Frau Prof. Bischoff, hat sich der vorherrschende Führungsstil seit Mitte der 80er Jahre verändert?
Führungskräfte verhalten sich heute häufiger autoritär als früher. Ich vermute, es liegt daran, dass sie immer weniger Mitarbeiter haben, während der Zeit- und Leistungsdruck gleich geblieben oder sogar gestiegen ist. Auffällig ist, dass die Neigung zu einem autoritären Führungsstil steigt, wenn Manager in der Hierarchie aufsteigen.

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Foto von Headway

Führen Frauen anders als Männer?
Sowohl Männer als auch Frauen führen – je nach Situation – kooperativ oder autoritär. Allerdings verhalten sich Frauen häufiger autoritär als Männer. Das liegt vermutlich daran, dass sich Frauen in Führungspositionen stärker durchsetzen müssen als ihre männlichen Kollegen, weil sie oft mit Vorurteilen zu kämpfen haben.

Welche Erfolgsfaktoren bestimmen die Karrieren von Männern und Frauen?
Für den Berufseinstieg sind Praxiserfahrungen wichtig, für den Aufstieg Spezialkenntnisse. Das Aussehen der Kandidaten spielt interessanterweise eine immer größere Rolle. 32 Prozent der Männer und 26 Prozent der Frauen geben in der aktuellen Studie an, dass ihr Aussehen wichtig für die eigene Karriere gewesen sei. 1986 glaubten das nur circa sechs Prozent der Befragten.

Ihre im Herbst erscheinende Studie heißt: „Wer führt in (die) Zukunft?“ Verraten Sie uns, wer es ist?
Es sind die Männer. Denn noch immer wählen zu wenige Frauen karriereorientierte Studiengänge. 80 Prozent der Führungsnachwuchspositionen werden für Absolventen der Wirtschafts-, Ingenieur- und Naturwissenschaften ausgeschrieben. In diesen Studiengängen hatten wir im Jahr 2000 in Deutschland einen durchschnittlichen Absolventinnenanteil von 25 Prozent. Frauen stellen zwar insgesamt mehr als die Hälfte der Hochschulabsolventen, sie studieren aber nicht „nachfragegerecht“ im Sinne der Wirtschaft.

Das größte Karrierehindernis der Frauen sind also die Frauen selbst?
Nein, das größte Hindernis für Frauen, die Karriere machen wollen, sind Vorurteile. Frauen wird zugeschrieben, dass sie für Familie und Kinder verantwortlich sind. Sie sind deshalb aus Sicht vieler Arbeitgeber mit einem „Schwangerschafts- und Familienrisiko“ behaftet. Diese Zuschreibung führt zu einer extremen Wettbewebsverzerrung am Arbeitsmarkt.

Andererseits suchen viele Unternehmen vergeblich nach weiblichem Managementnachwuchs. Wollen Frauen keine Führungsverantwortung übernehmen?
Doch, aber Frauen machen während ihrer Karriere seltener als Männer positive finanzielle Erfahrungen. Je höher Frauen in der Hierarchie aufsteigen, desto seltener wollen sie weiter hinauf. Der Grund: Ihr Einkommen steigt nicht parallel zum Aufgabenspektrum und der übernommenen Verantwortung. Deshalb fehlt ihnen die Motivation. Hier müssen Unternehmen gegensteuern. Meine aktuelle Studie zeigt, dass die Großunternehmen dies inzwischen erkannt haben. Der allgemeine Einkommensrückgang, den wir zwischen 1998 und 2003 im Mittelmanagement beobachtet haben, trifft weitaus weniger die gut verdienenden Frauen in den umsatzstärkeren Unternehmen.

Behindern fehlende Betreuungsangebote die Karriere?
Unter diesem Problem leiden Managerinnen seltener als Frauen in Nicht-Führungspositionen. Nur sechs bis acht Prozent der Frauen im mittleren Management vermissen Betreuungsangebote. Dieser Wert ist seit 1986 stabil geblieben, obwohl der Anteil der Managerinnen mit Kindern in diesem Zeitraum gestiegen ist. 1986 hatten nur 38 Prozent der befragten Frauen Kinder. Heute sind es schon 59 Prozent. Allerdings haben Unternehmerinnen häufiger und durchschnittlich mehr Kinder als angestellte Managerinnen. 80 Prozent der Unternehmerinnen sind Mütter. Dabei leisten sie meist mehr Wochenarbeitsstunden als Frauen im Angestelltenverhältnis.

Unternehmerinnen können Beruf und Kinder also besser vereinbaren?
Genau. Selbstständige Frauen können sich ihre Zeit besser einteilen und teilweise zu Hause arbeiten. Eine Flexibilisierung von Arbeitszeit und – ort hilft Müttern im Beruf zu bleiben. Wenn die Unternehmen diese Flexibilisierung nicht anbieten, streben Frauen in die Teilzeit. 45 Prozent der von mir in der aktuellen Studie befragten Frauen würden gerne Teilzeit arbeiten. Das ist eine Katastrophe.

Was ist so schlecht an Teilzeit?
Teilzeitkräfte verdienen wenig und haben geringe Chancen, Karriere zu machen. Angestellte Teilzeitführungskräfte verdienen weniger als 40.000 Euro im Jahr. Und was die Karrierechancen angeht: Frauen konkurrieren – bezogen auf die Führungspositionen – mit den Männern. Und Männer sind bereit, Vollzeit zu arbeiten.

Interview: Bettina Geuenich

Quelle: personal manager 6/2004