Der Begriff „Blended Learning“, der vom englischen „Blender“ (= Mixer) abgeleitet ist, beschreibt bildhaft das neue Lernkonzept. E-Learning ersetzt dabei nicht klassische Lernformen, sondern ergänzt und bereichert sie.

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Foto von Hunters Race

Modularer Aufbau

Blended-Learning-Konzepte verknüpfen praxisorientierte Präsenzveranstaltungen mit Phasen des Webbased Trainings. Beispiel Manager-Training: Mithilfe von Webbased Training erarbeiten sich die Führungskräfte Wissen über Führungsmodelle und -systeme. Der Lernerfolg kann mittels standardisierter Aufgaben oder Tests überprüft werden.

Bei einem Kick-off-Workhop lernen sich die Teilnehmer kennen. Sie lösen gemeinsame Aufgaben, und erste Lerngruppen bilden sich. In der anschließenden Webbased-Training-Phase lösen die Seminarteilnehmer allein oder in virtuellen Lerngruppen komplexe Anwendungsaufgaben. Sie haben dabei die Möglichkeit, ihr Wissen unter realen Bedingungen ohne Risiko in einer Simulation anzuwenden. Dabei werden sie durch die Tutoren unterstützt. Vor einem anstehenden Workshop treffen sich die Lerngruppen, um Präsentationen vorzubereiten.

In den Workshops präsentieren sie ihre Lösungsansätze und trainieren ihr Führungshandeln. In der abschließenden Transferphase wenden die Manager ihr Wissen in der Praxis an. Bei Bedarf erhalten sie weiterhin Feedback von ihren Tutoren. Sie sammeln Erfahrungen, die sie in der virtuellen Community of Practice austauschen. Dabei bauen die Seminarteilnehmer einen gemeinsamen Wissenspool auf.

Blended Learning wird so Teil eines übergreifenden Lernsystems, das die Kompetenzen aller Mitarbeiter bündelt und in einer gemeinsamen Wissensbasis weiterentwickelt. Kompetenzmanagement wird somit zu einer tragenden Säule der Unternehmenskultur. Webbased Trainings bilden die Grundlage dieser Lernprozesse.

Die Online-Phasen

Die Webbased Trainings dienen der Vor- und Nachbereitung der Workshops. Sie entlasten die Veranstaltungen von der Wissensvermittlung und der -verarbeitung. Die Dauer des Präsenzunterrichts kann so deutlich reduziert werden. Zudem steht mehr Zeit für Diskussionen, Übungen oder Rollenspiele zur Verfügung. Im Einzelnen erfüllen Webbased Trainings folgende Aufgaben:

Wissensvermittlung:Die Seminarteilnehmer eignen sich das erforderliche Wissen an, indem sie die Lernmodule in ihrer individuellen Lerngeschwindigkeit durcharbeiten und standardisierte Aufgaben oder Tests lösen.

Wissensverarbeitung:Allein oder in der Gruppe lösen die Seminarteilnehmer komplexe Anwendungsaufgaben. Dabei werden sie von den Tutoren unterstützt.

Wissenstransfer:Das Gelernte übertragen die Teilnehmer in die Arbeitspraxis. Dabei erhalten sie Feedback von den Tutoren und Coaches.

Wissensmanagement:Die Seminarteilnehmer tauschen ihre Praxis- und Projekterfahrungen auf dem Onlinewege aus. Das erworbene Wissen machen sie auch anderen Lernern zugänglich - zum Beispiel über elektronische Schwarze Bretter.

Technische Voraussetzungen

Voraussetzung für das Webbased Training ist eine Lernplattform. Häufig nutzen Unternehmen Komplettsysteme, so genannte Learning Management Systeme. Dies ist jedoch nicht zwingend erforderlich, wenn vorhandene Intranet- oder Netzwerksysteme des Unternehmens diese Aufgaben mit übernehmen können.

Gerade für Unternehmen, die Blended Learning einführen, kann es empfehlenswert sein, eine Lernplattform mit Standard-Content zu mieten - mittels Application Service Providing (ASP). Die meisten Anbieter passen ihre Standardlösungen bereits an die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens an - sowohl bezogen auf den Inhalt als auch in Hinblick auf die Gestaltung („Corporate Identity“).

Lernplattformen sollten …

  • Kommunikationstools bereitstellen, die den Austausch zwischen den Lernenden und dem Tutor ermöglichen.
  • Autorensysteme beinhalten, die dafür sorgen, dass die Inhalte auf dem neuesten Stand gehalten werden können. Dafür können Learning-Content-Management Systeme verwendet werden, die Lerninhalte als einzelne Objekte in einer Datenbank speichern. Die User des Autorensystems können einzelne Module rasch verändern.
  • effektive Lernsteuerungs- beziehungsweise Lernleitsysteme bereitstellen, die den Lernenden durch die Module führen. Sie verdeutlichen die Ziele einer Lerneinheit und stellen sicher, dass diese Ziele eingehalten werden (zum Beispiel über Tests).
  • in die anderen Systeme integriert werden, die im Unternehmen eingesetzt werden.

Blended Learning einführen

Unternehmen, die Blended Learning einführen, sollten die neue Lernform möglichst in einem Pilotprojekt testen. Es hat sich bewährt, dafür Teilnehmer auszuwählen, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit bereits eine hohe Affinität zu netzbasierten Lösungen besitzen.

Vier Ebenen stellen die Basis für erfolgreich eingeführte integrierte Bildungsprozesse dar. Jede Ebene muss vollständig abgeschlossen sein, bevor die weiteren Komponenten realisiert werden können. Die Ebenen umfassen verschiedene Bausteine.

Erste Ebene

In der Definitionsphase werden die Voraussetzungen Voraussetzungen des Blended-Learning-Angebots geklärt. Dazu gehört das Vorwissen der Lerngruppe ebenso wie deren technische Zugangsmöglichkeiten. Das Projektmanagement formuliert die Ziele der Weiterbildung als Grundlage für die spätere Evaluation des Lernprozesses. Anschließend definiert sie die vorhandenen Ressourcen und die notwendigen Schritte der Umsetzung.

Zweite Ebene

Curriculum-Design:Die Projektgruppe legt die Inhalte der Weiterbildung fest und definiert Lernformen und Medien. Anschließend konzipiert sie den zeitlichen Umfang und die Rahmenbedingungen.

Change Management:Integrierte Qualifizierungsprozesse verändern die Lern- und Arbeitskultur im Unternehmen. Diese Veränderungsprozesse muss das Projektmanagement planen und führen.

Bildungscontrolling:Das Bildungscontrolling koordiniert und steuert die betrieblichen Lernprozesse. Es setzt bereits in der Anfangsphase des Projektes mit der systematischen Analyse und Interpretation der Unternehmensziele in Hinblick auf die erforderlichen Qualifizierungsprozesse an. Daraus leiten sich die operationalen Ziele der Qualifizierungsmaßnahmen ab. Erst auf dieser Grundlage können die Lernsysteme sinnvoll evaluiert werden.

Dritte Ebene

Plattform implementieren:Auf der Basis der vorher definierten Grundlagen können die Projektmanager jetzt eine Entscheidung über die IT-Infrastruktur (eigene Lernplattform oder ASP-Lösung) treffen.

Inhalte aufbereiten:Die Lerninhalte liegen in den Unternehmen meist in Form von Handbüchern, Trainerunterlagen, Skripten und Präsentationsunterlagen vor. Diese Inhalte müssen mithilfe von Autorensystemen für das Webbased Training aufbereitet werden.

Trainer qualifizieren:Der Erfolg von Blended -Learning-Systemen hängt wesentlich von der Kompetenz der Trainer und Tutoren ab. Sie müssen im Umgang mit der Lernplattform geschult und in die Lage versetzt werden, andere User in das Tool einzuführen.

Zudem müssen sie die neuen Lehrformen beherrschen, die Blended Learning mit sich bringt. Sie müssen beispielsweise lernen, die Lernprozesse verschiedener virtueller Lerngruppen zu moderieren und zu unterstützen.

Benutzer qualifizieren:Nach den Trainern und Tutoren müssen auch die Lernenden im Umgang mit dem Tool geschult werden.

Vierte Ebene:

Community-Management:Durch ein effektives Management der Lerngruppen können die Teilnehmer über längere Zeiträume hinweg miteinander kommunizieren und arbeiten. So können auch räumlich getrennte Lerngruppen, zum Beispiel Außendienstmitarbeiter oder Führungskräfte weltweit tätiger Organisationen, gemeinsam lernen.

Kompetenz-Management:Wenn sich Führungskräfte oder Fachexperten in Learning Communities gemeinsam neues Wissen erarbeiten, kann dies dem Unternehmen nutzen. Blended-Learning-Arrangements bieten die Chance, die Ergebnisse der Learning Communities als neues Unternehmens-Knowhow aufzugreifen und weiterzuvermitteln. Damit entsteht das Bild des Unternehmens als lernende Organisation, die von ihren Lernern selbst wieder lernt und ein höheres Wissensniveau erreicht. Dieser Prozess muss angestoßen und koordiniert werden.

Die Vorteile

Kompetenz-Management auf der Basis von Blended Learning bietet wesentliche Vorteile für die betriebliche Bildung:

Kosteneffektivität:

Durch den Einsatz individualisierbarer Standardcontents und ASP-Lösungen können Personalisten die Kosten für Blended-Learning-Seminare deutlich senken. Gleichzeitig reduzieren sie die Abwesenheitszeiten vom Arbeitsplatz erheblich.

Lerneffizienz:

Die Erfahrungen zeigen, dass E-Learning-Lösungen eine besonders hohe Lerneffizienz aufweisen, wenn sie in eine kombinierte Lernkonzeption mit Tan dem-, Partner- und Workshoplernen eingebunden werden.

Bedarfsgerechtes, selbst gesteuertes Lernen:

Die Lerner bearbeiten die Webbased Trainings in ihrem individuellen Tempo. Sie legen selbst fest, wann und wo sie die Module durcharbeiten möchten.

Problemlösung statt Pauken von Wissen:

Die Gruppe erhält Trainingsaufgaben, die sich an der beruflichen Praxis orientieren. Jeder Teilnehmer eignet sich das Wissen an, das er zum Lösen der Aufgaben benötigt.

Lernerfolgssicherung durch Lernwegflankierung:

Soziale Flankierung über Lerntandems und Kleingruppen sowie Tutoring ist eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Lernprozesse. Implementierung des Wissensmanagements: In allen Qualifizierungsmaßnahmen lernen die Teilnehmer, aktives Wissensmanagement zu betreiben. Damit wird die Akzeptanz für organisationales Lernen in einem sukzessiven Prozess gesteigert.

Fazit:Blended Learning und Kompetenzmanagement verändern die betriebliche Bildungslandschaft, insbesondere aber auch die Rollen aller Beteiligten, fundamental. Lernen und Arbeiten wachsen tendenziell zusammen. Wenn die „Learning Communities“ zugleich Communities of Practice werden, wird „Wissen schaffen“ und „Wissen anwenden“ zu einem kreativen und sich kontinuierlich entwickelnden Prozess. Die Lernenden steuern sich selbst, sie werden nicht mehr durch überholte Curricula eingeschränkt. Betriebliche Qualifizierungen werden damit zu strategischen Instrumenten der Organisation.

Quelle: personal manager 3/2004