Dem HR kommt aber auch ein Teil der Aufgabe zu, einen – wohlgemerkt unter ständigem Wettbewerbsdruck stehenden – Vorsprung aufrecht zu erhalten. Ziemlich leicht formuliert, aber wohl sehr schwer umzusetzen. Einerseits ist da die Trägheit der erfolgreichen Komfortzone, anderseits kann man sich kaum auf bewährte und verbreitete Rezepte, Benchmarks, Ausbildungen und weitverbreitete Normen abstützen. Schliesslich ist es die Individualität, diese Andersartigkeit, welche meist erst Kernkompetenzen ermöglicht. Die klassische, normierte Aus- und Weiterbildungslandschaft ist vermutlich das falsche Instrument. Die Personalentwicklung muss viel eher noch gezielter die personenbezogenen oder unternehmensspezifischen Kompetenzen identifizieren, entwickeln und mit geeigneten, vielleicht nicht ganz alltäglichen Massnahmen erhalten.
 
Vielleicht ist es aber auch gar nicht die Mehrzahl der Mitarbeitenden, welche entscheidend sind für die Erhaltung der Kernkompetenzen, sondern nur ein kleiner Teil der Belegschaft. Dadurch wird die notwendige Identifikation der Schlüsselpersonen noch entscheidender. Die grösste Gefahr liegt dabei darin, dass diese Schlüsselpersonen oftmals nicht den typischen Talenten und High-Potentials entsprechen. Vielmehr sind es oftmals Experten, Spezialisten oder aber Quereinsteiger und Schnittstellenfunktionen, welche nicht die typischen Managerlaufbahn oder Entwicklungslaufbahn einschlagen.

man and woman laughing while sitting in front of laptops
Foto von You X Ventures

Noch mehr Informationen finden Sie unter:
http://www.kompetenz-management.com und http://www.inolution.com

Echte Kernkompetenzen entstehen meist zufällig oder unbeabsichtigt, weswegen eine „Planung“ eher schwierig ist.
Dementsprechend kann wohl einzig ein Umfeld geschaffen werden, in dem die Chancen darauf erhöht werden. Für das Unternehmen heisst das, dass (Frei-)Raum für Begegnungen, unorthodoxe Kombinationen und ausgefallene Ideen geschafft werden müssen. Denn nur so kann die Kombination von Wissen/Fertigkeiten in unterschiedlichen, meist nicht ergänzenden Bereichen zu neuen, unerwarteten Kernkompetenzen führen. Es braucht Gelegenheiten für einen Austausch über die typischen Prozessschritte hinaus.
 
Im HR braucht es aber auch den Mut auf spannende, andersartige Berufsbibliographien zu setzen und das Wissen und die Erfahrung von Quereinsteigern zu nutzen. Aber auch aktiv einen Mix und den Austausch zwischen den verschiedenen Arbeitsgenerationen herzustellen. Und zu guter Letzt nicht nur die Fachkräfte zu entwickeln, sondern auch die Brückenbauer zwischen den Fachkräften aktiv zu fördern.
 
Denn der erste Schritt zu einer Kernkompetenz entsteht meist nicht auf dem Papier, sondern ganz einfach wenn zwei Mitarbeitende zusammen arbeiten und bessere, schnellere, schönere, effizientere oder effektivere Lösungen suchen. Vorausgesetzt natürlich, man unterstützt dies aktiv, baut die entsprechenden Brücken und lässt ihnen den notwendigen (Frei-)Raum dafür.
Kernkompetenzen stellen dabei strategische Erfolgsfaktoren oder -positionen (SEP) dar und entstehen fast immer aus der erfolgreichen Kombination von Wissen/Fertigkeiten in unterschiedlichen, meist nicht ergänzenden Bereichen. Der Erfolg liegt also in der Verknüpfung von 2 Bereichen, welche auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben.
 
Dies kann durchaus auch die Kombination von weichen Faktoren (Know-how, Erfahrung, Mitarbeitende) mit harten Faktoren (Patente, Standortvorteile, etc.) sein. Z.B ist der Siegeszug von IKEA nicht auf der Kompetenz des Möbeldesign und -herstellung zu begründen, sondern vielmehr in der Verknüpfung von Produktion und Logistik. Apple’s Kernkompetenz liegt in der Kombination der Technologieaffinität mit fast beispielloser Marketingkompetenz. Ohne Matterhorn würde es wohl dem Zermatter Tourismus schwer fallen sich unverwechselbar zu vermarkten.
 
Kernkompetenzen sind also folgendermassen zu
charakterisieren:
  • Wahrnehmbar für den Kunden
  • Kaufrelevant für den Kunden
  • Fast nicht imitierbar/substitutionsfähig
  • Duplizierbar für das Unternehmen
Das Problem dabei ist, dass die wenigstens Kernkompetenzen bewusst gesteuert und entwickelt werden können, sondern teilweise auch durch Zufall, Intuition oder Kundenbedürfnisse erst entstehen.
 
Leider entspricht es deshalb auch der Tatsache, dass – aus der unternehmerischen, strategieorientierten Sicht – die wenigstens Unternehmen wirklich über Kernkompetenzen verfügen. Wahrscheinlich ist das auch gar nicht zwingend notwendig um als Unternehmen am Markt agieren zu können. Den Markt bewegen werden diese Unternehmen aber sicherlich nicht. Dennoch finden wir praktisch auf jeder Homepage eine Aufzählung über die vermeintlichen Kernkompetenzen der Unternehmen. Meist sind dabei aber einfach die Bereiche gemeint, in denen das Unternehmen tätig ist oder jene Werte, die man vermeintlich als Kernkompetenzen einstuft.
 
Kernkompetenzen sind aber nicht statische Bereiche, sondern bedürfen einer stetigen Entwicklung, um den Wettbewerbsvorteil zu erhalten, oder rechtzeitig die Weichen zu stellen, damit die Neuausrichtung der Kompetenzen auch in der Zukunft gewinnbringend eingesetzt werden können. In einer Zeit, in der sich alles immer schneller dreht, in der die Entwicklungsabstände immer kleiner werden und die Technologien sich spiralartig fortbewegen, verlieren aber Unternehmen rasch ihre Kernkompetenzen, wenn sie nicht genügend nah am jetzigen oder zukünftigen Markt, also am Puls der Nutzenstiftung und Nachfrage operieren.
 
Und obwohl der Ansatz der Ausrichtung auf Kernkompetenzen in der strategischen Unternehmensführung auch kritisiert wird (wie wohl fast jede Strategieausrichtung), können wir dennoch einiges davon in den Bereich des HR-Kompetenz-Managements übernehmen.

Kernkompetenzen sind erstrebenswert, da sie sehr profitabel sind, nachhaltig Wirkung erzielen und vielseitig eingesetzt werden können. Bestehende Kernkompetenzen müssen aber auch unbedingt gepflegt und weiterentwickelt werden, um die Vorteile auch weiterhin ausspielen zu können. Insofern sollten in einem Unternehmen alle auf das Ziel „Schaffen und Erhalten von Kernkompetenzen“ hinarbeiten.