Jan Balcke, Diplom-Ökonom, leitet das transnationale und divisionsübergreifende Projekt Human Relations 4.0 bei Airbus Commercial. Zuvor war er als Ausbildungsleiter sowie Assistent der Geschäftsführung tätig.

Jan Balcke, Die Technik des Lernens im Wandel
Jan Balcke

Vor seiner Zeit bei Airbus hat er u. a. als Strategie-Berater gearbeitet. Sieben Jahre war er Mitglied des Hamburger Landesparlaments.

Sehr geehrter Herr Balcke, was verstehen Sie unter «Learning Innovation» oder «Innovation im Bereich Lernen»? Welche Rolle spielt dies bei Airbus?

Der Begriff ‹Learning Innovation› bedarf einer Einordnung hinsichtlich des konkreten Kontext-Bezugs. Für meinen Verantwortungs- und Wirkungsbereich im Aviation-Business bewegen wir uns in einem sehr stark von manueller Arbeit geprägten Industriezweig. Der Unterschied zur Automotive-Industry beispielsweise, wird alleine schon durch die Zahlen der jährlichen Auslieferungen deutlich: Während Airbus ca. 800 Flugzeuge an seine Kunden ausliefert, bewegen wir uns im B2C-Bereich in einer Grössenordnung von mehreren Millionen PKW. Das hat zur Folge, dass wir Weiterbildung und Anpassungsqualifizierungsangebote an das jeweilige Umfeld der Werktätigkeit anzupassen haben. Hier werden wir in den kommenden Jahren, vor allem beeinflusst durch digitale Lernmethoden, ein neues Spielfeld betreten.

Was sind für Sie Herausforderungen und Ziele – Strategien / Projekte und Programme im Bereich Lernen und Arbeiten?

Der Fokus wird sich verändern – und zwar aus der Sicht des Anwenders. Zukünftig wird der Einzelne sehr viel stärker seine individuellen Lern-Pfade definieren und pro-aktiv Learning-gaps schliessen (müssen). Die Rolle des Arbeitgebers und der Führungskräfte wird sich nach meiner festen Überzeugung eher zu dem des Maklers von Angeboten und vor allem hin zu der Rolle eines Coaches wandeln. Lernen findet fortan in unterschiedlichen ‹Räumen› statt (arbeitsplatzintegriert oder -nah), jedenfalls nicht mehr in Form von aus dem Kontext der konkreten Tätigkeit entrückten ‹upfront Classroom-Angeboten›, wo der Lernerfolg niemals abprüfbar und das Einsparpotenzial enorm sein werden.

Was müssen Betriebe, Organisationen, Bildungsinstitutionen tun, um Lerninnovationen umzusetzen?

Jedenfalls geht es nicht um die technisch und digital verfügbaren Lösungen, sondern um den Reifegrad der Erkenntnis und den Anpassungs- und Veränderungswillen innerhalb der jeweiligen Organisation. Zunächst muss die Notwendigkeit des Handels konkret benannt werden, um anschliessend eine nüchterne Bestandsaufnahme im Hinblick auf die Ist-Situation zu konstatieren. In der Folge sollte eine attraktive Umsetzungsstrategie erarbeitet und eine realistische Roadmap aufgezeigt werden (inkl. digitaler Lösungen). Ich kann nur dringend empfehlen: Identifizieren sie Ihre Stakeholder und vor allem die Sozialpartner und binden sie diese in einem sehr frühen Stadium mit ein.

Was fordert Sie aktuell heraus? Mit was wollen Sie sich in den nächsten Jahren beschäftigen?

Ausgelöst durch den technologischen Wandel, erhöhte Rechnerkapazitäten, dem IOT (Internet of Things) sowie gravierenden demografischen Veränderungen innerhalb der Gesellschaft und betrieblicher Belegschaften, befinden wir uns bereits in einer Phase disruptiver Erschütterung. Der Wandel steht nicht vor uns, er hat uns gepackt. Die Auswirkungen auf Arbeitsplätze werden vor allem qualitativ gravierend sein. Ich möchte mit meinem Tun dazu beitragen, dass wir frühzeitig neue Qualifikationsbedarfe und veränderte Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz erkennen und den Veränderungsprozess aktiv begleiten. Jetzt im Spannungsfeld von Mensch, Organisation und Technologie agieren, anstatt in wenigen Jahren im Modus ‹Management by Rückspiegel› reagieren zu müssen.

Wir laden Sie gerne wieder einmal ein, um die nächsten disruptiven Entwicklungen bei Airbus von Ihnen aus erster Hand zu erfahren. Vielen Dank.

Jan Balcke, Keynote Swiss eLearning Conference 2017

Interview: Daniel Stoller-Schai

Quelle:
Dieses Interview erschien zuerst in dem Sammelband “10 Jahre Learning Innovation Conference – 22 Interviews”. Hrsg. von Alexander Petsch und Dr. Daniel Stoller Schai, HRM Research Institute 2019.

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