Und das Trügerische daran ist, dass eben eine HR Software, was wir immer wieder sagen, ein Werkzeug ist, und der Anwender muss eben die Stellschrauben justieren. Das macht nicht der externe Dienstleister, das macht nicht DATEV, das macht auch kein anderer. Das muss ich als Unternehmer im Anforderungsprofil rüberbringen, und dann komme ich mal zu einem ganz simplen Thema. Krankheitsvergütung oder Urlaubsvergütung ist für alle Personaler außerhalb der Zeitarbeit ganz profan: "Habe ich eine Lohnart - passt!" Mindestens eine Stunde Zeitaufwand bei einer BA-Prüfung mit Taschenrechner, das anhand von zwei, drei Personalakten erst mal nur die Werte für die Durchschnittsvergütung, Krankheit und Urlaub justiert werden, weil in dem Manteltarifvertrag vom BAP und iGZ eine genaue Vorgabe ist, was da von den Entgeldbestandteilen relevant ist. Und wenn da eine Abweichung zu Lasten des Zeitarbeitnehmers ist, ist es eben bußgeldrelevant, und die Bußgeldhöhe ist auch exorbitant. Also jede Abweichung von einer Tarifnorm, und wir sind ja nur bei der Durchschnittsberechnung, kann mit Bußgeld bis 500.000 € sanktioniert werden, und der Empfänger des Bußgeldbescheides ist nicht die GmbH, sondern der Geschäftsführer - es sei denn, der Geschäftsführer oder die geschäftsführende Person hat Unternehmerpflichten delegiert. Das wird also eingetragen in das Gewerbezentralregister, das ist über Jahre gespeichert, und dann ist man ja...üblicherweise auch gewerberechtlich nicht mehr zuverlässig. Also, im ersten Schritt ist es nur ein Bußgeld. Verdichten sich die Bußgeldbescheide, so hat man so ein Signal einer latenten gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit, und schon ist die Grundlage des Geschäftsmodells "Arbeitnehmerüberlassung" ziemlich stark in Frage gestellt. Und das wissen eben viele HR Experten außerhalb der Zeitarbeit überhaupt nicht, dass dieses, was vielleicht selbstverständlich ist im Downloadbereich auf der Website eines Zeitarbeitunternehmens, dass das tatsächlich hart erarbeitet werden muss... dass man wirklich unheimlich viel "Compliance"-Aufwand auch betreibt, immer die Arbeitsprozesse checkt, ein permanentes Controlling macht, weil jedwede Abweichung die Unternehmerinnen/ Unternehmer eben existentiell in diesem Bereich gefährden kann. Und das überrascht dann viele ausländische Investoren, die sagen "Wir möchten den deutschen Zeitarbeitsmarkt erobern!" und sind überrascht, dass die Willkommenskultur gewerberechtlich im deutschen AÜG doch sehr abschreckend sein kann.

00:06:50
Alexander Petsch: Also, da bin ich ein bisschen sprachlos. Das war mir auch nicht so bewusst, dass das so dramatisch ist und auch... ja, solche Haftungskonsequenzen in der Form mit sich bringt.

00:07:03
Edgar Schröder: Alles, was über 200€ Bußgeld ist, wird eingetragen in das Gewerbezentralregister und wie gesagt, das ist also ein Riesenkatalog... Irgendwie Nicht-Aushändigung des Merkblattes der "Bundesagentur für Arbeit" - Bußgeldtatbestand. Irgend eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag nicht regelkonform gemacht und durch das Nachweisgesetz, was sich geändert hat... die Anforderung, das gilt ja für alle Arbeitgeber in Deutschland, aber jetzt wieder in Verbindung mit dem ALG ist dann wiederum auch ein Bußgeldtatbestand. Also das ist, wenn man ein Seminar macht für Einsteiger, die kriegen Kulturschock und haben dann das Gefühl, mit einem Bein ist man im Gefängnis. Deswegen ist es ja so wichtig, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eben verstehen, dass es eben nicht trivial ist und es nicht ausreicht bei Datenpflege, sondern dass man weiß, warum macht man Datenpflege? Und wo ist das Mindset? Wer will das wissen? Ja, und weil wir das Arbeitgebermodell haben, muss man eigentlich jede Sekunde eines externen Zeitarbeitnehmers belegen können, also 24/7. Der Prüfer will immer genau wissen, was war da? Da reicht nicht aus [zu sagen]: "Da war jetzt drei Tage Leerlauf", weil es nicht Arbeit auf Abruf ist. Das ist ja ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis mit 100 Prozent Garantiezahlungsverpflichtung. Das ist jetzt praktisch gesprochen. Theoretisch ist es so, wenn ich ein Leerlauf als Zeitarbeitsunternehmen habe, muss ich diesen Leerlauf wirtschaftlich kompensieren, ohne dass der Zeitarbeitnehmer irgendwelche vergütungtechnischen Abstriche hat, und das ist natürlich wirtschaftlich eine Herausforderung für unternehmerische Kennzahlen. Wenn ich den Leerlauf zu 100 Prozent Vorzahlung des Arbeitsentgelts abzubilden habe und wenn ich dann eine Fehlzahlendokumentation habe... unbezahlte Beschäftigungspause... wird jede unbezahlte Beschäftigungspause auf Herz und Nieren geprüft und hinterfragt. Da kann ich nicht einfach nur einen Datensatzbaustein die elektronische Personalakte einpflegen, sondern da muss schon ziemlich substantiert dargelegt werden, dass die Beschäftigungspause vom Mitarbeiter gewollt ist.

00:09:13
Alexander Petsch: Dann kommen wir noch mal zu Hacks. Was... wo fängst du an? Was sagst du?... Jetzt ist uns die Dramatik bewusst...

00:09:21
Edgar Schröder: Also, wenn man sich mit dem Thema das erste Mal befasst und sagt: wo ist es ganz wichtig? - da muss man ganz klar sagen: die Entgeldabrechnungen müssen perfekt sein. Ich brauch ein Superkorsett von Lohnarten. Dann contracting. Verträge... zu den externen Mitarbeitern, die Überlassungsverträge... zu den Auftraggebern, sind auch extrem wichtig. Dann das ganze Thema "Arbeitszeiten", weil der wirtschaftliche Erfolg ist: Ich kann Arbeitszeitstunden fakturieren. Aber das Thema "Arbeitszeit" zum Thema "Kontrollfunktion der BA" ist, dass zeitintensive Kundeneinsätze sehr kritisch hinterfragt werden, und da ist unter anderem die pauschale Zehn-Stunden-Grenze, also alles, was über zehn Stunden pro Arbeitstag ist, wird mega kritisch hinterfragt. Pausenzeiten, jetzt punktuell. Ich denke, wenn das Arbeitszeitgesetz reformiert wird, wird auch das Thema Pausenzeiten noch kritischer werden. Momentan ist es relativ pflegeleicht. Alles, was Leerlauf ist, alles, was unproduktive Zeiten ist, da muss man immer eine Plausibilitätsprüfung machen. Oder sollte man, dass das erkennbar ist, woran lag es, was war Auslöser? Und ja nicht, wenn ich einen Kundeneinsatz habe für 80 Produktionsmitarbeiter, 80 Produktionsmitarbeiter zeitgleich dann ein defektes Auto haben und aufgrund des Autodefekts nicht zum Kundenbetrieb fahren konnten, das wirkt dann alles andere als überzeugend. Ja, das war der eine Hack, und deswegen ist es zum zweiten Hack wichtig, dass ich kompetente Mitarbeiter habe. Wenn das Thema "Lohn- und Gehaltsabrechnung"... Durch eure oder durch deine Hacks zu anderen Themen, habe ich ja auch mitbekommen, und das kriegen wir ja auch so allgemein mit kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auch richtig motiviert sind, 200 - 400 Abrechnungen im Monat zu machen, die sind rar am Arbeitsmarkt, die gibt es faktisch gar nicht mehr. Und wenn ich das outsource, muss ich mir eben überlegen, finde ich da einen externen Dienstleister, der diese spezielle HR Kompetenz "Lohnabrechnung für Zeitarbeitnehmer" auch zu 100 Prozent verstanden hat? Ansonsten ist es eben sehr wichtig, dass im Backoffice diese Mitarbeiter superfit gemacht werden, und das ist ein längerer Prozess. Auf der anderen Seite kann man dann erkennen, dass die Personalakten der Personaldienstleister in Deutschland die mit Abstand besten Personalakten sind. Also wenn ich in anderen Personalbüro aus dem Ausland angucke, das hat nicht den Level einer perfekten Personalakte, die gibt es eigentlich nur in der deutschen Zeitarbeitsbranche.

00:11:56
Alexander Petsch: Ich sag mal, die anderen müssen ja auch nicht damit, sozusagen, die Gefahr laufen, ins Gefängnis zu gehen, wenn die Personalakte nicht richtig ist.

00:12:04
Edgar Schröder: Wenn der Überschuss Streit ist, genau richtig deine Einlassung, und das ist also durch einen Druck Motivation, dass man diesen gigantischen Perfektionismus hat... Jetzt Jahrzehnte lang papiermäßig, und im letzten Jahr auf deiner Veranstaltung "StaffingPRO" in Wiesbaden habe ich ja rübergebracht, sind wir jetzt hybrid. Personaldienstleister haben sowohl elektronische Personalakte als auch Papier, weil die Behördenmenschen - nicht alle, aber die meisten - noch Papier favorisieren und damit der Prüfer ein gutes Gefühl hat, wird ja dementsprechend quasi kundenorientiert bedient. "Wie hätten Sie es denn gerne?" - "Gerne Papier." Also wird dann wiederum auf Knopfdruck Papier ausgedruckt, und dann hat man eben noch wiederum seine papiermäßige Dokumentation im Kontext der Personalakte. Da bin ich auch gespannt, wann dann der Gamechanger bei der Bundesagentur für Arbeit so ist, dass es per se akzeptiert wird. Also offiziell sagt Nürnberg (Hauptverwaltung der Bundesagentur für Arbeit), es sei kein Problem mit der elektronischen Personalakte. Die Prüfungspraxis sieht dann noch ein bisschen differenzierter aus.

00:13:16
Alexander Petsch: Also, eigentlich ist doch zu erwarten, dass in Zukunft auch das digital wird, weil ich es doch digital eigentlich besser prüfen kann...

00:13:23
Edgar Schröder: Ja, aber wir haben, muss man schon noch sagen, für die Anwender, also Personaldienstleister als Anwender der elektronischen Personalakte, da noch nicht so das Setting. Also meine Vorstellung ist, man würde da einen Standard entwickeln, wie man die Transparenz elektronischer Personalakte von Zeitarbeitnehmern strukturiert hat, und hätte dann irgendeinen Standard. Und das ist ja ein anderes Thema, wenn wir über Hacks sprechen. Auch auf deiner Veranstaltung war ja das Thema, kann man nicht Qualitätsstandard für Personaldienstleister machen? Habe ich alles mitgemacht! Wir haben Metral, das ist alles ein Institut in St. Augustin... gibt es seit gefühlt fast 100 Jahren. Da haben wir über drei Jahre Arbeitsprozesse definiert mit harten Kriterien, die man erfüllen muss, und weichen Kriterien, wo man Pluspunkte sammeln kann, und das ganze haben wir reingebracht in die deutsche Zeitarbeitsbranche. Dann haben viele Unternehmer gesagt "Oh! Erstens kostet's Geld, zweitens werden nur Schwachstellen aufgezeigt, und drittens habe ich anderes zu tun!" Wir haben nur ganz wenige über Jahre gehabt, und alle sagen "Wenn ich ein Label habe vom Tarifvertrag BAP oder Label Tarifvertrag iGZ, ist das Gütezeichen per se", und das ist sehr schade, weil wir rübergebracht haben, durch externe Prüfungen... externe Audits mit TÜV, haben wir das alles auf die Beine gestellt... könnte man einen Screening machen, sodass man dann seine Arbeitsprozesse für sich aus Unternehmersicht hat, und das mit der BA ist nur nebenbei. Also, dieses Gütezeichen war jetzt für uns nicht wichtig im Kontext der BA, sondern für Bewerber und für Auftraggeber. Das war die Zielsetzung, aber da hat die Branche doch letztendlich entschieden. Wir haben das mehrere Jahre immer befeuert, aber sie hat gesagt "Ah nee, da noch Geld zahlen...." und ja... Mehrwert, Qualitätsmanagement... Qualitätssicherung... Deswegen haben wir keine Standards, und alles, was man da sieht mit Gütezeichen und Qualitätsversprechen, sind selbstkreierte Dinge, sind aber nicht transparent, und man hat keine Vergleichbarkeit. Also, da muss in Sache Qualität echt noch viel gehen. Ich werde das auch auch beim "Unternehmerforum" noch einmal... noch ein einziges Mal... befeuern, dass vielleicht... wenn ein neuer Verband da ist, die Fusionierung beider Verbände, durchaus mit einer externen, ja...Vereinsorganisation, das macht... also so, dass es eine gewisse Neutralität gibt hin zum Verband, weil Verbandsmitgliedschaft ist das eine, und Verpflichtung für Verbandsmitglieder ist auch da. Diese Selbstverpflichtungen. Aber nur durch externe Audits ist es auch nachhaltig.

00:16:16
Alexander Petsch: Komm wir mal zu dem Qualitätscheck, wie du gesagt hast, für die Personalakte in Zeitarbeitsunternehmen zurück. Also, du hast gesagt: lückenlose Dokumentation 24/7, Lohnarten, Payroll, sozusagen, sauber führen, ja...

00:16:33
Edgar Schröder: Ja, noch so andere Selbstverständlichkeiten… Ich hoffe, wir strapazieren die Zuhörer nicht zu sehr. [Es] Sind so Branchenzugehörigkeit des Auftraggebers. Erstaunlicherweise gibt es immer noch weiße Flecken. Wo... Wenn wir eine Stichprobe machen oder das im Workshop haben... dass der Kunde sagt "Ist nicht Chemie", ich übertreibe das Mal, und es ist unschwer oder relativ unschwer, erkennen man, dass doch der Kundeneinsatzbetrieb ganz klar der Chemiebranche zuzuordnen ist, und das ganze hat zu tun. Wenn der Kunde zur Chemiebranche, als Beispiel, zuzuordnen ist, gibt es Branchenzuschläge kraft Tarifvertrag, und dann ist der Einkaufspreis für die externe Flexibilität gegebenfalls teurer, als wenn der Zeitarbeitnehmer keine tariflichen Branchenzuschläge bekommt. Und deswegen ist es wichtig für ein Unternehmer, dass eben im CRM System wirklich alle Kunden... Bestandskunden, potenzielle Neukunden... wirklich verlässlich gerastert sind, branchenzugeordnet. Das ist kein "Wünsch dir was!- Konzert" des Arbeitgebers, das ist eine objektive Bewertung durch den Geltungsbereich des Tarifvertrags und letztendlich ja... Dass man auch sieht, wenn man Außendienst auch macht, was macht der Kunde tatsächlich von Arbeitsprozessen? Ist es Industrie, oder ist es tatsächlich manuelle Fertigung im Sinne von Handwerk? Also, es ist eigentlich mit Routine gut zu beherrschen. Aber auch jetzt noch, im Jahre 2023, würde ich sagen, 3 bis 5 Prozent der Kunden, Statusprüfungen, eine Neujustierung hervorrufen würden, also das 3 bis 5 Prozent, sind noch kritisch zu sehen.

00:18:21
Alexander Petsch: Ja, was hast du uns denn noch mitgebracht an Hacks?

00:18:27
Edgar Schröder: Ähm, ja, auch auf deiner Veranstaltung, dass wir das Thema Arbeitszeit, das Thema Arbeitszeiterfassung, was alle seit Monaten umtreibt, da haben wir immer eine Kernkompetenz, weil Zeitarbeitsunternehmen seit Jahrzehnten (vor-)leben, dass eben die erfasste Arbeitszeit des Arbeitnehmers Grundlage für die Fakturierung ist. Also Zeitnachweise, autorisiert von Kunden, egal, ob digital oder noch handschriftlich - also ganz oldschool sind ja die Lebensversicherungen, weil nur dadurch kann ich Geschäft generieren, und zwar belastbar generieren mit vernünftiger Rechnungsstellung, und da werden wir auch, da greife ich schon mal meinen Vortrag noch mal vor, weil das muss man sich klarmachen - Wenn ein Zeitarbeitnehmer in die Betriebsorganisation eines Kunden eintaucht, dann ist das an physische Anwesenheit Arbeitszeit. Arbeitszeit ist dann Arbeitszeit, wenn sie fremdnützig ist, und der Auftraggeber bekommt das Direktionsrecht des Personaldienstleisters ja übertragen. Und ob der Zeitarbeitnehmer jetzt schon produktiv ist oder noch ein Warm Up hat, das ist Sache des Kunden. Da ist es jetzt die Herausforderung, jetzt nicht für die BA Prüfer sondern die Personaldienstleister, dem Kunden klarzumachen, dass die Formel nicht ist: erfasste Arbeitszeit, (tatsächlich geleistete Arbeitszeit*Stunden-Rechnungssatz), sondern Verfügbarkeit des Arbeitnehmers in der Betriebsorganisation, und ob er sinnvoll beschäftigt werden kann.. Ob er noch zehn Minuten ein Warm Up hat, ob da noch irgendwas an Onboarding ist... Das ist alles Arbeitszeit für den Zeitarbeitnehmer und aus Personaldienstleistersicht zu bezahlen. Warum soll ich zum Nulltarif Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Betriebsorganisation des Auftraggebers einsteuern? Macht ja keinen Sinn.

00:20:17
Alexander Petsch: Also im Prinzip bei physischer Anwesenheit ab Betreten des Hoftors, sag ich mal.

00:20:23
Edgar Schröder: So wäre das Kopfkino für den Praktiker, und dann kann man ja gucken, was die Feinjustierung angeht, und ich denke, dass das über das über meine Perspektive Personaldienstleistung hinausgeht. Weil wenn ich mir so Zeiterfassungsprogramme angucke, gibt es ja Optionen, dass man sagt: "Also die ersten 15 Minuten gelten gar nicht als Arbeitszeit." Da gibt es ja verschiedene Optionen, die man über diese digitalen Tools machen kann, und da werden sich alle Personalverantwortlichen nochmal Gedanken machen, wenn man irgendwann jetzt, in den nächsten Wochen, so einen Referentenentwurf wo vom BMAS (Bundesministerium für Arbeit und Soziales - Anm. d. Red.) da auftaucht, und ich glaube, ist im Handelsblatt ein Hinweis, und das ist tatsächlich so: Die Bundesregierung hat in einer.. also aufgrund einer kleinen Anfrage aus dem deutschen Bundestag zum Thema Kontrolle Mindestlöhne... rübergebracht, dass das Bundesarbeitsministerium im Kontext der Mindestlöhne Mindestlohngesetz, einschließlich Branchenmindestlöhne - in Klammern auch Lohnuntergrenze, Arbeitnehmerüberlassung muss man damit hineinreflektieren - ernsthaft in Erwägung zieht, eine manipulationssichere digitale Erfassung vorzuschreiben! Und das ist nicht neu, das kennen wir über "GSA Fleisch". "GSA Fleisch" ist ja das sektorale Beschäftigungsverbot von Fremdarbeitnehmern in der Fleischverarbeiterindustrie, schreibt kraft Gesetzes eine manipulationssichere, taggenaue Zeiterfassung vor, also extrem Betonung auf "manipulationssicher", und das ist eben eine weitere Steigerung der Misstrauenskultur des deutschen Gesetzgebers zu dem Thema Arbeitszeiterfassung, und da ist auch in der Antwort - schwingt mit rein - dass es ja Branchen gibt, die über das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz skaliert werden, wie Baubranche wie meinetwegen Logistik et cetera, dass möglicherweise auch diese Branchen auf diesen Index kommen, der "manipulationssicheren, digitalen Arbeitszeiterfassung". Also, das hat gar nichts zu tun mit der Entscheidung vom EuGH (Europäischer Gerichtshof - Anm. d. Red.) und der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Thema Arbeitszeiterfassung. Das ist politisch nochmal ein Wahnsinns zusätzlicher Treiber. Man hat ja verschiedene Optionen (wenn ich frei bin als Unternehmer) wie ich meine Arbeitsprozesse und wie ich meine Fürsorgeverpflichtung gegenüber Mitarbeitern umsetze. Ob ich sage, wir machen Vertrauensarbeitszeit, weil du Leistungsträger im Kontext mobiles arbeiten, Homeoffice, selber aufschreibst, wenn du Arbeitsbeginn und Arbeitsende hast, dann muss ich ja nicht alle jetzt über einen digitalen manipulationssicheren Ticker quälen. Aber ich würde mal jetzt schon avisieren, in deinem Hack hier, da kommt was auf uns zu, was weit mehr ist als die Diskussion der Stechuhr.

00:23:15
Alexander Petsch: Ab wann ist das manipulationssicher?

00:23:18
Edgar Schröder: Ja, das ist die gute Frage, weil dadurch, dass wir das sektorale Beschäftigungsverbot haben, wissen wir nicht, wie die Fleischindustrie das jetzt handelt. Also irgendwie hat man... wenn man so die Berichte der Zollverwaltung liest... jetzt nicht den Eindruck, dass es jetzt überhaupt irgendeinen Fall gibt in Deutschland, wo man die Wahrnehmung hat, dass die Zeiterfassung in der Fleischindustrie irgendwie noch manipuliert wird. Ansonsten sagen die Zollprüfer, ist der größte Hebel, um Mindestlohn zu unterlaufen, dass der Faktor "Zeit" abweichend von den tatsächlichen Gegebenheiten anders dargestellt wird. Das hat aber nix mit der Zeitarbeitsbranche zu tun. Aber das ist der allgemeine Erfahrungswert der Zollverwaltung, die originell zuständig ist zum Thema "Kontrolle von dem gesetzlichen Mindestlohn". Also, das ist jetzt praktisch mal ein Spin Off. Wir haben die Kontrolle der BA gegenüber den Personaldienstleistern; dann gibt es also aus Sicht des nationalen Gesetzgebers eben bestimmte Einfallstore, wo das Thema der Niedriglohner und der Branchen... Mindestentgelt etcetera... kritisch ist und die meinen, das wäre dann besser. Also, meine Einstellung ist eine andere. Ich glaube, wenn wirklich verlässlich kontrolliert wird, weil man die Manpower hat und auch den Hinweisen nachgeht, kann ich auch mit anderem Aufwand das machen und müsste nicht die digitale Form dermaßen vorschreiben. Aber das ist nur eine Randnotiz. Jetzt merkt man, dass der Personaldienstleister, um mal wieder zurückzukommen, einen gigantischen Aufwand betreiben muss in den breitesten Bereich der Administrierung. Wir sind jetzt nicht in der Kernkompetenz "Sales"... "Wie verkaufe ich externe Flexibilität?"... Ja, wir sind jetzt nicht in den Preisgesprächen, wir sind jetzt nicht Anforderungsprofile und Profilvertrieb. Wir sind reinweg in der Administrierungswelt, und die ist in letzten zehn Jahren gigantisch geworden! Das sieht man auch in der ALG Evaluierung, wenn ich das noch erklären kann. Wir haben seit Ende letzten Jahres den Forschungsbericht in Auftrag gegeben vom Bundesarbeitsministerium zum Thema ALG Reform, weil die also das Arbeit, Belastungs Gesetz durch Frau Andrea Nahles (als damalige Bundesarbeitsministerin) reformiert worden... Über 400 Seiten Forschungsbericht... und da kommt auch rüber, weil man sowohl Personaldienstleister als auch Auftraggeber als auch Zeitarbeitnehmer gefragt hat, durch zwei verschiedene Forschungsinstitute den Zuschlag erhalten haben, dass das echt drückt! Das drückt bei den Auftraggebern, das Druck, insbesondere beim Personaldienstleister... Auch in diesem Forschungsbericht ist ein Riesenabschnitt, würde sagen, locker mal 40 in der vier Seiten zu dem Thema "Non-Compliance". Wo hast du das schon mal gegeben, das über eine Branche ein Forschungsbericht ist, und einen extra Abschnitt zum Thema "non compliance".

00:26:20
Alexander Petsch: Was versteht man unter “non compliance”? “Compliance” ist mir klar, aber...

00:26:24
Edgar Schröder: Contracting. Überlassungsvertrag... ist die Schnittstelle zwischen Auftraggeber und dem Personaldienstleister, und vor Überlassungsbeginn muss der Vertrag ratifiziert sein in Schriftform. Nicht pdf Datei, sondern Schriftform oder qualifizierte elektronische Signatur. Und wenn es da eine "Just in time" - Bestellung gibt, also ein Auftraggeber sagt, "In zwei Stunden brauche ich noch zwei Produktionsmitarbeiter!", dann ist im Soll Zustand vor Beginn der Spätschicht meinetwegen als Beispiel dieser Vertrag auszufertigen und gegenzuzeichnen, also auf der Vertragsurkunde beide Unterschriften. Wenn aber der Pförtner nicht zeichnungsberechtigt ist und auch der Betriebsleiter und Schichtleiter nicht zeichnungsberechtigt ist, dann fragt man sich, wie ich noch um 20 Uhr 30 eine Unterschrift kriegen soll. Und dann kommt ein Forschungsbericht rüber, dass es eben durchaus rückdatierte Überlassungsverträge gibt. Also die Wissenschaftler, die Forscher haben das durch die Telefoninterviews dingfest machen können, und das ist natürlich wieder das Einfallstor der BA Prüfer, weil das dann wiederum negativ sanktioniert wird. Also ist echt ein Teufelskreis, und da sagen die Forscher aber, das Thema des Überlassungsvertrages, das gibt's seit noch 1972... Da haben die Forscher, aber auch den Game Changer der Frau Andrea Nahles nicht so ganz verstanden, das es aber nur so am Rande... Fakt ist, wir bekommen durch diese Misstrauenskultur keine Entschlackung des contractings B2B. Wenn man auch sagt, Arbeitnehmer, ganz wichtig, aber der Auftraggeber und der Personaldienstleister, beides sind Unternehmer. Und ob ich nun wirklich rechtzeitig oder zwei Tage später oder eine Woche später und im Vorfeld habe ich das per e-Mail-Korrespondenz, habe ich das Commitment, dann ist Textform commitment doch eigentlich auch belastbar. Nicht im ALG. Da ist Textform commitment nicht belastbar zum Überlassungsvertrag.

00:28:24
Alexander Petsch: Das heißt, überall sonst kann ich mir zwei Vollkauffrauen und -kaufmännern einen Handschlagvertrag machen, aber hier nicht.

00:28:32
Edgar Schröder: Und noch nicht mal in Textform.

00:28:35
Alexander Petsch: Ja, was ist jetzt dein Hack daraus? Branche wechseln?...

00:28:39
Edgar Schröder: Nee, das ist das, was aber die beiden Verbände ja wissen. Das geht nur über Lobbyarbeit und Kampf gegen echt Windmühlen, aus diesen tradierten Misstrauenskultur rauszukommen, dass man einfach das ganze ja da an der Stelle entschlackt und einfacher macht.

00:28:58
Alexander Petsch: Also, dein Hack ist: "Engagiert euch! Macht euch bemerkbar! Jeder Tropfen höhlt hoffentlich auch den Misstrauensstein".

00:29:09
Edgar Schröder: Das ist ganz wichtig, dass die Unternehmer, die zum Teil echt genervt sind von dem Ganzen, doch die Gespräche weitermachen. Sie haben gesprochen mit ihren Bundestagsabgeordneten, die sprechen auf dementsprechend Veranstaltungen. Schön ist, wenn die Politiker nicht nur zuhören, also echt zuhören, sondern das gedanklich auch so durchdringen, dass sie den Leidensdruck erkennen, dass man eigentlich seine HR Kernkompetenz am Arbeitsmarkt, in den Kundenbetrieben rüberbringen will, und weniger in der ganzen Megaperfektionierung von Kundenakten und rechtzeitigen Contracting. Weil wenn der Vertrag versammelt ist, dann ist es mein Unternehmerrisiko. Aber das kann auch nicht sein, dass im "B2B contracting" das gewerberechtlich echt sanktioniert wird, und es gibt echt Bußgeldverfahren. Also ich würde sagen, vor Corona hatten wir glaube pro Jahr 1400 Bußgeldverfahren. Ist nicht alle wegen diesen Überlassungsverträgen. Das sind dann nur Einzelfälle, weil originär zuständig ist die Zollverwaltung, aber BA und Zollverwaltung arbeiten in diesem Zusammenhang sehr eng zusammen. Ja, das heißt also, wenn die Zielgruppe unserer Zuhörer zum einen Unternehmer sind: Genau nochmal hereingucken! Auch wenn man es irgendwo leid ist, müssen diese Arbeitsprozesse immer nochmal auf den Prüfstand. Man kann durch gute HR Software mit wirklich funktionierender Datenpflege auch sehr viele Dinge herausfiltern, sodass ich nicht unnötig Zeit verplemper wenn ich das sehr effizient machen kann, ein sogenanntes "Queuing" über die entsprechende Zeitarbeitssoftware.... Wichtig ist dann eben, dass die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter auch wissen, warum sie den ganzen Aufwand machen. Wir haben ja viele Mitarbeiter, die ein Stück weit frustriert sind, weil sie eigentlich sagen: "Warum mache ich das ganze?" Und das muss man natürlich vermitteln, dass man nicht Einzelkämpfer ist, sondern ein Team. Nochmal ein Beispiel, was wichtig ist, jetzt weg von der BA. Es wäre ja selbstverständlich eigentlich, dass ein Personaldisponent, ein HR-Manager, in zwei Minuten einen externen Zeitarbeitnehmer seine Lohn- und Gehaltabrechnung erklären kann. Meine These ist: das können nur die wenigsten. Die meisten sagen, "Ich stelle da mal durch zur Leiterin der Lohnbuchhaltung, die kann das viel besser [erklären] als ich", weil die Lohnabrechnung für einen gewerblichen Zeitarbeitnehmer zum Teil jetzt schon zwei DIN A-4 Seiten umfasst, werden für eine Abrechnungsmonat üblicherweise 40 verschiedene Lohnarten verwendet. Das ist schon sehr speziell, und da kann ein Helfer oder ein Fachhelfer oder auch eine ganz normale Kassiererin für Einzelhandel, das... das ist nicht mehr nachvollziehbar.

00:31:56
Alexander Petsch: Ja, wie kann man es besser machen? Was wäre denn deine Empfehlung? Schulung der Mitarbeiter?

00:32:02
Edgar Schröder: Ja... Wäre super, weil uns die externen Zeitarbeitnehmer sind, für mich ja die Kunden. Wir haben ja bisher mal gesagt, Kunde sei der wirtschaftliche Nutzen für den Auftraggeber im Kontext des Bewerbermangels. Was nutzt mir eine funktionierende Arbeitsorganisation, wenn die externen Leistungsträger nicht mehr da sind? Die, die da gewesen sind, sind übernommen worden, weil ich eine gute, exzellente Personalarbeit mache. Dann kommt "temp to perm", dann kommt die Übernahme und dann guckt man auf den Bewerbermarkt und es ist nicht so erfolgreich im Recruiting, oder es ist sehr schwer. Und wenn ich dann neue Mitarbeiter habe, wäre es eben super, dass man Zeit sich nimmt zum Thema Betreuen, also nicht Verwalten, sondern Betreuen ein Thema ist, weil... wenn es um Brutto-/Nettoarbeitsentgelt geht... dass man wirklich das nachvollziehen kann, ansonsten sagt, wir setzen uns gerne zusammen hin. Wir können es in einer Videokonferenz machen oder im persönlichen Gespräch oder per Telefon, wenn da fragen sind zur Lohn- und Gehaltsabrechnung, weil da ist eine sehr hohe Misstrauenskultur von den Zeitarbeitnehmern. Also, wenn man mal den Perspektivwechsel macht und mit Zeitarbeitnehmern spricht, die sagen "Wir wissen nicht, ob meine Abrechnung da so stimmig ist, und das ist so generelle Herausforderungen, das ist egal, bei welchem Premium Personaldienstleister ich bin, das Thema der Lohn- und Gehaltsabrechnung ist ein Riesenthema", das ist so der Hack schlechthin. Also, wir haben jetzt Lohnabrechnung an verschiedenen Stellen. Das ist wirklich nicht nur für BA, das ist auch für die Zeitarbeitnehmer megawichtig, weil wie sagen andere? Das hat was zu tun, mit dem Mindset...

00:33:45
Alexander Petsch: Aber gerade im Bereich Abrechnung gäbe es ja durchaus auch noch Innovationspotenzial. Also, zurzeit rechnen ja alle sozusagen monatlich ab, aber das ist ja gesetzlich meines Wissens gar nicht vorgeschrieben. Das heißt, das kommt ja noch aus der Zeit der Stapelverarbeitung, und theoretisch könnte ich ja meinem Kunden (in dem Fall meinem Mitarbeiter) auch täglich seinen kompletten Lohn oder auch einen Teil seines Lohns auszahlen.

00:34:17
Edgar Schröder: Ja, nur Personaldienstleister, die nach BAP- und iGZ-Tarifvertrag arbeiten, das sind nach meiner Einschätzung 96 Prozent aller Player, müssen Kraft tarifvertraglich abrechnen. Das ist nach Manteltarifvertrag, und das ist unabdingbar.

00:34:32
Alexander Petsch: Okay.

00:34:34
Edgar Schröder: Könnte man ja sagen... Man kann ja, wenn es besser ist für die Mitarbeiter, davon abweichen, da wir aber eine sehr merkwürdige Rechtsprechungen vom Bundesarbeitsgericht haben... Wenn das Bundesarbeitsgericht feststellt, die Abweichung von der Tarifnorm ist ambivalent (kann für Mitarbeiter besser sein, kann aber auch schlechter sein), dann führt das zur Unwirksamkeit der kompletten Bezugnahmeklausel auf den Tarifvertrag, und dann muss der Personaldiensleister ab dem ersten Überlassungstag "equal treatment" machen - Gleichstellung in allen wesentlichen Arbeitsbedingungen, einschließlich Arbeitsentgelt. Wir sind also noch in der Zwangsjacke der sehr destruktiven Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gegenüber Personaldienstleistern in Deutschland, nach dem deutschen ALG.

00:35:12
Alexander Petsch: Und dann noch in der Zwangsjacke des Tarifvertrags mit den eigenen Verbänden.

00:35:16
Edgar Schröder: Ja, die Tarifverträge sind ja aus dem Jahre 2003, und man hat nun über 20 Jahre nicht mit rechnen können, dass, wenn man eine Abweichung hat, im Arbeitsvertrag individuell mit dem externen Mitarbeiter verständigt... Als Beispiel, der Bewerber/Mitarbeiter sagt: "Ich will kein Arbeitszeitkonto" und da sagt man, "Nee, ist klar, da wird alles abgerechnet was du hast, verbeitragt und dementsprechend ausgezahlt zu dem Fälligkeitsstichtag" Man hat nie gesagt, das ist eine Schlechterstellung. Das BAG sieht es anders: Das ist ambivalent. Das Thema keine (oder anders geartete) Arbeitszeitkonten - Mechanismus ist dann eine unzulässige Abweichung aus Sicht des fünften Senats vom Bundesarbeitsgericht. Und nur die Bewertung, dass es ambivalent ist, dass es auch für die Mitarbeiter schlechter sein kann, führt eben zur kompletten Unwirksamkeit. Und die BA Prüfer, Jetzt kommen wir wieder zu unserem Kernthema, normieren das auch brutalst. Wir hatten jetzt eine Zeit (durch BAG-Rechtsprechung) keine 40 Wochenstunden mehr, also für IT Experten. Für viele Arbeitnehmer sind 40 Wochenstunden oder 173,34 Stunden im Monat selbstverständlich... wurde vom BAG als unzulässige Abweichung vom manche Tarifvertrag bewertet. Jetzt haben wir im Oktober 2022... oder im Sommer 2022, wird in Kraft treten am 1.10.2022, endlich eine Tarifnorm, die es auch möglich macht, auf 40 Wochenstunden oder 173,34 also bis zu - die Arbeitszeit abzubilden, und zwar die tarifliche Arbeitszeit, die garantiert ist, dass Zeitarbeitnehmer mehr arbeiten kann, 48 Wochenstunden, weil der Kunde ein anderes Arbeitszeitmodell hat. Das ist unschädlich, das ist okay, aber das, was die Bringschuld ist auf tarifvertragliche Arbeitszeit (was zwingend abgerechnet werden muss) und Restarbeitszeitkonto, das es eben elementar, wie es in meinem Tarifvertrag ist, und das, was damals der BZA, jetzt BAP, 2003 verständigt hatte, hat ewig funktioniert für alle Ingenieurdienstleister, alle IT-Dienstleister mit ALG-Erlaubnis, und da hat Ingenieurdienstleister (Großraum Nürnberg) einen Kulturschock gehabt, weil der fünfte Senat da eine "Equal Pay"-Klage stattgegeben hat, weil man gesagt hat, die 40 Stunden Woche im Arbeitsvertrag ist regelwidrig. Also, ich will mal sagen, lieber Alexander, der Personaldienstleister hat nicht nur im Kopf das Thema Rekrutierung, Platzierung, Skills, elektronische Personalakte und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, der hat ein Korsett von Rechtsprechung im Kopf, muss sich immer Erläuterungen durchlesen, und deswegen ist unsere Dienstleistung, also unsere Unternehmensberatung, ja auch so erfolgreich. Weil wir das moderieren können, weil der eine oder andere sagt: "Das ist ja echt eine Spaßbremse!", um das mal vorsichtig auszudrücken.

00:38:17
Alexander Petsch: Edgar, ja, vielen dank für die Einblicke hinter die Kulisse, hätte ich jetzt gesagt. Also mir war das Ausmaß des "Korsetts", wie du es beschrieben hast, nicht bewusst. Schön, dass du heute bei uns warst!

00:38:32
Edgar Schröder: Ja, toll, dass ich die Gelegenheit gehabt habe. Ich hoffe auf eine hohe Einschaltquote und nicht zu viel Kulturschock in den Kommentaren. Aber so sieht es aus. Was soll ich da alles schön reden? Das ist eben in Insiderblick, und so habe ich auch deine Hacks verstanden; Das ist ja schonungslos, das ist ein Insiderblick!

00:38:52
Alexander Petsch: Ja, vielen Dank, und wenn ihr es noch mal nachlesen wollt, einfach auf HRM.de, Edgar Schröder oder den Titel der heutigen Podcast-Folge eingeben, dann findet ihr die Zusammenfassung, dann auch nochmal die Hacks als Checkliste. Ich sage: Glück auf und bleibt gesund und denkt dran: Der Mensch ist der wichtigste Erfolgsfaktor für euer Unternehmen.